Aber fangen wir doch mal bei der Zehnjahresgrenze an. Also vor 10 Jahren stand ich in der Mitte meines Studiums und auch vor einigen schwierigen Entscheidungen. Ich hatte mit der Physik angefangen, weil ich es nicht konnte (im Gegensatz zu den anderen naturwissenschaftlichen Fächern war es in meiner Schule leider eher zu kurz gekommen) und nun, da ich an Leistungsnachsweisen etc. so ziemlich die Hälfte davon hinter mich gebracht hatte (und auch sonst entsprechende Einsicht genießen durfte) auch eine gute Idee davon, was es bedeuten würde, dies für den Rest meines Lebens zu machen. Zeitgleich hielt ich immer noch an meinen vielen zeitaufwendigen Hobbies wie Segelfliegen, Theater spielen, Rettungssanitäter etc. pp. fest obwohl diese mich eindeutig im Studium behinderten. Da ich ein sehr entscheidungsfreudiger Mensch bin, stellte ich mich selber vor die Wahl, entweder die Physik richtig durchzuziehen und sie zum Hauptinhalt meines Lebens zu machen oder mich noch mal weiter umzugucken und ggf. mit einem Bachelor abzubrechen (oder in eine andere Naturwissenschaft zu wechseln). Wie wir heute wissen, habe ich mich damals dann für die Physik entschieden und von diesem Zeitpunkt an das Ganze dann auch in akzeptablem Tempo durchgezogen. Bei meinen Hobbies habe ich teils erhebliche Einschnitte machen müssen, aber einige habe ich bis heute nebenbei (als Hobby eben) weiter führen können.
Die nächste Entscheidung, die hier durchaus relevant ist, aber nicht recht in irgendeine der Zeitpläne passt, war die Entscheidung zu meinem Spezialgebiet. Ich hatte mich grundsätzlich eher auf die Kernphysik/Medizinphysik-Ecke eingeschossen, aber in Ermangelung einer guten Diplomarbeit (an der Uni-Klinik Köln wurde mir zwar eine angeboten, aber die hätte zu 80% aus Programmiertätigkeit bestanden, was eindeutig nicht meinen Erwartungen entsprach) habe ich mir dann gedacht: “Tja, die Neutronenphysik ist doch auch nah genug dran” – und in einer Arbeitsgruppe, deren Mitglieder mir seit Jahren vertraut waren, dann entsprechend meine Abschlussarbeit geschrieben. Das ist dann auch für die Scienceblogs wieder relevant, denn wenn ich irgendwo in der Medizinphysik gelandet wäre, dann würde mein Blog sicher nicht Nucular heißen, auch wenn er sich durchaus mit ionisierender Strahlung hätte beschäftigen können, denn Strahlentherapie war damals auch schon eine sehr vielversprechende Option gewesen.
Der Corn hat mich zu Scienceblogs gebracht. Ihr kennt ihn von seinem Blog blooDNAcid, aber wir beide kennen uns schon seit der frühesten Phase unseres Studiums (er Biologie und ich Physik) über ein gemeinsames Hobby und auch wenn wir beruflich nie wirklich was miteinander zu tun hatten, haben wir uns natürlich immer mal wieder im Smalltalk über das Leben in der Wissenschaft, in das wir gerade reinwuchsen, ausgetauscht. Wir hatten dann beide unsere Hobbies (wie schon gesagt) reduziert, um den Sprung in die Wissenschaft zu schaffen, sind aber beide noch ins gleiche Fitnessstudio gegangen, wo ein wenig Zeit für Smalltalk blieb und er mich dann auch mit dem Bloggen anstecken konnte. Einige Jahre nach ihm bin ich dann auch hier gelandet und vor allem nach Festlegung meines interessanten Promotionsthemas habe ich mir gesagt: “Da musst du doch eigentlich die Allgemeinheit dran teilhaben lassen” … und so wurde Nucular geboren.
Wenn ich jetzt eine allgemeine Bilanz meiner Bloggerei ziehen darf, dann fällt diese eigentlich sehr positiv aus. Entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen mit dem Thema “Radioaktivität” einen Shitstorm nach dem anderen auszulösen, der jegliche konstruktive Diskussion im Keim erstickt, herrscht hier ein sehr konstruktives Diskussionsklima. Dies ist natürlich vor allem der Community zu verdanken, die offensichtliche Trolle ziemlich schnell aufspürt und einen herrlichen Selbstreinigungseffekt für die Kommentarzeilen darstellt, bei der ich als Admin bislang eigentlich noch niemals ernsthaft mit der großen Admin-Keule eingreifen musste. In meinem privaten und Arbeitsumfeld ist das Bloggen im Allgemeinen sehr positiv aufgenommen worden und ich muss auf Partys wesentlich mehr “komische Physikfragen” beantworten. Auch durchaus ernstzunehmende Anfragen finden ihren Weg zu mir und vom Reporter auf der Suche nach Uranmunition bis zu entfernten Bekannten, die vor Ihrer Krebs-Strahlentherapie nicht verständlich aufgeklärt worden waren, so dass das nun der freundliche Physiker aus der Nachbarschaft übernehmen musste, ist immer alles dabei. Die negativen Stimmen aus dem beruflichen Umfeld haben meist Bedenken, dass das Thema “Radioaktivität” nicht an die große Glocke gehört und es im Allgemeinen schädlich ist, wenn die “Bevölkerung” getriggert wird, ohne dann eine vollkommene Aufklärung gewährleisten zu können (oder überhaupt den Bedarf dazu zu haben). Das ich da anderer Meinung bin, habe ich ja hier schon öfter zum Besten gegeben und ich sehe das zum großen Teil auch als Generationenkonflikt, vor allem, wenn es um das Thema Transparenz geht. Während die heutige Generation immer gleich alles per Open Source in die Welt hinausschreien möchte, will die vorherige lieber erst in Ruhe Patente beantragen, Rechte sichern und erst nach ausgewogener sicherer (Daten)Lage in einer kontrollierten Weise an die Öffentlichkeit treten.
Tja, dann bleibt eigentlich nur noch von dem letzten Jahr zu berichten. Bei meinen Blogs hat sich im letzten Jahr nicht viel geändert, außer dass ich auch noch unseren offiziellen NeutronSauce Blog bei blogs.fz-juelich.de angefangen habe, um unser Projekt der kompakten Neutronenquellen gezielter zu bewerben. Vor ziemlich einem Jahr habe ich mir vorgenommen, auch einen kleinen Podcast zu beginnen, was sich allerdings als wesentlich schwieriger herausgestellt hat als zunächst gedacht. Schwieriger vor allem, weil ich kaum überschüssige Zeit habe, die ich in dieses Projekt investieren könnte, mir aber von Anfang an vorgenommen habe, einen Grundumsatz von einem PodCast pro Monat zu generieren, um der ganzen Sache Kontinuität zu verleihen. Nun bin ich drei Monate in der Sache drin und habe zwar meine Quote gehalten, aber ich bin mit der Qualität noch absolut nicht zufrieden. Wir haben keine Folge neu aufgenommen und auch für die Nachbereitung habe ich mir immer ein ziemlich strenges Zeitlimit gesetzt, nachdem ich die Sache einfach fertig mache und hochlade, anstatt noch zu versuchen, die Qualität nachträglich irgendwie zu verbessern. Ich hoffe dass sich da Sachen irgendwann einpendeln und zu Gewohnheiten werden, aber mehr Arbeit reinstecken will und kann ich eigentlich nicht.
Die Zukunft hält auch noch sehr viel für mich bereit. Beruflich wird sich im nächsten Jahr wahrscheinlich entscheiden, wie es mit unserem Projekt weitergeht und auch meine persönliche Zukunft wird damit eng verknüpft sein. Privat bin ich jetzt in der Phase, wo man eine Familie gründen kann/will/soll und ein fester Job mit einem geregelten Einkommen wäre dafür eine recht nette Sache… naja. Wie es mit Scienceblogs und dem NeutronCast weitergeht kann ich momentan absolut noch nicht sagen. Solange unser Neutronenquellen-Projekt darum kämpft, geboren zu werden ist die Aufmerksamkeit (wieviel auch immer das ist) sehr willkommen und solange ich in dem Projekt arbeite, werde ich das hier auch in der bisherigen Form am Leben halten. Was danach passiert, steht in den Sternen und euer Tip ist da genauso gut wie der meinige. Mir macht es hier auf jeden Fall sehr viel Spaß und ich würde mich sehr freuen, wenn uns allen die Scienceblogs noch so lang wie möglich erhalten bleiben. Wenn ich darüber hinaus auch noch ein Teil des Ganzen werden/bleiben kann… um so besser.
Liebe Grüße
Tobi
]]>ich sehe in der Wissenschaft eine sehr starke Kraft, um für die anstehenden Probleme der Menschheit gute und sinnvolle Lösungsansätze zu finden. OHNE ein ABER.
Wissenschaft ist eben nicht seelenlos und mechanistisch, sondern einfach nur eine Methode zur Erkenntnisgewinnung, und zwar eine viel sinnvollere als alle früher angewandten Methoden zusammen (beispielsweise Deuten des Vogelfluges, Untersuchen einer tierischen Leber oder Lesen aus dem Kaffeesatz, und die wundersame Glaskugel sei noch extra bedacht…).
Das wissenschaftliche Prinzip der Falsifikation klingt schwierig, ist aber einfach: guck nicht nur, was dafür spricht, sondern sieh vor allem genau hin, was dagegen spricht!
kann man auch fachchinesisch: hypothesenwiderlegend testen. ein sehr sinnvolles Prinzip in jeder Lebenslage.
sinnvoll für alle Menschen, denn wir leben in einer Welt voller betrügerischer Absichten… Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Verdummungstaktiken werden zum Nachteil von Menschen eingesetzt, denen man hinterher dann noch stillschweigend oder hämisch-direkt zu verstehen gibt, daß sie selbst schuld sind, denn was lassen sie sich auch bescheißen…!
es handelt sich aber eben nicht um Kleinigkeiten, sondern das geht alle an.
und daher die Frage, die ich mir immer schon stellte… was spricht gegen ein Vernetzen von Wissenschaftlern?
Scienceblogs ist ein guter Anfang.
ich kenne noch weitere Anfänge im web. beispielsweise zur Lebensmittelchemie und weiteren Themen rund um die Ernährung, EU.LE. eV.
jeder Artikel lesenswert, die Videobeiträge interessant! ich selbst habe noch keinen Fehler entdeckt – was natürlich auch an mir liegen kann, denn ich bin kein Chemiker.
dann die GWUP, die zugegebenermaßen keinen so umwerfenden Internetauftritt hat. dafür den lesenswerten Skeptiker, das von der GWUP herausgegebene vierteljährliche Journal, mit guten Artikeln rund um Scharlatanerie und der zugehörigen Widerlegung.
um die Mythbusters zu verstehen, braucht es allerdings Fremdsprachenkenntnisse, ebenso wie bei den verschiedenen nationalen skeptischen Vereinigungen.
es existiert sogar ein Dachverband, der European Council of Sceptical Organisations ESCO.
Ein gegenseitiges Vernetzen ist in meinen Augen vorteilhaft. mir fällt nichts ein, das dagegen spricht. Euch vielleicht?
]]>Aber einen Aspekt, der mich vor allem in meinen Anfangsjahren zumindest verwirrt, später aber auch konkret beschäftigt hat, haben wir bisher noch gar nicht angesprochen: die Feindseligkeit, die den ScienceBlogs immer wieder entgegen schlug und gelegentlich noch entgegen schlägt. Und damit meine ich nicht die gelegentlich heftig, manchmal leider auch zu persönlich und nicht selten unversöhnlich geführten Kommentarschlachten – das gehört zum Metier, und des einen Troll ist des anderen willkommener Mitstreiter. Ich könnte mir eigentlich nur eines vorstellen, das schlimmer ist als eine Seite auf der so heftig und engagiert gestritten wird – eine Seite, auf der engagierte Streitgespräche gar nicht zustande kommen, weil sich immer nur Gleichgesinnte gegenseitig zu nicken und in ihren Positionen bestärken.
Die Feindseligkeit, die ich hier meine, ist eine grundsätzlichere – eine, die allein schon die Existenz eines Wissenschaftsblogs und vermutlich sogar die Existenz der Wissenschaft an sich als einen Affront gegen ihre eigene Weltsicht empfindet. Und die behauptet, dass wissenschaftlich begründete Kritik an ihren eigenen kuriosen Weltsichen unrecht im juristischen Sinn sei. Kurz: Die unterstellen, dass unsere Wissenschaftsblogs entweder selbst kriminell sind oder zumindest kriminelle Handlungen anderer unterstützen (und sich damit zumindest der Beihilfe schuldig machen). Vereinzelte Vertreter dieser Fraktion schlagen ja hier ab und zu ja immer noch auf…
Und nein, ich werde hier nicht “Ross und Reiter” nennen und auf irgendwelche Webseiten hier verlinken, das würde diese Scharlatane (um die handelt es sich meist – dazu gleich noch ein bisschen mehr) ja nur aufwerten. Wer sich nicht selbst daran erinnern kann, wird schon mit einer kurzen Google-Suche schnell fündig werden (nicht jeder Link ist ein Treffer, aber mit ein bisschen blättern wird schnell klar, worauf ich hier abziele).
Hier muss ich erst mal zugeben, dass ich, was die pseudowissenschaftliche und esoterische (um mal einen Sammelbegriff zu wählen) Szene anging, noch sehr naiv war, als ich vor etwa zehn Jahren hier mit dem Bloggen anfing: Dass es Kreise gibt, die sich dem Kampf gegen die Relativitätstheorie oder gegen den sphärischen Aufbau unseres Planeten verschrieben haben, hätte ich damals bestenfalls für einen Scherz und in keinem Fall für etwas gehalten, dem ein denkender Mensch im 21. Jahrhundert Platz in seiner Hirnschale gewähren würde. Astrologie begegnete mir lediglich in der Form von zur – wer könnte da auch nur etwas anderes glauben – reinen Unterhaltung getexteten Zeitungshoroskopen und auf den chinesischen Neujahrspartys eines Freundes, wo astrologische Wahrsager zum Spaß der Gäste sich mit ihren durchsichtigen und oft ganz platt falschen (“Sie haben zwei erwachsene Kinder”, wollte einer mal aus meiner Handfläche in Kombination mit meinem Geburtsjahr gelesen haben) blamieren durften. Homöopathie, das waren jene kleinen Zuckerkugelröllchen oder Tinkturen, die es für ein paar Dollar in der Apotheke zu kaufen gab und auf die meine Freundinnen/Freunde zumeist dann zugriffen, wenn sie nicht schlafen konnten oder der Schnupfen sie plagte. Von “belebtem Wasser” (womit nicht das biologische Leben im Wasser gemeint war) hatte ich bis dahin noch nie gehört…
Aber ich hatte, zugegebener Weise, sowieso nur wenig Ahnung von dem, was in der noch neuen Welt der Blogs (WordPress.com ging 2007 an den Start, den Google-Service Blogger.com gab es zwar schon etwas länger, aber einen breiteren Auftritt hatte er auch erst seit 2006) so abging. Ebenso wenig Ahnung wie von der Eso-Szene hatte ich von der Skeptiker-Szene – was aber wie ich gerne zugebe, eher daran lag, dass ich ein Argumentieren auf drr Basis der aufgeklärten Vernunft nie als “skeptisch” beschreiben würde und daher dem Begriff selbst erst mal gar keine inhaltliche Bedeutung beimessen konnte. Ich hätte nie gedacht, dass ich – wie in einem der Anti-Skeptiker-Blogs tatsächlich geschehen – dem “harten Kern der Skeptiker-Bewegung” zugerechnet werden müsste. Aber man lernt ja schnell…
Und eines, was ich sehr schnell lernen musste war, dass in Esoterikerkreisen aller Art (von Evolutions- und Einsteingegnern bis hin zu Sterndeutern und Wunderheilern) alles, was “skeptisch” (also auf Vernunft basierend) als “kriminell” verunglimpft wurde. Esowatch (heute Psiram) wurde in den einschlägigen Kreisen immer mit diesem adjektiv kombiniert, und ScienceBlogs.de der Komplizenschaft bezichtigt. Worin genau diese “Internetkriminalität” bestehen sollte, das blieb oft im Dunkeln – juristische Kompetenz war jedenfalls nicht zu erkennen. Die Staatsanwaltschaft in Landau (Rheinland-Pfalz) ermittele gegen Esowatch, hieß es – und das galt den einschlägigen Kreisen als Beweis für kriminelle Handlungen.
Als ich Anfang 2011 die redaktionelle Betreuung der ScienceBlogs.de übernahm, wollte ich’s nun doch mal wissen (nachdem ein Vertreter der Szene darüber spekuliert hatte, dass ich der Betreiber dieser Seite sein müsse). Also schrieb ich die Staatsanwaltschaft in Landau an. Und erhielt am 17. Januar 2011 diese Antwort:
Sehr geehrter Herr Schoenstein,
es wird mitgeteilt, dass eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Internet-Seite “Esowatch” an die Staatsanwaltschaft München abgegeben und von dort übernommen worden ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. (Name entfernt)
Leitender Oberstaatsanwalt
Staatsanwaltschaft Landau
Hmm. “Ermittelt” wurde in Landau also nicht, aber immerhin wurde eine Anzeige entgegengenommen und dann – aus welchen Gründen auch immer, dazu sagt das Schreiben nichts – an die Staatsanwaltschaft München weitergeleitet. Also wollte wissen, was die dazu zu sagen haben. Die Antwort dauerte nur ein paar Tage:
Sehr geehrter Herr Schoenstein,
ein Verfahren gegen die Webseite Esowatch.de konnte ich nicht feststellen, was aber auch nichts Ungewöhnliches ist, da staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren “gegen Webseiten” rechtlich nicht möglich sind.
Mit freundlichen Grüßen
(Name entfernt)
Pressesprecherin
Staatsanwaltschaft München I
Linprunstr. 25, 80335 München
Gegen wen da auch immer ermittelt wurde – es war definitiv nicht gegen die Webseite. Aber was bedeutet eigentlich “ermitteln”? Nun, das konnte ich, eineinhalb Jahre später, dank einer anderen (nicht mit Esowatch zusammenhängenden) Strafanzeige, die diesmal direkt gegen mich gerichtet war und von der ich per email am 31.10.2013 informiert wurde, aus erster Hand erfahren:
Sehr geehrter Herr Schönstein,
bei hiesiger Dienststelle werden Ermittlungen gegen Sie und Herrn (Name des Bloggers/der Bloggerin entfernt) wegen der Blogs
in (Blogname entfernt) – ScienceBlogs
vom 15. Juli 2013 durch (Kommentator-Nick entfernt)
vom 14. August 2013 durch (Kommentator-Nick entfernt)bzgl. Herrn Dr. (Name entfernt)
geführt.
Namens der Staatsanwaltschaft Landshut, bei der die Anzeige durch Dr. (Name entfernt) wegen Beleidigung erstattet wurde, sollen Ihre Personalien (Name, Vorname, Geb.-Dat., Geb.-Ort., Familienstand, Beruf, Adresse) und ihr tatsächlicher Aufenthalt (ggf die Dauer eines Auslandsaufenthaltes) ermittelt werden.
Bitte teilen Sie mir die gewünschten Daten mit. Für Rückfragen stehe ich unter u.g. Tel
(werktags von 06.45 Uhr – 15.00 Uhr) gerne zur Verfügung.Mit freundlichen Grüßen
(Name entfernt)
Polizeihauptkommissar
PI Landshut
Aha! Alles, was der Polizeihauptkommissar ermitteln sollte, waren meine Personalien und mein Aufenthaltsort. Ich wies den Beamten freundlich darauf hin, dass er sich bitte schriftlich an die zuständige Adresse (die stand im Impressum und war damals noch in den USA) wenden möge, da ich auf email-Anfragen keine Auskunft zu meiner Person geben würde. Doch noch ehe dort ein Schreiben einging, war die Sache offenbar schon vom Tisch, ohne dass ich auch nur ein einziges Mal zu irgend einem Detail befragt – geschweige denn “verhört” – wurde. Etwa zwei Wochen nach dieser Anfrage erreichte mich folgende email:
Akten-Geschäftszeichen Js 25577/13
Ermittlungsverfahren gegen Sie wegen BeleidigungSehr geehrter Herr Schönstein,
in dem oben genannten Verfahren habe ich mit Verfügung vom 11.12.2013 folgende Entscheidung getroffen:
Das Ermittlungsverfahren wird gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.Mit freundlichen Grüßen
gez. (Name entfernt)
Staatsanwältin
Und falls nun jemand wissen will, was sich hinter dem Paragraphen der Strafprozessordnung verbirgt, den die Staatsanwältin hier bemühen musste, hier der Wortlaut des Gesetzes:
§ 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Merke: Nur weil irgendwo eine Behörde ermittelt, heißt das noch lange nicht, dass jemand kriminell ist. Anzeigen sind leicht erstattet, und selbst eine Prüfung, ob diese Anzeige berechtigt ist, stellt bereits eine Ermittlung dar. Wer jedoch ScienceBlogs als “kriminell” bezeichnet, ohne dass es dafür eine Begründung gibt, sollte sich bewusst sein, dass er oder sie damit just jene Straftat begangen hat, derer wir bezichtigt wurden. Alles weitere spricht für sich…
Natürlich haben wir noch öfter Post von Anwälten bekommen, und manchmal waren wir in der Tat im Unrecht – zum Beispiel, wenn wir Feinheiten bei der Verwendung von Bildmaterial und bei der Vergabe der Bildnachweise übersehen hatten. Das ist ärgerlich – umso ärgerlicher, weil es ja nicht in böser Absicht geschieht. Aber das sind zivilrechtliche Angelegenheiten. Wer uns also in Handschellen sehen möchte, wird sicher auch in den kommenden Jahrzehnten enttäuscht werden…
]]>Zum Jubiläum eine Extra-Ausgabe Friday-Cephalopod, wie versprochen.
Die Intelligenz der Tintenfische ist legendär, ihre Sozialkompetenz beim Mutterinstinkt oder Schwarmverhalten scheint mitunter bestechend und ihre Tarnfähigkeiten werden mit denen eines klingonischen Raumschiffes verglichen. Die Interaktionen der marinen Tentakelträger in Aquarien oder im Freiland, untereinander und mit Menschen werden oft wohlwollend anthropozentrisch als emotionale Ausbrüche gewertet.
Heute gibt es mehr als 800 Arten, bisher sind über 10000 ausgestorbene Arten bekannt. Alle Cephalopoden waren zu allen Zeiten an die Ozeane gebunden, manche gehen bis ins Brackwasser hinein. Bis heute ist kein Cephalopode, weder fossil noch rezent, bekannt, der im Süßwasser lebt oder lebte.
Wer ist eigentlich wer unter den Kopffüßern? Know your cephalopods!
Gibt es eigentlich „Die Kopffüßer“ und kann man kann über diese große Gruppe überhaupt generelle Aussagen machen?
Die Kopffüßer (Cephalopoden) sind eine große und diverse Gruppe von Tieren, die seit dem späten Kambrium, also seit mehr als 500 Millionen Jahren, in unseren Ozeanen leben. Seit dem Ordovizium im Erdaltertum, also seit 485 Millionen Jahren, spielen sie eine entscheidende Rolle in den irdischen Ozeanen und haben immer neben den Wirbeltieren des Meeres ihren Platz in der Megafauna behauptet. Als Jäger und Gejagte. Als Singles oder im koordiniert agierenden Schwarm. In allen Meerestiefen und bei allen Temperaturen.
In dieser langen Zeit haben sie ebenso gewaltige Veränderungen durchlaufen wie die Wirbeltiere oder andere große Tiergruppen. Die heute lebenden Cephalopoden sind hoch entwickelte Meereswesen und die einzelnen Gruppen unterscheiden sich erheblich in ihrer Form und ihrem Wesen.
Die genaue systematische Zuordnung der heute lebenden Gruppen ist nicht unumstritten, Ketrina Yims herrliches Poster „Know your cephalopods!“ zeigt eine Übersicht.
Im Folgenden habe ich mich im Wesentlich an die auf der deutschen Wikipedia-Seite vorgestellte Systematik gehalten, die sich auf Clyde Ropers Arbeiten bezieht. Er ist einer der Nestoren der Tintenfisch-Forschung. Die Zuordnung einiger Untergruppen wie der Zwergsepien und der Vampirtintenfische ist nicht ganz unumstritten, aber solche Details sind für uns hier unerheblich.
Ich stelle die einzelnen Gruppen nur knapp vor und verlinke dann zu den weiterführenden Meertext-Beiträgen. Daneben lohnt es sich natürlich auch, unter den entsprechenden Schlagworten selbst noch einmal zu Meertext durchsuchen.
Cephalopoda: Kopffüßer
Alle Kopffüßer haben flexible Gliedmaßen, die am Kopf angesetzt und als Kranz den Schnabel und die Mundöffnung umgeben. Diese muskulösen Gliedmaßen funktionieren mit hydrostatischem Druck.
Es gibt verschiedene Arten von Gliedmaßen: Arme und Tentakel. Grundsätzlich ist ein Arm eine Extremität, die über den größten Teil der Länge Saugnäpfe trägt. Tentakel hingegen tragen meistens nur am vom Kopf entfernten (=distalen) Ende Saugnäpfe. Oft sind sie am Ende verdickt und bilden dann eine Tentakelkeule aus.
Oktopusse haben 8 Arme, Kalmare und Sepien haben grundsätzlich 8 Arme und 2 Tentakel. Nautilus hat um die 60 bis 90 kleine Tentakel.
Männliche Kopffüßer bilden oft einen Arm als Hectocotylus aus, der für die Spermienübertragung spezifiziert ist.
Mehr über den Hectocotylus und den komplexen Geschlechtsapparat der Kraken und ihre Gehirne gibt es hier.
Je nach Gruppe können sie Außen- oder Innenschalen haben.
Nautiloide: Perlboote
Das Perlboot mit seiner planspiralig aufgedrehten glatten Außenschale und den 60 bis 90 Tentakelchen schwebt entschleunigt in der Wassersäule der tropischen Ozeane.
Nautiloide haben ihre besten Jahre – oder eher Jahrmillionen – hinter sich, sie sind Überlebende der einst vielformigen und vielköpfigen Gruppe der Nautiliden aus dem Erdmittelalter. Sie sind nicht näher verwandt mit den Ammoniten, Schalen und Sipho sind bei beiden Gruppen recht unterschiedlich gebaut.
Fossil sind über 800 Gattungen bekannt, 90 % davon lebten im Erdaltertum (Paläozoikum), „in der Trias kamen noch etwas über 30 Gattungen vor, etwa 26 im Jungmesozoikum (Jura und Kreide), 9 im Paläogen und 3 im Neogen. Heute leben noch 2 Gattungen, Nautilus mit 4 Arten und Allonautilus mit einer Art. Beide kommen im zentralen Indopazifik von den Philippinen bis Samoa vor.“
Auch physiologisch sind die Perlboote eine Reliktart und haben spezielle Anpassungen für das Leben in größeren Meerestiefen zu leben.
Nautilus hat keine Tintenblase und ist kein Tintenfisch. Ihr Herz und ihre Kiemen sind weniger leistungsfähig als die der Tintenfische.
Mit ihrer eher bedächtigen Lebensweise wirken die Perlboote wie aus der Zeit gefallen, ihre Perlmutt-Schale – nur die äußere Schicht ist aus Kalk – erfreut sich großer Beliebtheit bei Menschen und so sind diese ungewöhnlichen Tiere heute leider bedroht.
Bitte kaufen Sie niemals eine Nautilus-Schale!
Alle anderen heute lebenden Kopffüßer gehören den Tintenfischen an.
Tintenfische (Coleoidea oder Dibranchiata):
Neben der Tintendrüse zeichnen sie sich aus durch die starke Entwicklung leistungsfähiger Sinnesorgane – vor allem der optische Sinn ist exzellent, dementsprechend ist das Sehganglion zu einer gehirnähnlichen Struktur ausgebildet.
Heute dominieren zwei große Gruppen der Tintenfische diese Weichtierklasse: Die achtarmigen Octopoden (8 Arme) und die zehnarmigen Decabrachiata (8 Arme plus 2 Tentakel).
Octopoda:
Achtarmige Tintenfische ohne Schale.
Octopoda: Incirrata (Incirrina)
Incirrata haben 8 Arme und 0 Tentakel, sie sind der Inbegriff des Oktopus, Octopus vulgaris dürfte einer der bekanntesten sein.
Meist leben sie in der Nähe des Meeresbodens oder bewegen sich auf Sand, Fels und anderen Untergründen. Dabei scheinen sie mit einer amorph wirkenden Form mehr dahinzufließen, als zu laufen. Wenn sie es sehr eilig haben, können sie mit dem Rückstoßprinzip auch schwimmen.
Ihre Haut ist nicht glatt, sondern hat oft kleine Fortsätze, so dass sie neben der Farbe auch noch ihre Struktur an den Meeresboden anpassen können. Durch ihre Körperhaltung und “Gestik” können sie ihre Form erfolgreich verfälschen.
Sie werden, wie Sepien und Kalmare, stark befischt.
Eigentlich verwunderlich, dass trotz der Faszination der Andersartigkeit und ihrer nachgewiesenen Intelligenz immer noch so viele Menschen diese Tiere verspeisen. Delphine haben solche Bedenken selbstverständlich nicht. Allerdings können die vielarmigen Weichtiere auch wehrhaft auftreten, so hat unter anderem ein Krake offenbar einen Hai erwürgt.
Trotz ihrer offenkundigen Andersartigkeit als Wirbeltiere erscheinen Kraken zwar fremdartig, haben aber keinesfalls außerirdische Verwandtschaft. Aufgrund eines Mißverständnisses anläßlich einer Pressekonferenz über das Kraken-Genom hatten einige Journalisten tatsächliches so etwas geschrieben. Also: Octopusse sind keine Aliens!
Octopoda: Cirrata (Cirrina)
8 Arme, 0 Tentakel und zwei Flossen. Die 8 Arme tragen Cirren, kleine Haken aus Chitin, mit denen die Tiere ihre Beute festhalten können.
Anders als ihre Verwandten ohne Cirren leben sie im freien Wasser schwimmend und sind meist spezialisiert auf größere Tiefen. Von der Eleganz und Schnelligkeit ihrer 10-armigen Verwandten, den Kalmaren, sind sie weit entfernt. Von pfeilschnellem Schwimmen ist bei ihnen nichts zu sehen, sie segeln, knollig-knuffig gerundet, mit ihren rundlichen Flügelchen durchs Wasser wie der Disney-Elefant Dumbo durch die Luft. Da diese Flossen wie die Ohren des fliegenden Elefanten positioniert sind, heißen diese Unterwasserflieger unter Cephalopoden-Experten auch „Dumbo“s oder Dumbo-Octopusse.
Ihren Auftrieb erhalten diese Tiefseekopffüßer durch Ammoniak. Das macht sie für Menschen ungenießbar, sie werden nicht befischt und gehandelt und sind daher nicht gefährdet. Allerdings bleiben sie so auch den meisten Menschen unbekannt.
Vampyromorphidae: Vampirtintenfische
Ein dunkelrotes Männtelchen, blau glühende Augen und fiese Haken an der Innenseite der Arme – diese Äußerlichkeiten bewogen den deutschen Zoologen Carl Chun auf der deutschen Valdivia- Tiefseeexpedition , seine Neuentdeckung „Vampirtintenfisch aus der Hölle“ zu nennen. Er hat 8 Arme mit Cirren und in Taschen verborgen noch zwei lange bleiche Tentakel.
Lange blieb die Lebensweise des geheimnisvollen Kopffüßers nahezu unbekannt, erst mit dem technischen Fortschritt konnte der nur 30 Zentimeter kleinen Kopffüßer endlich beobachtet werden. Seitdem wissen wir: Der kleine Schein-Octopus zieht sich zum schnellen Schwimmen sein rotes Mäntelchen über den Kopf, er kann leuchtende Wolken ausstoßen und … als einziger Tintenfisch ist er kein Jäger! Stattdessen nutzt er seine Arme und Tentakel zum Aufspüren und Einschleimen von Meeresschnee, also Detritus. Wie alle Kopffüßer, hat er ein faszinierendes Liebesleben.
Der Tiefseevampir ist der einzige seiner Art und durch seine Lebensweise in der Abgeschiedenheit der Meerestiefe und seinen kommerziell nicht verwertbaren Körper geschützt.
Dieser Kopffüßer übt seit meiner Studienzeit eine ungeheure Anziehungskraft auf mich aus, darum habe ich mehrfach detailliert über ihn geschrieben.
Die zweite große Gruppe der Tintenfische sind die Decabrachia (Zehnarmigen Tintenfische): Teuthida (Kalmare), Sepiida (Echten Tintenfischen), Sepiolida (Zwergtintenfischen) und dem Spirulida (Posthörnchen)
Ganz genau betrachtet, haben diese Tiere 8 Arme und 2 Tentakel!
Die Teuthida (Kalmare) sind mit über 250 Arten die größte Gruppe innerhalb der heute lebenden Cephalopoden. Sie haben 10 Arme und 2 Tentakel, oftmals mit Tentakelkeulen ausgestattet: Das verbreiterte Ende der Tentakeln ist mit großen Saugnäpfen besetzt.
Die Tentakel schleudern sie zum Nahrungserwerb nach vorn und fangen damit ihre Beute, die mit kleineren Saugnäpfen besetzten Arme helfen dann, die Beute zur Mundöffnung zu führen.
Kalmare sind schnelle und gewandte Jäger des freien Wassers. Manche Arten leben in Schwärmen, die mittels ausgefeilter Kommunikation ihr Schwimmverhalten synchronisieren können. Die Kommunikation erfolgt vor allem optisch über Farben und Leuchtorgane.
Sie leben mitten in der Wassersäule des freien Ozeans und schaffen es dennoch, sich mit Farb– und Leuchtspielchen zu tarnen. Schließlich sind sie für alle größeren Beutegreifer des Meeres in pralles Proteinpaket.
Wie alle Tintenfische folgt auf eine wilde Paarung die fürsorgliche Brutpflege.
Kalmare haben einen inneren Schalenrest aus dünnem Chitin unter der Rückenhaut liegen, den Gladius.
Sepiida (Echte Tintenfische): Die Sepien haben 10 Arme und zwei Tentakel.
Sepien sind anders proportioniert als Kalmare: Ihre rundlich-abgeflachten Körper haben einen unter den gesamten Rückenhaut liegenden kalkigen Schulp als Auftriebshilfe. Sie sind oft eher gemächlich und nahe des Meeresbodens unterwegs. Der Schulp ist den meisten Menschen aus dem Vogelkäfig bekannt, daran dürfen sich die gefiederten Lieblinge den Schnabel wetzen.
Sepien haben einen Tintenbeutel, der schon in der Antike zur Farbgewinnung benutzt wurde, die Farbe „Sepia“, ein schwärzliches Braun, ist nach ihnen benannt.
Sie sind etwas rundlicher und langsamer als ihre gestreckten Vettern und halten sich gern in der Nähe des Meeresgrundes auf. Ihre Farbspiele und Tarnmöglichkeiten sind legendär. Das schwarz-weiß gestreifte Hochzeitskleid lässt sie wie Zebras der Meere wirken, mit einer anderen Tarnung in Kombination mit der „Nilpferd-Haltung“ wirken sie eher wie ozeanische Nilpferdchen.
Sie haben allen Grund zu dieser Perfektion an Tarnung, langsam, nicht wehrhaft und proteinreich sind sie nicht nur für Delphine der perfekte Happen. Die gewieften Zahnwale haben an verschiedenen Orten weltweit gleich eine ganze Reihe von Strategien zum Verspeisen einer Sepia entwickelt.
Sepiolida (Zwergtintenfische): Sie sind nahe mit den Sepien verwandt und sehen ihnen sehr ähnlich. Manche Wissenschaftler zählen sie zu den Sepien. Sepioliden haben ebenfalls einen ovalen Körper, sind aber rundlicher als Sepien. Sie haben 8 kleine Arme und 2 Tentakelchen. Ihr außergewöhnlichstes Merkmal ist ihre Symbiose mit biolumineszenten Bakterien, darunter auch Vibrio fischeri, wodurch sie schillern. Diese Endosymbionten leben in einem Leuchtorgan im Mantel der Kopffüßer. Die Zwergsepie versorgt ihre Bakterien mit einer Zucker-Aminosäure-Lösung, dafür senden die Bakterien Licht aus. So verschwindet die Zwergsepie – von unten betrachtet – im einfallenden Licht. Diese Discobeleuchtung ist die perfekte Camouflage für den nicht sehr großen, nicht sehr schnellen und nicht sehr wehrhaften kleinen Tintenfisch.
Meistens kauert sich das kleine Weichtier in den Sand, klappt Tentakel und Flossen ein und guckt aus großen Augen in den Ozean. Diese scheinbar aufgerissenen Augen und die rundliche Figur sorgen selbst bei einem wirbellosen Tier für ein Kindchenschema par excellence und sorgen dafür, dass ich unsachlich werde….diesindjasoooosüüüß!
Spirulidae: Das Posthörnchen (Spirula spirula) ist ganz allein in einer eigenen Gruppe. Es ist der letzte Überlebende einer einstmals größeren Gruppe, die mit 8 kurzen Armen und 2 längeren Tentakeln den Sepiidae sehr ähnlich ist. Manche Forscher stellen sie in die Sepiidae.
Außergewöhnlich sind Spirulidae durch ihre Schale:
Im Mantel verborgen hat ein Posthörnchen ein spiralig gewundenes Gehäuse, dessen Windungen sich nicht berühren, wie ein Widdergehörn. „Das Gehäuse hat einen Durchmesser von 2 bis 3 cm und ist in verschiedene
Kammern unterteilt, in denen Gas enthalten ist. Das Gas in den einzelnen Kammern kann von dem Tier in geringem Maße reguliert werden und hält das Tier im „Kopfstand“ schwebend in der Wassersäule. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung wird das Gehäuse nicht zum Auf- oder Abstieg in der Wassersäule benutzt. Das Tierchen bewegt sich rasch mit Hilfe seiner Flossen vorwärts und auch in der Wassersäule auf- und abwärts. Das Posthörnchen verfügt über zehn Arme, von denen zwei zu Fangarmen ausgebildet sind.“
Diese winzigen Tintenfische mit der ungewöhnlichen Spiralschale leben vor allem in tropischen Gewässern.
Ein einziges Mal habe ich die Schale einer Spirula am Strand gefunden: Die winzige, perfekte weiße Spirale strahlte mich auf dem schwarzen vulkanischen Sand von la Palma regelrecht an.
Die ausgestorbenen Belemniten gehören zu den Tintenfischen, bei einzelnen, außergewöhnlich gut erhaltenen fossilen Exemplaren sind Tintenblasen nachgewiesen.
Die Ammoniten hingegen haben offenbar keine Tintenbeutel gehabt, sie sind keine Tintenfische.
Damit sollte die Verwandtschaft der Meerestiere mit den vielen Armen und Tentakeln erst einmal geklärt sein.
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Als Ende 2007 so über die Zukunft der Stammzellforschung in Deutschland diskutiert wurde, machte mich das so wütend, dass ich entschied, mich nicht nur über Artikel in Zeitungen zu ärgern, sondern meinem Ärger Luft zu verschaffen und in Form eines Blogs dagegen anzuschreiben. Ironisch, manchmal zynisch, aber immer aus der Sicht eines tatsächlich forschenden Wissenschaftlers.
Ich traf mit meinen ersten Schreibversuchen offenbar Ton und Thema und drei Monate später zog mein noch junges Blog zu den ScienceBlogs um und WeiterGen war geboren. Rekrutiert worden bin ich damals übrigens von Beatrice Lugger. Die damalige Chefredakteurin der ScienceBlogs ist eine der Ausnahmefiguren in der deutschsprachigen Wissenschaftskommunikationszene – und das schreibe ich nicht, weil sie akutell als Direktorin am NaWik meine direkte Vorgesetze ist (mehr davon später).
Es folgten Jahre produktivsten Schaffens. Tags wurde im Labor geforscht und abends, oft bis spät in die Nacht, wurde für WeiterGen recherchiert, geschrieben, kommentiert und publiziert.
Der Mischung der Frustrationen aus nicht funktionierenden Experimenten im Labor, abgelehnten wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die meinen Wissenschaftsalltag charakterisierende fehlende Unterstützung durch Vorgesetze, stand etwas Positives gegenüber: Ich bekam meine regelmäßige Dosis Glückshormone durch die Publikation meiner Artikel im Blog, durch die lebhaften Diskussionen in den Kommentarspalten und durch den täglichen Blick auf meine Leserzahlen in Google Analytics.
Meine Texte wurden durch viel üben besser, ich wurde als Blogger zu Konferenzen eingeladen: Dem EMBO-Meeting und – auch wieder katalysiert durch Kontakte von Beatrice Lugger – zu mehreren Lindau Nobel Laureate Meetings; und ich bekam ein Angebot, bei einem renommierten Verlag ein populärwissenschaftliches Buch zu veröffentlichen.
Zu letzterem sollte es nie kommen. Der Buchvertrag und der Wunsch, mehr Blogartikel zu schreiben, fiel meiner damaligen Entscheidung zum Opfer, mich auf meine akademische Laufbahn zu konzentrieren. Eine Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Zwei Jahre später, mit neun Papers aus dem Postdoc, und nach Bewerbungen an Unis und Instituten weltweit, hatte ich immer noch keine Stelle als unabhängiger Forschungsgruppenleiter.
Ich entschied mich für einen Richtungswechsel. Mein trotziger Gedanke war: Wenn ich nach zehn Jahren Wissenschaft, also vier Jahren Doktorarbeit und fast sechs Jahren Postdoc, den nächsten Schritt nicht komfortabel gehen kann, dann mache ich eben etwas anderes.
Ich hatte Angst vor dem Schritt ins Ungewisse, aber ich hatte ein Leitmotiv: Durch meine Erfahrung mit dem Bloggen wusste ich: Es wird irgendwas mit Wissenschaftskommunikation.
Ich gründete ein Software-Startup, mit dem wir Wissenschaftler halfen, mit der aktuellen und jeweils relevanten Fachliteratur auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Ich gründete eine Agentur für Wissenschaftskommunikation mit Spezialisierung auf Kommunikation für große, internationale Forschungsprojekte. Ich fing an, Workshops für Wissenschaftler zu geben. Und ich nahm vor knapp drei Jahren das Angebot an, am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) in Karlsruhe zu arbeiten.
Aus meiner Leidenschaft ist also in den letzten zehn Jahren mein Beruf geworden, und aus Beatrice Lugger, der Person, die mich damals zu den ScienceBlogs geholt hat, ist meine Vorgesetzte und Mentorin geworden. Ohne WeiterGen wäre ich nie da gelandet wo ich jetzt bin.
Ich sollte ScienceBlogs dankbarer sein und wieder mehr Artikel schreiben. An möglichen Themen mangelt es wahrlich nicht. Ich mache mich auf die Suche nach der Zeit, die ich vor zehn Jahren dafür gefunden habe.
]]>Dass also unsere SciLogs ihr zehnjähriges Jubiläum vor den Scienceblogs feierten, mag man angesichts dieser Entstehungsgeschichte als dichterische Freiheit werten. Das Jubiläum jedenfalls markiert einen Wendepunkt in dem, was wir heute als Wissenschaftskommunikation bezeichnen. Blogs gaben schon vorher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern – aber erst Plattformen wie die Scienceblogs haben Blogs eine Aura des Professionalismus verliehen, und nicht zuletzt Zugang zu einem größeren Publikum, das ihren Kram auch liest.
Die Erfahrung der letzten zehn Jahre lehrt, dass Wissenschaftsblogs in Deutschland ohne den Plattform-Effekt wohl bei weitem nicht ihre heutige Bekanntheit hätten. Nicht zuletzt, weil auch zehn Jahre später noch Hürden und Vorbehalte in der Forschungslandschaft existieren. Zeitverschwendung und allgemeiner Mangel an Niveau sind nur die zwei häufigsten Vorwürfe, die über Wissenschaftsblogs im Raum stehen. Und natürlich ist es schon mal gar nicht egal, ob man als einsamer Rufer in der Wüste die Flagge der Forschung hoch hält oder eben gemeinsam mit anderen unter einem feschen Logo.
Wissenschaftler sind bekanntlich Herdentiere und suchen Schutz in der Gruppe. Und sie mögen fesche Logos, die zumindest danach aussehen, als wenn man da bei was Seriösem mitmacht. Außerdem, machen wir uns nichts vor, ist es eben doch nicht egal, ob nun drei oder dreihundert Leute einen Blogbeitrag lesen. Einen Blog startet man aus Idealismus, aber für die Zeit und Mühe, die so ein Blogbeitrag über Bitcoin oder Biogas kostet, sollte schon die eine oder andere Rückmeldung kommen. Ein Großteil der Wissenschaftsblogs – schon gar nicht aus der Forschung selbst – wäre ohne solche psychologischen Plattform-Effekte längst wieder tot oder nie ins Leben gerufen worden.
Denn das Leben in der wissenschaftlichen Blogosphäre ist immer noch hart, besonders für jene, die tatsächlich eine wissenschaftliche Karriere anstreben. Gemessen daran hat sich die Szene gut gehalten – es gibt inzwischen sogar eine eigene Blogplattform für die notorisch öffentlichkeitsscheuen Geisteswissenschaften. Diese Entwicklung ist um so bemerkenswerter, weil Wissenschaftsblogs bis heute nahezu ausschließlich non-profit sind. Reich ist dabei (fast) niemand geworden, und schon gar nicht jene Verlage, unter deren Dächern die Scienceblogs über die Jahre zu Gast waren.
Andere, namentlich die Mutterplattform Scienceblogs.com, hat es allemal schlimmer erwischt. Der einst so renommierten US-Mutterplattform ging sogar im September 2017 final die Puste aus, während der deutsche Ableger unbeirrt weiter macht. Das war so nicht unbedingt zu erwarten. Früher hieß es, die deutschen Scienceblogs würden es ungleich schwerer haben als ihr englisches Gegenstück – zu klein sei der Sprachraum und damit auch das potenzielle Nerdpublikum, in einem Internet, das immer mehr die Masse belohnt.
Und noch eine Vorhersage beim Start der Scienceblogs hat sich nicht bewahrheitet: Binnen eines Jahres werde ich doch noch zu der Plattform wechseln, schon wegen des bekannteren Namens. Soviel also zum Thema Zukunftsprognosen. Deswegen verkneife ich mir hier auch den eigentlich fälligen Ausblick (Krebs heilen, Musikblog von Elvis, Weltherrschaft dann 2050); aber ich werde weiterhin mitlesen, schon aus professionellem Interesse. Auf jeden Fall herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag der Scienceblogs – nicht nur von mir, sondern auch auf diesem Wege ausdrücklich auch von SciLogs-Blogvater Carsten Könneker. Wir wünschen noch viele weitere Jahre erfolgreiches Bloggen rund um die Forschung.
]]>Was weitgehend geblieben ist, ist das Konzept des Podcasts. Ich wähle jede Woche drei Beiträge aus und stelle die vor. Ab und an kommt was aus meinem Leben in Asien und hier und da auch mal ein eigener Beitrag aus der Welt der Wissenschaft. Eine Zeit lang gab es mal Interviews mit anderen Bloggern, die kamen aber nicht so wirklich gut an.
Im Podcast heute also eine kleiner Rückblick übers Podcasten an sich und bei den Scienceblogs. Als Bild habe ich einen Screenshot des Videos ausgewähl
t, mit dem ich im Juli 2008 meinen Podcastarbeitsplatz beschrieben habe. ]]>Chefermittler Ulysses B. Cooler zog eine Augenbraue hoch und sich lässig mit einer Hand die verspiegelte Sonnenbrille von der Nase, musterte den Toten, sog kurz prüfend die Luft ein und sagte in seinem charakteristisch-lakonischen Tonfall: „Hmm… sieht aus als hätte Mr. Burns hier eine heiße Nacht gehabt!“
„Das meine ich nicht“, erwiderte Blade mit schiefem Grinsen, „die Leiche ist viel zu stark verkohlt dafür, daß sie nur 10 Minuten im Feuer lag, wie es im Polizeibericht steht. Sehen Sie hier: diese Kontraktion der Muskeln auf der dem Gesicht abgewandten Seite… dafür muß es ganz schön lange ganz schön heiß werden.“ „Was sagen die Blinzler aus dem Labor? Gibt es irgendwelche Rückstände von Brandbeschleunigern oder sowas?“, fragte Cooler.
Im Hintergrund des so bläulich wie spärlich beleuchteten, aber überaus “stylish” eingerichteten Raums wummerte „Burn“ von Nine Inch Nails aus einem für einen Einsatz in einem Kriminallabor eigentlich überdimensionierten Bluetooth-Lautsprecher, während Alma Negra, mexikanischstämmige Laborforensikerin und Expertin auf gleich drei Gebieten – forensische Toxikologie, Molekularbiologie und Ballistik – mit offenem Kittel und ohne Mundschutz (Lippenstift!), die tiefschwarzen Haare zu einem unordentlichen Dutt gebunden, im Takt des Songs Proben in die Zentrifuge stellte. Nachdem sie fertig war, schloß sie den Deckel und drückte den Knopf mit der Aufschrift „Start DNA-Analysis“.
Sie blickte auf, als sich die Tür zum Nachbarlabor öffnete und Sam Sung, asiatischer Computernerd und Spezialist für Chemie, der seine kurzsichtigen Maulwurfsaugen stets hinter einer dicken Brille versteckte, hereinkam, kurz von seinem LG-Tablet-PC zu Alma aufsah und mit spöttischem Unterton und Geste zu ihrem Gesicht fragte: „Hat Dir jemand mit schwarzer Farbe und Deinen Okularen einen Streich gespielt oder ist das Absicht?“ Zur Antwort präsentierte sie ihm den mit schwarzem Nagellack verzierten rechten Mittelfinger, fragte dann aber doch: „…. und, was kam raus bei der Analyse?“ „Schwer zu sagen, Habe sowas noch nicht gesehen. Neuartige molekulare Struktur laut MALDI-TOF-MS.” Sam blickte wieder auf sein Tablet, “Ich habe mal eben schnell ‘ne kleine, nicht validierte Software geschrieben, die die chemischen Eigenschaften von dem Zeug, das wir von der Brandleiche gekratzt haben, aus der Strukturformel errechnet.“ „Bevor oder nachdem Du die Prinzessin vor Donkey Kong gerettet hast?“ konterte Alma. Diesmal war sie es, die einen erigierten Mittelfinger in Augenschein nahm. „Müßte jedenfalls gleich durch sein“ setzte Sam wieder an, „Und Du? Hast Du schon irgendwas?“ „Auch seltsam“, antwortete Alma, „in dem Stück Gewebe, das Connor noch ‘rauspulen konnte, habe ich Spuren von einem Zeug nachgewiesen, das ich nicht zuordnen kann. Ist in keiner Datenbank.“ Auf Sams fragenden Blick durchquerte sie das Labor, öffnete eine Zentrifuge, auf der „Isotopenanalysator“ stand, entnahm ein Plastikröhrchen, drückte auf einen Knopf auf einer Rechenmaschine, die auf der Zentrifuge stand, woraufhin diese einen langen Papierstreifen bedruckte, den Alma abriß und mit fachmännischem Blick gegen das Licht hielt: „Laut Isotopenanalyse ist das eine natürliche Substanz, von einem Tier oder so… von der Zusammensetzung der Isotopen her … ca. 7°06’21.3″S und 57°34’56.3″W, würde ich sagen…“ „Das ist ja…“ staunte Sam, „…mitten im brasilianischen Urwald!“ „Yup!“, machte Alma, „ich hoffe, der Boss hat Shorts.“
„Brasilianischer Urwald? Fuck!“, rief Cooler, nachdem ihm sein Team die bisherigen Ergebnisse präsentiert hatte, „ich habe nicht mal Shorts.“ „Aber immerhin schonmal ‘ne Sonnenbrille“, meinte Alma trocken, was ihr einen bösen Blick Coolers einbrachte, der dann fragte: „und was ist jetzt mit der Chemikalie?“ „Bin gerade fertig,“ sagte Sam, in einer Hand eine Dose Mountain Dew, und gab ihm einen Ausdruck. „Soll das ein Witz sein? Für mich sind das nur lustige bunte Kringel, Striche und ein Haufen Chinesisch! Übersetzung bitte! Und hören Sie um Himmels Willen auf, dieses Zeug zu trinken!“, herrschte Cooler ihn an. Seufzend stellte Sam seine Dose auf die Seite, nahm den Ausdruck und las: „Wir haben es hier mit einem neuartigen Brandbeschleuniger zu tun, der in kürzester Zeit ein Feuer mit irre hoher Verbrennungshitze erzeugt. Geringe Mengen reichen aus, das Zeug verdunstet nicht, riecht nach nichts und es entzündet sich durch UV-Licht!“ „Das heißt“, folgerte Cooler, „man könnte nachts oder bei Dunkelheit jemanden unbemerkt damit besprühen und wenn er am nächsten Tag aus dem Haus geht…“ „Wuuuuff!“ machte Sam. Cooler nickte, zog sich die Sonnenbrille von der Nase und starrte nachdenklich ins Leere: „Wo kommt dieses Zeug her, Sam?“ „Keine Ahnung, Boss, habe sowas noch nie gesehen. Aber…“, er zögerte. „Aber was?“ „Ich weiß nicht, ich habe da nur so eine wilde, haltlose Spekulation!“ „Wilde, haltlose Spekulationen haben sich doch in der Vergangenheit stets als exzellenter Ausgangspunkt für unsere Untersuchungen erwiesen“, resümierte Cooler, „also raus damit!“ „Naja, also…dieses Zeug… es hat an einer Stelle eine chemische Bindung, die…in der Natur nicht vorkommt und die man auch eigentlich nicht synthetisch herstellen kann.“ Sam zeigte mit dem Finger auf eine besonders kringelige Stelle einer phantasievoll aussehenden chemischen Strukturformel. „Eigentlich…?“ hakte Cooler nach. „Aber…“, fuhr Sam fort, „ich habe vor einem Monat einen Aufsatz in „Journal of arson and perilous chemicals“ gelesen, in dem der Autor eine neue Reaktion beschreibt, die er entdeckt hat, mit der man genau diese Bindung hinkriegt. Er heißt… Victor Illain, glaub ich.“ „Und wo arbeitet dieser Mr. Illain?“, verlangte Cooler zu wissen. „Bei Blackstone Pharmaceuticals“, sagte Alma, vor sich ein Laptop mit der „Boogle“-Suchmaske, in die sie soeben ‚Victor Illain‘ eingegeben hatte.
Ein „Bing!“ störte die entstandene Stille. „Ah, meine Analyse ist jetzt auch fertig“, schnurrte Alma, öffnete die Zentrifuge, ließ sie dann aber stehen und zog einen USB-Stick ab, den sie in ihr Laptop steckte, an das auch ein Beamer angeschlossen war: „Mal sehen, was wir haben: also, hier ist das DNA-Profil der Leiche. Ich mußte ein bißchen tricksen, aber man kann es auswerten.“ Sie projizierte ein typisches RFLP–Bandenmuster an die Wand, das man wegen der typischen Dunkelheit im Labor sehr gut erkennen konnte. „Ah, man erkennt hier schon, daß er eine lange Zeit im Kosovo gelebt hat, bevor er in die Staaten gekommen ist“ sie zeigte auf ein paar der Banden, „und er ist auch nicht gerade der Größte“, murmelte sie mit Kennerblick, „Mal sehen…“ sie hackte ein paar Befehle in die Tastatur, zog mit den knallroten Lippen einen Schmollmund und sagte dann: „Verdammt, ich komme nicht an die Datenbank von Blackstone Pharmaceuticals…“ Sam verdrehte die Augen, schob Alma vom Stuhl vor dem Laptop und sagte: „Laß mich mal.“ Nach einigen Sekunden angespannter Stille, die nur durch Tastenklackern unterbrochen wurde, feixte Sam und sagte: „Ernsthaft, Leute? Euer Passwort ist 1234? Anfänger! Was haben wir denn hier?“, er fand sich auf der ihm völlig fremden Intranetseite von Blackstone Pharmaceuticals erstaunlich schnell zurecht, „ahja, hier, die Datenbank mit den Mitarbeiter-DNA-Profilen. Moment…“ Ein Klick und er hatte sie alle heruntergeladen und in die laboreigene Software zum Vergleich eingespeist. Ein paar weitere Klicks, ein bestätigendes „Ping!“ und an der Wand standen zwei identisch aussehende Bandenmuster in einem grünen Rahmen nebeneinander, über die dick das Wort „MATCH!“ (mit Ausrufezeichen) geschrieben war. „Bingo“, sagte Alma, „unser kross gebratener Toter war Chemiker, auch bei Blackstone Pharmaceuticals, und er hieß Steve Molder.“
„Also“, schlußfolgerte Cooler, „hat Illain seinen Kollegen Molder mit seinem neuen Brandbeschleuniger besprüht, um ihn aus dem Weg zu schaffen und es wie…was? Einen Unfall? aussehen zu lassen…. Fragt sich nur warum?“ „Glaube ich nicht,“ mischte sich Connor ein, der einige Momente zuvor den Raum betreten hatte, um seine neuen Erkenntnisse zu berichten: „der Typ hat gar nicht mehr gelebt, als er verbrannt ist. Ich habe seine Lungen gesehen, kein Zweifel!“. Betretenes Schweigen… inzwischen war es nach 23 Uhr; Cooler riß der Geduldsfaden und sich die Sonnenbrille von der Nase. Er zog sein Mobiltelephon aus der Tasche, wählte und bellte dann: „Ja, Cooler hier, holen Sie mich hier bei den Blinzlern ab…Was? Ja, natürlich mit dem Hummer, oder dachten Sie, ich wollte auf Ihrem Gepäckträger sitzen? Und bringen Sie mir einen fettfreien Cesar’s Salad mit extra Pinienkernen mit. Wohin? … Zu Blackstone Pharmaceuticals, ich muß da jemandem ein paar Fragen stellen. Ach ja, und buchen Sie mir einen Flug nach Rio de Janeiro, morgen, 12 Uhr!“ und zu seinem Team gewandt „und Ihr macht für heute Schluß. Ich sehe Euch morgen um 8!“, worauf sich die Teammitglieder Blicke zuwarfen, die ihrer Verwunderung über einen derart kurzen Arbeitstag Ausdruck verliehen.
Am nächsten Morgen, Punkt 8, stand Cooler wieder seinem kaffeetassenbewehrten und augenberingtem Team gegenüber und war grade dabei, während er die sündhaft teure Kaffeemaschine dazu veranlaßte, ihm ein koffeinhaltiges Heißgetränk zuzubereiten, seine nächtlichen Erlebnisse zusammenzufassen: „…habe ihn da tatsächlich noch angetroffen und ihn unter Druck gesetzt.“ Cooler ließ die Knöchel knacken. „Leute, er war’s nicht. Er war nur nervös, weil er seinen Brandbeschleuniger gar nicht mehr hätte herstellen und seine Reserven vernichten sollen… Firmenpolitik…blabla… ihm dann dabei aber aufgefallen ist, daß ein Kanister fehlte, woraufhin er das Protokoll getürkt hat, um keinen Ärger zu bekommen. Also hat jemand anders den Kanister geklaut, fragte sich nur wer. Zu dem Raum, wo das Zeug gelagert war, haben insgesamt 11 Leute Zutritt, wer den Raum betritt, wird an der Tür elektronisch protokolliert. Ich habe also Illain ausgequetscht, wem er davon erzählt hat und erst wollte er nicht mit der Sprache rausrücken, bis ich ihm drohte, alles auffliegen zu lassen und ihm einen Mord anzuhängen.“ „Und?“, fragte Connor. „Er hat wohl nur einer Kollegin von der Sache erzählt, mit…“ „der er was hatte!“, vollendete Alma halb genervt, halb amüsiert Coolers Satz, „Lassen Sie mich raten: verheiratet, mit Kindern?“ Cooler grinste „Volltreffer. Im Kirchenchor isser auch noch. Deshalb will er auch keinen Staub aufwirbeln. Jedenfalls ist die Kollegin, eine Pharmazeutin namens Ivy Nosiop aus der Abteilung für biogene Arzneimittel, Expertin auf dem Gebiet von Antidoten und !“ Cooler machte eine dramatische Pause, „sie hat Zugang zu dem Lagerungsraum.“
„Fragt sich“, schaltete Sam sich ein, „was sie mit Mr. Brikett da drüben“, sein Kinn zuckte in Richtung Sektionssaal „zu tun hat.“ „Und genau das werden Sie“, Cooler deutete auf Sam und Connor, „herausfinden während wir“, diesmal schloß seine Geste sich selbst und Alma ein, „die schwüle Hitze Brasiliens genießen werden!“ „Waaas? Ich …aber… heute abend spielen „Twisted Sister“ im Hell‘s Club und die Karten…“, protestierte Alma. Cooler unterbrach sie mit einer Geste, um anzudeuten, daß sein Telephon klingele, hielt es sich kurz ans Ohr, nickte, reichte es dann ihr und sagte: „Hier ist das Sekretariat der Akademimimi, das sich brennend für Ihre Geschichte interessiert. Erzählen Sie sie ihnen, dann packen Sie und um 12 geht der Flieger.“ Cooler ging zur Tür, „Ich seh‘ Sie am Gate, seien Sie pünktlich und bringen sie mein Telephon und Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 1000 mit,“ sagte er noch und verließ den Raum. „Arschgeige!“ presste Alma zwischen den Zähnen hervor, „das hab ich gehö-ört!“ klang Coolers sich entfernende Stimme noch durch die automatisch zufallende Tür!
Um es abzukürzen: Alma und Cooler fliegen nach Brasilien, finden unterwegs heraus, das dort, wo sie hinwollen, ein winziger Indianerstamm lebt, dessen Sprache sie schnell lernen und mit dessen Medizinmann sie daraufhin Freundschaft schließen. Er führt sie herum und Alma entdeckt auf einem Blatt einen kleinen, farbenfrohen Frosch und darunter einen toten Mungo mit einem ähnlichen Frosch im Maul. Sie fangen den lebenden Frosch, bringen ihn zurück ins Labor (der Frosch wird neues Labormaskottchen), wo Alma das Gift aus seiner Haut analysieren und es als genau die tödlich giftige und bisher nicht nachweisbare Substanz identifizieren kann, die S. Molder wirklich umgebracht hat.
Sam und Connor haben sich inzwischen bei Blackstone Pharmaceuticals eingeschlichen, wo Connor mit seinem Charme Mrs. Nosiop becirct und ablenkt, was Sam die Gelegenheit gibt, sich in ihren Rechner zu hacken (ihr Passwort war „Schwertfisch“, was Sam anhand ihres Bildschirmschoners erriet), wo er Belege für eine Korrespondenz mit der Firma Whitestone Pharmaceuticals findet, die Nosiop als Industriespionin bei Blackstone eingeschleust hat und der sie bereits einige wichtige Betriebsgeheimnisse übermittelt hat. Es gibt auch einige nebulöse Andeutungen, daß „jemand“ Verdacht geschöpft haben könnte und sie sich um das Problem „kümmern“ werde. Anschließend fahren Sam und Connor noch beim Haus Molders vorbei, brechen ein und finden in seinem Tagebuch eine Stelle, wo er beschreibt, daß er Nosiop spät abends dabei erwischt hat, wie sie streng geheime Unterlagen kopiert hat.
Nachdem das Team wieder zusammengekommen ist und alle verfügbaren Informationen kombiniert wurden, initiiert Cooler eine offizielle Ermittlung, im Rahmen derer das Froschgift und der in ein anderes Gefäß umgefüllte Brandbeschleuniger an Nosiops Laborplatz gefunden werden. Nach ihrer Verhaftung gibt sie schließlich zu, Molder vergiftet zu haben, um auf Nummer sicher zu gehen und daß sie mit dem Brandbeschleuniger die Schuld auf Illain schieben wollte. Happy End, Abspann, coole Rockmusik…
Das Übliche, das Übliche…
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Wer den Text bis hierher gelesen hat und nun denkt: „Ja, das ist offensichtlich eine sachlich-korrekte, alltägliche und plausible Schilderung der typischen Personen, Vorgänge, Kosten-Nutzen-Abwägungen und Einrichtungen in einem forensisch-wissenschaftlichen Ermittlungszusammenhang zu einem Mord, so wie ich es schon oft in den ganzen realitätstreuen Krimi-Dokumentationen im TV gesehen habe“, der/die ist offenbar bereits dem CSI-Effekt zum Opfer gefallen und sollte dringend dieses Blog lesen. Wer genau das nicht denkt, weil er/sie schon eine Weile dieses Blog liest: danke
Tja. Ansonsten habe ich, damals nicht wissend, daß dieses Jahr das 10-jährige Jubiläum der Scienceblogs ansteht, letztes Jahr schon (mal wieder) eine kleine Rückschau für dieses Blog gehalten und kann dieser heute gar nicht viel neues hinzufügen, weshalb ich es auch damit bewenden lassen will. Nur so viel: auch in Zukunft soll es in der Hauptsache bei dem bleiben, was ich vor fast 7 Jahren, als ich hier anfing, zum Zweck dieses Blogs schon schrieb:
„Ich würde mich freuen, ein wenig mithelfen zu können, einen „guten” CSI-Effekt zu begründen, der dazu führt, daß das Wissen um die echten Verfahren und Methoden der Forensik, ihre Möglichkeiten aber und vor allem auch ihre Beschränkungen, allgemein zunimmt und vielleicht beginnt, die „Flausen”, die im Moment noch die Vorherrschaft haben, auszutreiben.“
Ob mir das gelungen ist? Keine Ahnung, aber bisher hat es mir Spaß gemacht, es zu versuchen
]]>Aber heute, 10 Jahre später, kann ich sagen: ScienceBlogs hat mein Leben verändert. Das klingt dramatisch; nach irgendeiner tiefen, spontanen Einsicht die mich dazu gebracht hat, alles zu überdenken was ich bisher gedacht habe. Aber so war es natürlich nicht. Nichts von dem, was passiert ist, seit ich meinen ersten Blog-Artikel geschrieben habe, war geplant. Und trotzdem lebe ich heute ein Leben, das sich massiv von dem unterscheidet das ich vor 10 Jahren gelebt habe. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit einer Arbeit, von der ich damals nicht mal wusste, dass sie existiert. Ich weiß nicht, was ich heute tun würde, wenn ich nicht zu bloggen begonnen hätte. Vermutlich eh auch irgendetwas, das mir Spaß macht. Aber mit Sicherheit nicht das, was ich heute tue!
Blogger in New York
Ich weiß nicht mehr, wann ich das erste Mal auf die ScienceBlogs aufmerksam geworden bin. Blogs an sich habe ich schon ziemlich lange gelesen. Sicher schon 2006, 2007 oder vielleicht sogar früher. Ich kannte die amerikanische Version der ScienceBlogs, diverse andere englischsprachige Blogger – und kaum etwas auf deutsch. Irgendwann habe ich dann die deutsche Version der ScienceBlogs entdeckt und dort in einem Artikel von einem Besuch diverser Bloggerinnen und Blogger bei der Seed-Zentrale in New York gelesen. Wer sich erinnert: Seed war ein Verlag aus New York, der damals die amerikanische Version der Science Blogs gegründet hatte. Und anscheinend wurde die erste Generation der deutschsprachigen Blogger in die New Yorker Zentrale eingeladen. Das muss irgendwann im November oder Dezember 2007 gewesen sein (ich hab probiert den alten Artikel irgendwo zu finden, bin allerdings gescheitert). Ich weiß allerdings noch genau, dass ich mir gedacht habe: “Cool! Jetzt gibt es auch deutschsprachige Wissenschaftsblogger!” Ich hab außerdem gesehen, dass die Astronomin Ludmila Carone ebenfalls ein Blog auf dieser neuen Plattform schreibt. Das fand ich interessant; Ludmila hatte ich früher schon auf astronomischen Konferenzen getroffen, aber nicht gewusst, dass sie auch als Bloggerin aktiv war bzw. sein wollte. Mein nächster Gedanke war: “Hey, das will ich auch machen!”. Ich war damals gerade in einer Phase, wo ich mir Gedanken über die Öffentlichkeitsarbeit machte und festgestellt habe, das es cool ist, anderen etwas über Wissenschaft zu erzählen. Aber ich hatte bis dahin “nur” die normalen Wege beschritten: Öffentliche Vorträge an der Sternwarte in Jena gehalten. Tage der offenen Tür organisiert, und so weiter. Aber Ludmilas Astronomieblog hat mich daran erinnert, dass es da ja auch noch andere, neuere (zumindest damals noch) Wege gibt, um Wissen unter die Menschen zu bringen.
Ich dachte mir also: Ich will bei den ScienceBlogs mitmachen. Nur musste ich dann feststellen: Da kann man nicht so einfach mitmachen. Da muss man eingeladen werden. Aber wie sollen die mich einladen, wenn die gar nicht wissen, dass es mich gibt und das ich Lust habe, über Astronomie zu bloggen. Nun, habe ich damals etwas naiv gedacht, dann schreib ich halt einfach mal was ins Internet. Dann werden die schon merken, dass es mich gibt und mich einladen, mitzumachen. Das habe ich dann, wie schon erwähnt, am 3. Februar 2008 getan – und überraschenderweise ist das dann genau so gekommen, wie ich mir das gedacht habe. Zwei Monate später bekam ich eine Einladung von den Science Blogs und am 16. April 2008 erschien hier mein erster Artikel (und gleich der zweite, nur ein paar Stunden später veröffentlicht, hatte schon den Weltuntergang zum Thema).
So hat das alles angefangen. Wie es dann weiterging, kam allerdings überraschend.
Vollzeitblogger
Zuerst habe ich das getan, was die meisten Bloggerinnen und Blogger hier bei den Science Blogs getan haben. Meine Arbeit als Wissenschaftler getan und in meiner Freizeit über Wissenschaft gebloggt. Ich hatte damals ja noch einen Job als Astronom an der Uni Heidelberg. Das Bloggen hat mir aber immer mehr und mehr Spaß gemacht. Anfangs hab ich alle zwei bis drei Tage einen neuen Artikel veröffentlicht. Aber schon 2009 sind daraus ein bis zwei Artikel pro Tag geworden. 2010 waren es oft noch mehr. Es hat halt einfach riesengroßen Spaß gemacht, all die vielen faszinierenden Geschichten über Wissenschaft zu erzählen, die ich immer schon erzählen wollte. Und überraschenderweise haben sich immer mehr Menschen gefunden, die diese Geschichten auch hören wollten. Die darüber diskutieren wollten. Mein Blog hat immer mehr Leserinnen und Leser gefunden. Und ich habe gemerkt, wie interessant es sein kann, Wissenschaft nicht nur zu betreiben, sondern auch zu vermitteln.
Mein Vertrag an der Uni Heidelberg lief mit dem Jahr 2010 aus. Ich hab damals das getan, was alle Wissenschaftler tun: Anträge geschrieben um Fördergeld zu bekommen um weiter an ner Uni forschen zu können. Und parallel weiter gebloggt. Mit meinen Anträgen ist dann das passiert, was mit der Mehrheit der Anträge passiert, die irgendwo eingereicht werden: Sie wurden abgelehnt. Da hatte ich mich aber innerlich sowieso schon von der Forschung verabschiedet gehabt. Ich habe das alles schon einmal sehr ausführlich beschrieben – die kurze Version lautet: Nach dem mein letzter Projektantrag im Oktober 2011 abgelehnt wurde, habe ich keinen neuen mehr geschrieben sondern mich selbstständig gemacht.
Als Blogger selbstständig werden klingt nach einer bescheuerten Idee. Auf jeden Fall dann, wenn man ein Wissenschaftsblogger ist. Das war mir damals auch klar. Man wird nicht reich, wenn man bloggt. In den meisten Fällen verdient man nicht einmal Geld! Bei den ScienceBlogs gab es zumindest ein kleines Honorar (damit keine falschen Vorstellungen aufkommen: Mit den branchenüblichen Tarifen für die Veröffentlichung von (Online)Texten hat das nichts zu tun; man kann es eher als Taschengeld interpretieren). Nicht genug, um den Lebensunterhalt damit zu bestreiten auf jeden Fall. Aber ich dachte mir – schon wieder ein wenig naiv – dass ich ja jetzt auch mehr bloggen kann als früher. Mehr bloggen heißt auch mehr Honorar. Und wenn ich Kram ins Internet schreiben kann, kann ich ihn ja vielleicht auch in ne Zeitung schreiben; die zahlen auch (und mehr) Geld. Zusammen würde das ja vielleicht zum Leben reichen.
Der Wert des Bloggens
Wie gesagt: Alles ein wenig naiv. Aber hier kommt jetzt der eigentlich wichtige Punkt. Es ist der Punkt, den ich auch immer wieder in den Vorlesungen zum Wissenschaftbloggen (die ich mittlerweile auch regelmäßig halte) erkläre: Beim Bloggen geht es nicht darum, Geld zu verdienen. Zumindest nicht dann, wenn man über Wissenschaft schreibt. Wer nur Geld verdienen will, soll den Kram mit Wirtschaft, Anzug und Krawatte machen! Aber wenn man den Leuten was über Wissenschaft erzählt, dann lernt man diese Leute auch kennen! Das ist das besondere an einem Blog! Als Journalist kriegt man vielleicht den einen oder anderen Leserbrief. Als Wissenschaftler im Zweifelsfall gar kein Feedback, wenn man nicht aktiv auf die Öffentlichkeit zugeht. Aber als Blogger habe ich jeden Tag einen Haufen Kommentare bekommen, sobald ich etwas veröffentlicht habe. Ich habe Emails mit Fragen bekommen. Ich habe in den jungen sozialen Netzwerken (von denen nicht mal alle bis heute überlebt haben) Kommentare gekriegt und Fragen beantwortet. Da waren alle möglichen Leute dabei. Nicht nur die Wissenschaftler (hauptsächlich Astronomen) die ich früher kennen gelernt habe. Sondern eben alle möglichen Leute. Zum Beispiel auch Journalisten, die mich zu irgendwelchen aktuellen astronomischen Themen interviewt haben. Radiomoderatoren. Künstler. Leute vom Fernsehen. Und so weiter. Durch das Bloggen habe ich Kontakt zu Leuten bekommen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte.
Hätte ich früher Lust gehabt, mal etwas für eine Zeitung zu schreiben, hätte ich nicht mal gewusst, an wen ich mich wenden hätte sollen. Ich habe keine Journalisten gekannt. Jetzt kannte ich jede Menge. Und noch besser: Sie kannten nicht nur mich, sie konnten auch all meine schon publizierten Blogartikel lesen. Und so sofort einschätzen, ob ich in der Lage bin, die Art von Dingen zu schreiben die sie geschrieben haben wollten. Wenn man ein vernünftiges Portfolio hat, ist es viel leichter, an entsprechende Jobs zu kommen Außerdem: Schreiben ist zu einem großen Teil auch Handwerk und das lernt man, so wie alles andere auch, in dem man es immer und immer wieder tun. Die Bloggerei ist eine gute Vorbereitung, wenn man irgendwann auch anderswo etwas anderes schreiben will.
Ich habe damals meine ersten bezahlten Artikel für Zeitschriften geschrieben. Immer noch zu wenig, um damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen und eigentlich hatte ich auch keine große Lust, hauptberuflich Journalist zu werden. Dann kamen aber immer mehr neue und interessante Kontakte. Ich lernte Heinz Oberhummer kennen, den österreichischen Physiker der im Jahr 2007 das Wissenschaftskabarett der Science Busters gegründet hatte. Auch er hat ab und zu mein Blog gelesen und ich war ihm bei einigen Fragen zur Recherche behilflich. Ich lernte den Chef eines Verlags kennen, wir haben ein wenig geplaudert und das Resultat war die Publikation meines ersten Buchs Anfang 2012. Auch mit nem populärwissenschaftlichen Buch über Wissenschaft verdient man nicht genug, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Aber ungefähr zu dem Zeitpunkt habe ich gemerkt, das ich zwar weder als Blogger noch als Journalist noch als Buchautor ausreichend Geld verdienen kann, um davon zu leben. Aber mit allem drei Jobs zusammen schon. Ein wenig Geld vom Blog, ein paar Honorare für Veröffentlichungen in Zeitschriften, ein bisschen was für den Verkauf der Bücher und dazu noch ein paar Honorare für populärwissenschaftliche Vorträge: Damit wird man zwar nicht reich – aber ich konnte davon leben!
Geschichten erzählen
Und seitdem ging es so weiter. Ich hab mehr Bücher veröffentlicht. Ich habe mehr Blogartikel geschrieben, mehr Artikel in Zeitschriften publiziert, mehr Vorträge gehalten. Und je mehr ich getan habe, desto mehr Angebote habe ich bekommen. Ich hab begonnen einen Podcast zu produzieren (Übrigens: Wissenschaftspodcasts in deutscher Sprache sind tatsächlich absolut ungeeignet, um damit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich hab in den fünf Jahren seit dem ich das mache, noch keinen Weg gefunden, um damit auf vernünftige Weise Geld zu verdienen. Zum Glück muss ich das nicht und wollte das auch nie. Mein Sternengeschichten-Podcast macht mir unter anderem gerade deswegen so viel Spaß, weil es mein Hobby ist und nicht mein Job!) Und dann Podcasts mit anderen Leuten gemacht. Wieder hat sich gezeigt: Je mehr ich mache, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich, neue Dinge zu machen!
Die letzte Variation der ganzen Geschichte kam im Mai 2015. Oben erwähnter Heinz Oberhummer und Martin Puntigam von den Science Busters wollten das Ensemble des Wissenschaftskabaretts erweitern. Wir hatten in den Jahren davor immer wieder Kontakt gehabt und so hatte ich das Glück, der erste sein zu dürfen, der dieses neue Konzept von “Science Busters & Friends” ausprobiert. Mittlerweile ist daraus fast ein Vollzeitjob geworden. Seit 2015 stehe ich mehr als 50 Mal pro Jahr mit den Science Busters auf der Bühne und wir sind mit unseren Shows sogar regelmäßig im Fernsehen.
Von “Hey ich will auch mal bloggen” im Jahr 2008 zu regelmäßigen Fernsehauftritten im Jahr 2018: Das ist eine “Karriere” mit der ich nicht im geringsten gerechnet habe. Das ist etwas, was man vermutlich niemals so planen hätte können. Es ist etwas, was passiert ist und es ist mir passiert, weil ich angefangen habe zu bloggen. Und dadurch erfahren habe, wie schön und faszinierend und befriedigend es ist, anderen Menschen Geschichten über die Wissenschaft erzählen können!
Bloggen lohnt sich
Ich weiß jetzt aber nicht genau, was ich mit dieser speziellen Geschichte anfangen soll, die ich gerade aufgeschrieben habe. Ich wollte davon erzählen, wie sich mein Leben in den letzten 10 Jahren verändert hat und welchen Einfluss die ScienceBlogs dabei gehabt haben. Das habe ich getan – aber man soll diese Geschichte nach Möglichkeit bitte nicht als Anleitung oder ähnliches lesen (Ha! Ihr ganzen SEO-Typen: Das habt ihr jetzt davon, wenn ihr nach so etwas absurden googelt wie “Wie man durch Bloggen Karriere macht” – ihr findet einen Artikel mit einer irreführenden Überschrift!)
Das was mir passiert ist, ist mir passiert. Aber wenn man einmal damit anfängt, Leuten Geschichten zu erzählen und die Leute diese Geschichten auch hören wollen, dann passiert auf jeden Fall etwas. Das könnt ihr in all den Artikel lesen, die die anderen aus der Blogger- und Leserschaft geschrieben haben. Auf die eine oder andere Weise profitieren alle. Durch das Bloggen lernt man, seine eigenen Gedanken und Ideen zu sortieren. Man lernt, diese Gedanken und Ideen zu kommunizieren und zwar so, dass die anderen sie auch verstehen. Und macht man es nicht richtig, dann sind die Blogkommentatoren jederzeit und sofort bereit, einen darauf hinzuweisen und zu korrigieren! Man lernt Leute kennen. Und man findet Möglichkeiten – die man nutzen kann.
Die Kritik und die Zukunft
ScienceBlogs haben mir diese Möglichkeiten gegeben und dafür bin ich dankbar. Und bevor es jetzt hier zu schnulzig wird, gibt es noch ein wenig Kritik. Nicht dramatisch viel Kritik; wenn die ScienceBlogs so schlimm wären, dann wäre ich ja nicht 10 Jahren lang hier geblieben. Aber im Laufe dieser 10 Jahre habe ich mich schon immer wieder mal geärgert. Es war vor allem absurd, wie die ScienceBlogs durch die Gegend weitergereicht wurden. Anfangs war im Burda-Verlag alles noch sehr euphorisch. Ich erinnere mich sogar an die Einladung zu einem Treffen beim Verlag in München. Es gab Geschenke (die Klappsonnenuhr hab ich sogar noch irgendwo), ne Einladung zum Essen, eine Führung durchs Museum, und so weiter. Aber schon wenig später wollte Burda uns nicht mehr und wir sind zu Glam Media gekommen. Dann zu National Geographic, dann zurück zu den Seed Media in den USA. Das war teilweise wirklich nervig. Mal wurden wir pünktlich bezahlt; mal war es ein regelrechter Kampf, das Honorar irgendwann und nach langer Zeit eintreiben zu können. Technische Probleme und Bugs häuften sich und niemand war interessiert oder zuständig da irgendwas zu tun. Das alles hat sich zum Glück geändert, seit der Konradin-Verlag für die ScienceBlogs zuständig ist. Das Backstage-Chaos ist vorbei – aber ich würde mir trotzdem ein wenig mehr Engagement wünschen.
Denn das ist es, was mich die ganze Zeit wundert: Egal wem die ScienceBlogs während der letzten 10 Jahre “gehört” haben: Niemand war stolz darauf! Dabei ist es doch großartig, so eine einmalige Plattform zu betreiben wie sie die ScienceBlogs sind! Eine Möglichkeit bereit zu stellen, mit der so viele Leute so viel über Wissenschaft erfahren können: Das ist etwas, das (leider) nicht selbstverständlich ist und etwas, auf das man nicht nur stolz sein kann sondern verdammt noch mal auch öffentlich stolz sein sollte! Aber – und das ist zumindest mein Eindruck als simpler Blogger der nix mit der Verwaltung im Hintergrund zu tun hat – irgendwie scheint das niemand zu sein. Die Male, wo ich als Blogger von den Verlagsleuten (wer auch immer da gerade an der Reihe war) kontaktiert wurde und das Gefühl hatte, dass sich da jemand tatsächlich für das interessiert, was wir hier treiben, kann ich an einer Hand abzählen.
Und das finde ich schade. Das 10jährige Jubiläum (und 10 Jahre sind im Internet verdammt lang! Als die ScienceBlogs gestartet wurden, gab es zum Beispiel noch StudiVZ – aber Twitter oder Facebook hat hierzulande so gut wie niemand benutzt) kann vielleicht Anlass sein, um noch einmal deutlich zu vermitteln, was hier für tolle Dinge passieren. Die vielen engagierten Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und anderen Leute die bereitwillig ihre Faszination für die Wissenschaft teilen. Die ebenso vielen ebenso engagierten Leserinnen und Leser, die Fragen stellen, Feedback geben und miteinander und mit den Bloggern über Wissenschaft diskutieren. Kurz: Diese wunderbare Welt in der so viele verschiedene Menschen ihre Begeisterung für das Universum (und alles was es enthält) teilen! Das ist etwas, das man nicht ignorieren sollte, wenn man dafür verantwortlich ist.
Ich hab keine Ahnung, wie die ganze Sache weitergeht. Vor 10 Jahren hätte ich nicht sagen können, wie mein Leben heute aussieht und ebenso wenig kann ich heute sagen, wie mein Leben in weiteren 10 Jahren ablaufen wird. Und niemand kann vermutlich prognostizieren, wie das Internet in 10 Jahren funktionieren wird. Vielleicht sind Blogs dann schon so veraltet wie ICQ und der Netscape Navigator (googelt das doch bitte selber!). Vielleicht gibt es die ScienceBlogs aber auch noch im Jahr 2028 – in welcher Form auch immer.
Was es aber auf jeden Fall geben wird, sind Menschen, die Geschichten über die Wissenschaft erzählen. Und sofern mir in den nächsten 10 Jahren kein Meteorit auf den Kopf fällt, dann bin ich mit dabei!
]]>Ich bin alt.
Spätestens jetzt ist es mir mal wieder bewusst geworden. Damals war ich bei einer kleinen, feinen Agentur für Wissenschaftskommunikation angestellt. Damals gab es davon bundesweit recht wenige. Wissenschaftliche Themen publikumstauglich verpacken und kommunizieren – dafür gab es (damals) kaum einen wirklichen Markt. Ich kann mich noch erinnern, wie lange es gedauert hat, mit einer Universität ein kleines Büchlein zu erschaffen, in denen sie ein paar ausgewählte Lehrstühle und deren Projekte einer breiten Öffentlichkeit präsentierten…
Wie dem auch sei, um die Agentur-Website mit regelmäßigen Neuigkeiten zu füttern, haben wir das vollkommen abgefahrene Medium „Blog“ implementiert. Also zumindest 2007 war das noch etwas Kreativ(es). Das erste Posting war nicht viel mehr als ein Hinweis auf die Plüschmikroben. Es ging darum, (Natur-)Wissenschaften aus der Nische des nerdigen (gab es den Begriff damals schon?) verstaubten unnützen Schulwissens rauszuholen. Wissenschaft kann sexy sein. Ebenfalls eines der ersten Postings war der Klassiker, das DHMO. (Ich frage mich gerade, ob man heute, sagen wir mal Trump, nicht eine Verbots-Petition absegnen lassen könnte?).
Wie Wissenschaft in der Werbung (miss-)braucht wird, hat zu dieser Zeit seinen Ursprung gefunden. Wenn auch erstmal positiv startend mit diesem (immer noch sehr coolen) Spot. Meistens waren es nur kleine Fundstücke, in denen irgendwie sehr cool etwas „Wissenschaftliches“ präsentiert wurde, nicht selten andere, coole Videos. Entsprechend umfangreich waren auch die Kommentare – nicht.
Wo ich gerade durch das Archiv schlendere, fallen mir schon interessante Dinge auf: Das Nicht-Newtonsche-Fluid alias Mais-Pampe hatte ich 2007 im Blog und dann bei TBBT das dezente deja vu – Jahre später. Heute ist es einer der Klassiker im U3-Bereich im Kindergarten. Um jetzt nicht alle Postings noch einmal seufzend unter dem Staub hervor zu zerren, komme ich zu einem meiner Klassiger, den ich immer noch gerne bei Vorträgen präsentiere: Nivea und die Biologie. Nach 2011 und 2014 wäre eigentlich mal wieder Zeit für einen Relaunch und den nächsten evolutionären Schritt. Vermutlich gucke ich einfach zu wenig Werbung und habe es verpasst.
Mit der Zeit wurden die Texte auch mal etwas länger, manchmal. Was sich jedoch nicht wirklich auf die Anzahl der Kommentare auswirkte. Postings, die viel Recherche und Mühe kosteten, wurden viel gelesen, aber kaum diskutiert. Oft, und daran hat sich wenig geändert, gingen die Diskussionen von kleinen Neben-Details aus und 100er Kommentare ergossen sich über die rechts- oder doch besser Links-drehenden Aldi-Märkte. Oder so ähnlich. Das ist aber nur einer der Gründe, weswegen es in meinem Blog ruhiger geworden ist.
Mittlerweile habe ich dazu einfach viel weniger Zeit (und eben Motivation). Es müssen schon wirkliche Klopper sein, die derart unsinnig sind, dass ich mich dazu aufraffe, mal wieder ein Posting zu verfassen. Dann kommen wieder mal ein paar Trolle und ich erinnere mich, wie zäh es war. Mit der Zeit wird man entspannter (ja, ich bin alt) und lässt die Trolle Trolle sein.
Ich entdecke immer noch sehr coole Idee, Projekte oder Videos. Zumeist poste ich sie dann aber einfach “nur” auf Facebook, re-tweete sie etc.
Aber vielleicht poste ich jetzt auch mal ein paar Hinweise für meine Workshop-TeilnehmerInnen und bleibe mit Ihnen dann weiter im Kontakt?
Was aber rückblickend wirklich erstaunlich ist, wieviele Kontakte über die Jahre / das Jahrzehnt geblieben sind. Nicht wenige Blogger-Nachbarn habe ich dann, wenn sich denn mal die Gelegenheit ergeben hat, auch im realen Leben getroffen. Schön ist es jedes Mal wieder.
Wie es hier weitergeht, kann ich nicht sagen. Aber solange noch Chemie-freie-Medizin beworben werden kann und deutsche Schauspieler explosives Salz vermeiden, solange werde ich am Tresen hier genug Stoff zum bloggen haben
Und die nächste Werbung mit nicht tolerierbarem Nonsense-Faktor kommt bestimmt….
]]>Tradition. Nach Computer-Löten in den 70ern, BBS in den 80ern und Usenet in den 90ern war Pause angesagt, um den teils gräßlichen Kommentarschlachten mental zu entfliehen. Unaushaltbar. Im neuen Jahrtausend hatten allerdings alte Folgen neue Folgen: ein trotzdem-WiederOnline. In der gleichen Zeit ersetzten Suchmaschinen langsam aber sicher (und mittlerweile fast vollständig) die im Regal verstaubenden Lexika.
Nach einem wilden 2008 fand sich3 beim neugierigen Nachhaken ein unbekanntes Wesen, ein BlogBlog, inhaltlich derart anziehend, daß das bis dahin eher unbe(- bis ver)achtete Konzept web2.0 neu bewertet und schließlich nicht nur akzeptiert, sondern sogar in den Tagesablauf integriert wurde.
Und bei einigen SBblogs wurde sogar das komplette ArtikelArchiv durchgeackert.
Nach und nach entwickelte sich ein gefühlter Bekanntenkreis, ein gefühlter Tresen mit einer gehörigen Portion Expertise. Klar, auch hier wird von irgendwoher zwischengerüpelt; es gibt Gäste, deren Erscheinen Stöhnen auslöst; auch hier gibt es Ecken, die bei weitem nicht so anheimelnd waren und sind. Doch wer will schon einen völlig geschützten Raum, eine WohlfühlKlausur, wenn der grundlegende Ansatz des ‘raus aus dem Elfenbeinturm’ und ‘Wissen ins Raunen’ so viele Vorteile hat und Möglichkeiten bietet?
Zumal sogar das Knüpfen engerer Kontakte ins physische Leben2 hinein möglich ist.
Wurde die Plattform von mir ausgenutzt als Treibanker im Rationalen, als ständige Anregung, als Lernstätte für unaufgeregteres Streiten und Fundus zitierbarer Stellen? Ja sicher, doch einerseits fühlt es sich gut an und andererseits nach mehr. Insgesamt so gut, daß den ScienceBlogs für die Zukunft nur das Beste gewünscht werden kann, auf daß sie möglichst lange erhalten bleiben.
Und auch bleiben, was sie waren & sind: quicklebendige Tradition.
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1 wenn auch mit abnehmender Relevanz. RückzugsGesellschaft, isolationistische…
2 virtuell/real ist nicht immer ein GegensatzPaar, häufig virtuell∈real
3 aktiv wohl ab dort, gefunden von Jürgen und ohne Gewähr.
42 statt eines einleitenden Kommentares:
Jede Frage nach Details, zum Fleische dieses barebones mySB101 kann gestellt werden, nicht jede wird (erwartungsgemäß) beantwortet werden
Alle meine Beiträge sind selbstverständlich archiviert; der erste erschien am 4. Dezember 2007 und befasste sich mit der sperrigen Haltung der US-Regierung beim Klimaschutz. Ich lese ihn heute und kann kaum fassen, dass wir – was die aktuelle US-Regierungsposition angeht – nicht nur nicht weitergekommen sind, sondern sogar noch hinter den millimeterlangsam schleichenden Forschritt vor zehn Jahren zurückgefallen sind. ***Facepalm***
Nö, auf das zurückzublicken ist zu frustrierend und deprimierend. Lassen wir’s, und versuchen was anderes…
Versuchen wir’s mit Statistik? Naja, auch frustrierend: Ohne zu viele Zahlen zu verraten, weiß ich aber, dass selbst der meistgelesene unter meinen Beiträgen kaum an die Reichweiten rankommen kann, die ich mit einer gut platzierten Zeitungsstory (ich habe im Lauf meiner Karriere für ein paar Dutzend Tageszeitungen und Wochenzeitungen und -Zeitschriften geschrieben, alle typischer Weise mit sechs- bis siebenstelligen Verkaufsauflagen) erreichen konnte. Mit meiner Blog-Reichweite kann ich also auch niemanden beeindrucken. Also versuchen wir’s mal anders herum: Welcher meiner Beiträge hatte die wenigsten Leserinnen und Leser?
Hmmm. Das ist schwerer festzustellen, als ich dachte: Für den hier, beispielsweise, will Google Analytics auf Anhieb nur 17 Leserinnen/Leser gefunden haben – was aber Quatsch sein muss, denn der Beitrag hat allein schon 21 Kommentare (eine andere Suchmethode findet letzlich ehr als 400 Klicks). Aber der hier, der ist rekordverdächtig: Für diesen kleinen Beitrag über Amusie findet Google Analytics gerade mal acht (!) Zugriffe, seit seinem ersten Erscheinen am 21. Dezember 2007 bis heute! Aber moment mal: Mein Blog wird erst seit Februar 2008 von der Google-Analyseseite erfasst. Vielleicht waren’s ja doch ein paar mehr…
Noch ein paar Versuche, dann gebe ich auf – für solche Mindestrekorde ist die Software einfach nicht ausgelegt. Aber eines kann ich zumindest behaupten: Es gibt keinen Beitrag, der nicht gelesen wurde…
Aber es gibt – leider – viele, die nicht kommentiert wurden. Was schade ist: Was mich hier umtreibt ist ja nicht, ein paar digitale Zeichen auf einem Server zu speichern, die dann dank einer vermittelnden Software (man nennt sie “Browser”) an irgendwelchen Bildschirmen als Text angezeigt werden. Sondern eine Diskussion anzuregen (meinetwegen auch anzuzetteln)! Den ersten “echten” – wenn auch recht kurzen – Diskussionsstrang gab’s hier. Bis zum nächsten Strang dauerte es fast ein halbes Jahr, und der war immerhin schon doppelt so lang – aber immer noch eher im “kleinen Kreis”. Bis zur ersten Kommentarschlacht, die diesen (Spitz)Namen verdient, musste ich mehr als ein ganzes Jahr vor mich hin bloggen – und wie in meinem ersten Beitrag, ging es um den Klimawandel.
Und weil’s so ein schöner Zufall ist: Der erste Kommentar in dieser Schlacht stammt von Lars Fischer (wer nicht weiß, wer das ist, hat sich noch nicht in der deutschen Wissenschaftsblog-Landschaft umgeschaut). Und Lars war auch derjenige, der überhaupt den allerersten Kommentar in meinem Blog geschrieben hat, und zwar hier. Ich fühle mich noch heute geehrt!
Gleich vorweg: Ich will mir nicht anmaßen, die sozialpolitische Tragweite des bedingungslosen Grundeinkommens abschätzen zu können. Es gibt genug Befürworter und ebenso genug Gegner. An der Idee ist also anscheinend etwas dran, aber sie ist wohl auch nicht die Nonplusultralösung, die alle unsere sozialpolitischen Probleme aus dem Weg schafft. Ich möchte hier auch gar nicht die Für und Wider des Grundeinkommens gegeneinander abwägen — das ist einfach nicht mein Fachgebiet (ihr dürft aber natürlich gerne in den Kommentaren darüber diskutieren). Stattdessen möchte ich euch erzählen, warum ich diese Idee interessant finde. Und das hat etwas mit meinem ganz eigenen beruflichen Interesse zu tun.
Ich habe das Glück, eine Fachrichtung studiert zu haben, die ich bis heute spannend und interessant finde. Und trotzdem finde ich es schwer, beruflich auf die Art und Weise Fuß zu fassen, die mich wirklich zufrieden stellen würde. Im Laufe meiner Promotion haben sich meine Interessen mehr und mehr herauskristallisiert; auch habe ich verschiedene Berufsbilder — vom Professor bis zum Geschäftsführer — genau unter die Lupe genommen. Und festgestellt: mit keinem kann ich mich ernsthaft identifizieren. Was ich wirklich machen möchte? Über Wissenschaft reden. Meine Faszination an der Bioinformatik weitergeben. Vom Schüler bis zum Rentner.
Es wird viel zu wenig über Wissenschaft gesprochen. Nur ein Beispiel: Schulunterricht. Klar, zuerst einmal müssen Schüler die Grundlagen (zum Beispiel der Biologie) lernen. Ohne diese Grundlagen ist es schwierig, über Wissenschaft zu reden. Aber eben doch nicht unmöglich. Auch klar: Lehrer haben kaum die zeitlichen Möglichkeiten immer auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand ihres Unterrichtsfaches zu stehen. Müssen sie aber auch gar nicht. Viel mehr müssten Wissenschaftler in die Schulen kommen und wie Feuer und Flamme über ihr eigenes Forschungsgebiet erzählen.
Hier stehen wir vor dem nächsten Problem: Welcher Wissenschaftler hat dafür Zeit? Welcher Wissenschaftler hat überhaupt Zeit, außerhalb der eigenen Community über die eigene Forschung zu reden? Viel zu viel Zeit geht dafür drauf, Forschungsgeldern hinterherzujagen (vielleicht ist auch das ein Schwerpunkt, der sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ein wenig verschieben würde — aber darauf will ich eigentlich gar nicht hinaus). Und nicht jeder Forscher ist dazu in der Lage, seine Inhalte so aufzuarbeiten, dass auch noch der Opi von nebenan versteht, warum das spannend und wichtig ist. Und das müssen sie auch gar nicht sein. Lassen wir doch die begnadeten Forscher einfach ihre Arbeit tun; dann kommen Leute wie ich und wir können die Kommunikation übernehmen.
Jetzt könnte man wiederum sagen, diese Leute gibt es doch längst, man nennt sie Journalisten. Klar ohne Frage, ohne die geht es nicht. Sie haben das Schreiben gelernt und wissen, wie sie die Leser mitreißen können. ABER (war ja klar, dass eins kommt) hier stellt sich mir oft die Frage: Was ist für gute Wissenschaftskommunikation wichtiger: das Handwerk des Schreibens professionell zu erlernen und sich nebenbei das wissenschaftliche Hintergrundwissen anzueignen oder doch eher die Wissenschaft professionell zu erlernen und sich den Werkzeugkasten des Schreibens selbst beizubringen? Sicher braucht man in beiden Bereichen eine gewisse Portion an Talent und Interesse, damit am Ende eine gute Mischung rauskommt. Was letztlich die bessere Variante ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß aber, dass ich als Bioinformatikerin immer mit mehr Enthusiasmus über bioinformatische Themen reden werde, als ein Journalist, der ein solches Thema zugeteilt bekommen hat.
Nun könnte ich ja einfach meinen Interessen nachgehen und über Wissenschaft schreiben. Wer sollte mich davon abhalten? Keiner. Deswegen habe ich ja auch voller Elan meinen eigenen Blog gestartet und mich in die Arbeit gestürzt — um nach einem Jahr und knapp 40 Beiträgen festzustellen: Wissenschaftskommunikation kostet verdammt viel Zeit. Zeit, die mir keiner vergütet. Denn auch wenn ich von allen Seiten höre, wie toll und wichtig es ist, was ich tue: bezahlen kann es mir keiner. So kam zu meiner 40h Arbeitswoche nun auch noch stundenlange Recherche in den Abendstunden und am Wochenende hinzu. Ich gestehe, sowohl meine Arbeit als auch das Bloggen machen mir verdammt viel Spaß, deswegen empfinde ich Arbeit wohl viel weniger als Arbeit als manch anderer. Und trotzdem brauche auch ich meine Freizeit: für Sport, für Freunde und neuerdings an Position Nr. 1: für meine Familie!
So wird das Bloggen immer weiter abgedrängt. Es gibt Momente, in denen ich mich klar darüber ärgere, keine Zeit mehr für BioinfoWelten zu finden. Aber an meinen Prioritäten ändert das nix. Ich könnte mich natürlich selbstständig machen und mich beruflich voll und ganz auf die Wissenschaftskommunikation konzentrieren. Aber hier gestehe ich ganz ehrlich: dazu fehlt mir einfach der Mut. Die soziale Sicherheit eines festen Jobs ist mir wichtig. Und genau da kommt das bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel. Vielleicht kennt ihr bereits das Projekt “Mein Grundeinkommen”? Der Verein sammelt per Crowdfunding Geld für bedingungslose Grundeinkommen. Sobald 12.000 Euro gesammelt wurden, wird ein Grundeinkommen von 1000 Euro pro Monat für ein Jahr an eine zufällige Person verschenkt. Jeder kann spenden und unabhängig davon kann sich jeder für die Verlosung anmelden. Auch ich habe mich angemeldet. Und habe mir natürlich die Frage gestellt: Was wäre, wenn ich plötzlich dieses Grundeinkommen bekäme?
Ein Kritikpunkt der oft im Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen aufkommt: die Leute werden faul. Ein typisch deutsches Argument, wenn ihr mich fragt und meiner Meinung nach, entspricht das nicht der Realität. Leute, die keine Lust haben, zu arbeiten, tuen es auch jetzt nicht. Allen anderen erleichtert das Grundeinkommen einfach nur, einer Arbeit nachzugehen, die ihnen wirklich Spaß macht. Das trifft auch auf mich zu. Ich würde meinen Job nicht kündigen. Ich arbeite gerne in unserer Arbeitsgruppe — meine Aufgaben machen mir Spaß und ich habe die besten Kollegen der Welt. Aber ich würde kürzer treten. Und die gewonnene Zeit (zumindest zum Teil) der Wissenschaftskommunikation widmen. Dann würde BioinfoWelten endlich wieder richtig erblühen, ich könnte mich ausführlicher auf unsere Formeltierfolgen vorbereiten, in Schulen über meine Lieblingswissenschaft erzählen, und und und.
Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr euch schon einmal die Frage gestellt, wie sich euer Leben durch das bedingungslose Grundeinkommen ändern würde? Ich bin mir sicher, bei vielen wäre der Lebenswandel noch viel drastischer als bei mir. Auf jeden Fall würde es viele Menschen zu neuen Lebenswegen inspirieren und ermutigen. Also seien wir gespannt, was uns die Zukunft bringt!
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Wissenschaftler schreiben selbst zu ihrem Forschungsgebiet? Sie kommentieren und bewerten ohne den Einfluss einer Redaktion in einem Blog, wann sie wollen, so oft sie wollen und wie sie wollen? Wie soll das denn bitte gehen? Und überhaupt, „Blog“, was ist das?
Die Idee der ScienceBlogs war ungewohnt, neu und ein wenig revolutionär. Zehn Jahre gibt es die ScienceBlogs nun in Deutschland und die AutorInnen haben in dieser Zeit in unterschiedlichsten Formen –Textbeiträgen, Zeichnungen, Animationen Formeln, Podcasts – Einblicke in ihr Fachgebiet gegeben. Sie haben sich eine Fangemeine aufgebaut und einen festen Leserstamm. Dennoch gibt es bis heute Diskussionen darüber, ob es denn richtig sei, dass Wissenschaftler sich in Blogs direkt äußern. Ich sage nach wie vor unbedingt: Ja! Es lohnt sich.
In den Blogs erzeugen Forscherinnen und Forscher genau jene Authentizität und Nähe von der heute in Zeiten von Fake News Kommunikatoren und Institutionen so dringend mehr einfordern. Denn, wer kann qua Profession und mit Transparenz und Erreichbarkeit besser dem potenziellen Vertrauensverlust in die Wissenschaft entgegenwirken als die Wissenschaftler selbst. Von einer Vertrauenskrise und polternden Politikern, die es mit wissenschaftlicher Erkenntnis nicht so genau nehmen, ahnten wir vor zehn Jahren zwar noch nichts. Die politische Dimension stand damals noch nicht so stark im Raum und erforderte noch keine Großdemo pro Wissenschaft wie den March for Science 2017. Aber aufklärend, erklärend, hinterfragend und transparent waren die Blogs von Anfang an – das zeigten auch Erhebungen von Manon Littek bei den ScienceBlogs und Carsten Könneker bei den Scilogs.
In welchem Medium gibt es beispielsweise eine regelmäßige Mathematik-Rubrik mit ausreichendem Raum? Genau das bietet etwa der Blog Mathlog von Thilo Küssner.
In welchem Medium bekommen wir Einblicke in den Alltag von WissenschaftlerInnen? Beispielsweise in dem Blog von Ludmilla Carone Hinterm Mond gleich links. Das kann auch bedeuten, dass sie erklärt, warum ihr Blog gerade etwas verwaist ist. „Hallo Ihr Lieben! Ja, lange Zeit nicht geschrieben, das postdoc-Leben ist halt doch um einige Zacken stressiger als das Doktoranden-Leben“, schreibt sie nach über einem Jahr Pause in ihrem jüngsten Artikel. Auch das ist eine Besonderheit von Blogs: Pausen sind möglich.
Eine weitere Besonderheit der ScienceBlogs ist, dass hier Forscherinnen, Journalisten, Buchautoren oder Öffentlichkeitsarbeiter Seite an Seite bloggen. Die Grenzen sind fließend. Manche Wissenschaftler haben im Laufe der Zeit auch die Rollen gewechselt. So hat beispielsweise Florian Freistetter seinen Blog Astrodicticum Simplex als Doktorand in der Astronomie begonnen und ist heute erfolgreicher Buchautor und so manches mehr.
Und nicht zuletzt unterscheiden sich Blogs von klassischen Verlagsprodukten darin, dass sich die AutorInnen im Sinne des Inhalts maximal vernetzen. So gab es von Anfang an Kontakte und online wie offline einen intensiven Austausch der ScienceBlogger mit den Sciloggern, deren Portal vom Spektrum der Wissenschaft Verlag ebenfalls um die Jahreswende 2007/2008 startete. Selbstverständlich bloggten zum Beispiel Scilogger bereits ab 2009 gemeinsam mit ScienceBloggerInnen von den Lindauer Nobelpreisträgertagungen. Selbstverständlich verlinken die Wissenschaftsblogger beider Portale gegenseitig Inhalte und teilen interessante Artikel auch über weitere Medien wie Twitter oder Facebook. Es geht darum, Wissenschaftsthemen und die wissenschaftliche Sicht auf Entwicklungen der Gegenwart zu stärken.
Mir haben die ScienceBlogs vor zehn Jahren einen wertvollen und nachhaltigen Perspektivwechsel ermöglicht, der auch mein heutiges Berufsleben am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) prägt. Vor den ScienceBlogs waren Wissenschaftler für mich als Journalistin Interviewpartner, die meinen Fragen antworteten. Als Managing Editor der ScienceBlogs durfte ich Wissenschaftler dabei begleiten, wenn sie sich selbst direkt gegenüber der Öffentlichkeit äußern. Ich habe erfahren,
welche Ängste (zu viel Vereinfachung; Kollegenschelte; Umgang mit Kommentaren…) und Wünsche (für ihr Thema begeistern; informieren; aufklären…) sie haben,
warum sie den offenen Dialog mit der Gesellschaft suchen,
welche Themen sie jenseits des journalistischen Nachrichtenwerts für relevant halten,
warum sie es für wichtig halten, die Türen hinein in die Wissenschaft offen zu halten und vieles mehr.
In den zehn Jahren seit dem Start der ScienceBlogs wurde die Blog-Community immer wieder gebeutelt. Es zeigte sich für die wechselnd verantwortlichen Verlage, dass mit den Blogs nicht der große Gewinn in monetärer Hinsicht zu erzielen ist – dafür aber ein ideeller.
Viele der BloggerInnen der ersten Stunde haben alle Wirren mitgemacht und sind auch heute noch dem Portal treu – z.B. Jürgen Schönstein (Geograffitico), Markus Anhäuser (Plazeboalarm), Tobias Maier (WeiterGen), Ludmilla Carone (Hinterm Mond gleich links) oder Ernst Peter Fischer (früher Die andere Bildung heute Wissenschaftsfeuilleton).
Ihnen und auch allen ehemaligen und neuen AutorInnen möchte ich heute Danke sagen.
Danke, dass Ihr mit unter das Dach der ScienceBlogs gezogen seid, Euch vernetzt und engagiert habt. Danke an alle WissenschaftlerInnen, die Kommunikation als Aufgabe mit Verantwortung betrachten.
Auf in ein neues Wissenschaftsblog-Jahrzehnt! Wir brauchen Euch.
Später (wann genau, weiß ich nicht mehr, ich denke, irgendwann Anfang 2009) habe ich dann die Deutschen Scienceblogs entdeckt und dort in diversen Kommentarschlachten eifrig mitgemischt, da ging es seinerzeit ja oft hoch her; es gab diverse Scienceblogs-Religions”kriege” und auch auf den Arte-Fakten flogen die Fetzen. (Kann man übrigens immer noch nachlesen, alles noch da.) Aber natürlich gab es auch viele “richtige” Wissenschaftsartikel, aus denen man eine Menge lernen konnte. Und bei all der Kommentarschreiberei (mit Kommentaren von zum Teil beachtlicher Länge) merkte ich immer mehr, dass mir das Schreiben und Debattieren über Wissenschaft ziemlich viel Spaß machte. Sollte ich vielleicht auch mal…?
Aber so ein Wissenschaftsblog? Da muss man doch ständig neue Dinge schreiben, habe ich dafür überhaupt genug Ideen und Material. Nee, bestimmt nicht.
Im Sommerurlaub 2010 habe ich mich dann irgendwann mal hingesetzt, und in meinem Notizblock auf einer Seite ein paar Ideen hingeschrieben, Themen, über die ich mal bloggen könnte. Es kamen relativ schnell so etwa 20 oder 30 zusammen (von denen einige immer noch auf meiner Liste stehen, vielleicht irgendwann mal…). Und dann hatte ich eines Tages beim Joggen eine Idee, aus der mein allererster Blogartikel wurde. Veröffentlicht habe ich den erst etwas später, damit wollte ich dann doch nicht einsteigen. Aber irgendwie machte das Schreiben schon Spaß.
Dumm nur, dass man sicherlich als Scienceblogger irgendwie nen Blog vorweisen muss – so eine Blogplattform lässt ja bestimmt nicht jeden ran. Dachte ich jedenfalls und stellte mich seelisch darauf ein, erst mal einen kleinen unbedeutenden Blog irgendwo in einer ignorierten Ecke des Internets zu installieren, wo vielleicht alle paar Tage mal jemand vorbeischaut. Aber fragen kostet ja nichts, und nach dem Urlaub habe ich mal spaßeshalber eine mail an den damaligen Redakteur Mark Scheloske geschickt. Der kannte mich aus den oben zitierten Kommentarschlachten, und schwupps, eine Woche später hatte ich einen Zugang zur Blogplattform, fehlte nur noch ein Name für den Blog.
Ich hatte ein paar Ideen – da ich dachte, ich würde auch viel über Materialwissenschaft schreiben, dachte ich eine Weile an “Thinking Matters”, weil das ne hübsche Doppelbedeutung hat, auch “cum grano scientia” fand ich als Namen ganz nett, aber so richtig zufrieden war ich mit beidem nicht, irgendwie ein bisschen abgehoben.
Und dann fiel mir ein, dass ich vor langer Zeit, so mit Anfang 20, doch mal so ein Notizbuch hatte, mit klugen Sprüchen, die ich irgendwo gehört oder gelesen hatte, ob sich da etwas finden ließ? Und dort fand ich ein Zitat aus dem Film “Jenseits von Afrika”: ” Wenn die alten Kartographen das Ende der bekannten Welt erreichten, pflegten sie zu schreiben: “Jenseits dieser Grenzen werden Drachen wohnen”.”
…and the rest is history
]]>Ein Warenhaus für das kleine Glück – das nennt man heute Facebook oder SMS oder sonst wie und tatsächlich kann sich jedermann und jedefrau mitteilen und austeilen und einschalten, ohne jemals auszuschalten. Das Warenhaus für das kleine Glück funktioniert seit etwa 10 Jahren vor allem dank des Geräts mit Namen iPhone, wobei trotzdem die Frage erlaubt ist, ob das, was immer da in kleiner Form daherkommt, zum Glück führt. Palmström merkt noch rechtzeitig, das es “nur das W.K.G.” ist, das ihn mitten in die Welt hineinstellt, und die Frage lautet, wann die iPhone Süchtigen es ihm gleichtun. Palmström gehört übrigens “zu jenen Käuzen, die oft nackt / Ehrfurcht vor dem Schönen packt.” Diese Haltung kann man nicht bestellen, vor allem nicht, wenn man den Kopf gesenkt hält und die große Welt verachtet, während man am kleinen Display klebt und dort das große Glück vermutet. Es ist da aber nicht.
“Wir amüsieren uns zu Tode”, wie Neil Postman 1985 festgestellt hat. Wahrscheinlich, weil wir das Warenhaus für das kleine Glück gegen das große Glück des Lebens eingetauscht haben. Kopf hoch, ihr Leute, es gibt etwas hinter dem Handy.
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Ich hatte nach dem Niedergang der Usenet-Groups früher des Öfteren mal im Kommentarbereich der Wissenschaftsartikel von Spiegel Online kommentiert, aber da war der Anteil von unsachlichen Kommentaren sehr hoch (leugnen des Klimawandels oder anderer wissenschaftlicher Erkenntnisse, ständige Kostendiskussion bei jedem wissenschaftlichen Thema etc.), und Artikel von mir kamen teilweise nicht durch die Moderation, während Crackpot-Artikel veröffentlicht wurden, was mir auf Dauer die Lust am Kommentieren dort verdarb. Bei den Scienceblogs war ich nicht gleich von Beginn an mit dabei; meine erste Diskussion, noch unter anderem Nick “evoluzzer”, fand Ende 2009 zur Zeit der atheistischen Buskampagne statt, als es auf Astrodicticum Simplex einen Gastbeitrag von “sapere aude” gab, der damals noch glühender Atheist war (und mittlerweile zum Theisten konvertierte). Unter dem provokanten Artikel “Der agnostische Fehlschluss oder Warum Richard Dawkins irrt” entspann sich eine leidenschaftliche Diskussion darüber, ob sich eine gesicherte Aussage darüber treffen ließe, dass es keinen Gott gebe. Die Diskussion darüber lief über beinahe 1200 Kommentare (und wurde Jahre später noch fortgesetzt). Religion ist stets ein Thema, zu dem es lange Diskussionen gibt, weil jeder mitreden kann und der eigene Standpunkt oft leidenschaftlich vertreten wird. Und eben weil die Existenz wie Nichtexistenz eines Gottes prinzipiell nicht beweisbar ist – eine Erkenntnis, die man mich schon in der Oberstufe im Philosophieunterricht lehrte.
Das zeichnete die Scienceblogs schon immer für mich aus, die Kommentare sind hier weit mehr als Sachfragen und kurze Antworten. Es gibt eine sehr aktive Community, innerhalb der Themen vertieft und erweitert werden. Darunter sind Leute mit Fachkenntnissen wie Ärzte, Chemiker, Geologen, Physiker, Elektroingenieure etc., so dass die Diskussionen überwiegend mit großer Sachkenntnis geführt werden und keine Frage offen bleibt – und auch kein Fehler im diskutierten Artikel. Der Tonfall ist überwiegend respektvoll, was ich anderswo schon ganz anders erlebt habe.
Mein eigentlicher Einstieg, nachdem ich dann regelmäßig mit las (zuerst nur Astrodicticum Simplex, weil Astronomie mein Hobby ist), war dann zur Zeit des Reaktorunglücks in Fukushima im März 2011. Ich war damals entsetzt und fassungslos, dass die Tepco-Techniker tagelang nur mehr oder weniger tatenlos zusehen konnten, wie ein Reaktorgebäude nach dem anderen in die Luft flog. Ich hatte, auch nach Tschernobyl, eigentlich immer großes Vertrauen in die Kernenergie und hatte den Glauben, man hätte diese auch bei Störfällen noch im Griff. In Fukushima Daiichi fiel nach dem Tsunami der Strom für die Kühlung der Reaktoren aus, und Notstromaggregate wurden überflutet und zerstört. Das reichte aus, um die Kontrolle über die Reaktoren zu verlieren. Kurz zuvor hatte ich in der renommierten Astronomie-Zeitschrift Sky & Telescope einen Artikel über die Gefahr von Sonnenstürmen gelesen – die Autoren (der Leiter des Labors für atmosphärische und Weltraum-Physik der Universität Boulder, Colorado, und der Direktor der Abteilung planetare Wissenschaft am NASA-Hauptquartier, also durchaus Experten in ihrem Gebiet) prophezeiten für eine heutige Wiederholung des “Carrington Events” große Schäden am US-Stromnetz durch überlastete Transformatoren, die in manchen Teilen des Netzes wegen der begrenzten Produktionskapazitäten für Ersatz-Hardware zu monate- bis gar jahrelangen Stromausfällen führen könnten – und so schloss ich etwas voreilig, dass damit auch die Kühlung für einige Kernkraftwerke gefährdet sein könnte. Damit platzte ich als Kommentator zu einem Artikel herein, in dem Florian Freistetter gerade versuchte, besorgten Lesern die Angst vor dem Weltuntergang 2012 zu nehmen, für den Dieter Broers unter anderem katastrophale Sonneneruptionen “vorhergesagt” hatte – von Broers oder den Weltuntergangsszenarien für 2012 hatte ich bis dahin noch nie gehört, und so begann mein Einstand mit einem Missverständnis und ich war zuerst einmal ein Crackpot mit einer scheinbar absurden Theorie. Die folgende Diskussion war jedenfalls lehrreich. Mit etwas Abstand würde ich rückblickend mein früheres Ich heute darauf verweisen, dass die Autoren aus dem S&T-Artikel selbst nichts dergleichen in ihren Risikoszenarien aufführten. Ein großer Freund der Fissionsenergie bin ich seitdem trotzdem nicht mehr geworden. Immerhin gab es zwei Katastrophen, die eigentlich nur alle zigtausend Jahre prognostiziert waren. Dabei wurde die Fehlbarkeit des Menschen wohl unterschätzt.
Jedenfalls musste ich mir danach zuerst meine Anerkennung verdienen, indem ich die eine oder andere Frage zur Astronomie mit beantworten helfen konnte. Ich betreibe Astronomie als Hobby seit mehr als 40 Jahren und habe im Studium auch ein paar Semester Physik und Astronomie im Nebenfach gehört, so dass ich die eine oder andere einfache Frage beantworten kann, auch wenn meine Kenntnisse aus dem Studium in den 80er Jahren schon etwas angestaubt sind. Bin auch von Berufs wegen ständig online und schaue immer mal wieder nach neuen Wortmeldungen, und es macht mir Spaß, wenn ich jemandem etwas erklären kann. Dabei werden so viele interessante Fragen gestellt, die ich meistens nicht aus dem Stegreif beantworten kann, sondern für die ich selber recherchieren muss, und dabei lerne ich selbst mit dazu, unter anderem auch, wie man argumentiert und erklärt. Ich verfolge nicht alle Scienceblogs, sondern vor allem diejenigen, die sich mit Astronomie, Physik und Raumfahrt beschäftigen (Hier wohnen Drachen, Meertext, Hinterm Mond gleich links, Frischer Wind) – bei denen ich dann eben auch an den Kommentaren teilnehme. Mehr wäre zu viel Zeitaufwand, es gibt einfach zu viele Blogs hier. Dafür ist für jeden was dabei.
Was ich an den Artikeln schätze, ist dass sie die Wissenschaft nicht, wie oft im TV, auf Grundschulniveau behandeln, sondern dass man auch mal komplexere Dinge lernt. Zum Beispiel bei Martin Bäker, der mit seinem Physik-Blog angenehm die klaffende Lücke zwischen der Physik in den Massenmedien und derjenigen in Fachbüchern und -artikeln füllt, und sich auch mal traut, ein Integral hinzuschreiben. Wenn man’s nicht gleich versteht, kann man im Kommentarteil ja nachfragen.
Durch einige Artikel bei “Was geht?” habe ich dann auch mein Vertrauen in die Kernkraft teilweise restauriert – mir wäre es lieber, man hätte in den vergangenen Jahren Kohlekraftwerke statt Kernkraftwerken zuerst stillgelegt, weil die Kohlekraftwerke mit jedem Betriebstag den Klimawandel befördern, während die Kernkraftwerke vor allem ein latentes Risiko bedeuten und es bei der Entsorgung des Mülls letztlich nicht darauf ankommt, ob es ein paar Tonnen mehr oder weniger sind (die sich, wie ich hier lernte, zu harmloserem Müll transmutieren ließen, wenn man es nur ernsthaft wollte). Aber, und auch das habe ich bei den Scienceblogs gelernt, demokratische Regierungen entscheiden selten danach, was wissenschaftlich das Vernünftigste wäre, sondern danach, was bei den Wählern mutmaßlich am besten ankommt (den Industrielobbyismus mal beiseite gelassen). Deswegen wird dann beispielsweise ein Gentechnikverbot ausgesprochen oder Glyphosat verteufelt, während Homöopathie von den Krankenkassen bezahlt wird. Es gibt zu viele Bedenkenträger und Lobbyisten mit zu viel Einfluss auf die öffentliche Meinung und zu wenig Sachkenntnissen. Die Scienceblogs sind einer der wenigen Orte, wo der oder die Interessierte Zugriff auf solche Sachkenntnis hat und seine Bedenken vortragen und bewerten lassen kann. Ich wünschte mir, viel mehr Menschen würden diese Gelegenheit auch wahrnehmen.
Ein interessantes Phänomen, das ich aus dem Usenet schon kannte, findet sich auch bei den Scienceblogs, der Crackpotismus. Natürlich lockt die Gelegenheit, mit einem echten Wissenschaftler kommunizieren zu können, eine kleine, überschaubare Zahl von, nennen wir sie “Hobby-Wissenschaftlern” (nicht selten Pensionäre mit Ingenieurslaufbahn), aus der Reserve, die sich auf der Basis mathematischer Kenntnisse auf Mittelstufenniveau und einem aus populärwissenschaftlichen Büchern erworbenen Grundverständnis (das an sich lobenswert ist) zutrauen, auf die von Millionen Wissenschaftlern noch nicht beantworteten großen Fragen eine an einem Sonntagnachmittag erdachte Antwort geben zu können – eine Antwort, die der interessierte Amateur oder Student vom Fach meist ohne nachzudenken sofort als… Naturdünger erkennen kann (meist wurde das Problem erst gar nicht richtig verstanden und niemals der Stand der Technik). Da wird der Urknall geleugnet, das Universum von elektrischen Kräften zusammen gehalten, die Kreiszal π ist gar nicht transzendent, sondern 4/√Φ (wobei Φ die Zahl des goldenen Schnitts ist), oder die Mondlandung durch umfangreiche Rechnungen mit fehlerhaften Formeln “widerlegt” (die entsprechenden Kommentare verlinke ich mal bewusst nicht, um keine Zombiediskussionen wieder zu erwecken). Die Wissenschaft, die die Meinung der Kommentatoren nicht anerkennen will, sei gegen sie oder die Wahrheit verschworen oder dogmatisch auf ihre Bücher fixiert, ohne offen für Neues zu sein. Über die wissenschaftliche Arbeitsweise wissen diese Kommentatoren nichts, sie haben offenbar eine sehr verschrobene Vorstellung davon, was Wissenschaft ist (anscheinend eben, an einem Sonntagnachmittag eine gute Idee für eine plausibel scheinende einfache Erklärung zu haben, die dann ungeprüft als “Theorie” in einem Buch veröffentlicht wird – nein, so läuft das in Wirklichkeit nicht, ganz und gar nicht!) und wie sie sich selbst korrigiert – und durchaus auch schon mehrfach revolutioniert hat – wenn die Messdaten das erforderten. Es ist erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit sich diese Kommentatoren jeglicher Argumentation verschließen – und wie schwierig es ist, selbst einfachste Sachverhalte wie die Krümmung der Erdoberfläche zweifelsfrei argumentativ zu belegen. Am Ende kann man nicht argumentativ gewinnen, wenn die andere Seite sich dagegen sperrt. Die Abgründe des menschlichen Geistes sind tiefer, als ich es mir jemals hätte vorstellen können, auch das ist eine Erkenntnis aus den Scienceblogs, eine, die mich manchmal erschaudern lässt, denn solche Leute nehmen auch an Wahlen teil.
Neben der Wissensvermittlung bieten die Scienceblogs aber auch Kurzweil. Hervorgehoben seien Artikel zum 1. April z.B. bei Geograffitico oder Hier wohnen Drachen, der jährliche Blogschreibwettbewerb oder das halbjährliche Rätsel, bei dem man jeweils dem Artikel oder Hinweis des nächsten Tags entgegen fiebern kann. Ein großer Dank an Florian Freistetter, der letztere beiden betreut, neben seiner zahlreichen Artikel auch in anderen Kolumnen (Scilogs, Standard, mehrere Podcasts, selbst im ZDF sah man ihn schon) und seinem Engagement bei den Sciencebustern. Ich hoffe, er bleibt uns noch lange hier erhalten, er ist gewissermaßen der “Stefan Raab der Scienceblogs”.
Zu guter Letzt hat Florian Freistetter mein Leben auch persönlich beeinflusst. Er hat 2014, vor allem durch Sport, gewaltig an Gewicht verloren (hier eindrucksvoll dokumentiert) und dieses Vorbild hat mich ermutigt, ebenfalls etwas gegen meine damaligen fast 104 kg (bei 1,83 m Körpergröße) und Atemnot vor der Wohnungstüre im 2. Stock zu unternehmen. Schuhe binden war ohne Luftanhalten auch nicht mehr machbar. An einem trüben Silvestertag 2014 gelobte ich im Kommentarbereich eines seiner Artikel über das Laufen, im folgenden Jahr mit dem Schwimmen zu beginnen, und nach anfänglichem Erfolg traute ich mir nach 7 Monaten dann auch erste Laufversuche zu und betreibe seitdem regelmäßig dreimal die Woche je 1-1,5 h Sport. So habe ich binnen zwei Jahren fast mühelos auf 84 kg abgespeckt, erklimme im Alter von 53 problemlos jeden Turm, bin viel seltener erkältet, habe auch kein chronisches Sodbrennen mehr und mein Arzt ist über viel bessere Blutwerte erfreut. Damit ist die Nützlichkeit der Scienceblogs für mich zweifelsfrei belegt!
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um es mit den Ghost Busters zu sagen, “who do you call?” – wen sollte man fragen? Selbsternannte mit viel Sendungsbewußtsein, denen man eh kaum entgehen kann?
oder doch lieber einen Fachmann, der zumindest einige Prüfungen auf seinem Gebiet absolvieren mußte?
beim Zahnarzt ist die Antwort einfach. da versteht es wirklich jeder. oder wer würde jemanden an seinen Zähnen arbeiten lassen, der da im Brustton der Überzeugung sagt, “ach komm, laß mich doch einfach mal versuchen, ich bin ganz sicher, ich kann daaas…”
nein, da will jeder einen mit echtem Studium, mit erfolgreichem Abschluß.
und bei allen anderen Fragen?
den meisten scheint ein Vermuter zu genügen, wenn der nur überzeugend genug mit seinen Vermutungen auftritt…
man begegnet denen ja auch an allen Orten, besonders als journalistische Befähigung, wie mir persönlich scheint. was habe ich mich schon über Zeitungsartikel oder Verkündigungen in Radio und TV geärgert, bei denen man mit halbwegs Allgemeinbildung schon merkte, da kann irgendwas nicht stimmen.
Science blogs ist mein persönlicher Gegenpart dazu.
mit irgendwas muß man sich ja erholen, und immer nur Alkohol zum Trost ist ungesund (Stichwort Toleranzentwicklung…)
besonders gern lese ich die Beiträge von Cornelius mit blooDNAcid und Bettina mit Meertext. obwohl Bettina und ich schon ziemlich zusammengerasselt sind und ich weiß, daß sie mich nicht mögen würde, könnte sie sich daran erinnern…
aber Qualität (und persönliche Vorliebe bei den Themen) machen bei mir viel aus, so daß ich solche persönlichen Petitessen einfach hinter mir lasse.
Also, Bettina, deine Beiträge sind in meinen Augen SO GUT, daß sie das alles spielend überwinden…
science blogs ist ein Leuchtturm und steht leider bißchen einsam da.
andere Angebote im Netz werden noch viel zu oft von Praktikanten betrieben.
aber immerhin, immerhin. IMMERHIN! auf Science blogs gibt’s Experten-Artikel!
und diese sogar gut verständlich.
läßt doch hoffen.
Herzlichen Glückwunsch scienceblogs.de.
Den Anfang 2007/2008 habe ich verpasst. Ich war mit gesundheitlichen Dingen zu sehr beschäftigt und bei meiner Internetrecherche stieß ich zuerst auf Internetseiten, von denen ich heute weiß, dass sie fragwürdige Inhalte verbreiteten. 2009, ich war immer noch am Recherchieren, stieß ich auf eine Seite, die dem, was ich mir zuvor angelesen hatte, gegensätzlich gegenüberstand: WeiterGen.
Zuerst stand ich diesem Blog kritisch gegenüber, weil er dem zuvor Angelesenen widersprach. Aber die Art und Weise, wie meinen Zweifeln begegnet wurde, über-zeugte mich. Hier konnte ich mich informieren und sogar mitdiskutieren, lernen, wie wissenschaftlich vorgegangen wird und wie der Weizen von der Spreu getrennt werden kann. Scienceblogs diente mir in dieser Zeit vorrangig der Informations-beschaffung zu den Themen die mich damals wirklich bewegten und zum Erlernen einer wissenschaftlich gestützten Sicht- und Arbeitsweise. An dieser Stelle: Vielen Dank an Tobias Maier.
2010, ich hatte mich durch den kompletten Blog WeiterGen gearbeitet, sehr viel neues Interessantes gelesen und gelernt, stolperte ich über den nächsten scienceblog: Arte-Fakten. Auf Arte-Fakten wurden alle möglichen interessanten Themen vorgestellt und diskutiert, ausgiebig diskutiert und es wurde gestritten. Dieser Blog war nicht unumstritten. Aber die Themen waren interessant und ich konnte in aufreibenden Diskussionen mit anderen KommentatorInnen meinen Diskussionsstil verbessern. Besonders in Erinnerung geblieben sind zwei, die mich durch diese Zeit begleitet haben und teilweise immer noch begleiten. Ladys first: Andrea N.D., eine sehr kompetente und sehr streitbare Kommentatorin. Wir gerieten unzählige Male aneinander. Wir waren wie Feuer und Wasser und hätten uns doch prächtig ergänzt. Es war eine anstrengende Zeit. Ich lernte jede Äußerung auf Stichhaltigkeit zu überprüfen und möglichst unangreifbar zu formulieren. Es war eine sehr harte Schule und mit Sicherheit nicht nur anstrengend für mich. Der zweite war MartinB, ein Kommentator, der oft eine entgegengesetzte Position zu Jörg Friedrich bezog. Seine Kommentare waren für mich stets Augenöffner und immer einen Gedanken wert.
Die Zeit der Arte-Fakten neigte sich dem Ende zu. Und mittlerweile hatte ich einige andere scienceblogs für mich entdeckt. Ich stellte fest, dass die Harmonie auf den scienceblogs gestört war. Hinter den Kulissen gab es Streitereien und es ging um Arte-Fakten. Einiges davon konnte ich zufällig live miterleben und es trübte das bis dato komplett positive Bild der scienceblogs für mich.
Ich machte mir das erste Mal Gedanken, was scienceblogs für mich ist und stieß auf Über scienceblogs: „Auf ScienceBlogs schreiben Forscher, was sie bewegt. Journalisten veröffentlichen unredigiert. Das ist die Basis für einen neuen Dialog aus erster Hand über die Rolle der Wissenschaft in Politik, Religion, Philosophie, Kunst und Wirtschaft.“ Und „ScienceBlogs ist das Portal für diesen weltweiten Dialog – der digitale Salon führender Blogger unterschiedlicher Fachbereiche. Sie präsentieren, kommentieren und diskutieren aktuelle Themen.“
Und ich suchte den Dialog, musste aber feststellen, dass es bei den verschiedensten BloggerInnen unterschiedliche Auffassungen von Dialog gab und gibt. Das ist auch gut so, wenn man nicht gerade Dialog als ungeteilte Zustimmung versteht. Wo ein solches Verständnis überwog, eckte ich unweigerlich an. Es ging gar nicht anders. Ich eckte bei BloggerInnen und KommentatorInnen an, deren Auffassungen ich nicht teilte. Aber ich fand auch Unterstützung. Ich suchte Belege für meine Aussagen und legte starken Wert darauf, dass ich alles was ich auf scienceblogs schrieb auch belegen konnte und dass es den Fakten entsprach. Das gleiche erwartete ich auch von BloggerInnen und Kommentatorinnen. Nun, um es kurz zu fassen: Belege und Fakten haben nicht für alle den selben Stellenwert.
Arte-Fakten war Historie, neu kam Hier wohnen Drachen. Martin Bäker tauchte plötzlich als Blogger auf. Und er bloggte über Physik. Physik war für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Aber ich verstand plötzlich, die für mich kompliziertesten Dinge. Ich arbeitete die physikalischen Beiträge regelrecht durch. Die anderen Themen waren ebenfalls interessant und äußerst lehrreich. Scienceblog diente mir zur Wissenserweiterung. Mein immer schon sehr stark ausgeprägter Gerechtigkeitssinn entwickelte sich weiter durch die gesellschaftspolitischen Beiträge. Und wenn der Stress zu groß war, ließen mich Beiträge über Dinosaurier wieder zur Ruhe und zu neuer Kraft kommen. Dieser Blog ist, wie für mich gemacht.
Es klang schon an, auf scienceblogs eckte ich oft an. Die scienceblogs Netiquette fordert einen sachlichen Stil und Respekt vor anderen Meinungen:
„Die Blogkommentierung bietet Ihnen die Möglichkeit, Ihre Meinung zu einem Eintrag zu äußern oder Informationen zu ergänzen. In diesem Sinne ist ein sachlicher Stil der Kommentare geeignet, der den Respekt vor anderen Meinungen wahrt.“ Ich versuche immer sachlich zu bleiben, auch wenn mein Gegenüber unsachlich wird. Meistens gelingt es. Persönliche Angriffe empfinde ich als Zeichen der Unterlegenheit, des mangelnden Respekts vor der anderen Person oder der anderen Meinung, manchmal auch als Hilflosigkeit. Dort wo keine sachliche Diskussion möglich ist, kommentiere ich nicht mehr.
Ich schwenke anscheinend immer wieder zurück auf mich und erkläre mein Verhalten, meine Einstellung, meine Werte und nicht die der scienceblogs. Ich schreibe mit Absicht „anscheinend“, denn mein Verhalten und meine Einstellung wurden in den letzten Jahren sehr stark durch die scienceblogs geprägt. Fast mein komplettes physikalisches Wissen kommt von den scienceblogs. Meine gesellschaftspolitische Einstellung wird durch die scienceblogs maßgeblich beeinflusst. Viele interessante Themen habe ich auf den scienceblogs kennengelernt. Und ich freue mich immer wieder, wenn ich vielleicht eine klein wenig zurückgeben kann, sei es auch nur durch einen ergänzenden Link.
Zurück zu den einzelnen Blogs. Mit WeiterGen, Arte-Fakten und Hier wohnen Drachen habe ich bereits drei erwähnt. Die Zahl der aktuellen Blogs ist aber wesentlich höher und die der ehemaligen nochmals höher. Alle scienceblogs, aktuelle und auch historische, werden unter dem Menüpunkt Blogs auf den scienceblogs-Seiten aufgeführt. Ich kann unmöglich auf alle eingehen, der Platz und die Zeit würden nicht ausreichen. Ich beschränke mich daher auf eine Auswahl, die ich persönlich als aktuell empfinde und die ich auch regelmäßig lese.
Astrodicticum simplex: Der Blog mit den weitaus meisten Beiträgen und Kommentaren. Das Hauptthema ist die Astronomie. Florian Freistetter schreibt aber auch unermüdlich über alle anderen Dinge, die ihn bewegen oder die an ihn herangetragen werden. Beiträge über Weltuntergang oder Homöopathie sind hier genauso zu finden wie Beiträge über Politik oder Technik. Besonders gelungen finde ich die Integration der Leser beim Blog-Schreibwettbewerb oder beim Adventskalender.
GeoGrafittico: Der Blog, wenn es um allerlei Neues aus der Welt der Forschung, Politik und Technik geht, der sich aber auch besonders mit gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigt. Hier wird über Sexismus genauso diskutiert wie über Klimawandel oder Schusswaffengebrauch in den USA. Jürgen Schönstein demonstriert hier sehr schön, dass kontroverse Diskussionen auch sachlich geführt werden können.
Gesundheits-Check: Der Name des Blogs ist bezeichnend. Hier geht es um Gesundheit, Medizin, Gesundheitspolitik aber auch um Politik. Joseph Kuhn schreibt über Gesundheitsgefahren des Rauchens, des Passivrauchens und über die Machenschaften der Zigarettenindustrie, die sich auch in anderen Industrien wiederfinden. Gesellschaftspolitische Themen kommen hier nicht zu kurz.
Auf Mathlog widmet sich Thilo Kuessner tagesaktuellen und populärwissenschaftlichen Themen bevorzugt aus dem Reich der Mathematik.
Bettina Wurche schreibt auf Meertext vorwiegend über Meeresbewohner und Meere. Hier finde ich immer wieder Wissenswertes und Kurioses sehr interessant aufbereitet.
Wenn es um Radioaktivität geht ist Nucular die erste Wahl. Tobias Cronert vermittelt hier alles Wissenswerte mit Verzicht auf Panikmache. Hier finde ich die hilfreiche Grundlage, um Themen der Kernkraft richtig einschätzen zu können.
Ali Arbia schreibt auf zoon politikon über politische Themen, für mich ist er der kompetente scienceblogger bei weltpolitischen Themen. Leider ist es auf seinem Blog in letzter Zeit etwas ruhiger geworden.
Dies ist meine persönliche Auswahl der scienceblogs, die ich regelmäßig lese und die mir helfen meinen Wissensstand einigermaßen aktuell zu halten. Es gibt noch weitere, die ich ebenfalls bedenkenlos weiter empfehlen kann, aber bei einigen wird zur Zeit leider eine Pause eingelegt.
Ich wünsche, nicht ganz uneigennützig, den scienceblogs.de weiterhin viele interessante Beiträge und würde mich freuen, in 10 Jahren, dann zum 20-jährigem Bestehen, gratulieren zu dürfen.
]]>Wenn ich die Diskussionen hier Revue passieren lasse, gehört die Erfahrung, wie schwierig es werden kann, Sachargumenten Geltung zu verschaffen, mit zu den beeindruckendsten Aspekten meines „Bloggerlebens“. Das ist natürlich einerseits trivial, gerade in Zeiten, in denen das „Postfaktische“ als Signum der öffentlichen Diskussion gilt, aber andererseits auch aufschlussreich, wenn man den klassischen wissenschaftlichen Diskurs in Zeitschriften dagegenstellt. Auch dort kann es polemisch zugehen, auch dort können verbohrte Gegner aufeinander treffen, aber alles geht viel langsamer und daher in der Regel auch moderater zu, zumal bei Zeitschriftenartikeln das Review zusätzlich zu einem gemäßigten Tonfall beiträgt.
Hier im Blog kam es bei Themen, die ins weltanschauliche Fundament der Meinungsbildung reichen – z.B. Beschneidung, Rauchen, Homöopathie, Genderstudies – immer wieder zu Eskalationen, die unmissverständlich deutlich machen: Menschen sind keine argumentativen Maschinen, sondern buchstäblich mit Haut und Haaren mit dem verbunden, was sie denken. Demzufolge ist es schwer, sich ein Stück weit frei von den eigenen persönlichen Prägungen zu machen, wenn einem eine Sache unter die Haut geht.
Klar: Manchmal schreiben Kommentatoren etwas, worauf man nur noch mit einer gut platzierten persönlichen Bosheit reagieren kann, oder gar mit der Sperrung des Kommentators. Diskussionen möglichst sachlich zu führen, ist ein Prinzip, das Ausnahmen kennt. Aber sich gelegentlich bewusst zu machen, wie schnell man selbst bei bestem subjektivem Bemühen vom Licht der eigenen Überzeugung geblendet wird, schadet nicht. Wir sind alle nicht frei von Neigungen zum confirmation bias und zum bias blind spot. Überzeugungen, mit denen wir lange gut gefahren sind, die unseren Umgang mit Alltagsproblemen unbeschadet überstanden haben, geben wir nicht gerne auf und wenn sie infrage gestellt werden, reagieren wir schnell „persönlich“: Der Andere muss ja wohl dumm oder bösartig sein.
Darüber habe ich im Blog immer wieder einmal nachgedacht. In Anlehnung an „Hanlon‘s Law“ könnte man als Quintessenz ein Deeskalationsprinzip zur Besinnung bei vorschnellem Denken formulieren: „Unterstelle nicht Dummheit oder Bosheit, wenn die Annahme ausreicht, dass der Andere nur genauso fest an seiner Überzeugung hängt wie Du an Deiner.“*
———————-
* Die offensive Version wäre: „Wenn der andere partout nicht nachgibt, hat er vermutlich auch keine besseren Argumente als Du, also bleib standhaft.“
Erfreulich beim Blick in die Statistik ist jedenfalls, dass die Artikel des ersten Jahres im Zehn-Jahres-Überblick zu den meistgeklickten gehören. Das ist zwar eigentlich nicht überraschend, denn sie waren ja auch länger online. Aber andererseits waren im ersten Jahr die Leserzahlen doch noch deutlich niedriger gewesen als in späteren Jahren und insofern ist es doch erfreulich, dass diese frühen Artikel über die Suchmaschinen dann später noch ihre Leser gefunden haben.
Am Anfang war die “Topologie von Flächen”-Reihe, die noch bis 2013 in insgesamt 270 Folgen fortgesetzt wurde und erstaunlich viele Leser (aber nur wenige Leserkommentare) hatte. Die Bildschirmfotos oben und unten vermitteln vielleicht einen Eindruck von der Reihe. Unter den meistgeklickten Beiträgen sind natürlich die ersten, besonders elementaren Beiträge, aber auch Folge 49 (aus der das erste Bildschirmfoto oben stammt) oder Folge 60 (immer in den Wochen vor Ostern vielgelesen) oder Folge 212, und natürlich die letzten beiden Beiträge Folge 269 und Folge 270.
Der in 2008 meistgelesene Beitrag war aber Captcha. Was auch schon ein durchgehendes und sich in jüngerer Zeit eher verstärkendes Motiv erkennen läßt: oft sind es die sehr kurzen und nur auf irgendetwas lustiges im Netz verweisenden Beiträge, die am meisten geklickt und weiterempfohlen werden. Aber eben nicht nur, es sind auch immer wieder ausgesprochen fachspezifische Beiträge unter den Vielgelesenen.
Zu einem Dauerbrenner entwickelte sich die Diskussion über Eine merkwürdige Stellenanzeige. Dieser Artikel über die Stellenanzeige einer Promotionshilfe war eigentlich nur eine kurze Notiz gewesen, durch die Beiträge des Diskussionsteilnehmers “Rumpel Stilz” ergaben sich dann aber sehr interessante Einblicke in das Unwesen der Promotionsvermittler, das ja damals – lange vor Guttenberg – noch weithin unentdecktes Gelände war. Schließlich beteiligten sich dann auch noch die “Betroffenen” an der Diskussion und sechs Jahre später brachte mir die Artikel-Diskussion sogar eine Anzeige bei einer bayerischen Staatsanwaltschaft – die aber natürlich ergebnislos niedergeschlagen wurde.
Und auch die im Artikel Chaos bei Elsevier diskutierte Geschichte über die Fachzeitschrift “Chaos, Solitons and Fractals” hatte eine längere Nachgeschichte, zunächst Wissenschaftsjournalismus und Pressefreiheit – Feigheit bei der ZEIT und fast vier Jahre später “Nature” siegt vor Gericht.
Nicht sofort, aber langfristig viele Klicks hatte “Die Vermessung der Welt”: Materialien, Dokumente, Interpretationen, eigentlich nur eine Wiedergabe einiger Inhalte aus dem Sammelband von Gunther Nickel. Woher die vielen Leser kommen ist in diesem Fall leicht nachzuvollziehen: weil Nickels Originaltext nicht online ist, war dieser Blogartikel als Einzelnachweis im Wikipedia-Artikel zum Roman verlinkt und wurde dann offenkundig von vielen Schülern angeklickt, die ein paar Zitate für ihre Hausarbeiten brauchten. (Der Herausgeber Gunther Nickel hat dann später übrigens eine zweifelhafte Karriere als AfD-Politiker gemacht. Aber das wäre ein anderes Thema.)
Und noch ein anderer Artikel hatte langfristig viele Leser: Eichhörnchen, Baumlöcher und die Freunde der Ratte – Chinesische Wissenschaftsblogs (Bildschirmfoto unten).
In 2009 nahmen die Leser und vor allem das Kommentaraufkommen sprunghaft zu. Grund dafür war ein Artikel zum 130. Einstein-Geburtstag am 14. März. Eigentlich nur ein launiger Beitrag mit einigen Karikaturen und lustigen Zitaten, der zunächst auch kaum beachtet wurde. Lebhafte Diskussionen entwickelten sich erst zwei Wochen später, als Leser “Max Feierabend” (#42 vom 26. April) auf eine “Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Physik” hinwies, deren damaliger Vorsitzender gerne mal mit kruden antisemitischen Thesen auf sich aufmerksam machte. Die sich anschließende Debatte zog sich noch über Monate und mehrere Tausend Diskussionsbeiträge in verschiedenen Diskussionssträngen. (Wie ich gehört habe, soll es einen Studenten aus Bielefeld geben, der schon seit acht Jahren versucht, diese Debatte zum Thema seiner Abschlußarbeit in Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftskommunikation zu machen.) Für eine aktuelle Neuauflage der Diskussion siehe diesen Artikel von Markus Pössel vom November letzten Jahres.
Andere vielgelesene Artikel in 2009 waren Große Zahlen – wieviel sind 100 Milliarden? (Bildschirmfoto oben), und mit Was ist ein Beweis? auch ein durchaus fachspezifischer Artikel zum Unterschied zwischen “traditionellen” und formalen (computer-überprüften) Beweisen. Lebhafte Diskussionen gab es bei mehreren Artikeln zu relativen Wahrscheinlichkeiten, vor allem bei Junge oder Mädchen – 1/2 oder 2/3? über ein eigentlich altbekanntes und elementares Paradox der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Ab 2010 war dann für mehrere Jahre ein schon 2008 geschriebener und damals wenig beachteter Artikel über das Königsberger Brückenproblem Jever Bierdeckel-Mathematik und die Brücken von Kaliningrad der meistgeklickte Artikel. Interessanterweise mit besonders vielen Klicks an Samstag-Abenden und zu Google-Suchbegriffen, in denen “Jever Bierdeckel” vorkam. Offenkundig saßen da jeden Samstag-Abend Leute in Kneipen, die im Netz nach Lösungen der Jever Bierdeckel-Rätsel suchten. (Womit sie bei mir nicht wirklich fündig wurden.)
Eine längere Artikelserie gab es in 2010 auch, nämlich mit Besprechungen der 23 einzelnen Kapitel in Ruelle: Wie Mathematiker ticken.
Ansonsten waren es in der zweiten Jahreshälfte vor allem Artikel zu tagesaktuellen Themen, die viele Leser fanden. Im Juli Loveparade: Menschenmassen und Panik, im September ein Artikel zu Sarrazin (Durchfall und Intelligenz) und im November ein Diskussionsbeitrag Stoppt Wikileaks!.
Dieser Trend setzte sich in 2011 fort, wobei nun auch sehr kurze und inhaltsarme Artikel viel gelesen und geteilt wurden. Alle Rekorde brach im Februar Liebe BILD: Wie liest man 261223 Faxe? zur Guttenberg-Affäre. Dabei war mir nur zufällig auf einer Zugfahrt eine liegengebliebene BILD in die Hände geraten und die Überschrift mit dieser unplausiblen Zahl aufgefallen. Andere vielgelesene Artikel zu aktuellen Themen waren Dioxin-Eier vs. Passiv-Rauchen, Große Zahlen: Millionen in Kairo und BILD: heißer Kaffee wiegt mehr als kalter.
Zwar auch durch ein aktuelles Ereignis veranlaßt, nämlich Fukushima, aber doch mehr auf mathematische Substanz bedacht waren die Artikel Unwahrscheinliches („wenn wir 33 Millionen Atomkraftwerke hätten, würde nur eines havarieren“) und Wahrscheinlichkeit Null.
Und einige Tage lang viele Tausende Leser und später fast nie wieder angeklickt wurde der Artikel Demonstrieren für die Normalverteilung über die Wahlen in Rußland.
In 2012 waren die Diskussionen über Elsevier ein häufiges Thema, einen Überblick gibt Ein Jahr Elsevier-Boykott. Ein anderes kontroverses Thema, natürlich nicht nur bei mir im Blog, war die Viadrina. Auch die Rätsel fanden viele Leser und Löser. Andere vielgelesene Artikel waren abc-Vermutung bewiesen? und Verängstigte Frauen beim Bayrischen Rundfunk
In 2013 war es vor allem ein Artikel zum Karlsruher Physikkurs, der zu lebhaften Diskussionen führte. Später wurde das Thema auch in anderen Blogs aufgegriffen. Und xkcd hatte damals noch mehr mathematische Themen und Erklärartikel der jeweils aktuellen Zeichnungen fanden gleich am Erscheinungstag immer zahlreiche Leser.
Ein Anfang 2014 zu einem sehr spezifischen mathematischen Thema geschriebener Artikel war in diesem und auch noch den folgenden Jahren der meistgeklickte auf dem Mathlog: 1+2+3+4+5+6+… = -1/12 (Bildschirmfoto oben). Aktueller Anlaß war ein kontrovers diskutiertes YouTube-Video aus Physiker-Sicht gewesen, dessen Mathematik ich einfach nur hatte geraderücken wollen. Jedenfalls erfreulich, dass solche Artikel, die ja eigentlich das Hauptthema hier auf dem Mathlog sein sollten, so viele Leser finden.
Viel gelesen in 2014 wurde auch ein Artikel zur Wikipedia und einer zu Zeit Online. Und der Dezember gehörte dem Weihnachtsrätsel.
Überraschenderweise mehr als 30000 Lesern in zwei Tagen hatte dann zum Jahreswechsel “Nature”-Leser kennen keine Polynome. Grund war offensichtlich die Verlinkung in einem vielgelesenen Blog.
Ansonsten waren es eher kurze Artikel, die in 2015 viele Leser fanden: 96 Prozent der Mathe-Studenten scheiterten einst oder Kampfflieger und Bomben bei der Mathematik-Olympiade oder auch ganz ohne Mathematikbezug Xavier Naidoo, die “Reichsbürger”, der ESC und die Wissenschaft, wo ich wegen der Zeitverschiebung etwas schneller gewesen war als andere. Ähnlich waren in 2016 Artikel wie Schwierigkeiten mit der Unendlichkeit oder Warum Moslems für das Leben in Mitteleuropa ungeeignet sind und in 2017 Mehr als 122 Prozent der Deutschen können keine Prozentrechnung oder Mathematik im Alltag die meistgelesenen. Während die Anzahl der Artikel etwas zurückging, ist die Zahl der Kommentare in den letzten Jahren erfreulicherweise stark angestiegen. Unter den meisten Artikeln entwickeln sich längere Diskussionen, die dann am Ende oft mit dem eigentlichen Thema des Artikels nicht mehr viel zu tun haben. Weiter so!
]]>Aber natürlich sind zehn Jahre ein Grund zum Feiern. Tun andere ja auch, nicht wahr. Und sooo selbstverständlich, dass diese Plattform ein volles Jahrzehnt überleben würde, war es weder am Anfang noch zu irgend einer Zeit zwischen 2008 und 2018: Die ältere amerikanische Schwester, ScienceBlogs.com, hat Ende Oktober 2017 das Zeitliche gesegnet; ein Jahrzehnt reichte auch, um den steilen Aufstieg und dramatischen Fall so mancher Internet-Megahits wie beispielsweise Studivz.de oder auch myspace.com und lycos.com zu umklammern. ScienceBlogs.de selbst, als Gemeinschaftsprojekt der Hubert Burda Media mit der amerikanischen Seed Media Group lanciert, wurde in den vergangenen zehn Jahren unter verschiedene Dächer geschoben: Von Burda zur Burda-Beteiligung Glam Media, von dort zurück zu Seed, allerdings mit Betreuung durch National Geographic, die dann aber sehr schnell – innerhalb von Monaten, würde ich sagen, die Lust verloren. Ich erinnere mich noch sehr gut an all die optimistischen Konversationen mit der NatGeo-Chefredaktion und -Geschäftsführung, von denen dann außer einem neuen Layout nicht viel blieb. Und was unseren Leserinnen und Lesern hoffentlich verborgen blieb: Mehr als einmal sah es so aus, als ob bei uns das Licht ausgehen würde, da mit so einer wissenschaftsorientierten Blogplattform offenbar nicht die Gewinne erzielt werden können, die UnternehmerInnen zu Milliardären machen ***(Achtung, Ironie!)*** Erst mit der kompletten Abtrennung von der US-Seite und der Übernahme durch die Stuttgarter Konradin Mediengruppe kehrte eine bisher selten genossene Stabilität ein (bis jetzt, jedenfalls- aber wir sind optimistisch, dass es so bleibt).
Aber andererseits funktionieren wir Bloggerinnen und Blogger auch nicht wie Uhrwerke: Manche Blogs waren immer nur als Momentaufnahmen gedacht, die inzwischen längst archiviert (aber immer noch zugänglich) sind; manche wurden unter oder nach Protest eingestellt (muss ich jetzt nicht verlinken – aber langjährige Leserinnen und Leser werden sich erinnern); manche, wie beispielsweise mein eigenes Blog Geograffitico, sind Barometer der schwankenden Autorenmotivation, in der sich Phasen stürmischer Produktivität mit manchmal langen Flauten abwechseln. Andere wieder, wie beispielsweise Florian Freistetters Astrodicticum simplex, blieben auch über die Jahre hinweg eine zuverlässige und stets gepflegte Quelle von faszinierenden Informationen und Einsichten. ScienceBlogs.de sind ein Biotop, in dem Platz für Vielfalt ist – an Themen ebenso wie an Information, Inspiration, Kontemplation, und natürlich auch Provokation.
Vor ziemlich genau sieben Jahren habe ich die redaktionelle Verantwortung für ScienceBlogs.de übernommen – was ein bisschen paradox ist, da Blogs ja nur dann echte Blogs sind, wenn sie frei von redaktionellen Eingriffen oder Vorgaben sein können. Und darum bestand meine Aufgabe – neben einigen organisatorischen Funktionen – vor allem darin, auf eben diese prinzipielle und funktionale Unabhängigkeit der Blogs sowie der Bloggerinnen und Blogger zu achten.
Aber ganz ehrlich: Dass ScienceBlogs.de ihr zehnjähriges Bestehen feiern können (wobei “feiern” rein metaphorisch zu verstehen ist), überrascht oder verwundert mich gar nicht. Wenn mich etwas wirklich überrascht, dann nur, dass diese zehn Jahre so schnell voll wurden.
]]>Das Banner auf unserer Homepage verräts ja schon: ScienceBlogs.de ist zehn Jahre alt. Ich schreibe bewusst ist und nicht, wie in solchen Fällen ja eher üblich, wird, denn eigentlich hatte unser Blogportal schon Ende 2007 seine Pforten geöffnet – aber das war eher ein “soft opening”, also eines, das direkt aus der Beta-Phase erwachsen war, in der das Konzept entwickelt und Bloggerinnen oder Blogger als Mitwirkende angeworben wurden. Aber so richtig ging’s halt erst Anfang 2008 los, und darum haben wir uns das “offizielle” Jubiläum – bei dem nicht nur ScienceBloggerinnen und -Blogger zu Wort kommen, sondern auch ein paar Gäste – für Anfang Januar vorgemerkt.
Eine Woche lang wollen wir hier nicht nur unseren normalen Blogbetrieb (was immer das heißen mag) laufen lassen, sondern auch ein bisschen Rück-, Vor- oder auch Umschau halten. Was die Gäste – darunter auch ein paar langjährige Kommentatorinnen und Kommentatoren sowie einige SB.de-“Ehemalige” – und ScienceBloggerInnen schreiben werden, das weiß ich selbst noch nicht; auch unter diesen sehr selbstbezogenen Umständen wollen wir unserem Prinzip treu bleiben, dass jede(r), der/die hier schreibt, dies ohne inhaltliche Vorgaben und/oder Einmischumgen durch eine Redaktion tut.
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