Die Teleskope der Europäischen Südsternwarte (Eso) liefern tolle Bilder, vor allem produzieren die dort arbeitenden Astronomen aber faszinierende Forschungsergebnisse. Lediglich die Eso-Pressestelle scheint von letzterem nicht wirklich überzeugt zu sein.

Wenn Journalisten Pressemitteilungen mit einer Sperrfrist bekommen, verheißt das meist bedeutende Neuigkeiten: wichtige Forschungsergebnisse, die demnächst in einem wichtigen Journal veröffentlicht werden, eine wichtige Rede eines noch wichtigeren Menschen, eine wichtige Geschichte in einem Konkurrenzblatt. Der Gedanke dahinter: Indem den Journalisten die Informationen bereits vorab zur Verfügung gestellt werden, soll es ihnen möglich sein, fundiert und ohne Zeitdruck zu recherchieren – und die Geschichten pünktlich zum Ablauf der Sperrfrist zu veröffentlichen. Außerdem steigert so eine Sperrfrist (die durchaus umstritten ist) natürlich das Interesse.

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Die Spiralgalaxie NGC 300. “Ungewöhnlich gewöhnlich”, meint die Deutsche Presseagentur (Foto: Eso).

Den Verweis auf das obige Bild hatten Journalisten bereits am Montag in ihrer Inbox, die Sperrfrist für die Veröffentlichung lief am Mittwoch um 12 Uhr ab. Es zeigt die schöne, aber ziemlich gewöhnliche Spiralgalaxie NGC 300, Neuigkeiten oder wissenschaftliche Durchbrüche sucht man in der zugehörigen Pressemitteilung vergebens. Galaktischer Durchschnitt, allenfalls – was aber die Deutsche Presseagentur nicht davon abgehalten hat, die Meldung über ihren Ticker zu verteilen. Der Traum eines jeden PR-Menschen.

Also Mission erfüllt?

Nicht wirklich. In letzter Zeit, so zumindest mein subjektiver Eindruck, jagt die Eso immer häufiger eher unscheinbare Bilder (oder gar “Artist’s Impressions“) über ihren Presseverteiler. Was an sich auch noch kein Problem wäre.

Blöd wird es nur, wenn die wirklich interessanten Mitteilungen unterzugehen drohen, weil alles mit der gleichen Dringlichkeit verschickt wird und irgendwann ein Abstumpfungsprozess eintritt – oder das wirklich Wichtige unterzugehen droht. Die spektakuläre Meldung zur Entdeckung eines Sonnensystems mit bis zu sieben Exoplaneten hatte zum Beispiel nicht einmal eine Sperrfrist. Verglichen mit dem Brimborium, das die Nasa wenige Tage später anlässlich des Funds einiger neuer Exoplaneten durch ihre Kepler-Sonde veranstaltet hat (als bereits die Ankündigung einer Telefonkonferenz zur Eilmeldung wurde), war die Eso-Entdeckung deutlich unterverkauft.

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Adaptive Optik bei der Arbeit: Mithilfe eines Lasersterns wollen die Eso-Teleskope auf dem Cerro Paranal in Chile die atmosphärischen Störungen erkennen und ihre Spiegel entsprechend anpassen (Foto: Eso/Y. Beletsky).

Wirklich aufregende Bilder (wie das hier) werden zudem auf der Eso-Webseite und in einer Fußnote der NGC-300-Pressemitteilung versteckt. Es zeigt einen Laser, der einen künstlichen Stern am Himmel über dem Very Large Telescope in Chile erzeugen soll. Die sogenannte adaptive Optik des Teleskops registriert, wie der Laserstern aufgrund der Turbulenzen in der Atmosphäre flimmert und passt den Spiegel des Teleskops entsprechend an. Nur so sind heutzutage (sofern kein natürlicher Stern in der Nähe ist) die scharfen Bilder, die aktuelle Teleskope liefern, überhaupt möglich.

Es ist nicht nur ein ungewöhnliches Bild, es wäre auch eine schöne Gelegenheit gewesen, den Medien (und über sie der breiten Masse) mal wieder zu erklären, wie Astronomie heute funktioniert und mit welchen Problemen sie zu kämpfen hat. Kurz: eine Geschichte und nicht nur eine (vermeintliche) News.

(Bevor jemand fragt: Ich hatte ja angekündigt, dass es hier irgendwann weitergeht. Zunächst einmal wie immer, also mit Gemotze 😉


Kommentare (9)

  1. #1 Daniel Fischer
    September 9, 2010

    Wie man’s – zumindest in Deutschland – besser machen kann, wird am 17. September auf einem Workshop in Bonn diskutiert werden: Noch sind Anmeldungen möglich! (Das Laser-Bild hat übrigens zumindest in den großen Blogs massive Verbreitung gefunden: So gut versteckt war es wohl nicht.)

  2. #2 Thomas J
    September 9, 2010

    schön hier wieder zu lesen, weiter so 🙂

  3. #3 Florian Freistetter
    September 9, 2010

    “Wirklich aufregende Bilder (wie das hier) werden zudem auf der Eso-Webseite und in einer Fußnote der NGC-300-Pressemitteilung versteckt “

    Naja – es ist das aktuelle Bild in der Rubrik “Picture of the Week”. Ich weiß nicht, ob man das wirklich “verstecken” nennen kann. Aber ansonsten darf die ESO wirklich ruhig mal was anderes als schöne Bilder von Galaxien bringen.

  4. #4 Ludmila
    September 9, 2010

    Willkommen zurück!

  5. #5 Carolin Liefke
    September 9, 2010

    Ich sollte bei der Gelegenheit vielleicht sagen, daß ich hier nicht ganz unbedarft bin, denn zu meinem Job gehört es unter anderem, die Pressemitteilungen für die ESO auf Deutsch übersetzen.

    Trotzdem gebe ich dir prinzipiell Recht. Ich persönlich halte das Embargo für Bildveröffentlichungen wie die von NGC 300 absolut unnötig. Ob es sein Ziel erreicht, nämlich dafür zu sorgen, daß möglichst viele Zeitungen das Bild abdrucken weil eben alle es gleichzeitig bekamen und es nicht schon zuvor im Internet die Runde gemacht hat, sei mal dahingestellt.

    Von daher teile ich auch deine Befürchtung, daß wirklich wichtige Neuigkeiten bei der ESO einfach inmitten der wöchentlich rauskommenden Meldungen einfach untergehen. Daß die NASA gerne auf den Putz haut, wissen wir denke ich alle, aber irgendwie fokussierter arbeitet man dort meines Empfindens nach schon. Da kann sich die ESO dann und wann mal ruhig mal ein Beispiel nehmen. Aber bitte nicht andauernd 🙂

    An Florians Kommentar wird glaube ich auch der Zwiespalt deutlich: Zum einen wünschen wir uns insgesamt mehr wissenschaftliche Neuigkeiten, zum anderen sollen die wirklich wichtigen Dinge auch in der Öffentlichkeit möglichst deutlich sichtbar ankommen. Aber auch schöne Bilder wie die Galaxie kommen halt immer mal wieder gut. Ich selber habe zum Beispiel bei weitem nicht mit dem Impact gerechnet, den so ein simples, aber schönes Bild wie das von NGC 300 haben kann. Wobei du natürlich Recht hast, ein schönes Bild mit mehr wissenschaftlichem Hintergrund wie der Laser Guide Star wäre eigentlich noch viel besser. Artist’s Impressions tauchen dagegen bei der ESO immer nur dann auf, wenn auch wirklich eine wissenschaftliche Neuigkeit damit zusammenhängt.

  6. #6 Alexander Stirn
    September 9, 2010

    @Carolin: Ich glaube, dass die Eso mit dem Science Outreach Network, den Übersetzungen, der Verbreitung über den idw auf einem sehr guten Weg ist. Mir fehlen nur die Prioritäten auf Seiten der Eso-Pressestelle.
    Und ich hätte, als ich die Pressemitteilung das erste mal gelesen habe, auch nicht gedacht, dass NGC 300 so eine mediale Verbreitung erfährt. Aber das ist mir zuletzt bei einigen astronomischen Themen so gegangen (ich glaube, ich stumpfe langsam ab 😉

    @Daniel: Stimmt natürlich, das Laser-Bild war allerdings auch bei APOD und Astrodicticum (den Link hatte ich oben ganz vergessen). Und selbst in den großen Blogs erreicht es doch wieder hauptsächlich die Leute, die sich ohnehin schon für Astronomie interessieren.

  7. #7 Daniel Fischer
    September 9, 2010

    “Aber das ist mir zuletzt bei einigen astronomischen Themen so gegangen (ich glaube, ich stumpfe langsam ab ;-)”

    Welches astronomische Etwas einen großen Impakt entwickelt, ist wohl eines der tiefsten Rätsel des Universums: Eine ver-YouTube-te Version des 1. Videos vom letzten Impakt auf Jupiter hat z.B. binnen weniger Tage eine Dreiviertel Million Hits eingefahren, ohne dass dafür nennenswert Werbung gemacht wurde oder das exotische Thema groß in den generellen Medien gewesen wäre.

    Was das Lancieren von Pressemitteilungen – hierzulande – angeht, da stehen kommende Woche große Entscheidungen bevor: Die Astronomische Gesellschaft berät, ob sie Mitglied des IdW werden soll (was ganz schön teuer ist), um dann ausgewählte Ergebnisse deutscher Institute zentral zu pushen, etwa so wie es im UK die RAS und die UKSA machen.

    In den USA läuft das übrigens völlig anders, da hält sich der Dachverband AAS ganz im Hintergrund, betreibt aber einen zentralen, geschlossenen Mailverteiler für rund 1000 Journalisten (na ja, heute dürften’s mehrheitlich Blogger sein …), über den alle US-Institutionen – aber aus ausländische, wenn sie in den USA Tagungen veranstalten – ihre Press Releases verteilen lassen können.

    Das eine wie das andere Verfahren lebt aber davon, dass die einzelnen Institute – und vor allem deren Wissenschaftler – überhaupt erst einmal freiwillig brauchbaren Content liefern. Und daran hakt es gerade in Deutschland gewaltig: Insofern müssen wir eigentlich für jede PM von ESO, MPIs und Unis dankbar sein, die überhaupt heraus gegeben wird, egal wie belanglos der Inhalt ist …

  8. #8 Alexander Stirn
    September 9, 2010

    Idw ist eine interessante Sache. Ich frage mich ja immer, wer deren Nachrichtenticker heutzutage noch nutzt. Aber vielleicht bin ich als Magazinschreiber, der an eher zeitlosen Themen arbeitet, auch einfach nicht die Zielgruppe. Außerdem überrascht es mich immer wieder aufs Neue, wie wenig idw-Treffer bei Google-Recherchen auf den oberen Rängen auftauchen.

    Als Pressearbeiter würde ich auf jeden Fall persönliche Kontakte und einen gut gepflegten individuellen Presseverteiler (das macht Arbeit, klar) der Schrotschuss-Taktik à la idw vorziehen.

  9. #9 Carolin Liefke
    September 10, 2010

    Ich behaupte mal, es nutzen wesentlich mehr Leute – gerade von Journalistenseite – den idw als du denkst. Das läßt sich gerade im Fall deutsche Pressemitteilungen der ESO recht einfach belegen. Wir vom Haus der Astronomie als deutscher Knoten des ESO Science Outreach Network stellen die deutschen ESO-Pressemitteilungen nämlich beim idw ein, allerdings hat die ESO keinen eigenen idw-Zugang. Stattdessen nutzen wir dafür unseren Zugang über das Max-Planck-Institut für Astronomie. Das Resultat ist, daß man die ESO-Pressemitteilungen oft mit dem zusätzlichen Label Max-Planck-Gesellschaft weiterverwertet findet. Wobei man allerdings natürlich ganz eindeutig sagen muß: Eine dpa-Meldung ist um einiges wirksamer.

    Bei Verteilern wie idw oder alphagalileo sind wir halt wieder bei der Sperrfrist und allen damit einhergehenden Problematiken (ich selber erlebe es ja auch als Wissenschaftsblogger, der kein akkreditierter Journalist ist, daß man in der Position eigentlich keine Chance hat, vor Ablauf der Sperrfrist an die Informationen zu kommen), aber das ist hier ja gar nicht das Thema.

    Gerade am Beispiel der Pressemitteilung über das Planetensystem mit den sieben Planeten sieht man, wie widersprüchlich das ganze Sperrfrist-System ist. Zu dieser Meldung gibt es noch kein Paper, das den Peer-Review-Prozeß vollständig durchlaufen hat, das ganze war ein Conference Announcement. Und zwar eines, bei dem man wegen des Top-Themas ganz klar befürchtet hat, daß sich bestimmte Medien nicht an die Sperrfrist halten und vorab veröffentlichen. Deshalb gab es dann keine, denn daß die Nachricht vor der eigentlichen Ankündigung bekannt wird, konnte man nicht riskieren.

    Ich denke, der Eindruck des “Überflusses” an Pressemitteilungen bei der ESO ist bis zu einem gewissen Punkt auch ein subjektiver. Die ESO unterscheidet ja durchaus zwischen wissenschaftlichen Pressemitteilungen und Bildveröffentlichungen. Dabei machen die Bildveröffentlichungen bestimmt gut die Hälfte aller Mitteilungen aus. Wenn man sich die verbliebenen wissenschaftlichen Nachrichten anguckt, stellt man fest, daß sie zu einem sehr großen Teil auf Veröffentlichungen in Nature oder Science basieren, was schon ein Garant dafür ist, daß keine wissenschaftlichen Nebensächlichkeiten ausgebreitet werden.

    Eines steht aber wohl fest: Das Bild von NGC 300 ist auf seine Weise mindestens genauso wertvoll für die astronomische Öffentlichkeitsarbeit wie eine wissenschaftliche Meldung, wenn nicht sogar wertvoller. Mit einem solchen Bild erreicht man eine ganz andere Zielgruppe als mit einer oft sehr speziellen, “komplizierten” Nachricht. Ich behaupte mal, ein Bild wie dieses – mit etwas Glück auf Seite 1 oder anderweitig prominent plaziert – erreicht viel mehr Leser als die Wissenschaftseite und tut damit das seine um Menschen für Astronomie zu interessieren (und sie dann zu Lesern der Wissenschaftsseiten zu machen).