Verzögerungen beim Bau neuer Raketen und Sonden gehören in der Raumfahrt (wie bei allen wissenschaftlichen Großprojekten) fast schon zum Alltag. Wenn Europäer und Russen zusammenarbeiten sollen, wird aber selbst der Bau einer Startrampe zu einem fast unüberwindbaren Hindernis.

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Sieht schon ziemlich fertig aus: Die “Sojus”-Startrampe in Kourou Mitte Mai 2009 (Foto: Stirn).

Vor einem guten Jahr hatte ich (anlässlich des Starts der Raumsonden Herschel und Planck) Gelegenheit, mir in Französisch-Guayana die neueste Errungenschaft der europäischen Raumfahrt anzuschauen: eine Startrampe für russische Sojus-Raketen, eins zu eins aus der kasachischen Steppe in den tropischen Dschungel kopiert. Lediglich die bunten Farben und der frische Beton passen nicht so recht zum in Würde gealterten Vorbild in Baikonur.

Noch im Jahr 2009, verkündeten die Verantwortlichen damals stolz, solle die erste Sojus von der europäischen Raketenbasis Kourou aus ins All starten. Wobei der Stolz nicht unbedingt angebracht war: Nach ursprünglichen Plänen hätte die Rakete, die eine mittelgroße Alternative zur in vielen Fällen überdimensionierten Ariane 5 darstellen soll, bereits Mitte 2006 abheben sollen.

Jetzt, ein gutes Jahr später, ist noch immer keine Sojus-Rakete von Französisch-Guayana aus abgehoben. Und dieses Jahr wird daraus auch nichts mehr werden: Wie die Space News berichten, ist mit einem Start frühestens im kommenden Frühjahr zu rechnen. Vielleicht auch noch später, je nachdem, welcher Satellitenbetreiber sich für den Erstflug opfert (die Verantwortlichen der europäischen Galileo-Satelliten haben in dieser Hinsicht offensichtlich noch leichte Skrupel).

Das ist alles nicht unbedingt eine Katastrophe. Verzögerungen gehören in der Raumfahrtbranche, wo man oft die Grenzen des technisch Machbaren neu auslotet, beinahe zur Tagesordnung. Das Beispiel „Sojus in Kourou” zeigt aber sehr schön, wie Raumfahrt in Europa funktioniert (oder auch nicht funktioniert) und welche Probleme die verstärkten internationalen Kooperationen, ohne die sich die großen Aufgaben im All künftig nicht meistern lassen, mit sich bringen.

Denn es ist natürlich nicht so, dass die Esa einfach ein paar russische Firmen mit dem Bau beauftragt:

  • Die Esa ist verantwortlich für das europäische Sojus-Programm und bleibt (zumindest auf dem Papier) auch Besitzer des neuen Startkomplexes.
  • Gebaut wird die Startrampe federführend von der französischen Raumfahrtagentur Cnes, die ihrerseits die Aufträge für die Bauarbeiten an verschiedene, hauptsächlich französische Firmen vergibt.
  • Betrieben wird die Raketenbasis später vom französischen Unternehmen Arianespace, das zu etwa einem Drittel der Cnes gehört. Den Rest besitzen 23 europäische Raumfahrtunternehmen, die – gemäß ihrem Anteil – die Aufträge von Arianespace zum Bau von Raketen bekommen (aber nicht zum Bau der Sojus, das machen die Russen). Ach ja, Arianespace ist auch für die Zusammenarbeit mit den russischen Partnern während der Bauphase in Kourou verantwortlich.
  • Auf russischer Seite (die lediglich Auftragnehmer für die Technik der Startrampe und die spätere Lieferung der fertigen Raketen ist) wird das Projekt von der dortigen Raumfahrtagentur Roskosmos verantwortet. Die wiederum beauftragt russische Firmen mit dem Bau der Rampentechnik.
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Finanzierung und Organisation des “Sojus-Projekts” in Kourou passen immerhin auf ein Plakat (Klicken zum Vergrößern).

Alles klar?

Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, welche Dienstwege eingehalten werden müssen, wenn irgendeine russische Firma irgendeine vereinbarte Frist in einem französischen Überseedepartement nicht einhält. Hinzu kommt eine, wie es ein Verantwortlicher in Kourou diplomatisch formulierte, “unterschiedliche Arbeitsauffassung” zwischen westlichen und östlichen Ingenieuren. Das einzige was Franzosen und Russen offenbar eint, ist ihre Abneigung gegenüber Fremdsprachen: Kommuniziert wird in Kourou mittels Dolmetscher.

Hauptgrund für die jahrelange Verzögerung soll übrigens eine in Russland gebaute, mobile Serviceplattform sein, die die Rakete auf der Startrampe schützen soll. Während die Russen ihre Satelliten für gewöhnlich in liegende Raketen einbauen und anschließend das gesamte Paket auf der Startrampe aufrichten, müssen europäische Satelliten im Stehen in die Raketen eingebaut werden. An der frischen Luft ist das allerdings nicht möglich, erst recht nicht in den Tropen. Deshalb braucht die Sojus in Kourou einen klimatisierten Startturm. Es ist das einzige große Bauteil, mit dem Russen bislang keine Erfahrung hatten.