Wenn es dumm läuft, werden sich Nasa-Astronauten künftig mit Sitznachbarn herumärgern müssen, die nur zum Spaß ins All fliegen. Die Privatisierung der bemannten Raumfahrt – und Boeings PR-Abteilung – machen’s möglich.

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Auf seinem Weg zur ISS teilte sich der südafrikanische Unternehmer und Weltraumtourist Mark Shuttleworth die enge “Sojus”-Kapsel mit einem russischen und einem europäischen Astronauten. Künftig könnten auch amerikanische Raumschiffe Platz für Urlauber bieten (Foto: Nasa).

Geschäftsreisende kennen das Problem: Führt die Dienstreise an Orte, die auch bei Urlaubern beliebt sind, kann man sich im Flieger schnell inmitten einer ebenso ausgelassenen wie angeheiterten Touristengruppe wiederfinden. An Arbeit während des Flugs ist dann nicht mehr zu denken (was übrigens, neben dem freien Mittelplatz, einer der ganz wenigen Gründe für Kurzstreckenflüge in der Business Class ist).

Nasa-Astronauten kannten das Problem bislang nicht – zumindest dann nicht, wenn sie im amerikanischen Space Shuttle unterwegs waren. Selbst wenn in den Orbitern Plätze frei blieben, wurden diese niemals an zahlende Touristen vergeben. Zum einen ist es der US-Raumfahrtagentur per Gesetz untersagt, kommerzielle Dienste zu empfehlen (eine Formulierung, die traditionell sehr streng ausgelegt wird). Zum anderen stehen die Regierungs-Raumfahrer dem Konzept des Weltraumtourismus ohnehin äußerst kritisch gegenüber.

Die Russen, finanziell meist klamm, sind da anders drauf. Wann immer eine Sitzschale in ihren Sojus-Kapseln frei bleibt, wird diese mit Urlaubern besetzt – vermittelt vom US-Reisebüro „Space Adventures“. Mitfliegen darf jeder, der körperlich fit ist und genügend Geld (zuletzt angeblich 40 Millionen Dollar) mitbringt. Sogar Frauen, in russischen Raumschiffen seit langem verpönt, werden mit auf die Reise zur Internationalen Raumstation ISS genommen.

In Zukunft könnte sich all das ändern. Die Nasa überlegt ernsthaft, künftig keine eigenen Raumschiffe mehr zu betreiben, sondern (wie heute schon beim Start von Satelliten) nur noch für den Transport der Mannschaft zu bezahlen. Die Nasa-Astronauten wären damit streng genommen nur noch Passagiere. Und wie das so ist bei Charterflügen: Man kann sich seine Sitznachbarn nicht unbedingt aussuchen.

Space Adventures und Boeing haben gestern jedenfalls angekündigt, die freien Plätze in ihrem geplanten ISS-Taxi an zahlende Kundschaft vergeben zu wollen. Sieben Sitzplätze soll das Raumschiff, das Boeing derzeit mit Unterstützung der Nasa entwickelt, einmal haben. Die Raumfahrtagentur dürfte maximal vier benötigen. Genug Platz also für Urlauber.

Allerdings: Die Ankündigung ist bislang kaum mehr als ein (durchaus erfolgreicher) PR-Coup. Noch ist nicht absehbar, ob die Nasa wirklich auf Charterflüge setzen darf; die Zustimmung im Kongress lässt auf sich warten. Zudem existiert das Boeing-Raumschiff mit seinen angeblich sieben Sitzen nur auf dem Papier – und es gibt keine Rakete, die für seinen Transport (und den der Astronauten) zugelassen wäre.

Völlig unklar ist auch noch, wie drei Touristen auf der Internationalen Raumstation untergebracht werden sollen: Als Dennis Tito, der erste Weltraumtourist (offiziell heißt es „Spaceflight Participant”), im Jahr 2001 die ISS besuchte, durfte er nur einmal kurz durch den amerikanischen Teil der Station schweben – eskortiert von US-Astronauten. Inzwischen ist die Nasa zwar etwas lockerer geworden, Platz für Amateure wird sie dennoch nicht machen. Mit drei professionellen Kosmonauten ist das kleine russische Segment allerdings schon jetzt gut besucht. Dass die Raumfahrer ihre Schlafsäcke auch noch mit drei Urlaubern teilen sollen, dürfte selbst die russischen Manager einiges an Überredungskunst kosten.

Erst wenn all diese Probleme gelöst sind, könnten den Nasa-Astronauten während ihres zweitägigen Flugs zur ISS tatsächlich Touristen im Nacken sitzen. Aber vielleicht können sie Boeing dann wenigstens überreden, eine kleine Sonderausstattung in der engen Kapsel zu montieren – ein Vorhang, der nach dem Start zugezogen werden kann.