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In diesem Post möchte ich eine erste Kritik an einem populärwissenschaftlichen Text verfassen. Ich hoffe, dass dieses Beispiel dazu beitragen wird einen der im vorherigen Post von mir erwähnten Fallstricke bei der Popularisierung von Evolutionsbiologie zu illustrieren.

Zunächst einmal zu obigem Bild: Im Original ist es auf der Seite der National Science Foundation vor etwa einem Jahr, als die ersten Paper zum Draft-Genom des Schnabeltiers veröffentlicht wurden, erschienen. Das “Gleich-Zeichen” habe ich eingefügt und durchgestrichen!
Mir ist klar, dass, wenn so ein Blödsinn verzapft wird, nicht unbedingt nur die Journalisten Schuld sind, sondern auch die Wissenschaftler, über deren Arbeit berichtet wird, eingreifen müssten. Schon vor einem Jahr wurden viele Fehler von Wissenschaftsjournalisten begangen, Spiegel-online hatte z.B. das Bild von der NSF übernommen und dann geschrieben:

Schnabeltiere sind äußerst ungewöhnliche Lebewesen: Sie sind eine Mischung aus Vögeln, Reptilien und Säugetieren.

Damals wurden solche Fehldarstellungen im Englischsprachigen Raum dann auch entsprechend stark kritisiert.

Als ich nun bei meinem letzten Deutschland Aufenthalt die aktuelle Ausgabe des Laborjournal in meinem Postfach fand, wurde meine Freude über eine der Evolutionsbiologie gewidmete Ausgabe leider schnell durch einen Artikel getrübt:
“Schnabeltier – Die eierlegende Wollmilchsau” von Susanne Dorn über die Forschung am Schnabeltier-Genom in der Gruppe von Jürgen Schmitz am Institut für experimentelle Pathologie am Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung in Münster. Gleich im zweiten Satz des Artikels heißt es da:

[Das Schnabeltier] könnte das fehlende Bindeglied zwischen Vögeln und Säugern sein.

und später:

Evolutionsbiologen sehen im Schnabeltier gerne ein lebendes Fossil, von dem man über die Entstehungsgeschichte der Säugetiere lernen kann. Denn einige Kennzeichen, neben dem Eierlegen der große entenähnliche Schnabel und die Schwimmhäute an den Extremitäten, lassen vermuten, dass das Schnabeltier mit Reptilien und Vögeln verwandt ist.

Autsch!
Zum Illustrieren dieser Fehlers hier ein selbstgezeichneter phylogenetischer Baum:

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Die Phylogenie macht den gewaltigen Fehler des Laborjournal-Artikels deutlich: Der “Enten-” Schnabel und die Schwimmhäute sind konvergente Entwicklungen. Mit Konvergenz meint man eine parallele Anpassung an ähnliche Lebensweisen. Man sieht in dem Baum, dass die beiden Merkmale “Schwimmhäute” und “Enten”-Schnabel eindeutig abgeleitete Merkmale sind, dass der letzter gemeinsame Vorfahr von Ente und Schnabeltier (an Knoten 1) diese Merkmale also nicht hatte.Um dies festzustellen benutzt man ein einfachen Prinzip: Sparsamkeit.
Ich habe zwar in den Baum nur den Erwerb von Merkmalen eingezeichnet, Merkmale könnten grundsätzlich aber genauso wieder verloren gehen. Würde man nun eine Ursprünglichkeit von Schwimmhäuten und “Enten”-Schnabel annehmen, müsste am Knoten 1 schon beide Merkmale vorhanden gewesen sein.
Einen Verlust der Merkmale müsste dann auf dem den Ästen zwischen Knoten 6 und 7, 2 und den Schlangen, 3 und den Krokodilen, 4 und den Sauriern, 5 und den Nicht-Enten-Vögeln stattgefunden haben.
Das macht 2 “Erwerb-oder Verlust-Ereignisse”, falls die Merkmale abgeleitet wären, 5 falls die Merkmale ursprünglich sind. Also ist Klar:
Unser gemeinsamer Vorfahr mit den Sauropsiden (Reptilien und Vögeln) hatte weder Schwimmhäute, noch einen Schnabel. Weiter interessant ist die Paraphylie der Reptilien, man kann als Säugetier keine ursprünglichen Merkmale mit Vögeln teilen, die man mit Reptilien nicht teilt, da Vögel ihre phylogenetische Position innerhalb dieser paraphyletischen Gruppe haben.

Komischerweise erkennt Frau Dorn dann das Merkmal “Gift” als abgeleitet

Das Schnabeltier hat auch einzigartige Merkmale entwickelt wie den Giftstachel der Männchen und die Elektrorezeption unter Wasser.

Richtig! Das Schnabeltier ist also kein “lebendes Fossil” sondern eine Mischung aus erworbenen und ursprünglichen Merkmalen.
Danach geht es mit der nächsten Fehldarstellung weiter:

Im Schnabeltier könnte man quasi das Bindeglied zwischen den Säugetier und Reptilienästen sehen meint Schmitz.

Dieser Satz wird Jürgen Schmitz zugeschrieben, ich denke und hoffe, dass er ihn so aber nicht gesagt hat. Fehlende Bindeglieder sind nämlich nie lebende Taxa, sondern immer in der Nähe der sogenannten inneren Knoten zu suchen. Die Phylogenie kann wie ich ausgeführt habe als Grundlage benutzt werden um den Zustand eines solchen Merkmals an dem Knoten zu rekonstruieren, wenn man nicht das Glück hat, das passende Fossil zu finden.

Während der Artikel dann auf die Details der Ergebnisse, die Schmitz’ Gruppe bei ihrer Beteiligung an der Auswertung des Schnabeltier-Genoms gewonnen hat eingeht, wird der Grund ein Genom zu sequenzieren völlig falsch dargestellt: Der Artikel ließt sich hier als würde das Genom sequenziert um die phylogenetische Position des Schnabeltiers zu erforschen, das ist natürlich nicht der Fall. Der von mir gezeichnete Baum ist seit langem bekannt und lässt sich sehr einfach auch anhand von einzelnen homologen Genen bestimmen. Ich hatte mir sogar überlegt mir die Arbeit zu machen und anstatt “frei Hand” zu zeichnen beispielsweise alle 18s- oder 16-Gene der betreffenden Organismen von einer Datenbank herunterzuladen und mit einem geeigneten Programm den Baum zu generieren. Dazu braucht man also kein teures Genom.

Die Motivation das Schnabeltier-Genom zu sequenzieren war vielmehr eine ganz Andere:
Man will die Evolution des Genoms (auch dieses hat Merkmale auf die sich das beschriebene Methode anwenden lässt) innerhalb der frühen Säugetiere verstehen. Wann (auf den Ästen zwischen 1 und 6 oder aber zwischen 6 und 7) sich also das Vorkommen von Transposons und npcRNAs (sieh Schmitz’ Paper zu diesen Ergebnisse) verändert hat.

Für mich stellt sich nun die Frage wo zwischen Wissenschaftler und Journalistin sich die Fehler in der Darstellung eingeschlichen haben, und ob Schmitz den Artikel vor seiner Veröffentlichung nicht durchsehen konnte…

Als Fazit bleibt, dass das Verstehen von Phylogenie für die Berichterstattung über Evolutionsbiologie unerlässlich ist, da die Verwandschaft der untersuchten Organismen immer das Gerüst ist, innerhalb dessen Evolutionsbiologen arbeiten.

Kommentare (10)

  1. #1 rotfell
    März 8, 2009

    Ach ja, das Schnabeltier – eine Geschichte voller Mißverständnisse.

    Daß es das Bindeglied zwischen Säugetier und Vögeln ist, war mir schon im Kindergarten klar … ach ja, welch wissenschaftlicher Ruhm war mir in Kindertagen verwehrt? *lol*

  2. #2 Florian Freistetter
    März 8, 2009

    Das Schnabeltier ist cool… Das erinnert mich an ein altes Program des österreichischen Kabarettisten Gunkl, wo er über die Entstehung des Schnabeltiers spekulierte. Den Text dazu habe netterweise noch online gefunde:

    ICH: Ja, bitte. Australien…… Die, die ihm die Tierwelt von Australien entworfen haben,die müssen furchtbar verkatert gewesen sein. Daß die Jungen in einem Sackl aufwachsen, das die Mutter am Bauch hat, nämlich gleich alle, vom Streifenhörnchen bis zum Beutelwolf, alle diesen(Gestik) ist ja schon bizarr genug, aber wie ihnen das Schnabeltier eingefallen ist, da wär ich schon gern dabei gewesen! Das Schnabeltier, und das gibt´s wirklich, das ist jetzt keine Erfindung von mir,ich trauert´s mich schon, aber ich muß gestehen, es fallert mir nicht ein. Ist vielleicht auch interessant: das Schnabeltier gehört in die Familie der Kloakentiere, und in der Familie der Kloakentiere gibt´s das Schnabeltier und sonst nichts! – Das Schnabeltier ist ungefähr 60 Zentimeter lang, hat ein braunes, pelziges Fell und so einen Entenschnabel. Die Jungen haben dazu noch Zähne, die fallen dann aus, die Beine schauen aus, wie von einem Maulwurf, nur mit Schwimmhäuten, die Männchen, natürlich die Männchen, haben am Hinterbein einen Giftstachel, das Schnabeltier legt Eier, und säugt seine Jungen! Also, wie ihnen das eingefallen ist, da hat man sicher oft gehört,”Traust di nie, traust di nie!” – Oder das Schnabeltier stammt aus einer zoologischen Hoffnungsrunde;(Position und Licht wie bei AUSSENDIENSTENGEL)

    AUßENDIENSTENGEL: Soda, wos hauma do no? Do gibts noch Entenschnabel, Zähne, die ausfallen, Pelz, Schwimmhäute, Giftstachel, ah,jo, siehst Eierlegen und Milchdrüsen san a no do. So, wer is no do? Super, des ghört alles dir, gell, wir miassn zuamochn, waßt eh, sechse vorbei, sechster Tag, Abend, des muaß ollas weg, da Oide wiad sunst stingat, oiso, pfiat di, und vü Spaß damit!(Lichtwechsel, ein Scheinwerfer aus der Gasse)

  3. #3 Florian Freistetter
    März 8, 2009

    Ach Mist… jetzt ist die Formatierung wieder durcheinander gekommen (aber leider geht ja die Kommentarvorschau noch nicht…)

  4. #4 Alexander Knoll
    März 8, 2009

    Für solche Fälle würde ich den Leuten gerne einen Artikel aus der open access-Zeitschrift “Evolution: Education and Outreach” in die Hand drücken. Der Biologe und Bloggerkollege T. Ryan Gregory hat in “Understanding Evolutionary Trees” eine schöne, und wie ich finde allgemein verständliche, Übersicht geschrieben, wie man phylogenetische Bäume lesen muss. Besonders empfehlenswert: Der Abschnitt “How Not to Read Evolutionary Trees” mit vielen üblichen Missverständnissen und Beispielen.

    Ich muss den Laborjournal aber auch loben. Zum größten Teil stehen darin sehr gut recherchierte Artikel, die auch mögliche Konflikte nicht scheuen. (Ich erinnere mich beispielsweise noch an die Geschichte mit den gefälschten Ergebnissen zur “Handystrahlung” letztes Jahr.)

  5. #5 Emanuel Heitlinger
    März 8, 2009

    Danke! Den Link hätte ich vielleicht schon im Originalpost unterbringen sollen…

  6. #6 Chlorobium
    März 8, 2009

    Halber Einspruch!

    Das “Prinzip der Sparsamkeit” bei phylogenetischen Bäumen ist zwar ein durchaus wertvolles Unterscheidungskriterium, sollte aber doch an einem dafür geeigneten “Merkmal” durchgeführt werden. Zumindest bei dem Merkmal “Schwimmhäute” bin ich mir sicher, daß dieses aufgrund seiner Einfachheit durchaus mehrmals in der Evolution konvergent entwickelt wurden sein könnte. Das Merkmal “Schnabel” ist da schon etwas komplizierter.

    P.S.: Ein 18S-Baum wäre schon nett … nur wo bekommt man die 18S eines T.-Rex her? 😉

  7. #7 Emanuel Heitlinger
    März 8, 2009

    Das “Prinzip der Sparsamkeit” bei phylogenetischen Bäumen ist zwar ein durchaus wertvolles Unterscheidungskriterium, sollte aber doch an einem dafür geeigneten “Merkmal” durchgeführt werden.

    Mir ging es nicht darum eine Phylogenie anhand morphologischer Merkmale zu erstellen sondern darum den Zustand eines Merkmals an einem Knoten einer schon bestehen Phylohenie herauszufinden…
    Dazu ist es dann recht egal ob das Merkmal ein Schnabel, die Haut zwischen den Zehen oder die Häufigkeit eines Transposons ist…

    In der Raelität würde man wohl BEAST verwenden, das könnte mit allen Daten umgehen und die morphologischen Daten würden schon beim Erstellen des Baums mit berücksichtigt.

  8. #8 Chlorobium
    März 9, 2009

    Die Intention war schon klar. Nur, wenn man so auf “falsche” oder ungenaue Sachverhalte bei der populärwissenschaftlichen Darstellung von Evolution abzielt, dann sollte man diese Kriterien auch an sich selber anlegen.

  9. #9 Emanuel Heitlinger
    März 9, 2009

    @Chlorobium:
    Okay, wie falsch oder ungenau das war muss der Leser selbst beurteilen. Ich nehme nicht für mich in Anspruch alles 100% korrekt darzustellen! Ich hab ja auch erklärt , dass die Korrektheit das mit dem Grad an Verständlichkeit den man anstrebt, abnimmt (wenn man nicht aufpasst).

  10. #10 Marcus Anhäuser
    März 17, 2009

    danke übrigens für den Hinweis zu dem Springer Journal Evolution: Education and Outreach.