Fontänen auf Enceladus aus der Sicht von Cassini (Falschfarbenbild). Bild: NASA/JPL/Space Science Institute, gemeinfrei.

Saturns Mond Enceladus misst gerade einmal 505 km im Durchmesser – das ist nur gut ein Siebtel unseres Mondes, der schon zu klein ist, eine Atmosphäre zu halten und damit eine tote Welt ist. Dennoch ist der kleine Enceladus einer der aussichtsreichsten Orte, um Leben außerhalb der Erde zu finden.

Enceladus umkreist mit Saturn zusammen die Sonne in einer Entfernung von 10 AE. Die Welten des Saturn-Systems erhalten also nur ein hundertstel der Leistung der Sonnenstrahlung wie die Erde – hier sind es rund 1,4 kW pro Quadratmeter, dort gerade einmal 14 Watt. Auf der Basis von Sonnenlicht kann dort kein Leben existieren. Aber die Kälte hat einen Vorteil: Flüchtige Stoffe, die bei uns gasförmig oder flüssig sind, gefrieren dort zu einem Panzer aus Eis, der das Innere von Enceladus isoliert. Und es gibt andere Wärmequellen als die Sonne. Zum Beispiel die Gezeitenkraft; die wärmt von innen.

Enceladus im Größenverglich zu den britischen Inseln. Unten auf dem Eismond die grünlichen "Ttigerstreifen". Bild: NASA/JPL/Space Science Institute.

Enceladus im Größenvergleich zu den britischen Inseln. Unten auf dem Eismond die grünlichen “Tigerstreifen”. Bild: NASA/JPL/Space Science Institute, gemeinfrei.

Kosmischer Hansdampf in allen Rissen

Die Raumsonde Cassini, die Saturn und seine Monde von 2010 bis 2017 umkreiste und aus der Nähe erkundete, entdeckte im Gegenlicht, dass Enceladus Fontänen aus Wasserdampf ins All schießt; der Fachbegriff dafür ist Kryovulkanismus, was ungefähr mit “Kältevulkanismus” zu übersetzen ist. Während Vulkane auf der Erde flüssiges Gestein ausspucken, speit Enceladus flüssiges Wasser, das sich allerdings im Vakuum sofort in Dampf verwandelt, der den Kryovulkanismus wohl auch antreibt – Wasser, das in einem durch Gezeiten verursachten Riss im Eis aufsteigt, wird durch den Druckabfall zur Oberfläche hin einen Dampfdruck verursachen, der das Wasser an die Oberfläche und darüber hinaus drückt. Mit dem Wasser gelangen auch darin gelöste und schwebende Stoffe ins All. Die von Enceladus freigesetzten Eispartikel bilden gar einen eigenen Ring um Saturn, den E-Ring (schon 1967 von der Erde aus entdeckt ehemals als “Exterior Ring” = äußerer Ring bezeichnet; mittlerweile kennt man einen noch weiter außen liegenden).

Die Fontänen stammen aus der Südpol-Region, die ein Streifenmuster zeigt, das schnell den Spitznamen “Tigerstreifen” erhielt. Es war lange nicht klar, ob das flüssige Wasser nur unter den Tigerstreifen existiert, etwa in Form eines linsenförmigen Wasserkörpers unter dem Eispanzer, oder ob es einen globalen Ozean unter der Oberfläche gibt, die an den Tigerstreifen lediglich am dünnsten ist, weil dort die größte geothermische Aktivität herrscht. Nahe Vorbeiflüge von Cassini konnten jedoch keine bei einer Wasserlinse zu erwartende Unregelmäßigkeiten im Schwerefeld von Enceladus nachweisen, und 2015 fand ein Team um Carolyn Porco [6] dann, dass sich der Eispanzer unabhängig vom Inneren des Mondes bewegt, wenn Saturns Gezeitenkräfte an ihm zerren. Nicht anders als unser Erdmond hat auch Enceladus eine elliptische Umlaufbahn, auf der er sich in Saturnnähe schneller bewegt als in Saturnferne. Im Mittel zeigt er, wie der Erdmond, Saturn immer die gleiche Hemisphäre, aber da er mit konstanter Geschwindigkeit rotiert, gelingt das nicht im Einklang mit der schwankenden Umlaufgeschwindigkeit. Aus der Sicht von Saturn wiegt der Mond (wie der Erdmond aus Sicht der Erde) ein wenig hin und her (Libration; lat. libra = Waage). Da Enceladus keine perfekte Kugel ist, greift Saturns Schwerkraft wie an einem Hebel an der langen Achse des Mondes an und versucht diese, stets in die perfekte Ausrichtung zu sich hin zu ziehen, was den Mond wie einen Klumpen Wackelpudding, den man mit den Händen um eine horizontale Achse dreht, ständig verformt und durchknetet. Und Porco et al. fanden, dass der Eispanzer sich dabei viel stärker dreht, als es für einen soliden Körper möglich wäre. Folglich schwimmt Enceladus’ Eispanzer auf einem flüssigen Ozean – so wie die Erdkruste auf einem Meer aus flüssigem Magma schwimmt.

 

Poröses Inneres?

Dies ist zugleich die Wärmequelle, die Enceladus’ Wasser flüssig hält und die es in Fontänen ins All schießen lässt. Gaël Choblet von der Universität Nantes in Frankreich und andere veröffentlichten Ende 2017 eine Studie [4],[5] der gemäß radioaktiver Zerfall im Inneren von Enceladus nur 1% der nötigen Wärme liefern kann, um den Ozean flüssig zu halten. Aber auch die Gezeitenkraft, die nur auf das Wasser wirkt, wäre nicht ausreichend, es flüssig zu halten. Nach 30 Millionen Jahren wäre das Eis erstarrt, Gezeitenkraft hin oder her. Choblet konnte in Simulationen jedoch zeigen, dass ein poröses Planeteninneres, in welches das Wasser einsickert, diesem genug Wärme übertragen kann, so dass das auf mindestens 90°C erhitzte Wasser vor allem an den Polen aufsteigen und den Ozean heizen kann. Somit kommt das Wasser in innigen Kontakt mit dem Gestein. Darauf deutet auch eine Beobachtung von Cassini im Jahre 2017 [7] hin, als die Sonde beim Durchflug des von den Fontänen ausgestoßenen Nebels darin Wasserstoff fand. Der deutet auf Reduktionsreaktionen von Wasser (Sauerstoffabgabe) hin, die einer beträchtlichen Energieaufnahme bedürfen.

Nach Gaël Choblet ist das mutmaßliche Innere von Enceladus porös und Wasser kann einsickern (1.). Durch Gezeitenreibung im Gestein wird das Wasser erhitzt und steigt in schmalen Furchen auf, wo es mit dem Fels interagiert (2). An unterseeischen Geothermalquellen mischt es sich mit dem Wasser des Ozeans (3) und hält diesen flüssig (4). Die Erwärmung führt lokal zu einer Verdünnung der Eisschicht vor allem am Südpol (5) wo dann Fontänen von Dampf und Partikeln durch Risse austreten (6). Bild: Oberfläche: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute; Inneres: LPG-CNRS/U. Nantes/U. Angers. Graphische Komposition: ESA.

Nach Gaël Choblet ist das mutmaßliche Innere von Enceladus porös und Wasser kann einsickern (1.). Durch Gezeitenreibung im Gestein wird das Wasser erhitzt und steigt in schmalen Furchen auf, wo es mit dem Fels interagiert (2). An unterseeischen Geothermalquellen mischt es sich mit dem Wasser des Ozeans (3) und hält diesen flüssig (4). Die Erwärmung führt lokal zu einer Verdünnung der Eisschicht vor allem am Südpol (5), wo dann Fontänen von Dampf und Partikeln durch Risse entweichen (6). Bild: Oberfläche: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute; Inneres: LPG-CNRS/U. Nantes/U. Angers. Graphische Komposition: ESA, ESA standard image licence.

 

Die Entschlüsselung Enceladus’ organischer Hexenküche

Reichlich Wasser, geothermale Aktivität, inniger Kontakt zwischen Wasserkörper und porösem Gestein in einer über Milliarden Jahre stabilen Umgebung – all dies sind die Zutaten für die Entstehung von Makromolekülen, die man heute als Schritt zum selbst reproduzierenden Molekül und dem Beginn der chemischen Evolution betrachtet, an deren Ende Leben steht. Deswegen ist der eisige Enceladus einer der heißesten Kandidaten für die Entstehung von Leben außerhalb der Erde in unserem Sonnensystem. Eine neue Arbeit [2], [3] von Frank Postberg (Universität Heidelberg) und anderen hat nun einen weiteres Puzzleteil zum Gesamtbild beigetragen. Die Arbeit ist leider (noch) nicht auf arXiv frei zugänglich verfügbar, aber ich habe ein älteres kurzes Papier [1] mit den wichtigsten Ergebnissen gefunden.

Postberg hat Messungen von Cassinis Cosmic Dust Analyzer (CDA) ausgewertet, der unter anderem über ein “Flugzeit-Massenspektroskop” für geladene Teilchen verfügte. Das Gerät war zur Untersuchung der Zusammensetzung mikroskopischer Teilchen (millionstel bis tausendstel Millimeter groß) in Saturns Ringen gebaut worden. Die Teilchen prallten darin (nachdem ihre Anzahl, Ladung, Größe, Masse und Bewegungsrichtung bereits registriert worden war) mit mehreren Kilometern pro Sekunde auf eine Metallplatte, was sie in ihre molekularen Bestandteile zerlegte und den Molekülen und Atomen auch Elektronen entriss. Die elektrisch geladenen Teilchen wurden sodann von elektrischen Feldern sortiert und im Massenspektroskop von einem elektrischen Feld beschleunigt. Da die elektrische Feldkraft auf einfach ionisierte Moleküle die gleiche ist, aber die Beschleunigung durch diese Kraft von der Masse abhängig, konnte man aus der Zeit, die ein Molekül benötigte, um das Feld zu durchlaufen, auf die Masse des Moleküls schließen. Diese wird üblicherweise als “Atomgewicht” u, das ist die Zahl der Kernteilchen (Protonen und Neutronen) im Molekül angegeben. Wasser hat beispielsweise zwei Wasserstoffatome mit dem Atomgewicht von je 1u (ein Proton im Kern) und ein Sauerstoffatom mit dem Gewicht 16u (8 Protonen, 8 Neutronen im Kern), macht insgesamt 18u für das Wassermolekül. Kohlenstoff hat normalerweise das Atomgewicht 12, CO2 demgemäß 12u + 2·16u = 44u.

 

Riesenmoleküle mit Aroma

Langkettige Moleküle werden vor allem von Kohlenstoff gebildet, an denen reichlich Wasserstoff (daher: Kohlenwasserstoffe) sowie einzelne Sauerstoff- oder Stickstoffatome angedockt sind. Moleküle mit hauptsächlich ringförmigen Strukturen werden “aromatisch” genannt (weil einige von ihnen auch so riechen), lineare Ketten “aliphatisch“. Da solche Kettenmoleküle auf der Erde normalerweise im Zusammenhang mit Leben stehen (z.B. Bestandteile von Eiweißen sind oder bei der Zersetzung von Biomasse entstehen – Erdöl besteht aus ihnen), nennt man sie, wie ihre ganze Chemie organisch. Organische Moleküle entstehen aber auch durch Prozesse, die mit Leben nichts zu tun haben, z.B. finden sich auf Teilchen kosmischen Staubs Aminosäuren, Ameisensäure und die Atmosphäre des Saturnmonds Titan ist gelb bzw. die Oberfläche von Pluto rot von sogenannten Tholinen, die durch UV-Licht von der Sonne aus Methan, Ethan und Stickstoff gebildet werden.

Postberg und Kollegen haben sich insgesamt 7000 Spektren von E-Ring-Partikeln, die also von Enceladus stammten, vorgenommen. 25% der Spektren zeigen organische Bestandteile, darunter 75 Spektren, die sogenannte “hochmassige organische Kationen” (highly massive organic cations, HMOCs) aufweisen. Kationen sind bekanntlich positiv geladene Atome oder Moleküle, die demgemäß im elektrischen Feld zur Kathode (Minuspol) wandern.

Summe von 48 CDA-Massenspektren mit Einschlagsgeschwindigkeiten unter 10 km/s. Auf der senkrechten Achse die Häufigkeit logarithmisch aufgetragen, auf der x-Achse die Durchlaufzeit in Mikrosekunden, wobei höhere Durchlaufzeit eine höhere Teilchenmasse bedeutet. Blaue Balken zeigen Linien, die haupsächlich in Eis-Partikeln gefunden wurden, gelbe in solchen mit Natriuminhalt. Benzen ist ein aromatisches (ringförmiges) organisches Molekül. Rechts organische Moleküle von hoher Masse bis fast 200 u. Bild: [1]

Summe von 48 CDA-Massenspektren mit Einschlagsgeschwindigkeiten unter 10 km/s. Auf der senkrechten Achse die Häufigkeit logarithmisch aufgetragen, auf der waagerechten Achse die Durchlaufzeit durch den CDA in Mikrosekunden, wobei höhere Durchlaufzeit eine höhere Teilchenmasse bedeutet. Blaue Balken zeigen Linien, die hauptsächlich in salzarmen Eis-Partikeln gefunden wurden, gelbe in solchen mit Salzgehalt. Benzol (Pfeil: benzene) ist ein aromatisches (ringförmiges) organisches Molekül. Rechts organische Moleküle von hoher Masse (HMOCs) bis fast 200 u. Bild: [1]

HMOCs fanden sich stets zusammen mit Molekülen, deren Masse von 77u-79u höchstwahrscheinlich auf aromatische Benzol-Ringe wie Benzylalkohol und Benzolsäure zurückgeht. In solchen Spektren ist zugleich der Natrium-Anteil klein; Natrium entstammt höchstwahrscheinlich dem salzigen Ozean von Enceladus (Kochsalz = Natriumchlorid). Während Spektren ohne HMOCs meist 1% Natrium und Kaliumanteil zeigen, ist der Salzanteil in den HMOC-Spektren 1000mal geringer. Dafür enthalten die HMOC-Spektren Anteile organischer Moleküle im einprozentigen Bereich – sie stammen also offenbar direkt aus einer Quelle organischer Moleküle.

Aromatische Moleküle, wie sie neben den HMOCs stets gefunden wurden: links Benzylakohol (C7H8O), rechts Benzolsäure (C7H6O2). In der Mite der schwarze Ring aus Kohlenstoffatomen, flankiert von Wasserstoff (weiß) mit Zusatz von Sauerstoff (rot). Bild: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Aromatische Moleküle, wie sie neben den HMOCs stets gefunden wurden: links Benzylakohol (C7H8O), rechts Benzolsäure (C7H6O2). In der Mitte jeweils ein schwarzer Ring aus Kohlenstoffatomen, flankiert von Wasserstoff (weiß) mit Zusatz von Sauerstoff (rot). Bild: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Die HMOC-Linien sind verbreitert und periodisch mit 11-14u Abstand, was darauf hinweist, dass es sich um eine Vielzahl von Molekülen und Molekülbestandteilen handelt, die beim Aufprall noch massiverer Moleküle jenseits der Nachweisfähigkeit von Cassinis CDA auf dessen Target entstanden und in Bruchstücke verschiedenster Größe zerfielen. Dies wird zusätzlich durch die Beobachtung gestützt, dass der Anteil der HMOCs mit zunehmender Einschlagsgeschwindigkeit steigt, wobei oberhalb von 12 km/s kein weiterer Anstieg zu beobachten ist. Je höher die Einschlagenergie, desto besser werden die langkettigen Moleküle zertrümmert, bis ihre Bestandteile durch noch höhere Energie zunächst nicht mehr weiter zerlegt werden können. Auch Cassinis zweites Spektrometer INMS (Ion and Neutral Mass Spectrometer), das Moleküle bis 99u erfassen konnte, zeigte eine Häufung schwerer Moleküle bei Einschlägen mit hoher Geschwindigkeit.

Die Autoren schließen auf einen Anteil von 3% der E-Ring-Partikel mit organischen Molekülen hoher Masse, die ursprünglich weit mehr als 200u gehabt haben müssen.

 

Fettfilm aus der Tiefe

Die komplexen, teilweise aromatischen Moleküle wurden unter anderem sehr nahe an Enceladus und auch direkt in der Nebelwolke seiner Geysire gefunden, was die nachträgliche Entstehung im Weltraum unwahrscheinlich macht (in dieser Molekülgröße sowieso). Eine Ausgasung von der Oberfläche ist ausgeschlossen, weil die Temperaturen in Enceladus’ Eis dafür zu niedrig sind und die Moleküle bei diesen fest oder flüssig sein müssen.

Die Herkunft der Moleküle vermuten die Autoren vielmehr in einer Schicht an der Oberfläche des Ozeans, wo sich die leichten, nicht wasserlöslichen Moleküle wie ein Ölfilm unter der Eisdecke sammeln. Wenn von unten aus Hydrothermalquellen Gasblasen aufsteigen und sich unterhalb von Rissen im Eis sammeln, können platzende Gasbläschen das organische Material in vom Wasser separate feinste Tröpfchen oder Flöckchen zerstäuben (Aerosole), die Kondensationskeime für die Anlagerung von Wassereis bilden und später vom Dampfdruck in den Fontänen von Enceladus in den Weltraum katapultiert werden.

Mumaßlicher Prozess zur Entstehung der von Cassinis CDA gefundenen salzarmen Partikel mit hohem Anteil an organischen Stoffen (siehe Text). Bild: ESA; F. Postberg et al (2018).

Mutmaßlicher Prozess zur Entstehung der von Cassinis CDA gefundenen salzarmen Partikel mit hohem Anteil an organischen Stoffen (siehe Text). Die Einschubbilder rechts denke man sich auf dem Kopf stehend in Bezug auf den Ausschnitt auf Enceladus. Bild: ESA; F. Postberg et al (2018), ESA standard image licence.

Dies würde den geringen Salzgehalt der Teilchen mit HMOCs begründen – normale Wassertropfen aus Enceladus’ Ozean sind salzhaltiger. Eine solche Aerosolbildung von organischen Stoffen aus normalerweise biologisch entstandenen dünnen Filmen ist aus den Ozeanen der Erde wohlbekannt, wo solche Prozesse auch dazu beitragen, die organischen Stoffe zu “ernten” und an die Wasseroberfläche zu bringen.

 

Wir brauchen mehr Daten!

Auf Enceladus könnten die organischen Verbindungen in Hydrothermalquellen am Boden des Ozeans gebildet werden oder gar, wie auf der Erde, biologischen Ursprungs sein – darüber kann man derzeit nur spekulieren. Cassini war nicht dafür ausgerüstet, biologische Spuren nachzuweisen, mit ihnen hätte auch niemand im Saturnorbit gerechnet. Derzeit bemüht man sich, organische Moleküle in Enceladus’ Geysiren mit Radioastronomie von der Erde aus zu untersuchen. Der Nachweis von komplexen organischen Molekülen in den Nebelwolken über den Geysiren zeigt, dass es sehr einfach wäre, mit einer Raumsonde die organische Chemie des Enceladus-Ozeans zu erforschen – man müsste nicht einmal landen, sondern einfach durch die Geysir-Nebel fliegen.

Die NASA hat 2015 und 2017 bereits zwei Versuche unternommen, Förderung für die Sonde Enceladus Life Finder (ELF) zu erhalten, die genau dies tun soll – leider wurde der Vorschlag beide Male zugunsten anderer Missionen abgelehnt. Die neuen Ergebnisse tragen aber vielleicht dazu bei, dass ELF oder ein Nachfolger zukünftig den Zuschlag erhält. Bis dahin können wir uns damit trösten, dass die Sonde Europa Clipper, die bereits in der Entwicklung ist und 2022-2025 zum Jupitermond Europa starten soll, Ähnliches vor hat (auch auf Europa fanden sich Geysire). Sie bereitet wiederum das Terrain für eine Landesonde vor, die in den 2030ern das Eis an der Oberfläche von Europa untersuchen soll. Vielleicht erleben wir ja noch die Entdeckung von Leben außerhalb der Erde.

 

Referenzen und weitere Artikel

[1] F. Postberg et al., “Complex organic macromolecular compounds in ice grains from Enceladus.“, 48th Lunar and Planetary Science conference, 20.-24. März 2017, The Woodlands, Texas, USA.

[2] F. Postberg et al., “Macromolecular organic compounds from the depths of Enceladus“, Nature 558, pages 564–568 (2018) , Letter, 27. Juni 2018.

[3] Pressemitteilung Nr. 81/2018, “Komplexe organische Moleküle auf dem Saturnmond Enceladus“, Universität Heidelberg, 28. Juni 2018.

[4]  ESA, “Heating Ocean Moon Enceladus for Billions of Years“, ESA > Our Activities > Space Science > Cassini-Huygens, 6. November 2017.

[5] Robert Gast, “Enceladus’ heißer Kern“, Spektrum.de, 08. November 2017.

[6] Preston Dyches, “Cassini Finds Global Ocean in Saturn’s Moon Enceladus“, Jet Propulsion Laboratory, Pasadena, California, 14. September 2015.

[7] NASA/JPL-Caltech/Southwest Research Institute, “Enceladus Hydrothermal Activity“, 14. April 2017.

Kommentare (20)

  1. #1 Karl Mistelberger
    26. Juli 2018

    “It’s free samples,” principal investigator Jonathan Lunine, of Cornell University, told Space.com in 2015, when ELF was competing for a slot in NASA’s Discovery program of low-cost, extremely focused missions. (In January of this year, NASA chose the asteroid-studying Lucy and Psyche missions as its next Discovery projects.) “We don’t need to land, drill, melt or do anything like that.”

    https://www.space.com/38159-future-saturn-missions-nasa-cassini.html

    Saturn’s moons Enceladus and Titan have two proposed missions between them, although for one Enceladus mission, I have found only its name, Enceladus Life Signatures and Habitability (ELSAH). The proposers for the other mission, the Enceladus Life Finder (ELF), on the other hand, have provided considerable information their concept. The Cassini mission discovered that this moon is venting material from its internal ocean. Extensive studies of the plumes suggest that this world may have the conditions needed to host life. Cassini’s now-vintage 1990s era instruments, though, left key questions unanswered. Because the Cassini spacecraft performed extensive studies of Enceladus, the ELF spacecraft could focus its studies on what is perhaps the biggest question of all, is there life elsewhere in the universe?

    https://www.planetary.org/blogs/guest-blogs/van-kane/20170810-new-frontiers-missions.html

  2. #2 uwe hauptschueler
    26. Juli 2018

    deren Masse von 77u-79u höchstwahrscheinlich auf
    aromatische Benzol-Ringe wie Benzylalkohol und
    Benzolsäure zurückgeht.

    Benzol hat eine Masse von 78u, Benzylalkohol von 108u und Benzolsäure ist Wikipedia und Gestis-stoffdatenbank nicht bekannt. Sollte Benzoesäure gemeint sein, die besitzt eine Masse von 122u.

  3. #3 Alderamin
    26. Juli 2018

    @uwe hauptschueler

    Ist richtig, fiel mir nachher auch auf, aber anscheinend geht es nur um den Ringbestandteil, der bei der Zertrümmerung anscheinend übrig bleibt. Im Paper steht dazu:

    HMOC are always found with a number of aliphatic and aromatic mass lines, in particular a broad peak with a maximum at 77u – 79u indicative of the deprotonated (C6H5, 77u) and protonated (C6H7,79u) forms of a benzene ring.

    Denke, ich kann den Text oben so lassen, da steht ja auch nur, dass die Peaks auf diese Moleküle hinweisen.

  4. #4 stone1
    26. Juli 2018

    @Alderamin

    Das ging ja schnell, Danke! Oder hattest Du ohnehin vor darüber was zu schreiben?
    Schade dass man sich immer wieder auf Folgemissionen vertrösten lassen muss, aber wenigstens steigt die Wahrscheinlichkeit für:

    Vielleicht erleben wir ja noch die Entdeckung von Leben außerhalb der Erde.

    So wie das jetzt mit den Zeitplänen aussieht könnte es ja direkt auf ein Wettrennen hinauslaufen, ob man – falls vorhanden – zuerst außerirdisches Leben in unserem Sonnensystem findet oder mit der nächsten Teleskopgeneration Hinweise auf Leben in den Atmosphären von Exoplaneten.

  5. #5 Alderamin
    26. Juli 2018

    @stone1

    Oder hattest Du ohnehin vor darüber was zu schreiben?

    Nö, ich fand das Thema hinreichend interessant und habe es vorgezogen. Hoffe, in meinem Artikel war dann auch was dabei, das neu für Dich war.

  6. #6 stone1
    26. Juli 2018

    @Alderamin

    auch was dabei, das neu für Dich war.

    Klar, ich kannte ja auch bloß die Nachrichtenmeldung wo keine Rede davon war, was für Moleküle genau gefunden wurden.

  7. #7 Lorenzo
    28. Juli 2018

    Auch, wenn ich leider nicht alles verstehe bzw. geistig wohl zu bequem bin 😉 – was für ein toller Blog Eintrag. So viele Informationen, Links & Quellenangaben..ich bin darauf gestossen, da ich kürzlich einen SF Zyklus gelesen habe, der im Wasserozean von Enceladus leben findet 😉 War schon von den Romanen beeindruckt wieviel wissenschaftliche Details diese beinhalteten – ist aber im Vergleich zu diesem Eintrag nur ein Kratzen am dicken Eispanzer gewesen;)
    Danke für die vielen Informationen zu diesem Mond.
    Gruss
    Lorenzo

  8. #8 Alderamin
    28. Juli 2018

    @Lorenzo

    Danke! Darfst gerne öfters wieder reinschauen 🙂

  9. #9 Blake
    28. Juli 2018

    Alderamin wieder.
    Immer wieder interessant und lesenswert.

  10. #10 Blake
    28. Juli 2018

    1,4 kW pro Quadratmeter.
    Ich glaube ein Familien-Haushalt hat einen mittleren Bedarf von 500W.

    Jedenfalls das schlecht isolierte riesige Elternhaus, aus dem ich stamme 🙂

    Wie der Autor sogar einfach gestrickte Laien wie mich zum denken anregt.

    Der Erkenntnisgewinn alleine in diesem einen Satz.

    Ohne linke Sprach- und Gesinnungsvergewaltigung.

    Sauber.

  11. #11 JoAl
    nahe HD
    30. Juli 2018

    Kurze Frage zu den 1,4kW/m². Ich hatte noch den Wert (nahe meinem Wohnort) von 1.2kW/m² im Kopf, kurz gegoogelt – scheint wohl nur am südlichsten Südzipfel von Dtl auf 1,4kW/m² zu kommen. Unterscheidet sich der “astronomische” Wert von dem Mittelwert der für Berechnungen für Photovoltaik-Anlagen (Wellenlängen?!) oder ist das global gemittelt?
    Ernste Frage, keine Erbsenzählerei. Schöner Artikel!

  12. #12 Alderamin
    30. Juli 2018

    @JoAI

    Die 1,4 kW sind die gerundete Solarkonstante (1367 W/m²). Die gilt außerhalb der Atmosphäre und kann daher nicht für Photovoltaik-Anlagen am Boden angewendet werden. Laut dem verlinkten Wikipedia-Artikel kommen nur ca. 1000 W davon am Boden an (in der englischen Version des Artikels steht auch, dass nur 75% am Boden ankommen). Die 1200 W/m² scheinen daher etwas überoptimistisch kalkuliert (oder falsch erinnert?).

  13. #13 JoAl
    nahe HD
    30. Juli 2018

    @Alderamin
    Danke für die Antwort. Die 1200W/m² sind in diversen Grafiken online zu finden – vielleicht nur optimistisch aufgerundet um Photovoltaik-Anlagen schönzurechnen? Ich habe nicht auf die Quelle der Grafik geachtet, finde sie jetzt am heimischen PC natürllich nicht mehr. Egal, ich werde mich in Zukunft dann auf 1kW/m² berufen, lässt sich auch schöner Kopfrechnen 😉

  14. #14 UMa
    30. Juli 2018

    @Alderamin
    Die Solarkonstant ist nach neueren Messungen etwas niedriger, etwa 1361 W/m².
    https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1029/2010GL045777
    Im Mittel müsste etwa die Hälfte davon am Boden absorbiert werden. Der Rest wird entweder reflektiert 30% oder schon in der Atmosphäre absorbiert.

  15. #15 UMa
    30. Juli 2018

    @JoAl:
    Auf Grund der Zahlenwerte und der Unterschiede vom Standort vermute ich, Du meinst die Sonneneinstrahlung in kWh/m²/Jahr.

    Für Photovoltaikanlagen wird die Nennleistung bei 1000 W/m², einer Temperatur von 25°C und einem Spektrum nach Absorption von 1,5 Luftmassen (48° von der Senkrechten, also 42° Sonnenhöhe) bestimmt.

    Der (Wechselstrom-)Ertrag einer unverschatteten, optimal ausgerichteten Anlage in Deutschland dürfte zwischen 900 und 1000 kWh/Jahr und kW-Nennleistung betragen. Dabei sind die Umwandlungsverluste in Wechselstrom schon eingerechnet.
    Näher zum Äquator und bei weniger Wolken kann es natürlich viel mehr werden.

  16. #16 MartinB
    7. August 2018

    Etwas spät (wegen Urlaub), aber vielleicht hast du ja trotzdem ne Antwort: Wenn das Wasser im Enceladus einfach nur warm ist, wie hilft das für Leben weiter? Leben braucht ja freie Energie (um lokal die Entropie zu senken), also ne Temperaturdifferenz. Oder sind die Gradienten da so hoch, dass das gehen kann?

  17. #17 Alderamin
    7. August 2018

    @MartinB

    Es deutet ja einiges auf unterseeische Hydrothermalquellen hin (es war die Rede von wenigstens 90°C), da hast Du die Temperaturdifferenz (der Ozean an sich muss ja viel kälter sein, wenn er oben gefroren ist – gehe von 4°C am Boden aus, da hat Wasser ja seine größte Dichte).

    Aber braucht es die (externe) Temperaturdifferenz wirklich? Der kundige Kommentator Hoffmann wies bei Florian und Bettina schon öfters darauf hin, dass er den Ursprung des Lebens eher in Tidenbecken sieht als an Hydrothermalquellen, weil sich dort Stoffe konzentrieren können und eine zeitweise sehr ruhige Umgebung mit direktem Kontakt zum Gestein (Mineralien, Salze etc.) haben.

    Braucht es nicht einfach eine chemische Energiequelle? Wir verbrennen ja auch Kohlenstoff mit Sauerstoff in den Muskeln und atmen CO2 aus. Mit Biologie kenne ich mich nicht aus, aber auf der Erde hat das Leben anfangs in einer reduzierenden Atmosphäre bestanden, da gibt’s dann wohl andere energiefreisetzende Reaktionen, die einen simplen Metabolismus (Einzeller) antreiben können.

    Bei Enceladus fand man freien Wasserstoff in den Geysir-Eispartikeln, was laut den Meldungen eine Nahrungsquelle für simple Lebensformen sein könnte (so dass einige argumentierten, wenn solche Lebensformen existierten, sollte der Wasserstoff gar nicht erst in den Geysiren gelandet sein…)

  18. #18 MartinB
    7. August 2018

    @Alderamin
    Ne chemische Energiequelle geht natürlich auch, ich dachte, man würde an thermische Energien denken. Freier Wasserstoff ist sicher für die entsprechenden Aliens total lecker…

  19. #19 Till
    3. September 2018

    @Alderamin @MartinB

    Aber braucht es die (externe) Temperaturdifferenz wirklich? Der kundige Kommentator Hoffmann wies bei Florian und Bettina schon öfters darauf hin, dass er den Ursprung des Lebens eher in Tidenbecken sieht als an Hydrothermalquellen, weil sich dort Stoffe konzentrieren können und eine zeitweise sehr ruhige Umgebung mit direktem Kontakt zum Gestein (Mineralien, Salze etc.) haben.

    Simulationen und einfache Experimente haben gezeigt, dass sich auch in hydrothermalen Quellen am Ozeanboden langkettige organische Moleküle anreichern können. Insofern sind Hydrothermalquellen als Entstehungsort des Lebens noch nicht aus dem Rennen.

    Braucht es nicht einfach eine chemische Energiequelle? Wir verbrennen ja auch Kohlenstoff mit Sauerstoff in den Muskeln und atmen CO2 aus. Mit Biologie kenne ich mich nicht aus, aber auf der Erde hat das Leben anfangs in einer reduzierenden Atmosphäre bestanden, da gibt’s dann wohl andere energiefreisetzende Reaktionen, die einen simplen Metabolismus (Einzeller) antreiben können.

    Es gibt viele Hinweise, dass die ersten Lebensformen auf der Erde Methanbildner waren, die aus Kohlendioxid und Wasserstoff Kohlenwasserstoffe herstellten: CO2 + 4 H2 -&gt CH4 + 2 H2O In diesem Fall ist der molekulare Wasserstoff die chemische Energiequelle. Molekularer Wasserstoff wurde in den Geysir Eispartikeln ja nachgewiesen, ist auf Enceladus also vorhanden.

    Ich hoffe sehr, dass die NASA und/oder die ESA sich endlich dazu durchringen können eine ELF-artige Mission zu finanzieren. Das könnte uns viele wichtige Informationen zum Ursprung des Lebens auf der Erde liefern.

  20. #20 Hoffmann
    15. September 2018

    Simulationen und einfache Experimente haben gezeigt, dass sich auch in hydrothermalen Quellen am Ozeanboden langkettige organische Moleküle anreichern können.

    Das setzt allerdings voraus, dass sich diese langkettigen Moleküle überhaupt erst einmal bilden und dann als Reinstoff im Innern einer Gesteinspore vorhanden sein können.

    Die verlinkte Simulation beschreibt im Wesentlichen ein Rechenmodell, welches experimentell gewonnene Parameter hochrechnet – ohne jedoch in Betracht zu ziehen, dass im experimentellen Vorlauf keine einzelnen Nucleotide, sondern stattdessen ein Molekül von “vergleichbarer Größe” verwendet wurde.

    Weiterhin wurde im experimentellen Vorlauf einzelsträngige RNA mit 22 Basen Länge sowie doppelsträngige DNA mit 100 Basenpaaren und mit 1000 Basenpaaren Länge verwendet, so dass die Frage auftaucht, ob diese Vergleichsparameter eine realistische – sprich: naturnahe Basis haben.

    Völlig unberücksichtigt bleiben der mineralische Untergrund der Gesteinsporen sowie die allfällig mit entstehenden Begleitstoffe, die sich aus den Ausgangsstoffen bilden und über funktionelle Gruppen sowohl die Nucleotid-Entstehung blockieren können wie auch die Oligomer-Entstehung bzw. die Polymer-Entstehung aus Monomeren.

    Kurz: Die Simulation hat gezeigt, dass die Natur auf speziell präparierte Bedingungen so reagieren könnte, wie berechnet, aber dies nicht experimentell nachgewiesen konnte, weil entsprechende Experimente nicht unternommen worden sind. Ob die Art und Weise der speziellen Präparation überhaupt in hydrothermalen Quellen jemals vorgelegen hat bzw. jemals vorliegen könnte, ist nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen.

    Von daher ist das Resultat hinsichtlich seiner Interpretation leider ohne Aussagekraft in Bezug auf die Entstehung und Anreicherung von Nucleotiden sowie Nucleinsäuren auf der frühen Erde. Aber interessant ist das Paper allemal, da gezeigt worden ist, wie die “König-Midas-Methode” (nachzulesen bei Robert Shapiro: “A Sceptic’s Guide to the Creation of Life on Earth” – deutsch: “Schöpfung und Zufall”) in der Praxis den Mainstream der Abiogenese-Forschung dominiert.

    Und nein, Robert Shapiro ist (bzw. war – er ist leider bereits verstorben) kein Vertreter von Intelligent Design, im Gegenteil …