OSIRIS-REx bei der geplanten Probenentnahme auf Bennu, künstlerische Darstellung. Bild: NASA/Goddard Space Flight Center, via Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Vor ein paar Wochen erreichte die japanische Raumsonde Hayabusa 2 den kleinen Asteroiden Ryugu, der eine völlig absurde, eckige Form hat, wie wir sie noch nie zuvor bei einem Asteroiden gesehen hatten:

Asteroid Bennu, Bild: via GIPHY

Normalerweise sehen Asteroiden nämlich vollkommen unregelmäßig aus, nur die ganz großen sind rund. Hier ein paar, die wir schon mit Raumsonden besucht haben:

Von Raumfahrzeugen besuchte Asteroiden. Bild: Montage von Emily Lakdawalla. Daten von NASA / JPL / JHUAPL / UMD / JAXA / ESA / OSIRIS team / Russian Academy of Sciences / China National Space Agency. Bearbeitet von Emily Lakdawalla, Daniel Machacek, Ted Stryk, Gordan Ugarkovic, Planetary Society, CC BY-NC-SA 3.0, mit freundlicher Genehmigung.

Und nun liefert uns die Sonde OSIRIS-REx die folgende Bildsequenz vom (vermeintlichen?) Asteroiden 101955 Bennu:

Asteroid Bennu. Bild: NASA/Goddard/University of Arizona, gemeinfrei.

Asteroid Bennu aus 200 km Entfernung. Bild: OSIRIS-REx, NASA/Goddard/University of Arizona, gemeinfrei.

Huch!? Man könnte fast meinen, OSIRIS-REx habe sich im Asteroiden geirrt!

Hat sie sicher nicht. Die Sonde war am 8. September 2016 gestartet worden und soll am 3. Dezember in eine Umlaufbahn um den Asteroiden 101955 Bennu in 5 km Abstand einschwenken. Nach 505 Tagen Beobachtung soll sie planmäßig im Juli 2020 mit einem ausfahrbaren Roboterarm und einem Stickstoffgebläse zum Aufwirbeln sozusagen “on the fly” zwischen 60 Gramm und 2 kg Regolithstaub aufnehmen und bis September 2023 zur Erde bringen, der dann in einer 45 kg schweren Landekapsel unversehrt den Trip durch die Erdatmosphäre schaffen und in Utah am Fallschirm niedergehen soll,. damit er im Labor mit modernster Technik untersucht werden kann.

ORISIS-REx steht dabei für Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security, Regolith Explorer, also will man damit die Ursprünge (Origins) des Sonnensystems erkunden, das Spektrum des Asteroiden interpretieren, Rohstoffe (Resources) erkunden, die Sicherheit (Security) und den Regolithstaub auskundschaften.

Die Frage der Sicherheit stellt sich, weil der Asteroid, der mit 500 m etwa die Hälfte von Ryugus Durchmesser hat, ein erdnaher Asteroid ist (Near Earth Asteroid, NEA) und eine Chance von 1:1800 hat, im Jahr 2170 mit der Erde zu kollidieren. 500 m würden schon einen ordentlichen Schaden anrichten, auch bei einem Einschlag ins Meer (Tsunamis).

Der Jarkowski-Effekt, der dem Asteroiden einen von gerichteter Wärmeabstrahlung verursachten kleinen Schub gibt, soll dabei genauer untersucht werden, denn er macht die Vorhersage des Orbits und damit der möglichen Kollision mit der Erde ein wenig unsicher. Der Effekt beruht darauf, dass sich die sonnenbeschienene Seite aufheizt und dann durch die Rotation vor allem in Richtung Nachmittag- und Abendseite die Wärme abgestrahlt wird, während die wieder abgekühlte Nacht- und  Morgenseite des Asteroiden kaum Strahlung abgibt. Somit wirkt die Kraft der abgegebenen Wärmestrahlung einseitig auf den Asteroiden und schiebt ihn an.

Bennu gehört zu den “kohligen Chondriten” und besteht damit aus noch nicht fragmentiertem (in der Schmelze durch Schwerkraft getrenntem), übrig gebliebenem Rohmaterial des Sonnensystems, worauf sich der Begriff “Ursprünge” bezieht. Wir werden hier also, wenn alles gut geht, sehr ursprüngliches Material aus der Entstehungsphase des Sonnensystems ins Labor bekommen und vielleicht mehr darüber erfahren, wie sich der Staub zu größeren Objekten zusammenfinden konnte und woher das Baumaterial des Sonnensystems stammt. Womöglich auch, warum es eckige Asteroiden gibt.

In den kommenden Wochen wird OSIRIS-REx den Asteroiden zunächst einmal genau von einer polaren Umlaufbahn aus inspizieren und vermessen, man wird seine Masse bestimmen und einen oder mehrere geeignete Orte für die Probenentnahmen bestimmen. Dabei bleibt zu hoffen, dass Bennu aus der Nähe doch ganz anders als Ryugu aussieht, denn letzterer besteht nur aus schroffem, blankem Fels, der, wie Nahaufnahmen der Minerva II und MASCOT-Lander zeigten, mitnichten von losem Regolithstaub bedeckt ist, welcher sich einfach so hochpusten ließe.

Wir dürfen auf die Nahaufnahmen von Bennu gespannt sein.

 

Referenzen

 

 

 

 

Kommentare (12)

  1. #1 Mars
    7. November 2018

    was will man mit ein wenig staub.
    der ganze asteroid sieht aus, wie ein grosser diamant mit typischer Oktaederform … bei dem halt seit 100tsd jahren keiner mehr mit dem staubsauger dran war

    juhu, und wieder eine klasse beitrag-überschrift!

  2. #2 Alderamin
    7. November 2018

    @Mars

    Ein bisschen baiting muss sein… 😉

    Einen Diamanten würde ich unter dem Geröll eher nicht erwarten, auch wenn Bennu sehr viel Kohlenstoff enthält. Er dürfte nie nennenswertem Druck ausgesetzt gewesen sein. Wie genau sich verhakte Staubteilchen zu großen, stabilen Asteroiden zusammen gefunden haben, ist noch sehr unklar, aber Kollisionen müssen sachte passiert sein, sonst hätte es die fluffigen Staubbälle leicht zerfetzt. Krater sind auch keine auf Bennu zu sehen.

    Wenn aber nun schon zwei mit dieser seltsamen Form in ihrer gemeinsamen Größenklasse gefunden wurden, scheint mir das kein bloßer Zufall zu sein.

  3. #3 Mars
    7. November 2018

    ja, wenn es mehr mir solchen formen gibt, dann wird es sicher interessant zu sehen, welche theorien sich aus eine würfel- / oktaederform heraus entwickeln
    oder sind es eben mehr die, die langsam anwachsen, und evt keine festen, mono-kerne besitzen.
    bei den Videos sieht man ja schön, wie sich mancher ‘brocken’ nur angelegt hat und noch nicht komplett assimiliert wurde .. oder allmählich unter den weltraum-wollmausen verschwindet..

  4. #4 schlappohr
    7. November 2018

    Ich frage mich, warum so ein weicher Geröllball einen gewaltigen Einschlag auf der Erde verursachen kann. Ich hätte eher erwartet, dass er sich bei Annäherung an die Erde durch die Gezeitenkräfte zerlegt und eine langgezogene Geröllwolke bildet, die rings um den Globus in die Athmosphäre eintritt und bis auf ein paar kleinere oder auch größere Impacts verglüht. Das hängt aber vermutlich auch stark vom Winkel der Annäherung ab.

  5. #5 Alderamin
    7. November 2018

    @schlappohr

    Die Gezeitenkräfte sind klein, wenn das Objekt klein ist. Und das Geröll pappt anscheinend gut zusammen; bei Tschuri war Philae der Bohrhammer abgebrochen, und die Bilder auf der Oberfläche von Ryugu zeigten auch stabil aussehenden Fels.

    Vielleicht bilden sich zusammen mit Eis und geforenen Gasen feste Verbunde in den Objekten. Fluffig, wie ich sie nannte, sind sie sicher nur, wenn sie klein und noch jung sind. Ich beschrieb ja die Phase der Entstehung der Objekte.

    Leicht sind sie trotzdem. Tschuri (Komet) hat eine Dichte von 0,5 g/cm³, Ryugu und Bennu von 1,26-1,27 g/cm³.

  6. #6 TmoWizard
    Augsburg
    7. November 2018

    Fluffig? Das sind ziemlich massive Steinklötze oder so, keine Kopfkissen! 😉

  7. #7 ZAB
    Nürnberg
    8. November 2018

    Ich wundere mich hier nicht, sowohl ~500m, als auch ~1000m sind klassische Größenordnungen für lemurische Kugelraumer. Hat sich halt über die Jahrtausende etwas Dreck um den Ringwulst gelegt und ein paar Beulen haben sie auch, aber sehen ansonsten wie neu aus.
    SCNR

  8. #8 Abdul Alhazred
    9. November 2018

    @ZAB

    Ich tippe eher auf Raumschiffe der Posbis. Die haben auch meist annähernd Würfelform, siehe https://www.perrypedia.proc.org/wiki/Fragmentraumer

  9. #9 Alderamin
    9. November 2018

    @ZAB, Abdul Alhazred

    Dann müssten die aber mal dringend in die Raumschiff-Waschanlage…

  10. #10 Felix
    galaktische Föderation
    10. November 2018

    Es gibt ja noch einen Asteroiden mit so einer Form. Nämlich (2867) Šteins. Ebenfalls offensichtlich ein kraterloser Trümmerhaufen.
    Es könnte ja sein das diese Körper Ergebnis eines gewaltsamen Ereignisses sind -wobei ein größeres Objekt durch einen Einschlag zerstört oder stark beschädigt wird und die Trümmerwolke dann einen stark abgeplatteten Körper erzeugt, der dann unter seiner eigenen Schwerkraft zusammensackt und die typische Form mit Äquatorwulst und spítzen Polen erzeugt.
    Nur eine Vermutung. Vielleicht lässt sich ja die Akkretierung aus groben Trümmerwolken simulieren (Am Rechner).
    Vielleicht findet man ja noch mehr solcher Typen. Itokawa passt da allerdings nicht ins Schema – trotz Trümmerhaufen.
    Gruß Felix

  11. #11 till
    11. November 2018

    @Felix ich hatte auch gleich vermutet, dass diese Form mit dem spitzen Wulst um den Äquator durch das Aufsammeln von Material aus einer Akkretionsscheibe entsteht. Ich vermute aber, dass das auch bei der ursprünglichen Entstehung schon so passieren kann. Ich denke eher, dass bei Kollisionen unregelmäßige Stücke entstehen.

  12. #12 Alderamin
    4. Dezember 2018

    @myself

    Wenn aber nun schon zwei mit dieser seltsamen Form in ihrer gemeinsamen Größenklasse gefunden wurden, scheint mir das kein bloßer Zufall zu sein.

    Phil Plait hat das Rätsel aufgelöst: die Schwerkraft des Asteroiden ist nicht sehr groß und er rotiert ziemlich schnell, daher bewegt sich loses Geröll zum Äquator hin. Neu einschlagendes Material rüttelt immer den Boden durch, so dass sich Geröll in Bewegung setzen kann. Zur Kugel gereicht es nicht, dazu ist die Schwerkraft zu klein und das Material zu rigide.

    Klar, sich drehende Objekte neigen zur Abplattung. Hätte man auch drauf kommen können!