Komposit der Geminiden über 82 Minuten. Bild: © mit freundlicher Genehmigung von Katja Seidel (Nacht-Lichter.de)

Zugegeben, der Tipp kommt spät, aber lieber spät als gar nicht…

 

Die Geminiden

Am heutigen Freitag, dem 14. Dezember erreicht der Sternschnuppeschwarm der Geminiden sein Maximum. Daher lohnt es sich, abends einmal Ausschau nach Meteoren zu halten, falls das Wetter kooperiert.

Die Geminiden sind ein sehr zuverlässiger Meteorstrom mit vielen hellen, relativ langsamen Meteoren. Ich erinnere mich an einen Dezembertag 1996, an dem ich meinen amerikanischen E-Mail-Freund Eric in Colorado besucht hatte und mit ihm abends draußen im Garten war, als fast jede Minute irgendein heller Meteor in meinem Blickfeld auftauchte, obwohl ich gar nicht nach oben sah. “Ach, das war übrigens ein Geminid”, sagte ich. “Das war noch einer… und da!” Seither habe ich den Meteorschwarm in bester Erinnerung. Die Perseiden kamen mir stets lichtschwächer und flüchtiger vor.

Die theoretische maximale Zahl von Meteoren pro Stunde, die Zenithal Hourly Rate (ZHR) der Geminiden, liegt um 120-140, kaum schwächer als bei den Perseiden. Wie wir im Perseidenartikel schon gelernt haben, ist dieser Wert nur sehr hypothetisch, er gilt nur bei perfekter Dunkelheit, einem Radianten im Zenit und auch nur für kurze Intervalle (140 Meteore pro Stunde hat können auch 35 Meteore in 15 Minuten sein und davor und danach weniger). Der Radiant, also der Punkt, von dem die Meteore auszugehen scheinen,  ist schon am frühen Abend über dem östlichen Horizont aufgegangen, er liegt nahe beim Stern Castor, dem “oberen” der beiden Zwillinge. Wer am Abend schaut, sieht die Meteore waagerecht über den Himmel sausen; da sie im flachen Winkel in die Atmosphäre eintreten, können sie in der dünnen Luft sehr lange Spuren ziehen. Leider stört der Mond, der erst gegen 23:30h untergeht (gilt für Köln; Orte weiter östlich haben einen etwas früheren Monduntergang. Die hellen Geminiden sollten trotzdem gut sichtbar sein.

Man muss nicht unbedingt wissen, wo die Zwillinge am Himmel zu finden sind (wissen wir doch noch alle von der Serie über das Wintersechseck 😉 ) um den Radianten zu finden, die Meteore können am ganzen Himmel auftauchen. Ihre Bahnen weisen ohnehin den Weg zu ihrem Ursprung. Man sollte sich eine dunkle Ecke suchen, ein Spaziergang am Ortsrand, ein dunkler Hinterhof oder ein Ausflug aufs Land sind empfehlenswert. Da es nachts frieren kann, insbesondere wenn der Himmel klar ist, sollte man sich ein wenig wärmer als für den Tag kleiden. Das gilt erst recht, wenn man sich draußen still hinsetzt oder auf einen Liegestuhl legen will, da ist eine Decke über der Jacke eine gute Idee.

Wer es mit Fotografie versuchen will, findet in den Perseidenartikeln hier und hier ein paar Tipps.

 

… und ein naher Komet

Es lohnt sich durchaus, bis Monduntergang zu warten. Nicht nur, weil man dann mehr Meteore sieht, sondern weil nach Monduntergang erst das zweite Highlight des Abends sichtbar wird, der Komet 46P/Wirtanen. Er war das ursprüngliche Ziel der Rosetta-Mission, aber wegen eines Problems mit der Ariane-V-Rakete Ende 2002 konnte die Mission Anfang 2003 nicht rechtzeitig starten und verpasste ihr Startfenster. So wurde es dann der beinahe unaussprechliche Tschurjumwow-Gerasimenko. Der Rest ist Geschichte.

Komet Wirtanen (das grüne, neblige Ding) am 3. Dezember 2018, Nähe Macon, Georgia, USA, Aufnahme mit Canon EOS 80D, 200 mm Brennweite, 800 ISO, 120 s (nachgeführt). Bild: Stephen Rahn, Flickr, gemeinfrei.

46P/Wirtanen wurde 1948 vom amerikanischen Astronomen Carl Alvar Wirtanen entdeckt. Der Komet bewegt sich etwa zwischen der Bahn der Erde und der des Jupiters bei 1,055 AE Perihel und 5,126 AE Aphel. Er nähert sich der Erde am 16. Dezember bis auf 11,7 Millionen km oder etwa 30 Mondentfernungen. Seine Bahn hatte vor 1972 noch ein Perihel von 1,63 AE und kam der Sonne nicht näher als Mars in Sonnenferne, aber zwei Begegnungen mit Jupiter 1972 und 1984 senkten das Perihel viel näher zur Erdbahn hin und verkürzten seine Umlaufzeit von 6,71 auf 5,46 Jahre. So nah wie in diesem Jahr war er der Erde noch nie und wird es auch für die nächsten 150 Jahre nicht mehr sein.

Der Komet ist allerdings nicht sehr hell, deswegen habe ich auch noch nichts über ihn geschrieben und er dient hier nur als Begleitprogramm zu den Geminiden. Er hat zwar im Moment eine Gesamthelligkeit von 5,6m, aber verteilt auf die vierfache Fläche des Mondes, weil er der Erde so nahe ist, und so wenig Flächenhelligkeit ist nur sehr schwer wahrnehmbar. Aus der Stadt heraus und selbst am Stadtrand ist man da vollkommen chancenlos, es braucht schon einen sehr dunklen Himmel – oder optische Hilfe. Ein gutes Nachtglas kann den Kometen bei halbwegs dunklem Himmel zeigen. Man erwarte ein sehr schwaches, sehr großes nebliges Wölkchen. Wer also wegen der Geminiden rausfährt, sollte einen Feldstecher mitnehmen (am besten mit mindestens 50 mm Öffnung). Aber nicht enttäuscht sein, wenn man ihn nicht findet (dann kann man sich ja die Plejaden M45 und den Orionnebel M42 anschauen, siehe Karte unten).

Wirtanens Ort ist ziemlich leicht am Himmel zu finden, er bildet aktuell mit den Plejaden und Hyaden im Stier ungefähr ein gleichschenkliges Dreieck und wandert auf die Plejaden zu, die er am 16. Dezember südlich passiert. Allerdings kommt ihm der Mond bald näher, und der geht jeden Tag eine gute Stunde später unter. Ansonsten muss man noch knappe 2 Wochen bis nach Weihnachten warten, dann ist der Mond abends wieder aus dem Weg (wenn Interesse besteht, poste ich dann noch einmal eine Aufsuchkarte).

Hier die Aufsuchkarte für dieses Wochenende. Die gelbe Linie beginnt heute um 23:00 Uhr und hat Marken alle 24 h. Die Blickrichtung ist nach Süden.

Aufsuchkarte für 46P/Wirtanen. Bild: Autor, Cartes du Ciel, gemeinfrei.

Bei Heavens-Above.com gibt es auch eine Karte mit einer zusätzlichen Draufsicht auf die Bahnen des Kometen und der Erde. Und hier kann man die beobachtete ZHR der Geminiden in diesem Jahr live verfolgen.

 

Neues von Phaethon

Für diejenigen, für die der Artikel zu spät kommt, gibt es aber trotzdem noch etwas Lesenswertes. Es gibt nämlich eine neue Arbeit über das Mutterobjekt der Geminiden, den Asteroiden (3200) Phaethon. Dass ein Asteroid einen Meteorschauer verursachen soll, ist schon ungewöhnlich, es ist der einzige bekannte Fall; normalerweise ist das die Aufgabe von Kometen, die ja unter Sonnenbestrahlung reichlich Staub in den Raum pusten. Bisher erklärte man es sich so: weil Phaethon der Sonne so nahe kommt (bis auf 21 Millionen km, das sind 15 Sonnenradien) erhitzt er sich so stark, dass das Gestein aufplatzt und Staub und kleine Steine ins All geschleudert werden, was die oft hellen Meteore erklärt. Denn Phaethon ist ein Apollo-Asteroid, das sind Asteroiden, die der Sonne regelmäßig nahe kommen und alle flüchtigen Stoffe, die ansonsten kometarische Aktivitäten verursachen, schon lange verloren haben sollten.

Nach einer Arbeit [1] unter Beteiligung von Prof. Dr. Tilman Spohn vom DLR Berlin stammt Phaethon aus dem Asteroiden-Hauptgürtel und befindet sich erst weniger als 1000 Jahre auf seiner Kamikaze-Bahn in die Nähe der Sonne. Ursprünglich soll er ein Teil des großen Hauptgürtelasteroiden (2) Pallas gewesen sein, dessen Spektrum er teilt, und er soll sich anfangs in einer 5:2- oder 8:3-Bahnresonanz mit Jupiter befunden haben (d.h. für 5 bzw. 8 seiner Umläufe um die Sonne machte Jupiter 2 bzw. 3 und dann trafen sich beide wieder an der gleichen Stelle ihrer Orbits), was nahe an der 18:7-Resonanz von Pallas ist (5:2=2,5, 8:3=2,67, 18:7=2,57). Ein andere Arbeit hatte gezeigt, dass aus den 5:2 bzw. 8:3-Resonanzen eine 40%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Objekt binnen einer Million Jahre auf eine Bahn wie die heutige von Phaethon gerät.

Pallas wiederum liegt in der Nähe der Schneegrenze des Sonnensystems, wo gefrorenes Wasser dauerhaft stabil ist und nicht durch Sonnenwärme sublimiert. Damit könnte Phaethon mit hohem Wasseranteil gestartet sein. Der vollständige Verlust des Wassers durch Sublimation würde auf seiner heutigen Umlaufbahn 6 Millionen Jahre dauern. Das Wasser wäre heute unter einer 15 m dicken Schicht aus Staub verborgen, welche die Bildung einer Kometen-Koma verhindert, aber noch vor 1000 Jahren könnte die Schicht nur einen Meter stark gewesen sein und Phaethon wesentlich aktiver. Die Aktivität von 1000 Jahren reichte aus, um den Geminidenschwarm zu erklären. Und heute würde in Sonnennähe noch genug Eis sublimieren, um den kurzen Kometenschweif zu erklären, der in Arbeiten aus 2013 und 2017 in Sonnennähe beschrieben wurde.

Innerer Aufbau von Phaethon und Mechanismus der Geminidenproduktion. Wärme des Sonnenlichts dringt im Perihel in die Tiefe vor, wo unter einem Staubmantel eine Staub-Eis-Mischung liegt; bei Erwärmung wird gasförmiges Wasser frei, dass durch die poröse Staubschicht nach oben dringt und dort in Sonnennähe Staub ablöst, was die Staubschicht allmählich abträgt und so die Geminiden hervorbringt. Das gefrorene Eis wird dadurch von außen wegsublimiert und schreitet nach innen zurück. Bild: DLR, CC-BY 3.0.

Dann wäre es schon ein ziemlicher Glücksfall, dass wir die Geminiden gerade heute beobachten dürfen, denn was sind schon 1000 Jahre im Leben des 4500 Millionen Jahre alten Sonnensystems?

 

Referenzen

[1] LiangLiang Yu, Wing-Huen Ip, Tilman Spohn,”What mechanisms dominate the activity of Geminid Parent (3200) Phaethon?“, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 482, Issue 3, 21 January 2019; arXiv:1811.00759.

[2] Julia Heil , “Forscher klären den Ursprung der Geminiden”, DLR-Nachrichten, 11. Dezember 2018.

Kommentare (4)

  1. #1 Alderamin
    14. Dezember 2018

    Gestern schien bei uns den ganzen Tag die Sonne. Bin dann nach Monduntergang mal raus zum Gucken – alles dicht. 🙁

    Die Wolkenvorhersage verheißt für den größten Teil Deutschlands heute Abend nichts Gutes, obwohl eigentlich Sonnenschein für heute angesagt war. Im Osten sieht’s wohl besser aus.

    Na ja, Geminiden gibt es jedes Jahr und für Wirtanen reicht’s morgen oder nach Weihnachten sicher auch noch.

  2. #2 UMa
    14. Dezember 2018

    Seit Tagen ist alles dicht, keine Chance.

  3. #3 Alderamin
    14. Dezember 2018

    Winter halt. Da ist ein Hoch kein Garant für schönes Wetter.

  4. #4 Alderamin
    21. Dezember 2018

    Ich habe den Kometen übrigens endlich Sonntag auf Montag Nacht kurz vor 1 Uhr nachts bei den Plejaden erwischt, der Mond stand sogar noch über dem Westhorizont. Im Feldstecher 10×50 sollte er kein Problem sein (ich sah ihn im 15×80, das hat die gleiche Lichtstärke, vergrößert nur ein wenig mehr).

    Am 23.12., also Sonntagabend, ist der Mond gegen 17:00h noch nicht aufgegangen und es ist schon dunkel (gilt für den Westen Deutschlands, im Osten und in Österreich ca. 1/2h früher). Da steht Wirtanen 1° neben Capella (nach innen ins Sternbild Fuhrmann hinein), dem hellsten Stern im Nordosten, das sollte für jeden leicht zu finden sein. Man sieht ein scheibenförmiges, kreisrundes, diffuses Wölkchen, fürs bloße Auge gleichmäßig hell. Über die Weihnachtstage kommt der Mond dann jeden Tag später und der Komet wandert weiter nach Norden, ich werde am Sonntag mal eine Aufsuchkarte für den Rest des Jahres posten.

    Der Riesenkomet sollte mit hoher ISO-Zahl und Belichtungszeiten von bis zu 20s (bei Normal- bis Weitwinkelobjektiv) ohne Nachführung auf Stativ leicht zu fotografieren sein. Ein Teleobjektiv braucht definitiv Nachführung. Man kann mehrere Aufnahmen mit dem DeepSkyStacker oder mit Photoshop dem Bildverarbeitungsprogramm Eurer Wahl überlagern und so die Belichtungszeit künstlich verlängern, 10 Aufnahmen wären ratsam. Wenn jemand wissen möchte, wie das funktioniert, kann ich das gerne erläutern; auf jeden Fall zuerst mal die Bilder im Kasten haben.

    Würde mich freuen, wenn mir jemand Bidler schickt. Mal schauen, ob ich selbst dazu komme, bis jetzt war ich nach OP eingeschränkt in der Mobilität, das hat sich jetzt langsam erledigt.