Aufnahme des in der Entstehung befindlichen Planeten PDS 70 b mit der IRDIS-Infrarotkamera des SPHERE-Instruments am VLT. Der Zentralstern in der Bildmitte ist durch eine schwarze Maske verdeckt. Der Planet ist rechts unterhalb der Bildmitte als heller Punkt deutlich sichtbar. Bild: ESO/A. Müller et al.

Als Galileo Galilei 1610 sein kleines Teleskop auf den Jupiter richtete, sah er den Planeten von 4 kleinen sternartigen Punkten begleitet, die jeden Tag ihre Positionen veränderten und er erkannte rasch, dass sie den Jupiter umkreisten, wie der Erdmond die Erde umrundet. Die Galileischen Monde tun dies auf verschieden weit vom Planeten entfernten Bahnen mit verschiedenen Umlaufzeiten – ganz so wie die Planeten dies bei der Sonne tun. Galilei hatte gewissermaßen eine verkleinerte Version des Sonnensystems entdeckt.

Jupiter mit zwei der 4 Galileischen Monde (links). Bild: © Autor.

Aus einer Scheibe geboren

Wir wissen heute, dass Planetensysteme – unser Sonnensystem eingeschlossen – zusammen mit ihren Sternen aus Staub- und Gasscheiben entstehen, die sich aus dem Kollaps interstellarer Molekülwolken bilden, wenn diese in einzelne Fragmente zerfallen (jedes Fragment ergibt ein Sternsystem mit möglicherweise Planeten). Diese Fragmente haben einen zufälligen Drehsinn, der beim weiteren Kollaps dafür sorgt, dass sie sich abflachen, denn der Drehimpuls bleibt erhalten, alle Teilchenbahnen verlaufen um den Schwerpunkt des Fragments und Teilchen auf Bahnen, die von der Hauptebene der Drehung abweichen, kollidieren mit Teilchen auf anderen Bahnen und werden abgebremst. So werden mit der Zeit alle Partikel in diese Ebene gezwungen, wo die Teilchenkollisionen minimiert werden.

Innerhalb der Scheibe, die wegen der genannten Erhaltung des Drehimpulses nicht komplett in den Zentralstern fallen kann, bilden sich dann durch Aneinanderhaften der Teilchen allmählich größere Partikel, Asteroiden, Planetesimale und schließlich große Planeten.

 

Viele Wege führen zum Mond

Zu Monden können die Planeten auf verschiedene Weisen gelangen: Mars könnte seine Monde aus dem Asteroidengürtel eingefangen haben, Neptun den großen Triton aus dem Kuipergürtel. Die Erde und der Zwergplanet Pluto haben ihre Monde vermutlich durch eine Kollision mit einem großen Planetesimal oder Protoplaneten erhalten, der einen Teil ihres Materials herausschlug – solche Kollisionen führten ja gerade zur Entstehung der Planeten und gegen Ende dieser Phase waren einige große Objekte übrig, deren Bahnen sich durch das Aufsammeln von Asteroiden und durch die Störung der anderen Planeten noch veränderten, so dass sie miteinander kollidieren konnten.

Aus einem Gasriesen wie Jupiter lässt sich nichts herausschlagen und der Einfang vier sehr großer Monde in einer Zone, die Jupiter selbst leer geräumt hat, ist nicht sehr plausibel, daher geht man davon aus, dass Jupiters System von Monden (das mit kleineren Monden mindestens 79 Objekte umfasst, von denen die äußeren mit umgekehrter Umlaufrichtung durchaus durch Einfang hinzugekommen sein dürften) ebenso wie das Sonnensystem aus einer Staubscheibe geboren wurde. Wenn dies der Fall ist, sollte man solche zirkumplanetaren Scheiben (zirkumplanetar = einen Planeten umgebend) auch um andere, vornehmlich junge und damit noch heiße Gasplaneten bei anderen Sternen aufspüren können.

Dies scheint nun gelungen zu sein.

 

Ein junger Bekannter

Exoplaneten sind ausgesprochen schwer zu entdecken, denn sie reflektieren nur ein wenig Licht ihres sehr viel helleren Muttersterns und sind selbst auch viel kleiner. Das Aufspüren von Exoplaneten wird gerne damit verglichen, über hunderte Kilometer Entfernung die den Flutlichtstrahler eines Sportstadions umkreisenden Mücken zu entdecken. Deswegen wurden fast alle Exoplaneten nur indirekt entdeckt, indem man ihre Effekte auf das Licht ihres Muttersterns nachwies, sei es eine minimale Verdunklung bei einem Transit vor der Sternscheibe oder durch das Verursachen einer leichten Schaukelbewegung des Sterns, der mit dem Planeten einen gemeinsamen Schwerpunkt umkreist (der allerdings sehr nahe beim Stern liegt, der sich deswegen auch kaum bewegt). Nur bei jungen, heißen, großen Planeten hat man eine Chance, den Planeten direkt abzulichten, denn er leuchtet im Infrarotlicht selbst und dieses Licht läßt sich durch entsprechende Filter vom Licht des Sterns isolieren, das sein Maximum im Sichtbaren hat. Dies gelang 2018 beim Stern PDS 70, einem mit 5,4 Millionen Jahren Alter sehr jungen, rund 370 Lichtjahre entfernten K7-Zwergstern (4000 K Temperatur, 1,3 Sonnenradien, 0,76 Sonnenmassen), der noch auf dem Weg zum Hauptreihenstern ist. André Müller, Miriam Keppler et al. [2] fanden durch Beobachtung mit dem SPHERE-Instrument am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile den Gasriesen PDS 70 b, worüber ich in einem früheren Artikel bereits berichtet hatte. Der Planet hat innerhalb der protoplanetaren Scheibe um PDS 70 bei 22 Astronomischen Einheiten Radius (etwa dem Radius der Uranusbahn um die Sonne) eine Lücke freigeräumt und besitzt maximal 17 Jupitermassen, 1,4-3,7 Jupiterdurchmesser und ist 1000-1600 K heiß. Die Autoren hatten damals bereits versucht, mit SPHERE ein grobes Spektrum zu ermitteln, und daraus auf eine Wolkenbedeckung des Planeten geschlossen. Außerdem schien aus der protoplanetaren Scheibe des Sterns Materie auf den Planeten einzufallen.

 

Mehr als nur Wolken

Ein Team um Valentin Christiaens und Faustine Cantalloube [1] hat nun dem Spektrum weitere Datenpunkte hinzugefügt, unter anderem von Beobachtungen des Sterns mit dem Infrarot-Weltraumteleskop WISE aus dem Jahr 2010 und eigenen Arbeiten mit dem SINFONI-Spektrographen am VLT. Die Datenpunkte wurden von den Autoren mit Modellen approximiert, die sowohl die Absorption durch Staub, also auch Kondensation und Sedimentation von Partikeln in den Wolken des Planeten berücksichtigen, was die Modelle in der Arbeit von Müller und Keppler nicht konnten. Insbesondere zogen Christiaens und Cantalloube eine zirkumplanetare Scheibe mit in das Modell ein, die insbesondere bei großen Wellenlängen (geringeren Temperaturen) die Helligkeit anhebt. Das Ergebnis der Approximation ist im folgenden Spektrum zu sehen:

Neues Spektrum des Planeten PDS 70 b auf der Basis der SPHERE-Daten von Müller, Keppler & al. (blaue Punkte), SINFONI, NICI & NaCo, sowie veschiedene Datenfits. Auf der x-Achse nach rechts wachsend die Wellenlänge, auf der y-Achse die Intensität der jeweiligen Strahlung dieser Wellenlänge. Die blaue durchgezogene Linie (Modell I, M11) entstammt der Arbeit von Müller & Keppler, die hellgrüne Fläche der neuen Simulation von Christiaens, Cantalloube & al., die eine zirkumplanetare Scheibe mit einbezieht. Die Breite des grünen Bereichs ergibt sich aus der minimalen und maximalen angenommenen Einfallsrate von Materie in die Scheibe. Der grüne Bereich approximitert insbesondere bei langen Wellenlängen die Messpunkte besser als das Modell von Müller und Keppler. Bild: [1], arXiv, gemeinfrei.

Die blauen SPHERE-Messpunkte entstammen der Arbeit von Müller und Keppler, ebenso wie die beiden roten ganz rechts, die vom Nah-Infrarot-Koronographen NICI am Gemini-Süd-Teleskop und dem NaCo-Koronographen am VLT stammen und nicht so recht zum Müller-Keppler-Modell (blaue durchgezogene Linie, “M11”) passen. Die grünen Messpunkte sind die von Christiaens und Cantalloube neu hinzugefügten SINFONI-Messungen, die ebenfalls von der Müller-Keppler-Kurve stark abweichen. Die hellgrün unterlegte Fläche gibt den Bereich des von Christiaens und Cantalloube angenommen Modells mit zirkumplanetarer Scheibe wieder, wobei die Variationsbreite durch verschiedene Einfallsraten von Materie in die Scheibe aufgespannt wird. Wie man sieht, deckt die Fläche die Datenpunkte besser aber als das Modell von Müller und Keppler, insbesondere die Datenpunkte von NICI und NaCo. Die hellblaue Fläche gibt ein anderes Modell ohne zirkumplanetare Scheibe wieder und weicht wie die M11-Linie von den SINFONI- und NICI/NaCo-Messpunkten ab.

Die beste Annäherung erzielen Christiaens und Cantalloube für einen Planeten 10 Jupitermassen und 1,6 Jupiterradien mit 10-facher Erdschwerkraft an der Oberfläche, der 1500-1600 K heiß ist und der in 8000 bis 20000 Jahren eine Erdmasse an Materie aus der Scheibe akkretiert.

 

Planetenentstehung en miniature?

So wie der Zentralstern PDS 70 Staub und Gas aus einer protoplanetaren Scheibe akkretiert, so tut die auch der Planet PDS 70 b. Der Stern bildet in der Scheibe Planeten aus – neben PDS 70 b wurde gerade ein weiterer Planet, PDS 70 c, in der Scheibe gefunden und direkt abgebildet; dieser ist wahrscheinlich etwas weniger massereich als b und liegt mit 35 AE Bahnradius weiter außen. So könnte entsprechend die Scheibe um PDS 70 b ihrerseits ein System aus Monden entstehen lassen [3], ähnlich dem der Galileischen Jupitermonde. Die Scheibe ist nicht direkt sichtbar und darin enthaltene Monde spekulativ, aber zumindest wurde hier zum ersten Mal eine solche zirkumplanetare Scheibe nachgewiesen, wie sie für die Entstehung der Jupitermonde angenommen wurde, so dass dieses Szenario nun mit einem Präzedenzfall unterstützt werden kann. Dies macht die eigentliche Bedeutung der Entdeckung  aus.

 

Referenzen

[1] V. Christiaens, F. Cantalloube, “Evidence for a circumplanetary disc around protoplanet PDS 70 b“, The Astrophysical Journal Letters, Volume 877, Number 2, 3. Juni 2019, arXiv: 1905.06370.

[2] A. Müller, M. Keppler et al., “Orbital and atmospheric characterization of the planet within the gap of the PDS70 transition disk“, Letter to the Editor, accepted for Astronomy & Astrophysics, 10. Juli 2018; arXiv:1806.11567.

[3] Valentin Christiaens, Daniel Price, “A disc of dust and gas found around a newborn planet could be the birthplace of moons“, The Conversation, 7. Juni 2019.

[4] Martin Holland, “Entstehende Monde um Exoplanet: Erstmals zirkumplanetare Scheibe abgebildet“, Heise.de, 4. Juni 2019.

Kommentare (1)

  1. #1 Karl-Heinz
    13. Juni 2019

    So könnte entsprechend die Scheibe um PDS 70 b ihrerseits ein System aus Monden entstehen lassen.

    Die Geburt eines oder mehrerer Monde. Ich sagte schon immer. Da draußen ist ein großer Kreißsaal. 😉