Vor allem das Thema Internet-Zensur hat einer Partei zu großer öffentlicher Aufmerksamkeit verholfen, die sich vor knapp drei Jahren gegründet und in Anlehnung an ähnliche Gruppierungen „Piratenpartei Deutschland” genannt hat. Die Piratenpartei hat vielleicht das Potential, für das junge 21. Jahrhundert das zu werden, was die Grünen im alt gewordenen 20. Jahrhundert waren.

Das gilt allerdings kaum für das Thema, mit dem die Piraten zurzeit in aller Munde sind: Mit ihrer Gegnerschaft zu Internet-Sperren, der Verhinderung eines Überwachungsstaates und der Sicherung der Privatsphäre steht die Partei nämlich nicht so einzigartig da, wie die Grünen mit dem Thema Umweltschutz in den frühen 1980er Jahren. Freie Demokraten und eben auch die Grünen formulieren zwar etwas weniger radikal, sind aber in der Sache mit den Piraten einig, wenn es um Freiheit und Bürgerrechte geht.

Nur im Bereich Urheberrecht haben die Piraten einen eigenständigen Standpunkt

Anders sieht es aus, wenn es um das Thema Urheberrecht und Open Access geht. Hier vertreten die Piraten einen Standpunkt, der sich deutlich sowohl vom klaren Urheberschutz-Konzept der FDP als auch von den grünen diplomatischen Formulierungen unterscheidet. Für die liberalen ist die Sache klar: auch geistiges Eigentum ist Eigentum und muss somit geschützt werden. Den Grünen schwebt irgendwie ein Modell vor, bei dem die Kreativen angemessen vergütet werden und Privatpersonen trotzdem kostenlos herunterladen dürfen, was sie wollen.

Klare Sache für Piraten: Was öffentlich gefördert wurde, darf nichts kosten.

Für die Piraten hingegen ist klar: die alten, urheberrechtsorientierten Geschäftsmodelle haben ausgedient und wer in Zukunft mit kreativer Arbeit Geld verdienen will, muss sich ein neues Geschäftsmodell suchen. Das betrifft auch und gerade Wissenschaftler. Denn im Falle staatlich geförderter Arbeiten, ist für die Piraten klar „dass mit öffentlichen Geldern geförderte wissenschaftliche Arbeit und daraus resultierende Publikationen für jeden Menschen kostenfrei zugänglich sein müssen.”

Das würde natürlich weniger das „Geschäftsmodell” der Wissenschaftler als das der publizierenden Journale ändern. Bei ScienceBlogs war dasin letzter Zeit schon öfter ein Thema. Fraglich ist allerdings, ob sich das Thema überhaupt durch nationale Gesetzgebung, auf die eine Bundespartei wie die Piraten ja Einfluss nehmen würden, bearbeiten lässt. Andererseits ist keine andere Partei von Anfang an so international konzipiert gewesen wie die Piraten.

Wenn die Piraten es schaffen, den Bundestag zu entern, wird Politik auf jeden Fall wieder spannender – so viel ist gewiss.

Kommentare (12)

  1. #1 Christian Reinboth
    Juli 13, 2009

    Im Grunde ein spannendes Polit-Projekt, dass momentan aber leider mit ganz erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat; siehe unter anderem hier:

    https://www.ruhrbarone.de/das-war-es-mit-den-piraten/
    https://www.ruhrbarone.de/die-piraten-und-die-kinderschander/
    https://www.fixmbr.de/quo-vadis-piratenpartei/
    https://julia-seeliger.de/meinungsfreiheit-schwachfug/

    Angesichts dessen halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass den Piraten der Sprung über die 5%-Hürde gelingt – und einen Direktkandidaten werden sie vermutlich kaum durchbringen können, es sei denn Herr Tauss würde nochmal antreten (was er aber nach eigenem Bekunden nicht vorhat).

    Die Überlegungen zum freien Zugriff auf wissenschaftliche Publikationen sind natürlich spannend und auch unterstützenswert. Ich habe allerdings die große Befürchtung, dass die ganze Thematik im Dunstkreis der verschiedenen momentan hochkochenden Skandale “verbrannt” wird und sich dann – auch aus den anderen Parteien – eine Weile niemand mehr an die Sache heranwagt…

  2. #2 Alexander
    Juli 13, 2009

    Fraglich ist allerdings, ob sich das Thema überhaupt durch nationale Gesetzgebung, auf die eine Bundespartei wie die Piraten ja Einfluss nehmen würden, bearbeiten lässt.

    Wieso sollte das nicht klappen? In den USA ging das ohne Probleme, und dort ist es jetzt gesetzlich verankert, dass alle von der NIH geförderten Forschungsarbeiten innerhalb eines Jahres frei zugänglich sein müssen, auf welche Weise auch immer.

  3. #3 Robert Lemos
    Juli 14, 2009

    Guten Tag, Herr Friedrich,

    in Ihrem Artikel erwähnen Sie, dass die Piratenpartei, in Bezug auf
    die Internetsperren, nicht einzigartig dastünde, da die Grünen ja
    gleicher Meinung seien, nur nicht so radikal.

    Da bin ich leider nicht Ihrer Meinung. Im Internet, unter Wikipedia
    “Zugangserschwerungsgesetz” ist eine PDF-Datei verlinkt, die die Stimmen-
    verteilung der einzelnen Abgeordneten zeigt.

    Mal abgesehen davon, dass 2/3 für “gegen die Sperre” gestimmt hat,
    hat über 1 Drittel gar nichts für oder gegen die Sperre getan. Das
    finde ich absolut feige und kommt einer Stimme für “Ja” gleich.

    Genau so die Linke, 36 dagegen, 17 nicht abgegeben.

    Anders als die FDP, da haben 54 dagegen gestimmt, gerade mal 7 haben
    ihre Stimme nicht abgegeben, 0 für ja, 0 enthaltungen, 0 ungültig.

  4. #4 Jörg Friedrich
    Juli 14, 2009

    @Christian Reinboth: 2009 rechne ich auch nicht mit einem Einzug der Piraten in den Bundestag. Aber die “Skandale” werden schnell vergessen sein, dann wächst die Attraktivität wieder. Das Thema Urheberrecht wird jeden auf irgendeine Weise in den nächsten Jahren beschäftigen, denn die Digitalisierung der Medien im Alltag beginnt ja gerade erst, die Mehrheit der Bürger zu erreichen.

    @Alexander: Interessant, das wusste ich nicht. Aber was heißt “frei zugänglich”? Heißt das, für jeden online abrufbar? Und bezieht sich “Forschungsarbeiten” auf Zeitschriftenartikel und Dissertationen (die quasi schon heute frei zugänglich in Bibliotheken stehen) oder auf alle Ergebnisse?

    @Robert Lemos: Stimmt. Vielen Dank für die Informationen

  5. #5 Paul Mehrer
    Juli 14, 2009

    “Regeln wie die des National Institute of Health (NIH), der größten Forschungsförderungseinrichtung in den USA. Die NIH hatten mit Wirkung vom 2. Mai 2005 bestimmt, dass von allen mit Mitteln der NIH zustande gekommenen Artikeln für Fachzeitschriften eine Kopie bei PubMed Central, der von den NIH getragenen Online-Bibliothek, zu hinterlegen sei.”

    quelle: golem
    https://www.golem.de/0709/54694.html
    bzw. google &q=usa+nih+open+access

  6. #6 Alexander
    Juli 15, 2009

    @Jörg Friedrich:
    Abgesehen von der Antwort von Paul will ich noch hinzufügen, dass die Mehrheit der Menschen keinen Zugang zu Bibliotheken haben. Und so wirklich frei zugänglich sind die Arbeiten heute auch in den Bibliotheken nicht…

  7. #7 Robert Lemos
    Juli 15, 2009

    @Alexander
    Hat die Mehrheit Deutschlands keinen Zugang zu Bibliotheken? Das wusste ich bislang gar nicht, da in meiner Stadt die Stadbibliothek sehr zentral liegt und für jeden kostenfrei zugänglich ist, sowohl für Menschen ohne als auch mit Gehbehinderung, mit vielen Sitzen und so..

    Wie sieht das denn in anderen Orten aus?

  8. #8 Alexander
    Juli 15, 2009

    @Robert Lemos:
    Ich habe mich nicht auf Deutschland beschränkt in meiner Antwort. Die Mehrheit der Menschen lebt in deutlich ärmeren Verhältnissen als Deutsche, und hat eben auch keinen oder sehr schweren Zugang zu Bibliotheken. Davon abgesehen können sich die Bibliotheken in armen Ländern die wirklich extremst teuren Zeitschriftenabos nicht leisten. So sitzen dann die Forscher in Entwicklungsländern papermäßig auf dem Trockenen. Und in verschiedenen (peer review-) Artikeln zum Einfluss von Open Access wurde schon gezeigt, dass besonders Entwicklungsländer sehr davon profitieren!

  9. #9 Robert Lemos
    Juli 16, 2009

    @Alexander:
    Da hast du natürlich Recht, gerade in den ärmeren Ländern schlummern teilweise große Talente.
    Ich habe von einem jungen Asiaten gehört, der sich einen humanoiden Roboter zusammengebaut hat – Aus dem, das die Elektroindustrie wegwarf. Metall, Stahl, Aluminium, Plastik, Schaltkreise, die Werkzeuge dafür, alles vom Schrottplatz oder Mülltonnen.
    Ich bin auch stark der Meinung, dass neue Geschäftsmodelle entworfen werden sollten, gerade beim Urheberrecht hat der Urheber heutzutage teilweise gar keine Rechte.

    Ein für mich besonderer Fall: Ein deutscher Liedermacher, Götz Widmann sein Name, wollte seine eigenen Lieder (Komposition, Text, Melodie & Gesang macht er alles allein), auf seiner Webseite zum Download bereitstellen. Zumindest ein paar, so als Schmankerl um auf die Platte heiß zu machen. Die GEMA verbot es ihm. Das finde ich absolut tragisch!

    Ich möchte keinesfalls aufrufen die GEMA zu boykottieren, aber aus oben genanntem Grund könnte ich es niemandem verübeln.

  10. #10 GeMa
    Juli 16, 2009

    Also ich war das nicht. Nur mal so zur Klarstellung 😉

  11. #11 Jörg Friedrich
    Juli 16, 2009

    Mir scheint inzwischen, dass das Thema Urheberrecht von Fall zu Fall sehr unterschiedlich betrachtet werrden muss. Ein auf eigene Kosten geschriebener oder privat inanzierter Roman ist etwas anderes als ein öffentlich finanziertes Forschungsprojekt. Allerdings sind auch die Zielgruppen sehr unterschiedlich, die potentiellen Benutzerkreise im ersten Fall riesig, im zweiten Fall eigenschränkt usw.

  12. #12 Alexander
    Juli 21, 2009

    Ich hab schon ein paar Tage nicht mehr hier reingesehen, aber das will ich noch kurz loswerden. Ich sehe sogar einen Unterschied in den verschiedenen Arten, wie wissenschaftliche Disziplinen publizieren. Ein Paper, das auch ein Wissenschaftler der nebenher als Editor arbeitet per Standardsoftware in das passende Layout bringen kann ist ein ganz anderes Vorhaben als ein dickes Buch, für das erst Lektoren, Druckereien, etc. beauftragt werden müssen. Für ein Buch kann ein Verlag gern Geld verlangen, das der Leistung entspricht (allerdings nicht hunderte bis sogar mehrere tausend Dollar, wie es gar nicht mal so selten ist). Bei einem Paper sehe ich aber einfach die Einnahmen per Open Access als ausreichend an.