Vor ein paar Tagen hat der Zeittaucher bereits am Beispiel des Abendmahls gezeigt, wie viel man über eine längst vergangen Zeit erfahren kann wenn man die Kunstwerke dieser Zeit betrachtet. Wen es bis zum 24.04.2010 nach Westfalen verschlägt, der sollte einen kleinen Abstecher nach Ahlen machen – das dortige Kunstmuseum zeigt nämlich zurzeit die Ausstellung “Intimacy! Baden in der Kunst”

Spannend ist diese Ausstellung, von deren Exponaten man sich auch auf der Webseite schon einen guten Überblick verschaffen kann, unter verschiedenen Aspekten. So bekommt man z.B. eine gewisse Vorstellung über die sexuelle Freizügigkeit des “finsteren” Mittelalters – und wüsste gern, was heutige Kardinäle über die Auswirkungen des Zeitgeists, der sich in diesen Bildern findet, denken.

Für mich auch sehr interessant war die Tatsache, wie bestimmte Themen immer wieder in der Kunst auftauchen – der gewaltsame Tod im Bad z.B., der in der Ausstellung durch ein Bild zum Tod des Seneca und mehrere Darstellungen des Mordes an Marat zu finden ist. Wahrscheinlich ist die Vorstellung in der Wehrlosigkeit und Entspanntheit des Bades seinem Mörder ausgeliefert zu sein, ein ganz besonderer Alptraum.

Darüberhinaus gibt es natürlich viele schöne, erotische Werke die es einfach zu genießen lohnt – ganz ohne philosophische Erwägungen.

Kommentare (4)

  1. #1 Geoman
    März 28, 2010

    Auf Ihre Empfehlung hin, habe ich mir heute diese Ausstellung im nahegelegenen Ahlen angeguckt und anschließend eine kleinen Rundgang durch die mir bis dahin unbekannte Innenstadt gemacht. Eine mehr oder weniger schöne Bereicherung eines ansonsten trüben Nachmittages.

    Bei der interessanten Ausstellung empfiehlt sich an einer einstündigen Führung teilzunehmen. Da erfährt man von einer kultvierten Dame vieles, was man sonst kaum oder nicht sieht. Die Ausstellung wird passenderweise von der Ahlener Firma KALDEWEI gesponstert. Nach eigener Darstellung ist die Firma KALDEWEI, die uns hier ermöglicht in Kunst zu baden, Europas Nr. 1 Badewannen…

  2. #2 Jörg Friedrich
    März 29, 2010

    Scön, dass man auch als Blogger beim Bloggen immer wieder was lernt. Ich wusste weder, dass Kaldewei aus Ahlen ist, noch, dass der Badewannenhersteller die Ausstellung sponsert. Witzige Idee von der Firma.

  3. #3 Geoman
    März 29, 2010

    Inzwischen zweifele ich daran, dass Sie überhaupt in Ahlen waren, Herr Friedrich, denn weder in Ausstellung, noch auf dem Flyer und schon gar nicht in der Stadt ist Europas Nr. 1 in Sachen Badenwannen KAlDEWEI zu übersehen. Aber so direkt haben Sie das ja auch gar nicht in Ihrem Beitrag gesagt.

    Ich möchte, die Ausstellung mal zum Anlass nehmen, zu fragen, wie dumm und dreist Kunst eigentlich sein darf. Da gibt es in der “Baden in der Kunst- intimacy!”- Ausstellung zum Beispiel eine ziemlich gefeierte Künstlerin namens Alexine Chanel. Die stellt dort Teile ihrer Bildserie: “In Other People’s Bathrooms” (1998 – 2008) aus.

    Was macht die Dame? Sie geht in anderer Leute Badezimmer, also einem der intimsten Räume im Haus. (Dies trifft allerdings auch nur dann zu, wenn man der Eigentümer ein Gästeklo hat!) In diesen intim-privaten Badezimmern inszeniert sie sich dann selber, in dem sich in gewöhnlichen oder auch ungewöhnlichen Stellungen (vom Urinieren ins Klo bis zu Stehen auf dem selben) fotografisch portraitiert. Das ganze nennt sie dann Inbesitznahme oder Okkupation privater Räumlichkeiten.

    Da frage ich mich: Hat die Künstlerin in die Privatsphäre der Häuser wie ein Dieb nachts eingebrochen? Nein! Oder hat sie die Privatsphären leerstehender Häuser wie die Studenten Ende der 1970er besetzt? Nein? Sie hat, wie ich vermute, schlicht die Besitzer solch intimer Räume um Erlaubnis gefragt, ob sie diese Räume für künstlerische Zwecke gebrauchen oder inszenieren kann.

    Das Ganze wird dann mit etwas sexueller Zurschaustellung angereichert als Tabubruch vermarktet. Wie dem auch sei, ich glaube, wenn Künstler meinen, einen Tabubruch zu begehen also irgendetwas gegen die Konvention zu machen, dann kann Kunst gar nicht dumm genug sein, um sich nicht vermarkten zu lassen.

    Mit der Wissenschaft scheint es mir genau umgekehrt zu sein. Wenn ein Wissenschaftler meint oder sich sicher ist, im Mainstream zu schwimmen, dann kann er gar nicht dumm und dreist genug sein, damit seine Forschung vom Wissenschaftsbetrieb nicht anerkannt und als völlig überflüssiger Schwachsinn entlarvt wird.

    Ich möchte ein Beispiel geben. Kürzlich hatt mich ein engagierter lokaler Vogelschützer auf eine über 520 Seiten starkes Werk aufmerksam gemacht, in dem die Autoren ein realistische Prognose abgeben wollen über die Brutverbreitungen aller europäischen Vogelarten im Zeitraum 2070-99. Mein spontaner Kommentar so überflüssig wie ein Kropf.

    Sein abschließender Kommentar in einer, in einem Hobbyvogelschützer-Magazin publizierten ausführlichen Rezension:

    “Eingedenk der zahlreichen grundlegenden methodischen Schwächen und Unsicherheiten muss angezweifelt werden, ob die Publikation dieses Buches sinnvoll war und ob sie mehr ist als eine akademische Übung.”

  4. #4 Jörg Friedrich
    März 29, 2010

    @Geoman: Zweifel ist eine Tugend. Einen weißen Schriftzug auf hellgraubuntem Grund unten auf der Rückseite eines Faltblattes (ich hab gerade nochmal auf den Flyer geschaut) als “nicht zu übersehen” zu bezeichnen zeugt von ungewöhnlich großer Liebe zum Detail.