Als Italien bereits in der Vorrunde der Fußball-WM ausschied, war die Schadenfreude in Deutschland groß. Das Spiel Deutschland -England wurde im Vorfeld mit historischen Bezügen fast zu einer Entscheidungs-Schlacht hochstilisiert und die Kommentatoren mussten sich hörbar bremsen, um den Begriff “Lieblingsfeind” oder gar “Erzfeind” aus den großbuchstabigen Druckerzeugnissen zu übernehmen. Und auch als Portugal gegen Spanien spielte, wurde ein jahrhundertelanger Konflikt gedanklich heraufbeschworen.

Ist die Fußball-WM die Fortsetzung der europäischen Kriege vergangener Jahrhunderte mit anderen Mitteln?

Wenn es noch Nationalismus gibt, dann beim Fußball. Fans in Nationalfarben geschminkt, Fahnen als Standarten an Autos (in Münster auch an Fahrrädern) innig gesungene alte und neue National-Hymnen bestimmen den Alltag, wenn Fußball-WM ist.

Die WM zeigt aber auch, wie der Nationalismus sein Gesicht verändert hat. Er ist nicht mehr vernichtend. Er ist nicht mehr herrisch.

Er kennt noch Verzweiflung und Trauer, Jubel und Stolz, aber nicht mehr die Rache und die Unterwerfung. Er ist sympathisch geworden. Und man weiß, die Schadenfreude hindert uns nicht am Kauf von italienischem Eis und englischem (keine Ahnung, was kann man aus England kaufen?).

Gestern feuten wir uns über den Sieg über Ghana, heute freuen wir uns über Ghanas Sieg über die USA. Heute sind wir stolz auf die Leistung deutscher Sportler (knapp die Hälfte mit nicht-deutschen Vorfahren) – und morgen sind wir wieder Freunde der ganzen Welt.

Kommentare (11)

  1. #1 Stefan Taube
    Juni 30, 2010

    Beim Fußball ist der Nationalismus eben verspielt und nicht ernst, daher tobt er sich da besonders hemmungslos aus. Vielleicht ist das wirklich ein notwendiges Ventil. Positiv finde ich auch, wie sich Leute über unsere Nationalmannschaft mit Deutschland versöhnen, die sonst ein Problem mit Deutschland haben, obwohl sie hier wohnen.

    Ich habe mich nicht über den Sieg Ghanas gefreut. Mir wäre ein weiterkommen der US-Boys lieber gewesen, allein mein amerikanischer Freunde wegen.

  2. #2 Steffen
    Juni 30, 2010

    Naaa jaaaa… Auch, wenn ich mir wünsche, dass Fussball den Nationalismus “harmloser” macht, muss ich doch sagen, dass ich in den letzten Wochen in vielen anderen Kommentaren auf anderen Seiten, die sich mit der WM im weitesten Sinne beschäftigten, immer wieder auf Zeitgenossen gestoßen bin, die den Unterschied zwischen Sport und Krieg noch nicht wirklich verstanden haben.
    Auch wurden dort Menschen auf übelste Weise beschimpft, die sich “erdreißteten” nicht für die deutsche Nationalmannschaft zu jubeln, selbst, wenn sie gar nicht aus Deutschland stammen oder sonstige z.B. familiäre Bindungen an andere Länder haben.
    (“Dann geh doch dahin, du …” war noch eine der freundlichen “Aufforderungen”)

    Vielleicht sollte man einmal überlegen, ob es bei Sportereignissen nicht möglich ist für die favorisierte Mannschaft und nicht gegen die andere zu sein?
    Denn wirkliche Vorteile bringt uns ein Weltmeistertitel im richtigen Leben doch auch nicht, oder?

  3. #3 Ockham
    Juni 30, 2010

    Hurra! Die Sporttruppe meines Leibeigners hat über vergleichbar bedauernswerte Gestalten gesiegt…

    Wie empfahl schon Hagenbuch, einst in der berühmten Akademie St. Bitter in den Feldern, als es um Themen wie “Verwirrung in Händen und Füßen” und “Verwirrung in Köpfen und Beinen” ging und die Frage aufkam, was man denn tun solle: “In einen Sessel setzen.”

  4. #4 Logiker
    Juni 30, 2010

    Ich finde den Nationalismus beim Fußball äußerst beängstigend.

    Und dies aus zwei Gründen.

    1) Ist diese Form des Nationalismus – “wir” haben gewonnen – mal wieder ein Beispiel dafür, dass man sich für etwas besseres halten kann gegenüber anderen Völkern. Und zwar durchaus kriegerisch. Das merkt man schon daran, wenn man liest, wie wir “England weggebombt haben” etc. De facto ist dies ein Zeichen dafür, dass es doch darum geht, die Welt zu beherrschen. Passend dazu schaue man sich die Berichterstattung über den G20-Gipfel an, wo AM ja angeblich “gesiegt” hat mit ihren dummdreisten Vorstellungen. Dieses “wir-sind-etwas-besseres” spiegelt sich dann im alltäglichen Umgang mit Bürgern mit Migrationshintergrund wieder, spätestens, wenn die Sause vorbei ist.

    2) Dient die WM als Schleier, um den deutschen Dumpfmichel seitens der Politik für doof zu verkaufen. Wen interessiert schon die Kürzung der Hartz-IV-Bezüge, wenn wir England “wegbomben”? 2006 wurde während der WM mal kurz entschieden, Milliarden für die Eurofighter aus dem Fenster zu werfen, waren doch alle besoffen im Stadion….

    Mir macht das Angst. Darum schaue ich keinen Fußball und denke weiter nach, statt mir die Birne mit hirnlosem Fußball vollzuballern…. Mist, schon wieder ein Kriegsbegriff…

    Jaja, unsere Sportskanonen…

  5. #5 S.S.T.
    Juni 30, 2010

    Ahh, den Ball flach halten!! Medien sind eine virtuelle Realität.

    Das Spiel Deutschland -England wurde im Vorfeld mit historischen Bezügen fast zu einer Entscheidungs-Schlacht hochstilisiert und die Kommentatoren mussten sich hörbar bremsen, um den Begriff “Lieblingsfeind” oder gar “Erzfeind” aus den großbuchstabigen Druckerzeugnissen zu übernehmen.

    Ja eben, die Kommentatoren, die leben eben von Schlagzeilen und nicht von Nachrichten. Aufmacher in der mächsten MoPo (HH) war eine dümmliche Äußerung von Maradonna, höchst dämlich und daher eine Schlagzeile wert.

    Du meine Güte, auch als Kleinkleckersdorfer fieber ich um ‘meine’ Mannschaft als Sportfan mit, wenn es gegen Hintertupfingen geht. Boh äh!

    Schon die WM von 2006 vergessen, die beste überhaupt? Die Begeisterung für alles, eben genau von der Bevölkerung, völlig losgelöst von den Sch…-Kommentatoren? Klar, ein Schock nach dem verlorenen HF, aber im Handumdrehen wurde die Stimmung wieder her gestellt. Moderne Kriege bzw. die Fortsetzungen von alten Kriegen sehen anders aus, @JF; mit Brille wär das nicht passiert.

    Im Übrigen behaupte ich einfach mal, dass das dt. Sportpublikum eines der besten, wenn nicht sogar das beste, der Welt ist. Krieg darein hinein zu faseln ist völlig daneben.

  6. #6 Logiker
    Juli 1, 2010

    Was dieser S.S.T schreibt, bestätigt mich zu 100 %.

    Ich zitiere: “Schon die WM von 2006 vergessen, die beste überhaupt?”

    Inwiefern? Nur weil wir die besoffensten, asozialsten Fans der Welt dargestellt haben? Nur weil der Realitätsverlust am größten war? nur weil der IQ der Fans mit Abstand am niedrigsten war??????

    Solche Leute haben maßgeblich Anteil am altäglichen Faschismus in diesem Land.

  7. #7 S.S.T.
    Juli 1, 2010

    @Logiker

    Inwiefern? Nur weil wir die besoffensten, asozialsten Fans der Welt dargestellt haben? Nur weil der Realitätsverlust am größten war? nur weil der IQ der Fans mit Abstand am niedrigsten war??????

    Wann und wo?
    Weder rund um die Stadien noch beim Public Viewing etc. gab es wesentliche Zwischenfälle.

    Solche Leute haben maßgeblich Anteil am altäglichen Faschismus in diesem Land.

    Seit wann haben die Rechten die Fußball-Randale gepachtet?

    Die Fans der beiden damaligen Oberligaklubs sind verfeindet, Dynamo-Fans gelten als politisch rechts, die Fans des Potsdamer Stadtteilklubs als links.

    https://www.faz.net/s/Rub906784803A9943C4A3399622FC846D0D/Doc~E2057F57F245046D9B45A73444AEB58FA~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    Hooligans sind selten politisch motiviert. Die Gruppierungen können somit auch kaum einem politisch „rechten“ oder „linken“ Umfeld zugeordnet werden, da sich unter Hooligans Personen mit vielerlei Gesinnungen finden. Anhand der Namen der Hooligangruppierungen kann man in einigen Fällen erkennen, ob sie politisch motiviert sind oder nicht.

    Wiki

  8. #8 Logiker
    Juli 1, 2010

    Nun, SST, Sie können also c+p an Ihrem PC. Mehr auch nicht.

    Da Sie keinerlei sachliche Beiträge leisten, setzte ich Sie auf ignore

  9. #9 Stefan Taube
    Juli 1, 2010

    Also ich würde hier S.S.T. schon beipflichen. Natürlich ist Nationalismus immer etwas beängstigendes, aber wenn es um Fußball geht ist er nach meiner persönlichen Beobachtung eher harmlos. Ich weiß auch nicht, warum die Deutschen die “besoffensten, asozialsten Fans der Welt” darstellen sollen. Irgendwie hat der Logiker da andere Erfahrungen gemacht, als S.S.T. oder ich. Wer besoffene und asoziale Massen erleben will, sollte nicht zum Public Viewing oder in ein Fußballstadion gehen, sondern Freitag- und Samstagabends nach Heidelberg, wenn die ganzen bescheuerten Junggesellenabschiedpartys der einströmenden Landbevölkerung stattfinden. Das ist wirklich asozial.

    Ich denke auch, dass die Wahrnehmung der Fußballfans eine ganz andere ist, als die der Presse und ihre fantasielosen und ewig gestrigen Kommentatoren. Nach dem Englandspiel habe ich mich viel in englischen Foren getummelt. Die englischen Fans sind sauer auf ihre alberne kriegerische Presse, akzeptieren sportlich, das Deutschland diesmal besser war und fürchten nur eins, nämlich dass ihr Verband das nichtgegebene Tor als Ausrede nimmt, um notwendige Veränderungen zu unterlassen. Mag sein, dass der Ton in der Presse oft martialisch ist und auch, dass Engländer einen besonderen Humnor haben, die englischen Fußballfans jedenfalls sind sehr sportlich und fair.

  10. #10 Blues Lee
    Juli 2, 2010

    Ich halte den Nationalismus ja auch für eines der größten Übel der Menschheitsgeschichte; kann auch mit dem Begriff “Nationalstolz” nicht wirklich etwas anfangen. Aber gleich die ganz große Faschismus-Keule rauszuholen, nur weil sich die Menschen für das Abschneiden ihrer Nationalmannschaft interessieren, ihr Weiterkommen bejubeln, ihr Ausscheiden betrauern – nun, das halte ich für überzogen und im Grunde auch wenig überzeugend.

    Natürlich nimmt die sichtbare Unterstützung – sprich: Beflaggung der Automobile, Balkone, Körper, etc. – immer groteskere Züge an. Aber, he, erstens müssen die Flaggenhersteller auch von irgendwas leben und zweitens bringt das wenigstens ein bisschen Farbe in unsere grauen Vorstädte.

    Und was das Public Viewing angeht sind mir Menschenmassen grundsätzlich zuwider. Was aber wohl eher an mir als an den Menschenmassen liegen dürfte. Außerdem stehe ich ungern lange.

  11. #11 S.S.T.
    Juli 5, 2010

    @Logiker
    Außer der erbärmlichen (und logischerweise unbelegten) Faschismus-Keule haben Sie ja eh keine Argumente und da Sie ja offensichtlich noch nicht einmal zwischen c&p und einem Beleg unterscheiden können, ein ganz besonderes herzliches ‘Ignore’ meinerseits.

    Übrigens stammten rund die Hälfte der so üüüblen ‘c&p’ aus Ihrem Beitrag und sollten nur das Leseverständnis erleichtern. Na ja, als Logiker erkennt man das so nicht ohne weiteres.

    Was ich am PC so weiterhin kann, entzieht sich logischerweise Ihrer Kenntnis. Ich kann da z.B. auch prima Stichmännchen malen, das überrascht Sie aber ganz bestimmt.