Kurz vor den Nationalratswahlen im September wurden in Österreich die umstrittenen Studiengebühren abgeschafft. In einer außergewöhnlichen Koalition hatten SPÖ, Grüne und FPÖ für die Abschaffung gestimmt – gegen den erklärten Willen der ÖVP (die die Gebühren gemeinsam mit der FPÖ im Jahr 2000 eingeführt hatte).

Nach der Wahl sieht es so aus, als hätte die ÖVP und mit ihr der Wissenschaftsminister Johannes Hahn (dessen unrühmliches Verhalten in Sachen Esoterik hier auch schon Thema war) diese Tatsache immer noch nicht überwunden.

Meine Meinung zu den Studiengebühren habe ich ja schon in einem eigenen Artikel kundgetan. Zur Verteidigung eines kostenpflichtigen Studiums wird von den Befürwortern immer wieder angeführt, dass sowieso nur die zahlen müssen, die es sich leisten können. Sozial Bedürftige bekommen die Gebühr, wenn schon nicht erlassen, dann zumindestens zurückerstattet.

Ich war von diesem Argument nie sonderlich begeistert. Auch wenn nicht jeder zahlen muss – allein die Tatsache, dass ein Studium kostenpflichtig ist, stellt meiner Meinung nach eine psychologische Abschreckung dar. Gerade Jugendliche aus bildungsfernen Schichten könnten so von einem Studium abgehalten werden.

Genau das bestätigt nun auch eine Studie des Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover die vom deutschen Bildungsministerium in Auftrag gegeben wurde. Hier wurden 5240 repräsentativ ausgewählten Studienberechtigten des Jahrgangs 2006 befragt. Seit einigen Wochen ist die Studie abgeschlossen – das Ministerium hielt die Veröffentlichung allerdings zurück (kein Wunder bei diesen Ergebnissen).

Heute sind die Resultate doch durchgesickert: Studiengebühren schrecken ab! Allein 2006 haben etwa 18000 junge Menschen wegen der Studiengebühren kein Studium aufgenommen. Die Studie zeigt auch, dass gerade Abiturienten aus bildungsfernen Schichten durch Gebühren von einem Studium abgehalten werden. Die Studie belegt also genau das Gegenteil dessen, was Befürworter der Studiengebühren behaupten (mehr dazu gibt es in der Wissenswerkstatt).

Ein zweites Argument für die Studiengebühren ist die angebliche Beschleunigung des Studiums. Wer für sein Studium bezahlen muss, der wird dafür sorgen, so schnell wir möglich fertig zu werden. Es gibt keine “Bummelstudenten” mehr und die Absolventen stehen dem Arbeitsmarkt früher zur Verfügung.

Ich persönlich bin ja nicht unbedingt der Meinung, dass ein schnelles Studium das Maß aller Dinge ist. Abgesehen davon müssen – gerade wegen der Studiengebühren – viele neben ihrem Studium arbeiten und brauchen erst Recht länger für einen Abschluss.

Ein neuer Vorschlag von Wissenschaftsminister Hahn führt aber auch dieses Argument ad absurdum. Er möchte eine “neue Art von Studiengebühren” einführen. Nun soll nicht mehr pauschal pro Semester bezahlt werden, sondern jeweils pro belegter Lehrveranstaltung. Die Höhe der Kursgebühr soll sich nach der Anzahl der ECTS-Punkte richten.

Ich habe keine Ahnung wie ein Wissenschaftsminister auf so eine unsinnige Idee kommen kann. Abgesehen vom bürokratischen Overkill ist das exakt die Umkehrung dessen, was man früher erreichen wollte. In diesem neuen System zahlt der am wenigsten, der wenig Vorlesungen belegt. Wer viele Lehrveranstaltungen besucht muss viel zahlen. “Bummelstudenten” werden durch diesen Vorschlag also massiv gefördert. Studenten würden dann wohl auch nur noch die Lehrveranstaltungen besuchen, die für den Abschluss des Studiums notwendig sind. Wer sich freiwillig zusätzliche Qualifikationen verschaffen will, der muss zahlen.

Während meines Studiums habe ich immer wieder mal Vorlesungen zu Themen besucht, die nicht unbedingt nötig für meinen Abschluss waren. Trotzdem waren die Lehrveranstaltungen zu z.B. Geophysik, Funktionalanalysis, Astrobiologie und Informatik sehr interessant und haben mir auch später genützt. Hätte ich dafür noch extra bezahlen müssen, wäre ich dort wohl nicht hingegangen.

Ich habe ja gedacht, dass es nach der unsäglichen Elisabeth Gehrer mit der österreichischen Wissenschaftspolitik nur noch aufwärts gehen kann. Aber Ministern Hahn tut sein Bestes, dem zu widersprechen. Man kann nur hoffen, dass er nicht mehr Teil der neuen österreichischen Regierung sein wird. Ansonsten wird Österreich wohl immer weiter in eine bildungspolitische Misere schlittern.

Kommentare (10)

  1. #1 buchstaeblich
    20. Oktober 2008

    Du meine Güte! Hoffentlich bekomme ich die Bilder von Eintrittskarten abreißenden Dozenten vor Hörsälen und Seminarräumen jemals wieder aus dem Kopf!

  2. #2 Chris
    20. Oktober 2008

    Hm, sehr komisch das alles. Der einzige Vorteil, den man aus dieser “Idee” mit viel Phantasie heraus ziehen könnte, wäre die Tatsache, dass sich die Profs endlich Mühe geben müßten, gescheite Vorlesungen zu machen, denn nur dann würde jemand dafür zahlen und hingehen… Qualitätskontrolle im Hörsaal, das wäre doch mal was.

  3. #3 florian
    20. Oktober 2008

    @Chris: also nichtmal als Qualitätskontrolle würde das funktionieren. Es gibt ja genügend Grundlagen- und Einführungsvorlesungen die die Studenten besuchen müssen, ob sie wollen oder nicht. Sorgen müssen sich dann nur die Profs machen, die Wahlveranstaltungen anbieten. Gerade Studien mit geringen Studentenzahlen hätten dann Probleme. Ich kann mich an einiger Astronomie-Spezialvorlesungen erinnern, bei der nur 3-4 Leute waren. Aber notwendig waren diese VOs eben trotzdem…

  4. #4 Chris
    20. Oktober 2008

    @ florian Stimmt auch wieder. Und der Schwarzmarkt mit Vorlesungsskripten würde extrem zunehmen.

  5. #5 Andylee
    20. Oktober 2008

    omg!

    Schade, schade, dass der GAU (Größte Anzunehmende Unsinn) schon vom vdb mit Bezug auf die Mehrwertsteuersenkung (die ja dann eh nicht durchkam) belegt wurde, hier würde er super passen!

  6. #6 Pascal Becker
    20. Oktober 2008

    Also ich befinde mich gerade auf der Zielgeraden zum Abitur und viele meiner Mitleidenden gehen nicht studieren bzw. suchen sich einen BA-Platz. Grund ist oft das die Familie es sich nicht leisten kann/will. Einige davon haben aber definitiv Potential für einen sehr guten bis guten Abschluss an der Uni…

    Ich finds ja verständlich das man Geld für haben will, aber warum gleich so viel. Oft sind die 500€ (BW) ja nicht der endgültige Betrag, sondern es kommen noch Verwaltunggebühren, Fahrkarte, Literatur etc dazu. Da ist man schnell mal bei locker 800-1000€/Semester. Und davon lebt man noch nicht.

    Hier in Deutschland ist das Thema eh durch und Gebühren, die einmal eingeführt werden, sind ja kaum noch abzuschaffen…

    Gruß
    ein Abiturient

  7. #7 matthias
    20. Oktober 2008

    mir schwebt noch immer die humanistische bildung vor, die man an der uni erlangen sollte und diese doch von den fachhochschulen unterscheidet. Florian spricht mir aus der seele: was habe ich mir nur zusaetzlich reingezogen, wie ethik in der medizin, partielle differentialgleichungen, ringvorlesungen ueber stochastik im unterricht, paedagogikseminare, supervisionen, grammatik des mittelhochdeutschen, verfassungsrecht – einiges mit, anderes ohne pruefung. weil es spass gemacht hat und wissen eine GEILE SACHE ist. mir gefaellt es, vieles zu wissen. sollte es kein gut mehr sein, … by the way, ich bin nur mehr bummelstudent, der eine pruefung im semester macht.

  8. #8 florian
    20. Oktober 2008

    @matthias: “was habe ich mir nur zusaetzlich reingezogen, wie ethik in der medizin, partielle differentialgleichungen, ringvorlesungen ueber stochastik im unterricht, paedagogikseminare, supervisionen, grammatik des mittelhochdeutschen, verfassungsrecht – einiges mit, anderes ohne pruefung. weil es spass gemacht hat und wissen eine GEILE SACHE ist.”

    ach deswegen… ich dachte immer du machst das, damit du beim Trivial Pursuit besser bist als ich 😉

  9. #9 matthias
    20. Oktober 2008

    ist noch immer ein nuetzlicher nebeneffekt, :-)!

  10. #10 David Marjanović
    21. Oktober 2008

    TSIB

    Manchmal kommt mir vor, die übliche “linkslinke” Anschuldigung, dass die Leute, die derzeit in der ÖVP an der Macht sind, das Volk absichtlich dumm halten wollen, sei gar nicht so einfach von der Hand zu weisen.