Über die Arbeitsbedingungen der Wissenschaftler wurde bei Scienceblogs ja schon öfter diskutiert. Vor kurzem ist dazu auch eine neue Studie erschienen: “Der wissenschaftliche
„Mittelbau” an deutschen Hochschulen. Zwischen Karriereaussichten und Abbruchtendenzen
” von Dieter Grühn, Heidemarie Hecht, Jürgen Rubelt und Boris Schmidt.

Den 110-Seiten langen Bericht habe ich noch nicht ganz durchgearbeitet – aber ein Ergebnis möchte ich auf jeden Fall vorstellen, vor allem, weil es auch ganz meiner eigenen Erfahrung entspricht.

Die Autoren der Studie fragten u.a. nach den Aspekten des wissenschaftlichen Arbeitens, die besonders motivierend oder demotivierend sind. Dabei ergab sich folgendes Bild:

i-618f7b27b4ac813c5171e7456770e9c4-motivation-befristung-4.jpg

Grafik von Boris Schmidt, der im Academics-Blog einen interessanten Artikel zur Studie geschrieben hat.

Das die meisten Wissenschaftler vor allem das Thema ihrer Forschung motivierend finden, ist nicht weiter überraschend. Schließlich haben sich wohl auch die meisten entschieden, Wissenschaftler zu werden, weil sie von bestimmten Themen äußerst fasziniert waren.

Das die Lehrrtätigkeit als weniger motivierend angesehen wird, ist leider ebenfalls wenig überraschend. Im Interesse der Studenten sollte das eigentlich anders sein – aber solange Lehre bei der Bewertung des wissenschaftlichen Erfolgs keine Rolle spielt, wird sich daran auch nichts ändern. 

Die Bezahlung als Wissenschaftler wird nur von knapp einem Viertel der Befragten als Motivation angesehen; ebenso viele finden sie demotivierend. Nun ja – wer reich werden will, wird sicher keine Karriere als Wissenschaftler ins Auge fassen. Verglichen mit anderen Berufen ist die Bezahlung oft wirklich schlecht – aber das Interesse für das Thema lässt die meisten Forscher die schlechte Bezahlung vergessen. Wissenschaftler sind größtenteils Idealisten.

Das, was wirklich demotiviert, sind die befristeten Verträge. Die wenigstens Wissenschaftler haben permanente Stellen. Die meisten der vor allem jungen Forscher müssen sich von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag hangeln und hoffen, irgendwann einmal eine der raren permanenten Stellen zu ergattern.

Mit der oft nicht zufriedenstellenden Bezahlung kann man sich arrangieren. Aber nie länger als ein, zwei Jahre im voraus zu wissen, ob man überhaupt bezahlt wird, ist äußerst unangenehm.

Mir ist durchaus klar, dass Wissenschaft international und Mobilität wichtig ist – gerade für junge Wissenschaftler. Aber die aktuelle Situation ist schon längst nicht mehr sinnvoll.

Die finanzielle Unsicherheit und die durch die meist nur auf zwei oder drei Jahre (oft auch nur ein Jahr) befristeten Verträge bedingten ständigen Ortswechsel machen eine vernünftige Lebensplanung unmöglich (und wer noch auf die dumme Idee kommt, eine Familie gründen zu wollen, steht vor noch größeren Schwierigkeiten). Abgesehen davon sind die Befristungen meiner Meinung nach auch nicht unbedingt für effektives wissenschaftliches Arbeiten förderlich.

Denn um einen neuen Vertrag zu ergattern, muss man in der Regel einen Projektantrag stellen (z.B. bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der aber im Moment sowieso kein Geld zur Verfügung hat). Wer schon mal so einen Antrag geschrieben hat, weiß, was das für ein Arbeitsaufwand ist…

Und die Entscheidung, ob ein Antrag bewilligt wird oder nicht, kann 8 bis 10 Monate dauern! In der Praxis sieht das dann so aus (basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen): Man tritt eine neue, befristete Stelle an. Natürlich kann man nicht sofort mit voller Kraft loslegen. Es dauert einfach ein bisschen, bis man sich in einer neuen Arbeitsgruppe, die vielleicht auch noch ein neues Thema bearbeitet, eingearbeitet hat. Da muss man erstmal herausfinden, wie sich die gemeinsamen Kenntnisse und Fähigkeiten am besten einsetzen lassen und entsprechende Projekte planen. Hinzu kommen eventuell noch andere neue Aufgaben (z.B. in der Lehre) mit denen mach sich vertraut machen muss. Im Gegensatz zu anderen Jobs kann es hier schon mal einige Monate dauern, bis alles soweit ist, um hundertprozentig mit der “echten” Forschung loszulegen. Dann läuft alles ein halbes, dreiviertel Jahr lang so, wie es normalerweise laufen soll.

Und dann stellt man fest, dass vom befristeten Arbeitsvertrag nur noch ein Jahr übrig ist. Will man nicht am Ende der 2 Jahre am Arbeitsamt stehen, muss man jetzt schon anfangen, sich um neue Projekte zu kümmern. Man schreibt also Projektanträge (oft mehrere, denn die Chance auf Bewilligung ist aus Geldmangel selbst bei guten Anträgen nicht allzu hoch) – das kostet viel Zeit und stört die eigentliche wissenschaftliche Arbeit.

Und hat man dann Glück, dann kommt die Bewilligung rechtzeitig vor dem Ende des Arbeitsvertrages und das Spiel beginnt von vorne. Hat man ganz viel Glück, kann man am gleichen Institut weiterarbeiten und man hat diesmal mehr Zeit für seine Forschung. Aber man hat eben nicht immer Glück…

Es läuft sicherlich nicht immer so ab, wie eben beschrieben. Manchmal übernimmt der Chef der Arbeitsgruppe das Schreiben der Anträge und manchmal fällt die Einarbeitungszeit deutlich kürzer aus. Aber generell bleibt die absurde Situation bestehen: man engagiert junge Wissenschaftler; wartet, bis sie sich richtig eingearbeitet haben und genau das leisten, was man von ihnen erwartet – und dann schmeisst man sie wieder raus.

Ich will absolut nicht, dass jeder sofort nach Abschluß der Doktorarbeit eine fixe Stelle an einer Universität bekommt. Das wäre genauso wenig sinnvoll – wie gesagt; Wissenschaft ist international und man sollte durchaus ein bisschen herum kommen, um viel zu lernen. Aber die extrem kurzen Fristen der Arbeitsverträge, die aktuell oft nur 1 bis 2 Jahre dauern, sind eindeutig zu kurz!

Warum nicht z.B. Verträge, die auf 5 Jahre befristet sind? Das würde die Lebensqualität der betroffenen Wissenschaftler deutlich steigern. Und man kann durchaus auch mehr permanente Stellen schaffen. Es müssen ja wirklich nicht nur die Professoren fixe Stellen haben. 

Ich kann die Ergebnisse der Studie jedenfalls völlig nachvollziehen. Die befristeten Verträge sind das, was mich an meinem Leben als Wissenschaftler ganz klar am meisten stört und demotiviert. Ich kenne viele Kollegen, die aus genau diesem Grund in andere Berufe gewechselt sind. Wie sehen das die Leserinnen und Leser?

Kommentare (13)

  1. #1 matthias
    16. März 2009

    leider habe ich oft mitbekommen, dass 40-jaehrige fast um anstellungen betteln mussten – und das bei familie. auch ich wollte dem entgehen und habe mir einen andern job gesucht – als lehrer. und das als seitenhieb zur Österreichischen bildungsdiskussion: dort bekommt man in den ersten fuenf jahren nur befristete ein-jahres-vertraege. ob diese verlaengert werden erfaehrt man dann womoeglich erst am zweiten schultag. zur planung ganz toll. fuenft jahre klingen fuer mich nach einer vernuenftigen zeitspanne, da geb ich Florian recht.

  2. #2 aebby
    16. März 2009

    zuerst mal Hallo, ist schließlich mein erster Kommentar hier 🙂

    tja ich sehe das genauso, das Problem ist nicht neu. Gerade die Perspektive Familie hat mich damals der Wissenschaft den Rücken kehren lassen :-/ 5 Jahre hören sich gut an.

  3. #3 Florian Freistetter
    16. März 2009

    @Aebby: Willkommen!

    Es gibt ja sogar Programme (Marie-Curie, z.B.) die 5 Jahre laufen. Ist aber leider die Ausnahme…

    Seit es bei mir mit der Familie aktuell geworden ist, verliert der Beruf des Wissenschaftlers auch immer mehr an Faszination. Aber ich hab halt leider nichts anderes gelernt 😉

  4. #4 aebby
    16. März 2009

    > Aber ich hab halt leider nichts anderes gelernt 😉

    ;-)) aber Spaß bei Seite. So abgedroschen es klingen mag, eine gute wissenschaftliche Ausbildung ist sehr viel wert.

  5. #5 Bartleby
    16. März 2009

    Aktuell bist Du ja an zwei weit voneinander entfernten Instituten tätig. Befristet UND noch “Spagat”. Ist das nicht furchtbar stressig? Wie läuft das überhaupt? Eine Woche Jena, eine Woche Heidelberg? Ich habe solche Situationen auch ein paar Mal erlebt und fand es auf die Dauer absolut nervtötend. Da geht doch auch einiges Geld für zwei Wohnungen und die Zugfahrten drauf.
    Abgesehen davon finde ich diese befristeten Verträge auch nicht sinnvoll. Das ist ja auch nix fürs Selbstvertrauen, da man eigentlich nie lang genug an einer Sache arbeiten kann. Allerdings gibt es inzwischen viele Branchen, wo das immer mehr einreißt, z.b. Krankenhausärzte und Pflegepersonal.

  6. #6 Wolfgang Flamme
    16. März 2009

    Eingefleischte Modelleisenbahner haben übrigens ein ähnliches Problem. Es ist wohl eine anspruchsvolle Herausforderung, eine gepflasterte Straße en miniature maßstabsgerecht und naturgetreu mit einer Pinzette zusammenzusetzen, aber es ist eine noch größere Herausforderung, jemanden aufzutreiben, der einen für sowas bezahlt.

  7. #7 Florian Freistetter
    17. März 2009

    @bartleby: “Ich habe solche Situationen auch ein paar Mal erlebt und fand es auf die Dauer absolut nervtötend. Da geht doch auch einiges Geld für zwei Wohnungen und die Zugfahrten drauf.”

    Allerdings – aber es geht halt im Moment gerade nicht anders…

    @Wolfgang Flamme: Hmm – aber Wissenschaftler gibt es wohl doch ein paar mehr, als professionelle Modellbauer…

  8. #8 Biene
    17. März 2009

    Man, dann sind ja ein Großteil aller Wissentschaftler echte Idealisten und nur um der Wissenschaftswillen Wissenschaftler. Nicht zu beneiden :/

  9. #9 Florian Freistetter
    17. März 2009

    @Biene: “Man, dann sind ja ein Großteil aller Wissentschaftler echte Idealisten und nur um der Wissenschaftswillen Wissenschaftler. Nicht zu beneiden :/”

    Naja – kommt darauf an, wie man es sieht. Die Wissenschaftler würdens ja nicht machen, wenn sie nicht (meistens) Spaß daran hätten…

  10. #10 Oliver
    17. März 2009

    Je nach Zweig gibt es ja durchaus auch Alternativen – auch wenn ich weniger wegen der Befristungsfrage in die Industrie gegangen bin als wegen des Problems, dass mir als “Kopfarbeiter” weitere Jahre Maloche im Labor als Post-Doc nicht wirklich attraktiv erschienen – und nach zwei naturwissenschaftlichen Studiengängen auch entsprechend Nachholbedarf beim Finanziellen bestand.

  11. #11 Christian Reinboth
    17. März 2009

    @Florian:

    @Wolfgang Flamme: Hmm – aber Wissenschaftler gibt es wohl doch ein paar mehr, als professionelle Modellbauer…

    Die Giftspritze hinter diesem Kommentar ist Dir offenbar entgangen 😀

  12. #12 Guy
    23. März 2009

    Also ich persoenlich finde das System in Deutschland schon komisch.
    Ich bin 33 und momentan in Belgien an einem Forschungszentrum in einem festen Arbeitsverhaeltnis. Das ist hier im Allgemeinen die Regel.

    Jetzt habe ich mich vor ein paar Wochen beim Forschungszentrum in Juelich auf eine Stelle beworben, und bekomme dann zu hoeren, dass ich nicht viele Aussichten auf eine Festanstellung haette. Es besteht sogar nur eine 50% Chance, dass ich ueberhaupt noch einen Zeitvertrag erhalte nach dem ersten 3-Jahresvertrag. Festanstellungen wuerde es nur fuer betriebswirtschaftliches Personal geben!!!???!!!

    Also das hoert sich ja fast so an also ob Wissenschaftler in Deutschland Buerger zweiter Klasse sind… Also den Job habe ich natuerlich abgelehnt, obwohl ich gerne dort gearbeitet haette. Aber was mache ich wenn der Vertrag in drei oder sechs Jahren auslaeuft und ich dann auf der Strasse stehe?

    Ich frage mich wer solche Stellenangebote ueberhaupt annimmt? Kann mir das jemand erklaeren?

  13. #13 Florian Freistetter
    23. März 2009

    @Guy: “Ich frage mich wer solche Stellenangebote ueberhaupt annimmt? Kann mir das jemand erklaeren?”

    Naja – wenn man keine Alternativen hat. Entweder befristete Verträge oder Jobsuche im Ausland oder Arbeitslosigkeit. Wenn ein Wechsel ins Ausland aus verschiedensten Gründen nicht geht (außerdem muss man ja dort auch erstmal ne Stelle kriegen), dann nimmt man eben, was man kriegen kann 🙁