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[Das hier ist eine Rezension eines Kapitels des Buches “Der Drache in meiner Garage” von Carl Sagan. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel finden sich hier.]

Mit der Menschlichkeit und der Fehlbarkeit der Wissenschaftler hat sich Sagan schon in den letzten Kapiteln beschäftigt. Das Thema von Kapitel 16 sind diesemal explizit die Gefahren, die der Wissenschaft innewohnen können.

Wissenschaft hat im Laufe der Zeit ja nicht nur zu neuen Technologien geführt, die den Menschen helfen und ihnen das Leben erleichtern. Z.B. die Atombomben, Raketen und andere Massenvernichtungswaffen sind ebenfalls Produkte der wissenschaftlichen Forschung.

Prinzipiell ist (bzw. sollte) Wissenschaft ja neutral sein. Das Wissen um den Raketenantrieb hat uns einerseits z.B. Kommunikationssatelliten und zivile Raumfahrt gebracht; andererseits aber auch die Möglichkeit, Massenvernichtungswaffen in jedem Winkel der Erde explodieren lassen zu können. Quanten- und Relativitätstheorie ermöglichen uns die Entwicklung von Computern – und den Bau von Atombomben. Wie weit geht hier die moralische Verantwortung der Wissenschaftler?


Sagan schreibt:

Yes, it’s the same old humans who have made it so far. Yes, we’re developing new technologies as we always have. But when the weaknesses we’ve always had join forces with a capacity to do harm on an unprecedented planetary scale, something more is required of us – an emerging ethic that also must be established on an unprecedented planetary scale.

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Als Beispiel erzählt Sagan die Geschichte von Edward Teller, der maßgeblich am Bau der ersten Atombombe beteiligt war und auch später immer ein Verfechter der nuklearen Waffen war und auf den Bau immer größerer und stärkerer Bomben drängte. Sagan beschreibt die Debatte um den “nuklearen Winter” an der er in den achtziger Jahren beteiligt war und bei der die Auswirkungen von nuklearen Explosionen auf die Erdatmosphäre und die globale Temperatur untersucht wurden.

Teller stimmte den Aussagen von Sagan und seinen Kollegen nicht zu. Er meinte dass sie einerseits die physikalischen Effekte nicht korrekt berechnet hätten und das andererseits der nukleare Winter schon viel früher von ihm und seinen Kollegen “entdeckt” worden ist.

Sagan führt aus, dass Teller hier höchstwahrscheinlich die Unwahrheit gesagt hat. Aber selbst wenn Teller vom nuklearen Winter gewußt hätte, hätte er die Verantwortlichen und die Öffentlichkeit darüber informieren müssen!

Teller selbst hat immer behauptet, die Entwicklung von Wasserstoffbomben hätte – wegen des Abschreckungspotentials und der gewaltigen Folgen bei ihrem Einsatz – dafür gesorgt, dass kein Atomkrieg ausgebrochen ist. Teller hatte noch viele andere Ideen für den Einsatz von Atombomben: um Häfen anzulegen, Berge zu beseitigen, Öl zu fördern und Asteroiden abzuwehren.

Sagan meint

Somehow, somewhere, he wants to believe, thermonuclear weapons, and he, will be acknowledged by the human species as its savior and not its destroyer.

Teller stand auch hinter der “Strategic Defense Initiative (SDI)” das unter US-Präsident Reagan entwickelt werden sollte. Auch dieser Laserabwehrschirm gegen feindliche Interkontinentalraketen wurde allerdings dann nie umgesetzt. Unter anderm auch deswegen, weil sich zehntausende amerikanische Wissenschaftler und Ingenieure öffentlich weigerten, an SDI mitzuarbeiten oder Geld von SDI zu akzeptieren.

Sagan schreibt abschließend:

The most open and vigorous debate is often the only protection against the most perilous misuse of technology. The critical peace of the counterargument may be something obvious – that many scientists or even lay people could come up with provided there were no penalties for speaking out. Or it might be something more subtle, something that would be noted by an obscure graduate student in some locale remote from Washington, S.C. – who, if the arguments were closely held and highly secret, would never have the opportunity to address the issue.

Wissenschaftler sind Menschen wie alle anderen und genauso fehlbar. Die beste Strategie um den Mißbrauch von wissenschaftlichen Erkentnissen zu vermeiden, ist schonungslose Offenheit und öffentliche Diskussion:

It is the particular task of scientists, I believe, to alert the public to possible dangers, especially those emanating from science or foreseeable through the use of science. (…) Clearly the warnings need to be judicious and not more flamboyant than the dangers require; but if we must make errors, given the stakes, they should be on the side of safety.

Rezensionen der vorhergehenden Kapitel: Kapitel 1, Kapitel 2, Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 5, Kapitel 6, Kapitel 7, Kapitel 8, Kapitel 9, Kapitel 10, Kapitel 11, Kapitel 12, Kapitel 13, Kapitel 14, Kapitel 15


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Kommentare (4)

  1. #1 human being
    6. September 2009

    “Wissenschaftler sind Menschen wie alle anderen und genauso fehlbar. …..”
    schon banal, oder?
    Wieso muß diese banale Erkenntnis immer wieder erneut betont werden?

    Wissenschaftler werden doch auch als unbeholfene Menschenkinder geboren, werden dann im Laufe des Lebens zu “Wissenschaftlern”, ich vermute mal im Grunde genommen dem Größten ;-), was die menschliche Spezies derzeit aus sich selbst hervorbringen kann, und am Ende sterben sie dann, wie alle anderen auch, wiederum ganz menschlich!

    “Schonungslose Offenheit?”
    Na gut, eine tolle, sehr idealistische Forderung, vor allem weil sie ja meist die Anderen betrifft!
    Da hatten wir doch mal in Deutschland das Paradebeispiel mit der “brutalst möglichen Aufklärung” durch den Herrn Koch in Hessen.
    Ach, das war ja auch ein Jurist/Politiker und kein Wissenschaftler. Aber doch auch ein Mensch.

    Zurück zu den Wissenschaften/Wissenschaftlern:
    das Studium einer (natur-)wissenschaftlichen Disziplin und/oder ein akademischer Abschluß allein machen/ergeben m.E. keinen “besseren” Menschen. Eher wird so ein im Geiste der jeweils vorherrschenden Kultur- oder Wissenschaftstrance besser funktionierendes Gesellschaftsmitglied erzeugt.

    Diese Art von selbstgewählter mentaler “Normierung” (per Wahl der Ausbildung/des Studiums) muß erstmal garnicht schlecht sein. Gibt sie doch einen weiten Rahmen, den man erst mal ausfüllen muß.
    Aus der Perspektive einer möglichen Weiterentwicklung könnte man allerdings hinzufügen: Der Weg hinaus führt mitten hindurch!

  2. #2 human being
    6. September 2009

    fällt mir gerade noch auf: ist “sündigen” nicht ein religiös besetzter Begriff? Wie kann dann so etwas in den Sprachwortschatz eines brutalst möglich aufgeklärten Wissenschaftlers geraten?

    Wenn die ganze Diskussion hier mit Religion und Glauben nicht umsonst war, ist doch klar: Wissenschaftler können garnicht sündigen, weil es sowas wie Sünde garnicht gibt!

    Oder vielleicht doch: wenn Wissenschaftler sündigen, dann flirten sie mit dem Religiösen!

  3. #3 Florian Freistetter
    6. September 2009

    @human being: Der Originaltitel des Kapitels in Sagans Buch lautet “When scientists know sin”. Das hab ich hier einfach übernommen.

    Und die banale Erkenntnis, das Wissenschaftler menschlich sind, muss deswegen immer betont werden, weil viele sie nicht wirklich verstanden haben. Viele Menschen halten Wissenschaftler anscheinend immer noch wahlweise für alleswissende Überwesen oder – öfter – für menschenverachtende, gefühlskalte Dr. Strangelove’s, die jedem Tag vor dem Frühstück dreimal fast die Welt vernichten…

    Ansonsten ist mir nicht ganz klar, was du mit deinem Kommentar sagen willst…

  4. #4 June
    7. September 2009

    Sagan spricht hier wohl nicht von Sünden gegen Gott aber von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie zB die letzten 8 Jahre unter Bush jetzt als eine Suende
    gegen Amerika’s Seele beschrieben werden.