Die regelmäßigen Leser wissen sicher über den Fall Simon Singh Bescheid. Singh ist ein britischer Autor, der geschrieben hatte, dass Chiropraktiker eine falsche Behandlung (ein “bogus treatment”) anbieten. Daraufhin wurde er von den Chiropraktikern verklagt. Und laut britischen Recht muss nun nicht die Chiropraktikerorganisation beweisen, dass Singh Unsinn erzählt hat, sondern Singh muss beweisen, dass er Recht hat.

Diese Umkehrung der Beweislast führt zu einem regelrechten “Verleumdungs-Tourismus” bei dem alle möglichen Leute und Organisationen ihre Kritiker in London verklagen. Singh selbst hat gute Chancen, heil aus dem Prozeß rauszukommen. Aber diese Erfahrung hat ihn dazu gebracht, sich für eine Gesetzesänderung einzusetzen.

Deswegen gibt es nun eine Unterschriftenaktion (über die auch schon Ulrich berichtet hat). Es wäre schon, wenn ihr euch die ganze Sache einmal durchlest und -sofern ihr ebenfalls der Meinung seid, dass so ein Gesetz Unsinn ist – die Petition auch unterschreibt (und sie natürlich auch weiterverbreitet).


Dear Friends,

I’ve had an idea – an unusual idea, but I think it might just
work.

As you know, England‘s
chilling
libel laws need to be reformed. One way to help achieve this
is for 100,000 people to sign the petition for libel reform before the
political parties write their manifestos for the election. We have
17,000 signatures, but we really need 100,000, and we need your help to
get there.

                                   
www.libelreform.org/sign


My idea

My
idea is simple: if everyone who has already signed up persuades just
one more person each week to sign the petition then we will reach our
goal within a month!

One
person per week is all we need, but please spread the word as much as
you can. In fact, if you persuade 10 people to sign up then email me (
simon@simonsingh.net)
and I promise to thank you by printing your name in my next book …
which I will start writing as soon as I have put my own libel case
behind me. I cannot say when this will be, but it is a very real
promise. My only caveat is that I will limit this to the first thousand
people who recruit ten supporters.

When persuading your friends remember to tell them: 

(a) English libel laws have been condemned by the UN Human
Rights Committee.

(b)
These laws gag scientists, bloggers and journalists who want to discuss
matters of genuine public interest (and public health!).

(c)
Our laws give rise to libel tourism, whereby the rich and the powerful
(Saudi billionaires, Russian oligarchs and overseas corporations) come
to London
to sue writers because English libel laws are so hostile to responsible
journalism. (In fact, it is exactly because English libel laws have
this global impact that we welcome signatories to the petition from
around the world.)

(d)
Vested interests can use their resources to bully and intimidate those
who seek to question them. The cost of a libel trial in England
is 100 times more expensive than the European average and typically
runs to over £1 million.

(e)
Three separate ongoing libel cases involve myself and two medical
researchers raising concerns about three medical treatments. We face
losing £1 million each. In future, why would anyone else raise similar
concerns? If these health matters are not reported, then the public is
put at risk.


My experience has been sobering. I’ve
had to spend £100,000 to defend my writing and have put my life on hold
for almost two years. However, the prospect of reforming our libel laws
keeps me cheerful.

Thanks
so much for your support. We’ve only got one shot at this – so I hope
you can persuade 1 (or maybe 10) friends, family and colleagues to sign.

Massive thanks,

Simon

Kommentare (7)

  1. #1 Thomas
    12. Februar 2010

    Das ist aber nichts, was es nur im britischen Recht gibt. Auch das deutsche StGB kennt eine Art Beweislastumkehr (objektive Bedingung der Strafbarkeit):

    § 186 StGB – Üble Nachrede
    Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

  2. #2 klauszwingenberger
    12. Februar 2010

    …wobei aber jedenfalls im strafrechtlichen Bereich nicht damit zu rechnen ist, dass “bogus treatment”, wie man es auch übersetzen mag, als “Tatsache” behandelt würde. Zivilrechtlich sieht die Sache etwas anders aus, da können auch Meinungsäußerungen und Werturteile zu Widerrufs- und Unterlassungsklagen führen, wenn es denn eine unsachliche “Schmähkritik” ist. “Bogus treatment” wird aber auch da wohl nicht erfolgreich anzugreifen sein, zumal Simon Singh ja nicht einfach nur pöbelt, sondern sehr genau begründet, wieso das so sei.

  3. #3 Redfox
    12. Februar 2010

    Internationale Solidarität ist eine feine Sache, aber ich frage mich ja immer noch warum sich die Britische Politk duch Unterschriften von außerhalb des Commonwealth beeindrucken lassen sollte.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    12. Februar 2010

    Um noch ein bisschen mehr Gesprächsstoff beizusteuern: In Texas war eine 52-jährige Krankenschwester vor Gericht gezerrt worden, weil sie (anonym) einen Arzt ihrer Klinik wegen unsicherer Praktiken bei der Ärztekammer angezeigt hatte. (Details zum Fall hat die New York Times.) Der Arzt hatte sich offenbar nicht nur durch eine Vorliebe für Alternativmedizin und Kräuterkuren hervor getan, sondern auch gelegentlich seine Fachkompetenzen überschritten. Weil die Krankenschwester aber als Beweise für ihre Beschwerde vertrauliche Patientenangaben benutzt hatte, wurde sie wegen “Missbrauchs amtlicher Daten” vor Gericht gezerrt und hätte bis zu zehn Jahre Gefängnis dafür bekommen können. Doch es gab ein kleines Happy-End: Die Geschworenen sprachen sie frei. Ihren Job ist sie aber trotzdem erst mal los …

  5. #5 Sven Türpe
    14. Februar 2010

    Internationale Solidarität ist eine feine Sache, aber ich frage mich ja immer noch warum sich die Britische Politk duch Unterschriften von außerhalb des Commonwealth beeindrucken lassen sollte.

    Hier geht es doch gar nicht um effektives Handeln, sondern vor allem darum, Gesinnung zu zeigen. Also wohlwollend gedeutet um moralische Unterstützung, weniger wohlwollend um Selbstbildpflege. So können sich viele Menschen mit wenig Aufwand besser fühlen.

  6. #6 BreitSide
    2. April 2010

    Neues zum Fall Simon Singh (aus einer Rundmail):

    Dear friends

    A very quick note to make sure you heard that Simon Singh’s appeal in his case with the BCA was upheld today. It means that Simon can now defend his article as comment rather than as fact, as Justice Eady had originally ruled.

    Simon said today: “It is ridiculous that it has cost £200,000 to establish the meaning of a handful of words. I am delighted that my meaning has been vindicated by three of the most powerful judges in the country, and I relish the opportunity to defend this meaning in court. However, I am still angry that libel is so horrendously expensive. That is just one of the reasons why the battle for libel reform must continue.”

  7. #7 Slammer
    2. April 2010

    Das Urteil zum gewonnenen Berufungsverfahren gibt’s übrigens hier (via fefe). Aber wenn man so mitbekommt, was in England in letzter Zeit alles so vor sich geht (gerade auch im Rahmen der Terrorismus-Paranoia), könnte man eh’ ins Grübeln kommen. Der Kurs ist beängstigend.

    Der Herrgott wird schon gewusst haben, warum er die Briten auf einer einsamen Insel aussetzt. Und dann gibt’s Leute, die bauen da einen Tunnel hin…