i-5f2605422f11efc193cddd477d9e9ee5-greenekosmos-thumb-50x73.jpg

Das hier ist die Rezension eines
Kapitels von “Der Stoff aus dem der Kosmos
ist
” von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.


Das letzte Kapitel in “Der Stoff aus dem der Kosmos ist” gehört der Zukunft! Wo geht der Weg hin? Wie könnten unsere zukünftigen Vorstellungen von Raum und Zeit aussehen? Greene meint, dass wir vielleicht bald merken könnten, dass Raum und Zeit so wie wir sie verstehen, überhaupt nicht existieren sondern sich nur als “Vorspiel zu komplexeren, umfassenderen und fundamentaleren Prinzipien erweisen, die der physikalischen Wirklichkeit zugrunde liegen.”

Spekulationen über diese “fundamentaleren Prinzipien” bilden den Inhalt des letzten Kapitels.


Es ist schwierig, sich eine Welt ohne Raum und Zeit vorzustellen. Vermutlich ist es für uns sogar unmöglich. Ich schaffs jedenfalls nicht und auch Greene schreibt, dass er dabei jedesmal scheitert. Aber trotzdem könnten Raum und Zeit in unserem Universum nicht wirklich existieren sondern nur den kollektiven Eigenschaften irgendwelcher anderen, fundamentaleren Bestandteilen entspringen. Natürlich ist “Existenz” hier schwierig zu definieren. Der Duft einer Blume entsteht aus den kollektiven Eigenschaften ihrer Moleküle und ist nichts Fundamentales. Existiert der Duft nun oder nicht?

i-ccaae7f6754cfdee670d3a45782aa096-Fundament_IMGP8210-thumb-500x343.jpg

Auf der Suche nach dem Fundament der Realität (Bild: Rainer Knäpper Copyleft; Free Art License)

Aber egal – das mag zwar philosophisch interessant sein; auf der Suche nach den fundamentalen Bestandteilen der Raumzeit bringen uns solche Überlegungen nicht weiter. Wir wissen ja außerdem noch nicht mal, ob es sowas wirklich gibt. Die theoretische Physik liefert aber zumindest ein paar Anhaltspunkte. Da wäre zum Beispiel die “übersetzte Geometrie”. In einem früheren Kapitel hat Greene ja die verschiedenen Formulierungen der Stringtheorie erläutert. Die sind zwar alle anders – aber trotzdem nur unterschiedliche Ansichten der selben zugrunde liegenden, einheitlichen Theorie. Interessanterweise gibt es nun bei der geometrischen Beschreibung des Raums enorme Unterschiede zwischen den verschiedenen Stringtheorien! Die Extradimensionen der Stringtheorie werden da jeweils völlig anders dargestellt. Greene sagt

“Da die beiden Beobachter einfach alternative mathematische Beschreibungen desselben physikalischen Universums verwenden, lässt sich nicht sagen, der eine habe Recht und der andere Unrecht.”

Wenn die Raumzeit aber tatsächlich fundamental wäre, dann sollte man auch erwarten, dass jeder Physiker am Ende zum selben Ergebnis kommt – ega welchn Weg er nimmt.

Interessant sind in dieser Hinsicht auch die Untersuchungen, die über schwarze Löcher gemacht wurden. Außer der Masse, der elektrischen Ladung und dem Drehimpuls hat ein schwarzes Loch keine weitere Eigenschaften. Das ist ALLES was man über ein schwarzes Loch wissen kann. Außerdem – wie schon früher beschrieben – sind sie die Objekte im Universum die bei gegebener Größe die höchstmögliche Entropie besitzen. Normalerweise ist es ja so, dass die maximale Entropie proportional zum Raumvolumen ist. In eine kleine Tupperwareschüssel bekomme ich weniger Gas rein als in eine große – also ist in der großen auch eine größere Entropie möglich. Jacob Bekenstein und Stephen Hawking haben allerdings gezeigt, dass das bei schwarzen Löchern anders ist. Hier ist die Entropie proportional zur Oberfläche des Ereignishorizonts; nicht zum Volumen, das er umschliesst. Das ist eine interessante Erkenntnis:

“Wenn die maximale Entropie in einer gegebenen Raumregion proportional zum Oberflächeninhalt der Region ist und nicht zu ihrem Volumen, dann befinden sich vielleicht die wahren, fundamentalen Freiheitsgrade – die Eigenschaften die die Möglichkeit haben, diese Unordnung hervorzurufen – in Wirklichkeit auf der Oberfläche der Region und nicht in ihrem Volumen. Das heisst, vielleicht finden die realen physikalischen Prozesse des Universums auf einer dünnen, fernen Fläche statt, die uns umgibtm während alles, was wir sehen und erfahren nur eine Projektion dieser Prozesse ist. Mit anderen Worten: Vielleicht ähnelt das Universum eher einem Hologramm.”

Das klingt phantastisch – aber wissenschaftlich ist es durchaus im Bereich des Möglichen. Der Nobelpreisträger Gerard ‘t Hooft und Leonard Susskind haben diese These Anfang der 1990er erstmals aufgestellt. Demnach wäre das, was im “Inneren” des Universums, dem Bulk, passiert bestimmt durch das, was auf der Randfläche stattfindet. 1997 fand der Physiker Juan Maldacena dass es im Rahmen der Stringtheorie tatsächlich möglich ist, ein holografisches Universum zu realisieren. Er konnte zeigen, dass es tatsächlich möglich ist, die Holographie aus der Stringtheorie abzuleiten – wenn auch vorerst nur in einem hypothetischen Modelluniversm das nicht dem unseren entspricht. Aber immerhin: die Holographie könnte tatsächlich eine Eigenschaft des Universums sein (zumindest wenn es durch die Stringtheorie beschrieben wird)! Wenn das wahr ist (und aktuelle Experimente liefern spannende Daten), dann zeigt sich hier nur wieder, dass unsere vertraute Raumzeit nicht fundamental sein kann. Aber was ist es dann?

1 / 2 / Auf einer Seite lesen

Kommentare (12)

  1. #1 perk
    31. Mai 2010

    bitte noch korrigieren:
    – des Raums enorm Unterschiede
    – ega welchn
    – Aber immerhin: die Holographie könnte tatsächlich eine Eigenschaft des Universums, beschrieben durch die Stringtheorie sein!

  2. #2 perk
    31. Mai 2010

    narf das letzte ist natürlich kein fehler (außer in der kommasetzung) aber meinen lesefluss hat es arg durcheinandergebracht, der über dem restlichen artikel wie immer sehr zügig und turbulenzfrei war 😉

  3. #3 mike
    31. Mai 2010

    Kleiner Verdreher bei Stringtheorie/Loop-Quantum-Gravity:
    Stringtheorie ist hintergrundabhängig (bzw. nicht hintergrundunabhängig), da üblicherweise eine Hintergrund-Raumzeit vorausgesetzt wird, LQG ist hingegen hintergrundUNabhängig.

  4. #4 Florian Freistetter
    31. Mai 2010

    So – alles korrigiert. Das kommt davon, wenn man seine Artikel im Zug schreibt 😉 Da fehlt die nötige Ruhe…

  5. #5 Stefan Hambach
    1. Juni 2010

    Ich fand die Rezension alle sehr interessant.
    Mich würde noch interessieren, ob Du das Buch auch einem Laien (im wahrsten Sinne des Wortes) empfehlen kannst.

  6. #6 Florian Freistetter
    1. Juni 2010

    @Stefan: Wenn der Laie Lust hat, sich mit solchen Themen zu beschäftigen: auf jden Fall!

  7. #7 Ralph Ulrich
    9. Juni 2010

    Seit Einstein ist doch klar, dass Raum und Zeit untrennbar ineinander geflochten sind. Wenn es einen Welterschaffer – Gott – gibt, so muss er außerhalb der Zeit stehen, wenn er den Raum erschaffen hat: Warum sagt den Theologen dieses Faktum kein Physiker?

    Seit Einstein ist doch klar, dass Raum und Materie miteinander verwoben sind, mithin dass Gravitation nur eine Eigenschaft des Raumes ist. Warum sagt den Teilchenphysikern dies Faktum kein Relativitätstheoretiker, dass sie nicht unnötig nach Gravitationskraftteilchen suchen müssen?

  8. #8 Florian Freistetter
    9. Juni 2010

    @Ralph Ulrich: “Warum sagt den Teilchenphysikern dies Faktum kein Relativitätstheoretiker, dass sie nicht unnötig nach Gravitationskraftteilchen suchen müssen?”

    Danke für den Hinweis! Ich hab grad mal eben im CERN angerufen und den Leuten Bescheid gesagt. Die fahren jetzt den LHC und den Rest runter und legen sich am Genfer See in die Sonne.

  9. #9 Ralph Ulrich
    10. Juni 2010

    Ein in die Sonne legen könnte in manchen Bereichen der modernen Volkwirtschaft enorm zum Wohlstand beitragen. Denke an die letzten Krisen, aber das ist ein anderes Thema. Und für Forscher könnte dies Verhalten in Zusammenhang mit einem leichten Joint zu produktiveren Ideen in unserem verückten Universum führen

    Dieser Dein Blog Beitrag hat seltsame Hirnversuche bei mir ausgelöst, wie man sich die Zeit analog als holographische Fläche denken könnte. Das geht ein wenig über normal menschliche Vorstellungsmöglichkeiten (Holographie an sich ist ja schon erstaunlich). Es würde aber enorm gut passen zu dem Phenomän, dass ein Photon sich vor ein paar Millarden Jahren entscheidet, ob es von einem Forscher als Welle oder Teilchen gemessen werden will, denn es hätte ja auf der holographischen Zeitfläche (oder es ist sogar eine mehrdimensionale Zeitholographie?) direkten Kontakt zu den Umständen ein paar Milliarden Jahre später.

  10. #10 Ralph Ulrich
    10. Juni 2010

    Nachtrag: Weil das Photon sich mit Lichtgeschwindigkeit im Vakuum bewegt, vergeht für es nach Einstein auch keine Zeit. Also is es in der Zeitholographie nach ein paar Milliarden Jahren immer noch auf demselben Punkt!

  11. #11 perk
    10. Juni 2010

    an welchem punkt denn? ich habe so nen ganz leichten hauch einer ahnung was du sagen willst (was über die richtigkeit und sinnträchtigkeit noch nix aussagt) ich glaub sogar dass man es in sich widerspruchsfrei konkret formulieren könnte.. die mathematik und exakte sprache existiert ja zur genüge.. also versuchs mal, liest sich vllt interessant

    entscheidend ist welche mannigfaltigkeit mit welchem “rand” durch die eigenschaften auf dem rand bestimmt sein soll (in deinem bild)

  12. #12 Ralph Ulrich
    10. Juni 2010

    Nachtrag2: Wenn die Größe eines Objektes durch seine Raum in seiner Zeit bestimmt ist, dann sind die ältesten Photonen die zweitgrößten Elemente unseres Universums. Das größte ist bekanntlich das Universum selbst, was ja auch nur ein String ist, und umgestülpt auch gleichzeitig das kleinste Objekt wäre.

    @perk: Meine holographischen Gedanken zur Zeit entstanden durch Florians Satz: “die Holographie könnte tatsächlich eine Eigenschaft des Universums sein” und waren so anregend für mich, weil ich mir die Zeit bisher nur als Raum vorzustellen versucht hatte:

    Ein Raum in dem ein eventuell vorhandener Gott hin und her schweben kann, und deswegen genau jetzt (in seiner Zeit) noch an den Stellschrauben des Urknalls gemäß den Anforderungen der astrophysikalischen Forschung der Menscheit dreht. Ich glaube diese Theorie der gegenseitigen Einflußnahme gibt es aber schon: Danach könnte ein weiterer Ausbau der Stringtheorie unser Universum tatsächlich zu einem der Strings entwickeln.

    Aber dieses Raumbild der Zeit ist nur ein krückenhaftes Gedankenhilfsmittel in meiner theologischen Ausforschung. Die holographische Idee erscheint viel näher an den beobachteten Quantenmechanischen Tatsachen:

    Das Photon erstreckt sich in seiner Zeit schon beim Abflug bis zum Messgerät der physikalischen Forschungsanstalt. Da in unserer Zeit ein Photon zu klein ist um dies zu leisten, brauchen wir das Bild von der Holographie:
    ‘entscheidend ist welche mannigfaltigkeit mit welchem “rand” durch die eigenschaften auf dem rand bestimmt sein soll’ – Was eine selten gehörte Beschreibung der Holographie in deutscher Sprache ist und hervorsticht aus dem englischen Sprachbrei der Akademiker!