Wie spannend die Exoplanetenforschung ist, habe ich erst letztens wieder beschrieben. Damals habe ich auch ein paar der Methoden vorgestellt, mit denen man diese Planeten finden kann. Nun haben Astronomen aus Jena erstmals eine neue Methode mit Erfolg verwendet.


Bei dieser Methode geht es um “Transitzeit-Variationen (TTV)” und ich habe darüber schon früher mal geschrieben. Das Grundprinzip ist äußerst simpel: angenommen, man kennt einen Exoplaneten, der einen anderen Stern umkreist und weiß, dass wir von der Erde aus einen Transit beobachten können. D.h. von uns aus gesehen zieht der Planet genau vor der Scheibe des Sterns vorbei und wenn wir genau beobachten, dann sehen wir, wie das Licht des Sterns in diesem Moment etwas schwächer wird. Da der Planet sich ja immer wieder um den Stern herum bewegt gibt es auch solche Transits immer wieder. Wenn es jetzt nur diesen einen Planeten geben würde, dann wäre seine Bewegung exakt periodisch und die Transits könnten ebenso exakt vorherberechnet werden. Gibt es allerdings in diesem System noch einen weiteren Planeten, dann wird dieser durch seine Gravitationskraft die Bahn des anderen Planeten stören und die Transits finden nicht zu dem Zeitpunkt statt, den man errechnet hat.

Diese TTVs kann man nun nutzen, um nach Exoplaneten zu suchen. Man misst einfach die Transits eines bekannten Planeten und schaut nach, ob er pünktlich ist, oder nicht. Obwohl – so “einfach” ist es dann auch wieder nicht. Solche Messungen müssen sehr genau sein und dann ist da noch jede Menge Analyse nötig. Bisher hatte man mit dieser Methode daher auch kein Glück. Bisher – denn kürzlich haben Astronomen aus Jena die ersten konkreten TTV-Messungen gemacht, die sich ziemlich sicher auf einen unbekannten Planeten zurückführen lassen!

In der Arbeit Transit timing variation in exoplanet WASP-3b geht es – wie der Name schon sagt – um den Exoplaneten WASP-3b. Dieser Planet ist schon seit 2007 bekannt. Er ist fast zweimal so schwer wie unser Jupiter – aber viel, viel näher an seinem Stern: für einen kompletten Umlauf braucht er nur 1,8 Tage! Das ist natürlich praktisch – denn das bedeutet, dass man auch prinzipiell 1,8 Tage einen Transit beobachten kann. In der Realität ist das natürlich schwieriger. Da muss der Transit nicht nur gerade in der lokalen Nacht stattfinden – sondern auch nicht zu kurz nach der Abend- bzw. zu kurz vor der Morgendämmerung. Da muss das Wetter stimmen und das Teleskop gerade frei sein. Die Astronomen unter der Leitung von Gracjan Maciejewski von der Universitätssternwarte Jena habe es jedenfalls geschafft, 6 Transits von WASP-3b zu beobachten. Jeweils 3 an der Sternwarte von Rozhen in Bulgarien und 3 an der Beobachtungsstation der Uni Jena in Großschwabhausen.

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Bild: Maciejewski et al (2010)

Aus diesen sechs Transits hat man dann erstmal neue, verbesserte Daten für den schon bekannten Exoplaneten WASP-3b berechnet. Geht man davon aus, dass der Stern tatsächlich nur von einem Planeten umkreist wird, dann macht er das mit einer Periode von 1,8468355 Tagen – und der Fehler bei dieser Zahl liegt nur bei 0.06 Sekunden! Ausgehend von diesem neuen. sehr genauen Wert wurde nun das erstellt, was Astronomen “O-C Diagramme” nennen. Das steht für “Observed minus Calculated” und bedeutet, dass man in einem Diagramm Beobachtungsdaten mit der Theorie vergleicht. Die Theorie in diesem Fall ist das Modell, nachdem WASP-3b der einzige Planet ist, der seinen Stern umkreist. Vergleicht man dieses Modell aber mit den Beobachtungen, zeigt sich dass sie nicht genau übereinstimmen:

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Bild: Maciejewski et al (2010)

Auf der x-Achse sieht man hier die Zeit; auf der y-Achse den Unterschied zwischen Beobachtung und Theorie – also quasi die Verspätung (bzw. “Verfrühung) des Planeten beim Transit. Hier ist also definitv etwas. Jetzt muss man nur noch rausfinden, was diesen Unterschied hervorruft. Es könnte natürlich sein, dass WASP-3b sich nicht, wie man momentan annimmt, auf einer ziemlich exakten Kreisbahn um seinen Stern bewegt sondern sich auf einer ovalen (“exzentrischen”) Bahn befindet. Das würde auch dazu führen, dass der Planet unpünktlich ist und um diese Möglichkeit auszuschließen, haben die Leute nochmal genau die Daten untersucht, die damals zur Entdeckung von WASP-3b geführt haben. Es zeigt sich, dass der Planet tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine annähernd kreisförmige Bahn hat. Es zeigt sich aber auch, dass man – auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist – man ohne weitere Daten nicht völlig ausschließen kann, dass die Bahn vielleicht doch exzentrisch ist.

Eine weitere spannende Ursache für die Unterschiede zwischen Theorie und Beobachtung wäre ein Mond. Vielleicht hat WASP-3b einen Mond – denn auch das würde zu TTVs führen. So ein “Exomond” würde aber nicht nur den Zeitpunkt des Transits verändern sondern auch die Dauer des Transits. Es müsste also nicht nur TTVs sondern auch TDVs (“Transit Duration Variations”) geben und die hat man nicht gemessen. Außerdem müsste ein Exomond der die beobachteten Abweichungen von der Theorie verursachen könnte 38 Mal schwerer sein als die Erde! Und so ein gewaltiger “Mond” ist dann doch ein wenig unwahrscheinlich.

Also handelt es sich wohl doch um einen weiteren Planeten, der die TTVs verursacht. Es ist nun aber nicht unbedingt einfach, herauszufinden, wie dessen Eigenschaften genau sind. Das geht eigentlich nur durch detaillierte numerische Simulationen. Man probiert also quasi alle möglichen zusätzlichen Planeten aus und schaut, was die für TTVs verursachen würden. Und am Ende nimmt man den, der die Beobachtungen am besten reproduziert. Hier hat man sich besonders auf die Regionen in der Gegend von Resonanzen konzentriert (wenn sich zwei Himmelskörper in einer Resonanz befinden, dann heisst das, dass ihre mittleren Umlaufzeiten in einem ganzzahligen Verhältnis stehen) denn Planeten in resonanten Umlaufbahnen können besonders starke TTVs herrufen. Die ersten 2232 Simulationen (durchgeführt übrigens mit dem Programm “Mercury 6” das ich hier näher vorgestellt habe) zeigten, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass sich der zweite Planet näher am Stern befindet als WASP-3b. Also hat man nochmal 23000 Simulationen nachgeschoben und außerhaln des Orbits von WASP-3b gesucht. Hier fand man tatsächlich mögliche Konfigurationen, die die Beobachtungen erklären könnten. Am allerbesten passte hier ein Planet, der etwa 15 Mal schwere als die Erde ist und sich 0.05 astronomische Einheiten vom Stern entfernt befindet. Das ist ein bisschen weiter außen als der bekannte Planet (der sich in 0.03 astronomischen Einheiten Abstand vom Stern befindet). Die Umlaufzeit des neuen Planeten beträgt 3,75 Tage und wer aufgepasst hat, wird merken dass das dieser Wert etwa zweimal so groß ist wie die Umlaufzeit des ersten Planeten (wenn auch nicht exakt). Es ist also durchaus möglich, dass sich die beiden Planeten in einer 2:1 Resonanz befinden!

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Bester Fit (schwarze Linie) für die beobachteten Abweichungen (Punkte). Ein Planet mit 15 Erdmassen würde genau die passende Verspätung bzw. Verfrühung hervorrufen. Bild: Maciejewski et al (2010)

Wenn es den neuen Planeten den gibt…Denn so aufregend und beeindruckend diese Beobachtung auch ist – eine echte “Entdeckung” kann man es leider noch nicht nennen. Dazu hat man noch zuwenig Erfahrung mit den Transitzeit-Variationen und in diesem Fall braucht man auf jeden Fall noch weitere Daten. Aber immerhin hat man nun eine konkrete Vorhersage (z.B. weiß man, dass der neue Planet bei einem Transit das Licht des Sterns um 0.03 bis 0.35 Prozent verdunkeln würde) und kann nun viel konkreter danach suchen. Diese neuen Beobachtungen werden nun natürlich gemacht und bald werden wir wissen, ob WASP-3c tatsächlich existiert und der erste Planet sein wird, der mit Transitzeit-Variationen gefunden wurde. So oder so – es ist auf jeden Fall eine spannende und gute Arbeit und ich gratulieren meinen ehemaligen Kollegen von der Unisternwarte in Jena ganz herzlich dazu!



G. Maciejewski, D. Dimitrov, R. Neuhaeuser, A. Niedzielski, St. Raetz, Ch. Ginski, Ch. Adam, C. Marka, M. Moualla, & M. Mugrauer (2010). Transit timing variation in exoplanet WASP-3b MNRAS (accepted) arXiv: 1006.1348v1

Kommentare (9)

  1. #1 Miriam
    12. Juli 2010

    Toller Artikel!
    Könnte es eigentlich auch sein, dass diese Abweichungen von mehr als einem Planeten hervorgerufen werden, oder hat immer nur der “nächstliegende” Planet Einfluss? Lässt sich das überhaupt unterscheiden?

  2. #2 Ender
    12. Juli 2010

    Wie kommt man überhaupt auf eine Umlaufzeit von 1,8 Tagen? Aus den oben gezeigten seches Diagrammen kann man das nicht ablesen, oder?

    Solche Vorhersagen sind auf jeden Fall spannend.

  3. #3 Bjoern
    12. Juli 2010

    @Miriam: Natürlich könnten es auch mehrere Planeten sein – aber die Daten zeigen ja, dass ein einzelner Planet als Erklärung anscheinend ausreicht. Noch mehr Planeten mit reinzurechnen, würde die Rechnungen noch ein gutes Stück komplizierter machen – also begnügt man sich erst mal mit dem einfachsten Modell (könnte natürlich gut sein, dass die inzwischen auch schon dabei sind, Modelle mit mehreren Planeten durchzurechnen, und wir in ein paar Wochen etwas darüber hören…). Prinzipiell haben alle Planeten einen Einfluss, nicht nur der nächstliegendste – aber der Einfluss nimmt halt mit dem umgekehrten Quadrat der Entfernung ab (Newtons Gravitationsgesetz), und ist natürlich auch proportional zur Masse.

  4. #4 anonymous
    12. Juli 2010
  5. #5 Florian Freistetter
    12. Juli 2010

    @Ender:“Wie kommt man überhaupt auf eine Umlaufzeit von 1,8 Tagen? Aus den oben gezeigten seches Diagrammen kann man das nicht ablesen, oder?”

    Ne – aus den Diagrammen im Artikel nicht – bzw. nicht ganz. Im ersten Bild sind ja einige Transit-Messungen gezeigt. Wenn man die Umlaufzeit bestimmen will, dann nimmt man alle Transitmessungen her, die es gibt und schaut, welche Umlaufzeit die am besten erklären würde.

  6. #6 Ender
    12. Juli 2010

    @Florian: Meinst du, man schaut, wann Transits gemessen werden (so dachte ich es zuerst), oder wie lange ein Transit dauert, sprich die Breite der abgefallenen Intensität? Für letzteres braucht man aber wohl den Durchmesser des Sterns. Ist der leicht zu messen?

  7. #7 Florian Freistetter
    12. Juli 2010

    @Ender:Also “Zeitpunkt des Transits” gilt der Mittelpunkt in der Senke der Lichtkurve. Diese Zeitpunkte sammelt man und schaut, ob sie periodisch auftreten (ist nicht ganz trivial, weil man ja nicht jeden Transit der stattfindet auch beobachten kann)

  8. #8 Ender
    12. Juli 2010

    @Florian: Also doch das zuerst Verstandene.
    Ist die zweite Variante (über die Transitdauer) gar nicht zu gebrauchen? Die Frage geht zwar weg vom Artikel selbst, interessiert mich aber dennoch.

  9. #9 Florian Freistetter
    12. Juli 2010

    @Ender: Na aus Transitdauer, Transittiefe, der Form der Lichtkurve, etc kann man natürlich auch jede Menge rausholen. Das sind die Dinge, die man wissen muss, wenn man die Bahn und Masse des Planeten rausfinden will. Das ist aber definitiv nicht mehr trivial – da muss man viele Modelle austesten und fitten und Statistik betreiben, usw. Frag mal Ludmila – das ist ihr Fachgebiet 😉