In den letzten Tagen berichteten viele Medien über den Zwergplaneten Eris und darüber, dass er laut astronomischen Beobachtungen ein “Zwilling” des Zwergplaneten Pluto sei. Warum auch nicht, immerhin steht es so auch in der offiziellen Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte. Aber herausgefunden hat man eigentlich etwas anderes: Pluto und Eris sind beide gleich groß. Deswegen müssen sie aber nicht gleich Zwillinge sein.

Als die Entdeckung von Eris im Jahr 2005 bekannt gegeben wurde, war die Aufregung groß. “Scientists Discover Tenth Planet”, lautete der Titel der NASA-Pressemitteilung. Denn Eris war nach damaligen Kenntnisstand tatsächlich größer als Pluto, der kleinste bekannte Planet – es wäre also etwas komisch gewesen, wenn die große Eris als Asteroid klassifiziert werden müsste während der kleine Pluto ein Planet ist. Die Dinge entwickelten sich aber anders, die Astronomen legten im Jahr 2006 fest, das weder Eris noch Pluto Planeten sind sondern zur neuen Gruppe der “Zwergplaneten” gehören sollten.

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Aller Protest hat nichts genutzt: Pluto ist kein Planet (Bild: Seattle Astronomy)

Herauszufinden, wie groß ein Himmelskörper ist, ist relativ einfach, wenn er nahe ist. Aber Eris ist so weit von der Erde entfernt, dass er selbst im besten Teleskop nur als Lichtpunkt erkennbar ist. Der einzige Weg der Mike Brown (dem Entdecker von Eris) und seinen Kollegen damals offenstand, war fehleranfällig. Sie benutzten die Helligkeit von Eris um auf die Größe zu schließen: Je heller, desto größer! Natürlich hängt die Helligkeit auch von anderen Parametern ab: Je mehr Eis auf Eris’ Oberfläche exisiert, desto mehr Licht reflektiert der Zwergplanet. Ein kleiner, eisiger Himmelskörper kann also genauso hell leuchten, wie ein großes, felsiges Objekt. Über die Rückstrahlfähigkeit (die sogenannte “Albedo”) von Eris wusste man damals allerdings nichts und es gab auch vorerst keine Möglichkeit, mehr darüber herauszufinden. Aber selbst wenn Eris komplett von Eis bedeckt sein sollte, zeigten die damaligen Messungen, dass das Objekt größer bzw. gleich groß wie Pluto sein müsste. Spätere, genauere Messungen von Brown & Co bestätigten das. Sie beobachteten Eris mit dem Hubbleteleskop und auch hier war Eris fast punktförmig. Der Unterschied zwischen einem Punkt und einer winzigen Scheibe war minimal aber mit jeder Menge kluger Tricks und intelligenter Datenauswertung konnten Brown und sein Team einen brauchbaren Wert für den Durchmesser von Eris bestimmen: Etwa 2400 Kilometer. Die Unsicherheit betrug aber 100 Kilometer. Innerhalb der Fehlergrenzen ist Eris also gleich groß wie Pluto, dessen Durchmesser irgendwo zwischen 2300 und 2400 Kilometern liegen muss.

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Der Schatten von Eris zieht über die Erde – glücklicherweise liegen ein paar gute Sternwarten auf dem Weg

Glücklicherweise ergab sich letztes Jahr eine Gelegenheit, den Durchmesser von Eris so genau wie nie zuvor bestimmen zu können: Eine Sternbedeckung. So wie der Mond manchmal die Sonne bedeckt und es in bestimmten Bereichen der Erde finster wird, kann auch ein anderer Himmelskörper einen anderen Stern verdunkeln. Am 6. November 2010 zog Eris vor einem Stern im Sternbild Walfisch vorüber und verdunkelte ihn für wenige Sekunden bzw. Minuten (je nachdem wo man sich befand). Das konnte man messen und aus der Dauer der Bedeckung lässt sich die Größe von Eris berechnen. Je größer der Planet, desto länger wird der Stern finster bleiben. Nachdem die Daten nun gründlich ausgewertet wurden, weiß man nun, dass Eris einen Durchmesser von 2326 Kilometern hat. Die Ungenauigkeit beträgt jetzt nur noch 12 Kilometer. Ob Eris jetzt tatsächlich größer als Pluto ist oder nicht, kann man mit absoluter Sicherheit aber immer noch nicht sagen – dazu ist der Durchmesser von Pluto nicht genau genug bekannt. Da Pluto eine dünne Atmosphäre hat, lässt sich die Technik mit der Sternbedeckung bei ihm nur bedingt anwenden. Die Atmosphäre sorgt dafür, dass die Helligkeit nicht schlagartig abfällt sondern langsamer und die Messung wird ungenauer. So wie es momentan aussieht, sind Pluto und Eris in etwa gleich groß. Also doch “Zwillinge”?

Kommt darauf an, wie man “Zwillinge” definiert… Die Größe ist ja nur eine Eigenschaft, in der sich zwei Himmelskörper ähneln können. Mike Brown sagt das sehr deutlich:

“The precise size that an object has tells you almost nothing. Some objects will always be a little bigger, some a little smaller. There is nothing interesting in knowing that. What matters is approximate size. We have known for a long time that Pluto and Eris were approximately the same size. Nothing has changed there. No scientific value in knowing that any more precisely.”

Das Pluto und Eris in etwa gleich groß sind, wusste man vorher auch schon. Jetzt weiß man es genauer. Aber das wirklich wichtige Ergebnis der Messungen ist, dass man nun auch andere Parameter von Eris besser bestimmen kann. Eigentlich dachte man, dass Pluto und Eris beide ziemlich ähnlich aufgebaut sein müssten. Sie kommen beide aus der gleichen Gegend des Sonnensystems und sollten daher auch eine ähnliche Dichte haben. Und da die Masse von Eris schon ziemlich genau aus der Umlaufzeit von Eris’ Mond Dysnomia berechnet werden konnte (Drittes Keplersches Gesetz) und sich Eris als 27 Prozent schwerer als Pluto herausgestellt hat, vermutete man, dass Eris auch ein 27 Prozent größeres Volumen bzw. einen 9 Prozent größeren Durchmesser haben müsste. Jetzt wissen wir aber, das Eris und Pluto gleich groß sind. Wenn Eris also 27 Prozent mehr Masse hat, dann muss sie auch 27 Prozent dichter sein als Pluto! Ihr innerer Aufbau muss sich also deutlich von dem des Pluto unterscheiden! Pluto hat eine Dichte von 2 Gramm pro Kubikzentimeter und setzt sich aus 70 Prozent Gestein und 30 Prozent Eis zusammen.. Die Dichte von Eris beträgt 2.52 Gramm pro Kubikzentimeter. Daraus schließen die Astronomen, dass der Zwergplanet hauptsächlich aus Gestein besteht, bedeckt von einer vergleichsweise dünnen, nur millimeterdicken Schicht aus Eis. Das besteht aus gefrorenem Methan und Stickstoff und stellt vielleicht die ehemalige Atmosphäre von Eris dar, die ausgefroren ist, als der Himmelskörper sich auf seiner elliptischen Bahn von der Sonne entfernt hat

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Eris und ihr Mond Dysnomia (im Vordergrund), künstlerische Darstellung (Bild: ESO/L. Calçada)

Ok, Eris ist immer weit von der Sonne entfernt. Selbst an seinem sonnennächsten Punkt ist sie 38 astronomische Einheiten weit weg, also immer noch deutlich weiter als der fernste Planet (Neptun) und in etwa so weit wie Pluto. Am sonnenfernsten Punkt beträgt der Abstand aber 100 astronomische Einheiten und so weit weg von der Sonne ist es dann wirklich kalt! Auf der sonnigen Seite von Eris hat es -238 Grad Celsius. Nachts wird es noch kälter…

Pluto und Eris sind also weit davon entfernt, “Zwillinge” zu sein. Sie sind annähernd gleich groß. Aber dabei doch ganz unterschiedliche Himmelskörper! Bruno Sicardy, einer der leitenden Astronomen bei der Auswertung der Sternbedeckung meinte:

“Es ist wirklich erstaunlich, wie viel wir über ein so kleines und fernes Objekt wie Eris herausfinden können, indem wir mit vergleichsweise kleinen Teleskopen beobachten, wie es vor einem Stern vorbeizieht.”

Da hat er absolut recht!

Kommentare (22)

  1. #1 tim
    31. Oktober 2011

    deine videounterschrift ist falsch, ne? das ist doch der schatten vom mond und nicht eris

  2. #2 Florian Freistetter
    31. Oktober 2011

    @tim: Nein, das ist der Schatten von Eris. Es geht nicht um eine Sonnenfinsternis sondern um eine Sternbedeckung. D.h. Eris steht vor einem Stern und das Sternlicht wirft einen Schatten.

  3. #3 Bullet
    31. Oktober 2011

    Ich nehme an, das ist zur Veranschaulichung. Denn der Schattenkegel von Eris ist ja viel kleiner.

  4. #4 Florian Freistetter
    31. Oktober 2011

    @Bullet: Nein, keine Veranschaulichung. Ich zitiere aus der Bildunterschrift:

    This animation shows the path of the shadow of the dwarf planet Eris cast by a faint star as it crossed the Earth during the occultation during November 2010. The regions along the path saw the star briefly disappear as its light was blocked by Eris

    Wenn Eris 2300 km Durchmesser hat und die Lichtquelle (der Stern) quasi im Unendlichen liegt, dann ist der Schattenkegel ein Schattenzylinder mit einem Durchmesser von 2300 km.

  5. #5 tim
    31. Oktober 2011

    wow. ich verstehe jetzt. danke.

    hab die größenverhältnisse arg unterschätzt.

  6. #6 Kampfdenker
    31. Oktober 2011

    Im Bericht steht, dass Plutos Durchmesser noch nicht so genau bestimmt werden konnte wie bei Eris, da er eine Atmosphäre hat. Da es bei Eris gelang hat er wohl keine… Mich interessiert jetzt natürlich: wie stelle ich bei so einem “Punkt im Teleskop” fest, ob er eine Atmosphäre besitzt oder nicht?

  7. #7 Florian Freistetter
    31. Oktober 2011

    @Kampfdenker: “Mich interessiert jetzt natürlich: wie stelle ich bei so einem “Punkt im Teleskop” fest, ob er eine Atmosphäre besitzt oder nicht? “

    Zum Beispiel durch eine Sternbedeckung 😉 Sowas hat man bei Pluto 1988 und 2002 beobachtet und dabei gesehen, dass das Licht des Sterns nicht von einem Moment auf den nächsten verschwindet sondern zuerst ein wenig flackert, weil es durch eine Atmosphäre geht.

  8. #8 Wurgl
    31. Oktober 2011

    Ui das stell ich mir kompliziert vor. Zusätzlich kommt ja noch der Effekt der Gravitation von Eris auf das Licht hinzu.

  9. #9 Simon
    31. Oktober 2011

    oder mittels spektroskopie…

  10. #10 Bullet
    31. Oktober 2011

    Wenn Eris 2300 km Durchmesser hat und die Lichtquelle (der Stern) quasi im Unendlichen liegt, dann ist der Schattenkegel ein Schattenzylinder mit einem Durchmesser von 2300 km.

    Glasklar. Hab ich auch unterschätzt. Ich war zu sehr mit den “paar Sekunden” beschäftigt. Das waren nämlich fast zwei Minuten – und damit durchaus in der Größenordnung “Sonnenfinsternis”. Okay, war’s ja auch – nur eben nicht unsere Sonne.
    Perspektive is a bitch.

  11. #11 Dings
    31. Oktober 2011

    Wie gewohnt ein interessanter Artikel!

    Wenn ich mich nicht irre, habe ich einen winzigen Fehler gefunden: “…aus der Dauer Bedeckung lässt… “.

  12. #12 Alderamin
    31. Oktober 2011

    @Wurgl

    Ui das stell ich mir kompliziert vor. Zusätzlich kommt ja noch der Effekt der Gravitation von Eris auf das Licht hinzu.

    Nö, kann man bei so einem kleinen Körper und so kurzer Distanz vernachlässigen (spielt nur beim Microlensing von weit entfernten kompakten Objekten eine Rolle). Man misst einfach den Schattenwurf aus, der dann die Größe des Objekts widerspiegelt. So werden auch die Größen und Formen von unregelmäßig geformten Asteroiden gemessen. Es wurden dabei auch schon Monde entdeckt. Möglichst viele Beobachter werden senkrecht zur erwarteten Bedeckungslinie postiert und messen die Zeiten vom Beginn und vom Ende der Bedeckung. Damit erhält man viele Sekanten durch den vorüberziehenden Schatten des Asteroiden. Aus diesen ergibt sich ein Profil des Asteroiden.

  13. #13 Boron
    31. Oktober 2011

    Laut Wikipedia handelt es sich bei Eris um einen Zwergplaneten der Klasse der Plutoiden. Und von diesen ist Eris dem Pluto am ähnlichsten (gleiche Größe, beide haben einen Begleiter). Daher ist die Bezeichnung “Zwilling” jetzt soweit nicht hergeholt.

    @Schatten von Eris auf der Erdoberfläche:
    Ich dacht auch erst, dass das eigentlich der Mondschatten ist, aber man lässt sich wohl zu sehr davon irritieren, dass das in Lichtverhältnissen veranschaulicht wird, die für das menschliche Auge wahrnehmbar sind, was ja beim tatsächlichen Vorgang nicht so war.

  14. #14 Christian
    31. Oktober 2011

    Hallo Florian.
    Frage, habe gerade gelesen beim der P4 (Plutomond) Entdeckungsaufnahme hat man beim Hubble 8 Minuten “belichtet”. Gibts irgendeinen Grund warum man dass nicht viel länger macht ?
    Würden da charon, pluto alles überstrahlen ?. die hat man bei der entdeckung von P4, (und ich glaub uach bei nix, hydra nur softwaretechnisch ausgeblendet).

    Selbiges gilt ja auch bei eris. Da könnte man ja auch weitere monde vermuten ? Also warum keine 10h belichtung machen ?

  15. #15 Alderamin
    31. Oktober 2011

    @Christian

    Zum einen wohl wie Du sagst wegen der Helligkeit des Zwergplaneten, der seine Umgebung im Licht ertränken würde. Zum anderen bewegen sich etwaige Monde ja auch um Eris, d.h. sie würden zu Strichen verzerrt. Zum dritten weiß ich nicht, ob Hubble in der Lage ist, der Bewegung des Zwergplaneten nachzuführen (ist eigentlich eher die Bewegung der Erde relativ zum dem Zwergplaneten). Möglich, dass Hubble das mit seinen Kreiseln hinbekommen könnte, ist aber nicht sicher.

  16. #16 Florian Freistetter
    31. Oktober 2011

    @Christian: “Gibts irgendeinen Grund warum man dass nicht viel länger macht ? Würden da charon, pluto alles überstrahlen ?”

    Das auch. Aber vor allem würden sich dann haufenweise andere Astronomen aufregen und meckern, dass so viel Beobachtungszeit für nen popeligen Plutomond drauf geht, wo es doch noch so viel anderes im Universum zu beobachten gibt. Beobachtungszeit auf Weltraumteleskopen ist streng reglementiert und heiß umkämpft. Da muss man vorher detaillierte Anträge schreiben, jede Sekunde Beobachtungszeit rechtfertigen und dann hoffen, dass man zu den wenigen Glücklichen gehört, deren Anträge genehmigt werden. Um eine 10h-Belichtung von P4 durchzukriegen, muss man schon WIRKLICH gute Gründe nennen können um zu erklären, warum das sinnvoll ist…

  17. #17 Wurgl
    31. Oktober 2011

    @Christian

    Weil Beobachtungszeit bei Hubble endlich ist. Es stehen eben nur 192 Minuten am Tag zur Verfügung und es gibt verflixt viel Interessantes zu beobachten.

  18. #18 Jo
    31. Oktober 2011

    Man könnte jetzt anmerken, dass M. Sicardy und seine Mitstreiter in ihrem Artikel höchstselbst von einem “Zwilling” reden (wenn man ihn gelesen hätte, den Artikel). Und man könnte davon absehen, jede popelige Formulierung auf die Goldwaage zu legen. Dann müsste sich viele Blog-Autoren aber regelmäßig andere Aufmacher für ihre Posts überlegen. So ist natürlich einfacher, nachträglich den Dorfschulmeister zu geben. Pardon, Florian, ich glaube, du wärest mir im echten Leben grundsympathisch, aber hier bist du irgendwie vorhersagbar. Nichts für ungut!

  19. #19 Florian Freistetter
    31. Oktober 2011

    @Jo: “Pardon, Florian, ich glaube, du wärest mir im echten Leben grundsympathisch, aber hier bist du irgendwie vorhersagbar. Nichts für ungut! “

    Hmm – wenn es dich so sehr stört, wenn ich einen Artikel über Pluto und Eris schreibe und dazu anmerke, dass die Überschrift die diverse Medien dafür gewählt haben, nicht unbedingt korrekt ist, dann werden wir im echten Leben wohl auch nicht wirklich klar kommen…
    (P.S. Du hast also tatsächlich vorhergesagt, dass ich einen Artikel über die Zwillings-Formulierung schreiben wollte? Respekt. Ich glaubs dir nur nicht. Ich glaube, du hattest einfach Lust ein bisschen rumzumeckern… 😉 Ist ok, das muss jeder mal machen)

  20. #20 mr_mad_man
    31. Oktober 2011

    Weil Beobachtungszeit bei Hubble endlich ist. Es stehen eben nur 192 Minuten am Tag zur Verfügung Dazu ein Frage: Sind diese 192 Minuten die Zeit, die man “mieten” kann, und der Rest (1248 Minuten) ist vorab schon vergeben, oder ist das Teleskop in der Restzeit in einem Ruhemodus?

  21. #21 Wurgl
    31. Oktober 2011

    Argh! Keine Ahnung was ich da gerechnet hab oder hab ich was kopiert?

    *schäm*

    *in die Ecke stell*

    Man soll eben nicht zwei Dinge gleichzeitig machen.

  22. #22 Jens
    1. Dezember 2015

    Daraus das Eris eine größere Dichte als Pluto hat, schließt man das Eris eine dünnere Eisschicht umgibt. Man könnte doch aber auch schließen dass er einen Eisenkern hat oder ist das abwegig?