Unsere Welt ist voll mit den unterschiedlichsten Sachen. Wir haben eine Atmosphäre aus Sauerstoff und Stickstoff. Wir leben auf einem Planeten aus Eisen und Silizium. Wir bestehen aus Kohlenstoff und jeder Menge anderer Elemente. Das ist eigentlich erstaunlich, denn ursprünglich standen nur drei Elemente auf dem Arbeitszettel des Universum: Ganz viel Wasserstoff, ein bisschen Helium und eine kleine Prise Lithium. Mehr gab es am Anfang nicht. Den ganzen Rest musste sich der Kosmos erst mühsam selbst zusammen bauen.
Im ersten Schritt begannen die ursprünglichen Wasserstoff- und Heliumwolken zu kollabieren. Sie bildeten die allerersten Sterne, die sogenannte Population III. (Fragt nicht, warum es nicht “Population I” heißt. Astronomen sind manchmal sehr komisch, wenn es um Konventionen dieser Art geht.)
Im Inneren dieser Sterne wurden Wasserstoff und Helium fusioniert und es entstanden neue Elemente. Als die Sterne dann in großen Supernova-Explosionen ihr Leben aushauchten, wurden die neuen Elemente im All verteilt. Die eigentlich reinen Wasserstoff- und Heliumwolken enthielten nun also auch schwerere Elemente. Die Sterne, die daraus entstanden – die Population II – enthielten also von Anfang an nicht nur Wasserstoff und Helium sondern auch geringe Mengen von z.B. Kohlenstoff und Sauerstoff. Am Ende ihres Lebens hatten auch sie neue Elemente erzeugt, die wiederum ins All verteilt wurden. Die Sterne, die nun daraus entstanden, gehörten zur Population I. Unsere Sonne ist so ein Stern. Die Gaswolken aus der sie sich bildete, enthielt noch so viele schwere Elemente, dass genug übrig blieb, so dass sich Planeten wie die Erde bilden konnten.
Sterne der Populationen I und II kennt man jede Menge. Die Population III existiert bis jetzt aber nur in der Theorie. Sie sind enorm schwer zu finden. Da sie so kurz nach dem Urknall entstanden, müssen wir sie heute in gewaltigen Entfernungen suchen. Je weiter wir mit den Teleskopen blicken, desto älter sind die Objekte, die wir sehen. Je weiter wir blicken, desto schwerer ist es aber auch, überhaupt irgendwas zu sehen, von einzelnen Sternen gar nicht zu sprechen. Erschwerend hinzu kommt, dass die ersten Sterne alle sehr massereich waren und je schwerer ein Stern, desto kürzer lebt er. Population-III-Sterne sind also verdammt weit weg, kaum zu sehen und nach ihrer Entstehung gleich wieder verschwunden. Irgendwann werden unsere Teleskope sicher so weit sein, um sie zu entdecken. Aber noch ist es nicht so weit.
Eines der größten Teleskope die wir haben – das 10-Meter-Keck-Teleskope auf dem Mauna Kea in Hawaii – hat aber etwas anderes cooles entdeckt: Wolken aus ursprünglichem Wasserstoff und Helium! Genau die Art von Gaswolken also, aus denen Population-III-Sterne entstehen. Die beiden Wolken, die Michele Fumagalli und seine Kollegen gefunden haben, wurden zu einem Zeitpunkt beobachtet, als das Universum gerade mal 2 Milliarden Jahre alt war. Im Januar und April 2006 (Da sieht man mal wieder, wie lange es dauert, bis Daten ordentlich ausgewertet sind. Bzw. – was wahrscheinlicher ist – wie lange Daten oft ungenutzt rumliegen, bis jemand etwas Tolles damit anstellt) hat man spektroskopische Untersuchungen mit dem Keck-I-Teleskop gemacht und herausgefunden, dass die beiden Wolken tatsächlich nichts anderes enthalten, als Wasserstoff und Helium. Normalerweise findet man immer auch noch ein paar andere Elemente. Diesmal aber nicht. Es gab nur Wasserstoff und Helium. Das herauszufinden war nicht so einfach wie man vielleicht denken mag. Immerhin handelt es sich um dunkle, kalte Wolken die fast verdammt weit entfernt sind. Die sind schwer zu beobachten. Eigentlich sind sie gar nicht zu beobachten, aber Fumagalli und seine Kollegen hatten Glück. Es gab einen Quasar (das ist das aktive Zentrum einer Galaxie, das jede Menge Strahlung abgibt und deswegen auch noch in großen Entfernungen gut zu sehen ist), der noch weiter entfernt war als die Wolken und sein Licht durch sie hindurch schickte. Die Astronomen untersuchten also die Strahlung des Quasars und schauten nach, welcher Anteil von den Wolken absorbiert wurde. Daraus kann man ableiten, woraus sie bestehen. Die Details sind in der Arbeit “Detection of Pristine Gas Two Billion Years After the Big Bang” beschrieben, die kürzlich in “Science” veröffentlicht wurde. Darin schreiben sie auch:
“Therefore, if this gas were able to collapse further and shield from the ambient UV radiation, it would potentially give rise to PopIII stars two billion years after the transition between the first and second generation of stars (PopII) is thought to have occurred.”
Wenn diese Gaswolken also kollabieren würden, dann könnten daraus Population-III-Sterne entstehen – und das lange nachdem die Population-II-Sterne schon das Universum bevölkert haben. Wie viele solcher ungestörten, ursprünglichen Gaswolken da draußen noch sind, ist unklar. Das es noch solche Plätze mit original Urknallwasserstoff und -helium gibt, ist aber eine wichtige Entdeckung. Sie ermöglicht es, die Theorie der Elemententstehung beim Urknall zu verfeinern und zu überprüfen. Abgesehen davon ist es aber auch wahnsinnig cool, dass wir heute noch einen Blick auf Regionen werfen können, die sich seit dem Urknall quasi kaum verändert haben!
Michele Fumagalli, John M. O’Meara, & J. Xavier Prochaska (2011). Detection of Pristine Gas Two Billion Years after the Big Bang Science arXiv: 1111.2334v1
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