Unsere Welt ist voll mit den unterschiedlichsten Sachen. Wir haben eine Atmosphäre aus Sauerstoff und Stickstoff. Wir leben auf einem Planeten aus Eisen und Silizium. Wir bestehen aus Kohlenstoff und jeder Menge anderer Elemente. Das ist eigentlich erstaunlich, denn ursprünglich standen nur drei Elemente auf dem Arbeitszettel des Universum: Ganz viel Wasserstoff, ein bisschen Helium und eine kleine Prise Lithium. Mehr gab es am Anfang nicht. Den ganzen Rest musste sich der Kosmos erst mühsam selbst zusammen bauen.

Im ersten Schritt begannen die ursprünglichen Wasserstoff- und Heliumwolken zu kollabieren. Sie bildeten die allerersten Sterne, die sogenannte Population III. (Fragt nicht, warum es nicht “Population I” heißt. Astronomen sind manchmal sehr komisch, wenn es um Konventionen dieser Art geht.)

Im Inneren dieser Sterne wurden Wasserstoff und Helium fusioniert und es entstanden neue Elemente. Als die Sterne dann in großen Supernova-Explosionen ihr Leben aushauchten, wurden die neuen Elemente im All verteilt. Die eigentlich reinen Wasserstoff- und Heliumwolken enthielten nun also auch schwerere Elemente. Die Sterne, die daraus entstanden – die Population II – enthielten also von Anfang an nicht nur Wasserstoff und Helium sondern auch geringe Mengen von z.B. Kohlenstoff und Sauerstoff. Am Ende ihres Lebens hatten auch sie neue Elemente erzeugt, die wiederum ins All verteilt wurden. Die Sterne, die nun daraus entstanden, gehörten zur Population I. Unsere Sonne ist so ein Stern. Die Gaswolken aus der sie sich bildete, enthielt noch so viele schwere Elemente, dass genug übrig blieb, so dass sich Planeten wie die Erde bilden konnten.

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Es hat ein bisschen gedauert, bis genug Elemente da waren, um die Erde bilden zu können (Bild: NASA/CXC/M.Weiss)

Sterne der Populationen I und II kennt man jede Menge. Die Population III existiert bis jetzt aber nur in der Theorie. Sie sind enorm schwer zu finden. Da sie so kurz nach dem Urknall entstanden, müssen wir sie heute in gewaltigen Entfernungen suchen. Je weiter wir mit den Teleskopen blicken, desto älter sind die Objekte, die wir sehen. Je weiter wir blicken, desto schwerer ist es aber auch, überhaupt irgendwas zu sehen, von einzelnen Sternen gar nicht zu sprechen. Erschwerend hinzu kommt, dass die ersten Sterne alle sehr massereich waren und je schwerer ein Stern, desto kürzer lebt er. Population-III-Sterne sind also verdammt weit weg, kaum zu sehen und nach ihrer Entstehung gleich wieder verschwunden. Irgendwann werden unsere Teleskope sicher so weit sein, um sie zu entdecken. Aber noch ist es nicht so weit.

Eines der größten Teleskope die wir haben – das 10-Meter-Keck-Teleskope auf dem Mauna Kea in Hawaii – hat aber etwas anderes cooles entdeckt: Wolken aus ursprünglichem Wasserstoff und Helium! Genau die Art von Gaswolken also, aus denen Population-III-Sterne entstehen. Die beiden Wolken, die Michele Fumagalli und seine Kollegen gefunden haben, wurden zu einem Zeitpunkt beobachtet, als das Universum gerade mal 2 Milliarden Jahre alt war. Im Januar und April 2006 (Da sieht man mal wieder, wie lange es dauert, bis Daten ordentlich ausgewertet sind. Bzw. – was wahrscheinlicher ist – wie lange Daten oft ungenutzt rumliegen, bis jemand etwas Tolles damit anstellt) hat man spektroskopische Untersuchungen mit dem Keck-I-Teleskop gemacht und herausgefunden, dass die beiden Wolken tatsächlich nichts anderes enthalten, als Wasserstoff und Helium. Normalerweise findet man immer auch noch ein paar andere Elemente. Diesmal aber nicht. Es gab nur Wasserstoff und Helium. Das herauszufinden war nicht so einfach wie man vielleicht denken mag. Immerhin handelt es sich um dunkle, kalte Wolken die fast verdammt weit entfernt sind. Die sind schwer zu beobachten. Eigentlich sind sie gar nicht zu beobachten, aber Fumagalli und seine Kollegen hatten Glück. Es gab einen Quasar (das ist das aktive Zentrum einer Galaxie, das jede Menge Strahlung abgibt und deswegen auch noch in großen Entfernungen gut zu sehen ist), der noch weiter entfernt war als die Wolken und sein Licht durch sie hindurch schickte. Die Astronomen untersuchten also die Strahlung des Quasars und schauten nach, welcher Anteil von den Wolken absorbiert wurde. Daraus kann man ableiten, woraus sie bestehen. Die Details sind in der Arbeit “Detection of Pristine Gas Two Billion Years After the Big Bang” beschrieben, die kürzlich in “Science” veröffentlicht wurde. Darin schreiben sie auch:

“Therefore, if this gas were able to collapse further and shield from the ambient UV radiation, it would potentially give rise to PopIII stars two billion years after the transition between the first and second generation of stars (PopII) is thought to have occurred.”

Wenn diese Gaswolken also kollabieren würden, dann könnten daraus Population-III-Sterne entstehen – und das lange nachdem die Population-II-Sterne schon das Universum bevölkert haben. Wie viele solcher ungestörten, ursprünglichen Gaswolken da draußen noch sind, ist unklar. Das es noch solche Plätze mit original Urknallwasserstoff und -helium gibt, ist aber eine wichtige Entdeckung. Sie ermöglicht es, die Theorie der Elemententstehung beim Urknall zu verfeinern und zu überprüfen. Abgesehen davon ist es aber auch wahnsinnig cool, dass wir heute noch einen Blick auf Regionen werfen können, die sich seit dem Urknall quasi kaum verändert haben!


Michele Fumagalli, John M. O’Meara, & J. Xavier Prochaska (2011). Detection of Pristine Gas Two Billion Years after the Big Bang Science arXiv: 1111.2334v1

Kommentare (13)

  1. #1 Skeptikast
    11. November 2011

    Erster 🙂
    Wenn ich das richtig verstehe, “sehen” wir die regionen im Kosmos.
    Aber selbstredend haben sie sich ja verändert.
    Also laienhaft ausgedrückt:
    Mit einem tollen Teleskop aus 65 Mio. LJ Entfernung könnte man den Dinos beim aussterben zuschauen.
    Dino-Steak könnte man dann trotzdem keins kaufen.
    Insofern ist der heutige Titel ein Lockangebot,
    das nach deutschem Wettbewerbsrecht unzulässig ist.

  2. #2 Stefan W.
    11. November 2011

    Interessanter jedoch ist, wie Marzipankartoffeln entstanden sind.

    Heute, zum 11.11.11 werde ich jedoch Mutzemandeln ausprobieren – mal sehen, ob sie mir gelingen. 🙂

  3. #3 Bjoern
    11. November 2011

    Wow! Hätte nicht gedacht, dass solche Beobachtungen möglich sind… 🙂

    Aber das stimmt natürlich so nicht:

    …kalte Wolken die fast 12 Milliarden Lichtjahre weit entfernt sind.

    Wenn man die in dem Zustand beobachtet, den sie etwa 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall hatten, dann sind sie jetzt deutlich mehr als 12 Milliarden Lichtjahre weg…

  4. #4 Florian Freistetter
    11. November 2011

    @Bjoern: “Wenn man die in dem Zustand beobachtet, den sie etwa 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall hatten, dann sind sie jetzt deutlich mehr als 12 Milliarden Lichtjahre weg… “

    Hmm – tja, da hab ich mich von der Pressemitteilung irre führen lassen. Da stand:

    “Exactly how they can detect dark, cold, diffuse gas about 12 billion light-years away is a story in itself.”

    Ich werde in Zukunft Entfernungsangaben dieser Art einfach ganz weglassen. Leider kommt man ja mit Entfernungsangaben über die Rotverschiebung in allgemeinverständlichen Artikeln ohne größere Erklärungen nicht aus, sonst würd ich ja die nehmen…

  5. #5 Bjoern
    11. November 2011

    @Florian: Kennst du diesen Text von Ned Wright? 😉
    https://www.astro.ucla.edu/~wright/Dltt_is_Dumb.html

  6. #6 Wolfgang S.
    12. November 2011

    zum Thema Population 3 Sterne passt ganz gut diese neue Nasa Studie:

    https://www.nasa.gov/topics/universe/features/universe20111110.html

  7. #7 Wurgl
    12. November 2011

    ORIGINAL Wasserstoff und Helium, direkt vom Erzeuger!

    Vom Erzeuger? Soso! Und der Satz ist von einem bekennenden Atheisten?

    S,CNR 🙂

  8. #8 Noblinski
    12. November 2011

    Mir erscheint so eine Nachricht nicht interessant genug. Richtig aufregend würde ich finden, wenn man an dem Ur-H oder dem Ur-He etwas finden würde, was diese von in der jüngeren Vergangenheit entstandenen Atomen unterscheidet.

  9. #9 Florian Freistetter
    12. November 2011

    @Noblinski: “Mir erscheint so eine Nachricht nicht interessant genug.”

    Tja, mir schon. Kommt vor.

    “Richtig aufregend würde ich finden, wenn man an dem Ur-H oder dem Ur-He etwas finden würde, was diese von in der jüngeren Vergangenheit entstandenen Atomen unterscheidet. “

    Ja, nur ist diese Vorstellung absurd. Das wäre so, wie wenn du dir wünschen würdest, dass Mathematiker mal ein Quadrat finden, dass ganz anders als alle andern Quadrate. Ein H-Atom ist ein H-Atom ist ein H-Atom. Wenns anders wäre, wäre es kein H-Atom.

  10. #10 ZielWasserVermeider
    12. November 2011

    “ORIGINAL Wasserstoff und Helium, direkt vom Erzeuger! Ganz frisch! NOCH UNBENUTZT!!”

    Wird geliefert oder nur Selbstabholung?

    😉
    Oli

  11. #11 rolak
    12. November 2011

    Ganz modern, ZWV: Ein Drive-In für Bussarde.

  12. #12 rolak
    15. November 2011

    Nachschlag: Unter dem Siegel des Ethan hätte ich noch einen link zu einem Artikel über dasselbe Thema anzubieten.

  13. #13 florian-fan
    19. November 2011

    für mich ist florian freistetter der neue harald lesch (den ich sehr bewundere).ich will, dass florian ne eigene tv-sendung bekommt, oder zumindest nen video-blog startet! 🙂