Langsam gibt es immer mehr Informationen über den Meteor, der kürzlich über Russland explodiert ist. Die Medien mögen das Thema vielleicht ignorieren, die Wissenschaftler aber forschen natürlich weiter. Man hat mittlerweile einige Bruchstücke des Meteoriten gefunden. Und langsam wird auch klar, auf welcher Bahn sich der Asteroid vor dem Zusammenstoß mit der Erde bewegt hat.

Herauszufinden wo Meteoriten her kommen, ist nicht so einfach. Es ist sogar fast unmöglich, wenn man es nicht mit geologisch-chemisch ganz besonderen Stücken zu tun hat. Denn meistens findet man die Teile ja einfach irgendwo in der Gegend ohne genau zu wissen, wann und wie der Meteorit auf die Erde gefallen ist. Beim Meteorit von Tscheljabinsk war das anders. Diese Kollision wurde auf Dutzenden Kameras aufgezeichnet, Infraschallsensoren und Satelliten haben seinen Fall verfolgt und aus all diesen Daten kann man sich eine Bahn zusammenbasteln.

Wie man sowas anstellen kann, hat Blogger Stefan Geens schon kurz nach dem Ereignis in seinem Blog gezeigt. Er hat die Schatten analysiert, die das Licht des Meteors auf dem Platz der Revolution im Zentrum von Tscheljabinsk erzeugt hat. Der Meteor war enorm hell und die Straßenlaternen warfen einen Schatten. Einen Schatten, der sich bewegt, während der Meteor über den Himmel saust. Aus der Bewegung der Schatten kann man also die Bewegung des Meteors rekonstruieren. Inspiriert durch Geens’ Blogartikel haben sich Jorge Zuluaga und Ignacio Ferrin von der Universidad de Antioquia in Kolumbien ebenfalls an die Auswertung von Meteor-Videos aus Russland gemacht (A preliminary reconstruction of the orbit of the Chelyabinsk Meteoroid”). Auch sie verwendeten das Video der Straßenlaternen-Schatten aus Tscheljabinsk. Daraus bestimmten sie den “Brightening Point (BP)”, also den Punkt, an dem der Meteor hell genug wurde, um Schatten zu erzeugen und den “Fragmentation Point (FP), an dem der Meteorit auseinander brach. Zwischen BP und FP lagen laut Video genau 3,5 Sekunden. Aber mit einem Video alleine kann man noch keine komplette Bahn bestimmen. Man braucht noch mindestens 2 weitere Datenpunkte, um den Weg des Meteors durch die Atmosphäre festzulegen. Deswegen benutzten die Autoren noch eine Aufnahme aus der Kleinstadt Korkin, südlich von Tscheljabinsk, auf der der Meteor genau im Zenit, also genau senkrecht über dem Erdboden, zu sehen ist. Der dritte Punkt schließlich wird vom Loch im Eis des Cherbakul-Sees gebildet, das höchstwahrscheinlich durch den Einschlag eines Meteoritenteils verursacht wurde. Aus diesen Daten haben die Wissenschaftler schließlich die Flugbahn festlegen können. Das Resultat zeigt dieses Bild aus ihrem Artikel:

meteor

“C” markiert den Platz der Revolution in Tscheljabinsk, “K” ist Korkin und “L” ist der Cherbakul-See. Der Asteroid begann zwischen 32 und 47 Kilometer Höhe aufzuleuchten (BP) und hatte dabei eine Geschwindigkeit zwischen 13 und 19 Kilometer pro Sekunde. Aus dieser Flugbahn lässt sich dann mit viel Mathematik die Bahn des Asteroiden um die Sonne berechnen, die er vor der Kollision hatte. Demnach betrug die große Halbachse der Bahn (der mittlere Abstand zur Sonne) 1,73 Astronomische Einheiten (AE), also das 1,73fache des Abstands zwischen Erde und Sonne. Die Bahn war stark oval mit einer Exzentrizität von 0,51 (bei einer Kreisbahn wäre sie 0, der Maximalwert liegt bei 1). Die Bahn des Asteroiden lag fast in der Bahnebene der Erde, sie war um nur 3,45 Grad geneigt. Der sonnennächste Punkt der Asteroidenbahn lag fast auf Höhe der Venus, der sonnenfernste Punkt lag weit hinter dem Mars, im Asteroidengürtel.

Die Daten sind allerdings nicht sehr exakt, besonders der Wert für die große Halbachse schwankt stark und die Fehlergrenzen reichen von 1,4 bis 2,2 AE. Andere Rechnungen gehen von einer Halbachse von 1,55 AE aus. Die restlichen Daten der Bahn sind aber mittlerweile ziemlich gut bekannt und stimmen bei den verschiedenen Analysen überein. Dieses Video zeigt die Bahn noch einmal aus allen Blickwinkeln, bevor man am Ende der Bewegung des Asteroiden entlang der Bahn bis zur Kollision folgen kann:

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Kommentare (14)

  1. #1 advanced space propeller
    26. Februar 2013

    und ein superbolide

    CBET 3423 : 20130223 : TRAJECTORY AND ORBIT OF THE CHELYABINSK SUPERBOLIDE
    https://www.cbat.eps.harvard.edu/cbet/RecentCBETs.html

  2. #2 Wurgl
    26. Februar 2013

    Faszinierende Berechnungen. Gibt es schon einen eigenen Begriff für diese “Astroforensik” 🙂

  3. #3 Florian Freistetter
    26. Februar 2013

    @Wurgl: ” Gibt es schon einen eigenen Begriff für diese “Astroforensik” “

    Was genau meinst du? Die Berechnung der Bahnen von Himmelskörpern aus Beobachtungsdaten nennt man i.A. “Himmelsmechanik”.

  4. #4 Wurgl
    26. Februar 2013

    Naja, man errechnet aus der “Tat”, nämlich dem Einschlag, die Vorgeschichte des “Täters”, eben des Asteroiden. Sowas würde ich als Forensik bezeichnen. Dass da Himmelsmechanik ins Spiel kommt, ist klar. Aber die Faszination ist ja, aus den letzten Momenten das Vorleben zu rekonstruieren.

  5. #5 blödmannsgehilfe
    Kanaren
    26. Februar 2013

    Ich habe gehört, das Loch im Eis sei nicht Folge des Meteor/iten, sondern banalerweise durch Eisfischer entstanden. In verschiedenen Einstellungen wirkten die Kanten im Eis sehr glatt und die Form wirkte auch nicht wie durch einen Aufprall/ Einschlag entstanden – schon eher wie reingesägt.
    Gibt es da Näheres?
    Sollte das Loch nicht vom Meteoriten stammen, würde das die Bahn sicher etwas anders aussehen lassen … ?

  6. #6 Florian Freistetter
    26. Februar 2013

    @blödmannsgehilfe: “Ich habe gehört, das Loch im Eis sei nicht Folge des Meteor/iten, sondern banalerweise durch Eisfischer entstanden.”

    Soweit ich weiß haben sie beim Eis kleine Bruchstücke des Meteoriten gefunden. Aber ganz exakt wird man es wohl nie wissen – es sei denn, jemand taucht irgendwann doch nochmal das große Bruchstück an die Oberfläche…

  7. #7 Herbert
    26. Februar 2013

    Derzeit sind Geophysiker am Eisloch, und erste Messungen lassen vermuten, dass ein 50-70cm großer Stein etwa 1,5m tief im Schlamm steckt. Man will offenbar auch versuchen, den Stein zu heben.

  8. #8 Herbert
    26. Februar 2013

    Hier gibt es Bilder und ein Video von den heute stattgefundenen Tauchgängen. Geborgen wurde aber offenbar noch nichts:

    https://kuerzer.de/MeteorTauchen

  9. #9 roman
    Wien
    27. Februar 2013

    ganz netter artikel aber die kurz gehalten medien lassen solche sachen eher schnell „vergessen“ toll und cool das du die ganze sache noch nach geht’s, das ist des blogger überlegenheit…gruss aus wien

  10. #10 Nico
    27. Februar 2013

    Ja, ich hoffe auch, dass man die Anomalie besser orten und ihn tatsächlich bergen kann. Hier ist übrigens mein Senf dazu: https://zauberdersterne.wordpress.com/2013/02/25/10-tage-nach-dem-meteoritenfall-von-tscheljabinsk/

  11. #11 Anonymous
    27. Februar 2013

    […] wird bei Florian Freistetter beschrieben: die Auswertung der Schattenverlaeufe von Laternenmasten! (Der Meteor von Russland war ein Apollo ? Astrodicticum Simplex). Letztlich kommen aber alle zu demselben Schluss, dass der Meteorit von der Apollo-Gruppe der […]

  12. #12 Nico
    28. Februar 2013
  13. #13 Herr Senf
    8. März 2013

    Eine Aktualisierung der Bahnanalyse gab’s am 07.03.13 https://arxiv.org/abs/1303.1796

  14. […] und Herkunft des Asteroiden. Aus den wenigen Aufzeichnungen die man hatte, konnte man zumindest ein paar grobe Anhaltspunkte gewinnen. Carlos und Raúl de la Fuente Marcos von der Universität Madrid haben nun mehr herausgefunden. […]