Unser Gehirn merkt sich das, was es sich merken will und was es als relevant ansieht. Eine schwangere Frau sieht plötzlich überall andere schwangere Frauen und kleiner Kinder. Das liegt aber nicht daran, dass auf einmal tatsächlich eine Schwemme schwangerer Frauen das Land überrollt hat. Es gibt genau so viele wie sonst auch – nur sind sie der Frau früher nicht aufgefallen, weil Schwangerschaft und Kleinkinder für sie damals noch nicht relevant waren. Wir denken täglich aus den verschiedensten Gründen an jede Menge verschiedene Leute und vergessen diese Gedanken meistens schnell wieder. Wenn wir aber zufällig mal eine Person genau in dem Moment treffen, in dem wir an sie denken oder sie uns genau in diesem Moment am Telefon anruft, dann bleibt uns das im Gedächtnis! So entsteht Aberglaube – das gleiche Prinzip steckt zum Beispiel auch hinter der Behauptung, bei Vollmond gäbe dann mehr Verkehrsunfälle und ähnliches. Es gibt immer Unfälle. Aber unser Gehirn selektiert das, was gespeichert wird und dabei werden die “beeindruckenden” Ereignisse bevorzugt bzw. die, die das bestätigen, was wir sowieso schon glauben.

Wenn wir ein objektives Bild der Welt gewinnen wollen, dürfen wir uns nicht auf unsere subjektiven und selektiven Sinneseindrücke verlassen. Wir brauchen andere Methoden – zum Beispiel die Fotografie. Ein Foto zeigt uns das, was tatsächlich zu sehen ist und nicht nur das, was unser Gehirn sehen will. Ein Foto zeigt zum Beispiel auch den Bruder der Sängerin Dana auf einem Nazi-Aufmarsch. Im Tatort sind die Dinge in der Zwischenzeit ein wenig kompliziert geworden. Nicht nur hat sich der Bruder der “Rock gegen Rechts”-Sängerin selbst als Nazi herausgestellt, es gibt mittlerweile auch eine Leiche. Die Assistentin von Dana wurde erschlagen, als die gerade draußen unterwegs war. Dabei hatte sie allerdings Danas Mantel an und die Kommissare gehen davon aus, dass es sich um eine Verwechslung handelt. Eigentlich wollte man die Sängerin umbringen und die Nazis sind die Hauptverdächtigen. Immerhin haben die ihr vor dem Konzert jede Menge Drohbriefe geschickt. Und besagtes Foto zeigt, dass der Bruder mitten drin steckt in der Nazi-Szene. Bei dem Bild handelt es sich übrigens um ein schwarz-weiß Foto (ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wer es aufgenommen hat; es hing in so einer Dokumentationszentrum für Nazi-Aktivitäten oder so). Das hatte wahrscheinlich künstlerische Gründe (oder die farbige Tinte beim Drucker war alle!), denn im Zeitalter der Digitalfotografie sind bunte Bilder nicht schwerer zu machen als Bilder ohne Farbe.

Fotoapparat aus dem Jahr 1850. Wird bei Hipstern vermutlich demnächst wieder aktuell.

Fotoapparat aus dem Jahr 1850. Wird bei Hipstern vermutlich demnächst wieder aktuell.

Als die moderne Fotografie Ende des 18. Jahrhunderts erfunden wurde, war man froh, es überhaupt geschafft zu haben, die Welt auf Bilder zu bannen, ohne dafür auf die subjektiven Eindrücke von Malern vertrauen zu müssen. Die dafür nötige Technik hatte sich der französische Anwalt Joseph Nicéphore Niépce ausgedacht und sie basierte auf einem sogenannten photochemischen Verfahren. Damit bezeichnet man chemische Reaktionen, die auf die Anwesenheit von Licht reagieren. Das Licht macht die Dinge ja nicht einfach nur heller; es ist eine elektromagnetische Welle, in der eine gewissen Menge an Energie steckt. Und diese Energie kann auf Moleküle und Atome übertragen werden, die die Energie nutzen um sich mit anderen Elementen verbinden oder sich von ihnen zu trennen. Silberbromid ist genau so eine Verbindnung. Sie besteht aus den Elementen Silber und Brom und zerfällt, wenn Licht auf sie trifft. Dann verdampft das Brom und nur das Silber bleibt übrig. Man kann also Silberbromid auf eine dünne Gelschicht aufbringen und dann ein Bild darauf projizieren. An den dunklen Stellen tut sich nichts, aber dort wo das Licht hinfällt, zerfällt die Verbindung und die verbleibenden feinen Silberkörnchen erscheinen schwarz. Mit dieser Technik gelang es Niépce, dauerhafte Fotografien herzustellen. Er benutzte eine Kamera die über ein System von Linsen ein Bild der Umgebung auf eine Schicht aus Silberbromid warf und verschiedene Chemikalien, um die belichteten Silberkörner danach zu fixieren.

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Kommentare (14)

  1. #1 werner
    9. August 2013

    Der “Tatort”, war schon seit der ersten Folge (“Taxi nach Leipzig”, 1970) in Farbe. Farbfernsehen gibt’s in D seit 1967.

  2. #2 André
    9. August 2013

    Hallo Florian,
    Kleine Anmerkung: Ich glaube, du meinst „Als die moderne Fotografie Ende des _19._ Jahrhunderts erfunden wurde […]“, oder?

  3. #3 rolak
    9. August 2013

    seit der ersten Folge in Farbe

    Wie sagt Radio Eriwan so schön, werner: Im Prinzip ja, aber nicht zu 100%.

    Oberschlägernazi

    Schräge Kreation, Florian – als Bezeichnung einer leider zu gut bekannten Kreatur.

    was uns die Tatortschreiber mitteilen wollen

    Ebenfalls kA – wie wäre es zB mit “shit happens”?

  4. #4 Florian Freistetter
    9. August 2013

    Ich bin ja schon gespannt auf den 18. August. Da kommt die erste neue Tatort-Folge (also für mich; ich hab ja erst vor ein paar Wochen mit dem Tatort-schauen angefangen). Geht um Religion, Sekten und anderen komischen Kram: https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/tatort/sendung/geburtstagskind-100.html

    Bin schon gespannt, ob mir da ein zur Sendung passendes wissenschaftliches Thema einfällt…

  5. #5 Andreas Abendroth
    9. August 2013

    Ich bin mir sicher, dass Dir da etwas einfällt, in Ankündigung steht ja z.B. was von DNA-Analyse und Vaterschaftstest. Da kannst Du bestimmt was zu schreiben. Und zu Religion und dem anderen komischen Kram gibt es bestimmt irgendwas psychologisches anzumerken.
    Viel Spaß noch weiterhin mit dem Tatort – wirst Du dein Fernsehkrimischauen auch auf den Polizeiruf ausdehnen?

  6. #6 Florian Freistetter
    9. August 2013

    @André: “Kleine Anmerkung: Ich glaube, du meinst „Als die moderne Fotografie Ende des _19._ Jahrhunderts erfunden wurde […]“, oder?”

    Ne, das passt schon. Niépce hat mit seiner Arbeit an den chemischen Grundlagen der Fotografie in den 1790er Jahren begonnen. Die älteste erhaltene Fotografie ist von 1826.

  7. #7 Florian Freistetter
    9. August 2013

    @Andreas: “in Ankündigung steht ja z.B. was von DNA-Analyse und Vaterschaftstest. Da kannst Du bestimmt was zu schreiben.”

    Naja, es soll ja explizit NICHT darum gehen, die Handlungselemente der Serie wissenschaftlich zu erklären, sondern den Tatort als Anlass zu nehmen, um die Wissenschaft hinter den Dingen – im Alltag – zu erklären; also das, was man normalerweise übersieht. Eine DNA-Analyse zu erklären wenn im Tatort eine DNA-Analyse vorkommt passt nicht so ganz in mein Konzept. Aber mal schauen…

  8. #8 André
    9. August 2013

    @Florian: Ups, das wusste ich nicht! Ich kannte bloß den Blick aus dem Arbeitszimmer von 1826, nicht seine Vorarbeiten dazu. Mich hat dann wohl der Begriff “moderne” Fotografie verwirrt. Ich dachte, damit wäre die massentauglichen Techniken gemeint, die Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden.

  9. #9 werner
    9. August 2013

    @rolak: Da gilt dann wohl wieder mal: Ausnahmen bestätigen die Regel. (Bloss, damit Du recht hast !!!?).

  10. #10 rolak
    10. August 2013

    damit Du recht hast !!!?

    Na bei nicht mal einer halben von bald 888 Folgen bleibt aber von ‘Recht haben’ äußerst wenig übrig, werner, sollte auch mehr der Hinweis auf eine Kuriosität, keine Korrektur sein. Außerdem ist Deine Begründung viel zu gut, erinnere mich noch an Willy Brandt, wie er nach Countdown so einen dicken (Fake)Buzzer drückte zum Einschalten der Fabe. Hat bei uns daheim allerdings nichts genutzt, lag aber wohl mehr am ollen s/w-Röhrenmonster, bei dem nur das Gehäuse in farblich bzw furnierbraun daherkam.
    Eine der ersten erlebten Farbsendungen hats mir fast direkt wieder verleidet – das war eine Wiederholung (ja, das gabs immer schon) einer Cher-Show, die mir in s/w hervorzüglich gefallen hatte – während in bunt die grelle Schminke eher Alpträume forcierte.

  11. #11 Andreas Abendroth
    10. August 2013

    @Florian: Achso, danke für die Aufklärung. Vielleicht könntest Du da etwas allgemein über die DNA sagen – wie sie aufgebaut ist, wie sie funktioniert…. Ich wollte ja auch nur sagen, dass Du bestimmt etwas finden wirst beim Schauen des Tatorts.

  12. #12 Hoimrdengr
    10. August 2013

    >Fotos zu machen geht schnell, kostet kaum
    >noch etwas und ist so simpel, dass es jeder kann.
    >
    Aber nur wenn’s erlaubt wird. Gerade wenn die Polizei am Tatort ist…
    https://news.techeye.net/security/apple-patents-tech-to-let-cops-switch-off-iphone-video-camera-and-wi-fi

  13. #13 Florian Freistetter
    https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/
    10. August 2013

    @Andreas Abendroth: “Achso, danke für die Aufklärung. “

    Ich hab das Konzept hier erklärt: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2013/07/30/tatort-wissenschaft-wieviel-wissenschaft-steckt-im-krimi/

  14. […] Selektive Wahrnehmung und Photochemie in “Schwelbrand”, Astrodicticum simplex am 9. August […]