Gestern habe ich euch den sehr lesenswerten Gastbeitrag von Michael Scholz über Kaspar Hauser präsentiert; heute gibt es noch einen kleinen Nachschlag. Michael hat sich nicht nur mit Kaspar Hauser selbst beschäftigt, sondern auch mit einer speziellen Episode aus seinem Leben: Dem Versuch, ihn homöopathisch zu behandeln. Was er dabei herausgefunden hat, könnt ihr im heutigen Gastbeitrag nachlesen.

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“My friend the witch doctor, he taught me what to do” – oder –
Die homöopathischen Versuche des Georg Friedrich Daumer an Kaspar Hauser

Das Phänomen Kaspar Hauser und einige der Mythen, die sich um ihn ranken, wurden ja bereits im letzten Artikel beleuchtet. Ein Aspekt von Hausers Leben nach seiner Ankunft in Nürnberg war allerdings nie so recht bekannt und soll, da er tatsächlich noch Auswirkungen auf die heutige Zeit hat, hier dargestellt werden.

Georg Friedrich Daumer, der erste Erzieher Kaspar Hausers, war ein typisches Kind seiner Zeit und hatte ein großes Interesse an Religionstheorie und Esoterik aller Art. So interessierte er sich für Mesmerismus, Traumdeutung und auch Homöopathie. Hier stand er auch im Briefwechsel mit Samuel Hahnemann selbst.

Bei Kaspar Hauser zeigten sich angeblich, wie Daumer in seinen „Mittheilungen über Kaspar Hauser“ ausführte, starke Wechselwirkungen mit diversen Substanzen. Dies konnten Blumen, „Weinbeeren“, Spinnen, Mineralien, Metalle oder auch Glas sein. Daumer führte hier nun Untersuchungen durch, welche Wirkungen bei welcher Substanz eintraten. Hierbei nahm er Rücksicht auf die vorgeblich schwächliche Konstitution seines Probanden. Auffällig bei diesen Versuchen ist nun auch, dass Hauser diese Substanzen in den seltensten Fällen auch direkt berührte, angeblich zeigte sich die Wirkung bereits auf große Entfernung, was auch zu folgender Anekdote führte, die Daumer berichtet: „Er saß einst am Klavier, als ein Mann hereintrat, der Summen Silbergeldes in einem Sacke trug und diesen drei bis vier Schritte weit von ihm auf den Tisch legte. Er hörte auf zu spielen und blickte mit verstörten Mienen auf den Tisch und den Mann hin, stand dann auf und begab sich, den Schweiß von der Stirne wischend, in ein Nebengemach, wartend, der Mann entfernt hatte. Das Geld im Sacke hatte diese Wirkung auf ihn gehabt.“ (1) Auch Diamanten, Quecksilber oder Gold zeigten angeblich derartige Wirkungen. Interessant ist auch diese Ausführung Daumers: „Als ich die Rückseite eines kleinen Spiegels gegen ihn hielt spürte er den Zug 9 Schritte weit.“ (1)

Aus Gläsern konnte Hauser angeblich nur unter Schmerzen trinken und die Berührung mit einem Diamanten zog durch den Arm in die Brust und verursachte Herzschmerzen. (1) Ob später auch die mit Diamanten verzierten Geschenke des Lord Stanhope ihm derartige Herzschmerzen verursachten, ist leider nicht überliefert.

Liest man sich die Berichte Daumers durch, so reagierte Hause auf alle möglichen Gegenstände äußerst heftig; darunter hauptsächlich Metalle wie Kupfer. Selbst wenn, wie oben berichtet, kein physischer Kontakt vorlag, zeigte er Krankheitssymptome. Es reichte bereits, dass er an einer Kirche vorbei lief, schon spürte er den „Atem der Toten“ aus der Krypta und er zeigte Symptome. Also ein prächtiger Kandidat für homöopathische Versuche.

Bei Versuchen verwendete Daumer hierfür auch höhere Potenzierungen als heute üblich sind. Auch legte er hohen Wert auf die Feststellung, dass Kaspar Hauser diese homöopathischen Essenzen niemals eingenommen hatte, sondern die Reaktion lediglich durch riechen erfolgte. (2) Teilweise roch Hauser an den Essenzen selbst, teilweise an Stöpseln der Gefäße. Bei der Gabe von Ipecacuanha zum Beispiel wird angegeben, dass Hauser aus zwei Schritt Entfernung an den Zuckerkügelchen roch. (4)

Daumer verabreicht Hauser folgende homöopathischen Heilmittel(4):
Dezember 1828 Schwefel
17. Januar 1829 Silicea (Kieselerde)
16. Mai 1829 Ipecacuanha (Brechwurzel)
17. Mai 1829 Nux vomica (Gewöhnliche Brechnuss)
16. Juni 1829 Sepia (Tintenfisch)
17. Juli 1829 Arnica
18. August 1829 Calcarea (Austernschale)
4. Oktober 1829 Nux vomica (Gewöhnliche Brechnuss)
17. Oktober 1829 Aconit VIII (Eisenhut)
17. Oktober 1829 Mesmerismus-Experiment
15. November 1829 Lycopodium (Bärlappe)
Winter 1830 Rhus (Giftefeu)
28. Mai 1830 Nux vomica (Gewöhnliche Brechnuss)
15. Juli 1830 Nux vomica (Gewöhnliche Brechnuss)
9. August 1830 Nux vomica (Gewöhnliche Brechnuss)
13. August 1830 Arnica
2. August 1831 Silicea (Kieselerde)
10. November 1831 Tinct. Sulphuris (Schwefel)

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Kommentare (21)

  1. #1 schrittmacherm
    13. August 2013

    O.k., lassen wir die Globulie weg und das Riechen (Schmecken und Metabolisieren).
    Was wären denn Alternativdiagnosen zur Ursache der beschriebenen Beschwerden und andere qualitative Symptomatik der Empfindungen?

    Wenn ich etwa an so manchen Schwefelverbindungen rieche, bekomme ich auch allerhand Symptome. Gänsehaut zuweilen, Ekelgefühle, …usw.

  2. #2 Zhar The Mad
    13. August 2013

    wenn ich draußen spatzieren gehe rieche ich andauernt “hochpotenzirte” stoffe, sei es irgendwelche säuren, schwefelverbindungen, oder – öhm ja, glas oder metalle, und was sollich sagen? mir gehts eigentlich recht gut dabei..
    aber hey, einzelschicksale(was an sich ja sowieso kein beleg ist) zählen ja in der Homöopathie nur wenn sie die eigene schulweisheit untermauern.

  3. #3 Zhar The Mad
    13. August 2013

    ..ähm.. der beitrag war übrigens ein informativer einblick für den ich mich bedanken möchte, gerne mehr von der entstehung und zementierung dieser lehren. ist wirklich interessant.

  4. #4 Erzähler
    Stuttgart
    13. August 2013

    Siehe auch den “berühmten” Nürnberger-Kochsalz-Versuch aus dem Jahre 1835. Nach dem Tode von Dr. Preu 1832 war Dr. Johann Jakob Reuter gewissermaßen sein Nachfolger in Nürnberg. Er stand im Clinch mit Dr. von Hoven (auch Hoven schrieb über Kaspar H.). Außerdem: zu den homöopathischen und anderen Experimenten mit Kaspar H. existieren noch mehr zeitgenössische Quellen. Teils in den “Vorläufigen Mitteilungen” Daumers in der Zeitung “Das Inland” abgedruckt (sind abzugleichen mit seinem späteren Buch), teils aus den von Gottlieb von Tucher hinterlassenen Schriftstücken, teils aus Briefen weiterer Personen. Die von Herrn Scholz bereits genannte “Gruppe” um Daumer / Preu / Tucher sammelte und experimentierte rege. P.J.A. von Feuerbach hatte sie enthusiastisch dazu aufgefordert, übernahm aber nicht alles in sein Kaspar-Hauser-Buch. Daumer selbst schrieb später, dass er noch mehr habe, es aber zurückhalte. Er hatte doch auch ein wenig kalte Füße bekommen und begann an manchen Aussagen Kaspars zu zweifeln. Letztlich war es zu spät, wie Tucher steckte er viel zu sehr in der Affäre drin, ein Zurück gab es nicht mehr – also voll durchgezogen.

  5. #5 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com
    13. August 2013

    Schade, dass Hahnemann noch keine Handymasten kannte. Ich glaube ja nicht dass die Symptome Hausers auf die Substanzen zurückzuführen sind, sondern dass er Handystrahlen aus der Zukunft empfangen hat.

    Spontane Schmerzspitzen waren einfach SMSes, die hundertfünfzig bis 200 Jahre später an exact der Stelle empfangen wurden. Hey, Wissenschaftler, widerlegt das!

    Die Theorie ist doch wirklich so bekloppt dass man sich wundern muss, dass die Homöopathen da noch nicht selbst drauf gekommen sind.

  6. #6 Spritkopf
    13. August 2013

    Berücksichtigt man, wie weit zurück sich die damalige Medizin gegenüber heute befand, erscheint es mir nicht angemessen, von Naivität oder von Dummheit im Falle von Hahnemann oder auch von Daumer zu reden. Vor 200 Jahren hatte man schlicht nicht die heutigen naturwissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse zur Verfügung, um die Homöopathie als den Unsinn zu entlarven, der sie ist.

    Weiterhin halte ich es für falsch, nur die beiden Möglichkeiten anzunehmen, dass entweder Daumer ein skrupelloser Homöopath oder Hauser ein gewiefter Betrüger gewesen sein mußte. Was spricht dagegen, dass Daumer ernsthaft die Homöopathie für eine sinnvolle Heilungsmethode hielt, wenn es selbst heute trotz überwältigender wissenschaftlicher Gegenbelege noch Menschen gibt, die daran glauben? Was spricht dagegen, dass Hauser bewußt oder unbewußt die Erwartungshaltung seines Lehrers erfüllte und diesem damit die Freude einer “wissenschaftlichen Bestätigung” bereitete (selbst wenn es sich aus heutiger Sicht lediglich um eine durch starken Bias gefärbte Anekdote handelte)?

  7. #7 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com/2013/08/03/sackgasse-christentum
    13. August 2013

    @Spritkopf

    Ich wäre nicht so eifrig im Entschuldigen dieser Figuren. Es gab schon Dampfmaschinen und Gifte, Hefeteig und alkoholische Gärung.

    Wenn jmd. mit einem Geldbeutel den Raum betritt – Frage eins – und dabei die beschriebenen Reaktionen bei Herrn Hauser auslöst, wieso liegt es dann am Geld und nicht am Beutel? War das vielleicht nordspanisches Büffelleder oder südbritischer Tweet?

    Frage zwei: Wieso sollen seltsame Phänomene die sich nur bei einer Person, jenem Kaspar beobachten lassen, auf andere Menschen übertragen lassen?

    Richtig ist ja, dass man nicht mit heutigen Maßstäben in die Vergangenheit schauen soll, ohne sich zu überlegen, was die damaligen Bedingungen waren. Umgekehrt braucht man aber die Vergangenheit nicht zu verklären und kann getrost annehmen dass es auch damals bereits Scharlatane und Betrüger, Idioten und Psychotiker gegeben hat.

  8. #8 schrittmacherm
    13. August 2013

    Doppelblind war da damals sicher nichts.

    Aber welchen Grund sollte Hauser gehabt haben, eine Show bezüglich Schmerzen hinzulegen? Stuhlgang kann man gut in der Schüssel kontrollieren. Geruchsqualia ist eh ein Bewusstseinskonstrukt und wenig “belegbar”… was das Problem noch verkompliziert.
    Synästesie ist eine ähnliche Funktion, die nicht belegbar sei, aber dennoch existent.

  9. #9 Spritkopf
    13. August 2013

    @Stefan W.

    Ich wäre nicht so eifrig im Entschuldigen dieser Figuren.

    Ich entschuldige gar nichts. Ich halte lediglich die vorliegenden Informationen für zu dünn, um etwas Stichhaltiges über die Beweggründe von Daumer und Hauser sagen zu können.

    Es gab schon Dampfmaschinen und Gifte, Hefeteig und alkoholische Gärung.

    Alkoholische Gärung gabs schon seit dem Altertum. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass man wußte, was bei ihr wirklich passiert. Und was die Existenz von Dampfmaschinen mit dem Unterschied zwischen damaligen und heutigen Erkenntnissen über die Homöopathie zu tun hat, erschließt sich mir gerade nicht.

    Wenn jmd. mit einem Geldbeutel den Raum betritt – Frage eins – und dabei die beschriebenen Reaktionen bei Herrn Hauser auslöst, wieso liegt es dann am Geld und nicht am Beutel?

    Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst. Dass Daumer möglicherweise etwas entdecken WOLLTE und dies – quelle surprise! – tatsächlich entdeckte, streite ich gar nicht ab und habe ich selbst schon angedeutet.

    Frage zwei: Wieso sollen seltsame Phänomene die sich nur bei einer Person, jenem Kaspar beobachten lassen, auf andere Menschen übertragen lassen?

    Weil man damals so gut wie gar nichts darüber wußte, wie die Sinnesorgane eigentlich arbeiten. Mich wundert es jedenfalls nicht, dass Daumer aus heutiger Sicht absurde Vorstellungen für möglich hielt, insbesondere wenn er, wie ich vermute, nicht viel medizinische Vorbildung besaß.

  10. #10 Erzähler
    Stuttgart
    13. August 2013

    Nicht nur aus heutiger Sicht, schon damals war er ja umstritten, das sollte nicht übersehen werden. Er war auch ein Anhänger der Ritualmordlegenden, etwa bzgl. der Damaskusaffäre von 1840. Lag da nun Heinrich Heine falsch oder Daumer? Kritik ist notwendig, keine die Daumer verteufelt, aber auch keine überzeitliche Relativierung. Es war, was es war und es gibt viele Briefe Daumers, die vor allem eines beweisen, seine völlig naive Sichtweise, die andererseits nicht vor völlig haltlosen Verdächtigungen zurückschreckten. Das hatte bei ihm System und insofern ist der völlig naive, gutgläubige, menschenfreundliche Daumer eine Fiktion.

  11. #11 Michael Scholz
    14. August 2013

    Über Daumer und seine Versuche an Kaspar Hauser lässt sich natürlich noch einiges mehr schreiben. Der vorliegende Artikel soll ja auch nur ein Einblick in das Thema sein. Gerade die Mesmerismus-Experimente sind recht spannend. Besonders schade finde ich, dass gerade in ernst zu nehmenden Publikationen diese Thematik entweder gar nicht auftaucht oder nur kurz gestreift wird. Auf der anderen Seite wird aber immer wieder von Esoterikern darauf eingegangen und natürlich so ausgelegt, dass sie in diese Weltsicht passen. Nur am Rande ist anzumerken, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Esoteriker auch Anhänger der sog. Erbprinzentheorie sind. Einige halten ihn aber auch für den letzten Bewohner von Atlantis, einen außerirdischen Hybriden oder eine frühere Reinkarnation von Carmilla Parker-Bowles. (Und das ist jetzt kein Scherz!)
    Daumer ist sicherlich kein einfacher Charakter, gerade wenn man einige seiner Briefe kennt, kann die These vom naiven Esoteriker nicht untermauert werden. Meiner Meinung nach basierten diese Versuche auf einer Zweckgemeinschaft der beiden. Hauser wusste sicherlich, was von ihm erwartet wird und hat genau das abgeliefert. Und Daumer konnte sich in seinen esoterischen Kreisen damit profilieren, woran ihn nach eigenem Bekunden auch viel lag. Böse Absicht scheint hier aber nicht die treibende Kraft gewesen zu sein, sondern eher die allzu menschliche Eitelkeit.

  12. #12 Spritkopf
    14. August 2013

    Nur am Rande ist anzumerken, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Esoteriker auch Anhänger der sog. Erbprinzentheorie sind. Einige halten ihn aber auch für den letzten Bewohner von Atlantis, einen außerirdischen Hybriden oder eine frühere Reinkarnation von Carmilla Parker-Bowles. (Und das ist jetzt kein Scherz!)

    Das finde ich lustig, insbesondere wenn man ins Kalkül zieht, dass ihr Ehemann ja ebenfalls Esoteriker ist und gerade Schlagzeilen wegen seines Lobbyismus für die von ihm verkauften Zuckerkügelchen produziert.
    https://www.spiegel.de/panorama/leute/lobbyismus-prince-charles-soll-keine-gesetze-billigen-a-916401.html

  13. #13 Till
    Dresden
    14. August 2013

    Habe meinen Beitrag zu diesem Artikel leider beim falschen Kaspar Hauser Artikel gepostet:

    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2013/08/12/kaspar-hauser-aenigma-sui-temporis/#comment-213158

  14. #14 Erzähler
    14. August 2013

    @Michael Scholz: “Naiv” war Daumer auf eine andere Weise, nicht als “Esotheriker”, denn diesen Begriff würde ich nicht ins frühe 19. Jhdt. zurück verlagern. Was da u.a. an Hauser “ausprobiert” wurde ging z.T. aus der Schellingschen Naturphilosophie hervor, kam von Gotthilf Heinrich Schubert, aus dem Mesmerismus, dem Brownismus und – aus der Aufklärung! Selbst damalige reformpädagogische Ideen gehörten dazu, nicht zuletzt gab es in Nürnberg einige Zeit die Erziehungs- u. Unterrichtsanstalt von Hermann und Dittmar und einige der beschäftigten Lehrer finden sich dann auch um Hauser wieder. Aber auch Daumers pädagogischer “Kontrahent”, Karl Ludwig Roth, war von Hauser zunächst begeistert und unerkannt flossen Passagen aus seinen Beobachtungen in Feuerbachs (Senior, nicht Ludwig, der selbst an den Experimenten beteiligt war) Buch mit ein. Und so nimmt es nicht Wunder, dass an den Beobachtungen, Befragungen und Experimenten eben nicht nur Daumer, Preu und Tucher teil nahmen, sondern fast ein dutzend Leute, die zu diesem Kreis gehörten und die auch namentlich alle “rekonstruierbar” sind. Die meisten äußerten sich später nie wieder über diese, ihre “frühe” Tätigkeit. Denn bis auf Preu waren es junge, aufstrebende Wissenschaftler, meist um die 30 Jahre, viele Abgänger der Uni Erlangen. All ihre Beobachtungen liefen bei Daumer zusammen, der sie sammelte und, man darf wohl sagen, “sortierte”. Deswegen reichte Daumer in seinen Schriften über Hauser lebenslang immer wieder Informationen nach, besonders dann, wenn er sich zu rechtfertigen müssen glaubte. So aber liegt ein Sammelsurium vor, das Homöopathie, Mesmerismus, Somnambulismus, Tellurismus, usw. umfasste. Über die Sitzung mit einer Somnambulen vom Dezember 1829 liegt sogar ein leider nur teilveröffentlichtes Protokoll vor, wobei Kaspar natürlich wusste, was man mit ihm vor hatte. Diese Sitzung beförderte den Glauben, dass Hauser von hohen Mächten nachgestellt werde. Eine böse Absicht unterstelle ich Daumer nicht, aber eine unkritische (naive) und selbstverliebte Herangehensweise. Andererseits neigte er zur Schmähsucht und Denunziation gegenüber jenen, die wirklich zu zweifeln begannen. Ohne jeden Skrupel, gerade in seinen Briefen an den später mit ihm zerfallenen Philosophen Ludwig Feuerbach, streute er Verdachtsmomente über Verdachtsmomente. Übrigens wenig bzgl. des Badischen Hauses, aber gegen Stanhope und den Lehrer Mayer aus Ansbach. Logo, denn dieser Lehrer Mayer hatte den “abgehobenen” Nürnbergern vorgeworfen, überhaupt nicht erkannt zu haben, dass Hauser offenbar eine Volksschule besucht haben musste. Doch dieser Mayer war eben ein bildungsferner Brutalinski. Merkwürdig nur, dass er mit einem der liberalsten bayerischen Landtagsabgeordneten seiner Zeit eine Kleinkinderschule in Ansbach begründete und nebenbei, wegen Vakanz, die israelitische Schule betreute. Die Atlantis-und Parker-Bowles Absurditäten sind marginal, viel wichtiger ist darauf hinzuweisen, dass rechtsesotherische Texte bzgl. Hauser im Web kursieren, die wegen ihrer Verlinkungen und medialen Bedeutsamkeit im Web, nebst dubioser TV-Kanäle, dunkle Mächte, westliche Freimaurer (aha, der verrückte, heimtückische Stanhope lässt grüßen) und mehr oder weniger direkt die Juden hinter der “Ermordung” von Hauser sehen. Das ist eine späte Frucht Daumers und Tuchers, auch wenn beide, keine “böse Absicht” hatten. Und kein anthroposophischer Hauserforscher, oder auch der Doyen Pies, hat je darauf hingewiesen, dass mit dem Nürnberger Rechtsakzessisten Rudolf Giehrl, der gerne als Kronzeuge und Verteidiger Hausers gegen den skeptischen Preussen Merker aufgeführt wird, ein knalliger Frühantisemit herangezogen wurde. Der Fall Kaspar Hauser ist also komplex, Betonung auf sehr komplex! Aber mir hat der Beitrag von Michael Scholz gut gefallen, keine Frage.

  15. #15 Liebenswuerdiges Scheusal
    16. August 2013

    @Erzähler

    Wie schön wär dein Text wenn er ein bisserl strukturiert wäre. Absätze sind da schon mal sehr hilfreich 😉

  16. #16 Claudine
    Ludwigsburg
    26. Mai 2022

    Es ist sehr schade, wie schnell hier bewertet und vorallem abgewertet wird, was nicht für alle Menschen gleichermaßen greifbar ist. Somit verschließt ihr Eurem eigenen Geist jegliche Erfahrungen auf anderen geistigen und feinsinnigen Ebenen.
    Ich arbeite mit Tieren und behandele diese bei Bedarf mit Homöopathie. Fakt ist nunmal, dass bei Tieren, der gerne zitierte Placebo Effekt nicht greift. Tiere geben direkte, klare und ehrliche Rückmeldungen. Was ich hierbei an nachhaltiger Heilung erleben darf ist weder Betrug, Interpretation oder dergleichen.
    Homöopathie wirkt in den sehr hohen Potenzen auf sehr feinstofflicher Ebene. Wenn ich als Person mich nie ernsthaft und interessiert damit auseinandergesetzt habe, ist es eine Dreistigkeit darüber zu urteilen und zum eigenen Erklärungsnotstand diese wundervollen Möglichkeiten in etikettierten Schubladen zu stecken. So einfach funktioniert Leben nicht – und das ist das wunderbare daran.

  17. #17 RainerO
    26. Mai 2022

    @ Claudine
    Ich danke für den Beitrag zum Bullshitbingo-Training. Oder ist das ernst gemeint?

  18. #18 Captain E.
    27. Mai 2022

    @Claudine:

    Dir ist schon klar, dass die (ehemalige) Homöopathie-Ärztin Natalie Grams sich genauso wie du über die Kritik an diesem Verfahren geärgert hatte? In Folge schrieb sie ein Buch, dass eigentlich eine Verteidigung der Homöopathie hätte werden sollen. Ihre Recherchen ergaben indes, dass die Kritiker völlig recht hatten: Alle gängigen Erklärungen der Homöopathie-Befürworter sind völliger Quatsch! Und tatsächlich hat auch meines Wissen noch niemals eine Homöopathie-Studie beweisen können, dass es besser wird als der bekannte Placebo-Effekt. Das ist selbstverständlich noch kein Beweis, aber zumindest ein starkes Indiz. Mit anderen Worten: Die Homöopathie ist fast sicher nicht mehr als eine praktische Anwendung des Placebo-Effekts – allerdings auch nicht weniger.

    Deine Argumentation, der Placebo-Effekt könne bei Tieren nicht funktionieren und die Wirksamkeit der Homöopathie wäre damit nachgewiesen, ist aber leider auch nicht stichhaltig. Tiere sind rechtlich Dinge, aber bei weitem nicht die seelen- und emotionslosen Roboter, zu denen manche Menschen sie einst haben machen wollen. Es sind fühlende Lebewesen, deren Empathie ziemlich ausgeprägt ist. Viele Tiere, z.B. Hunde und Pferde, verstehen auf empathische Art und Weise uns Menschen womöglich weit besser als umgekehrt. Wenn du also einem kranken Tier Globuli verabreichst, tust du das ja nicht rüde und emotionslos. Nein, du wirst sicherlich beruhigend mit ihm sprechen und es dabei vermutlich auch streicheln. Wie kommt das bei einem Tier an? Ganz klar, mit diesem tiefen Gefühl: “Dieses eigenartige Lebewesen sorgt und kümmert sich um mich.” Und genau damit sind die Voraussetzungen für das Einsetzen des Placebo-Effekts bereits gegeben.

  19. #19 Florian Freistetter
    27. Mai 2022

    @Claudine: “Fakt ist nunmal, dass bei Tieren, der gerne zitierte Placebo Effekt nicht greift.”

    Das ist ein Argument, das oft verwendet wird. Aber wenn man ein wenig genauer schaut, was bei der Interaktion zwischen Mensch und Tier passiert, gibt es genug Möglichkeit, auch hier einen Placebo-Effekt wirken zu sehen. Vielleicht interessiert dich das ja; wenn du so viel mit Tieren arbeitest, dann ist es sicher auch interessant für dich zu wissen, wie dein Verhalten (auch) auf die Gesundheit der Tiere einwirken kann, ganz unabhängig von Homöopathie: https://www.derstandard.at/story/2000011546699/homoeopathie-wirkt

  20. #20 RainerO
    29. Mai 2022

    @ Claudine

    ist es sicher auch interessant für dich zu wissen, wie dein Verhalten (auch) auf die Gesundheit der Tiere einwirken kann…

    Dazu gibt es auch eine aktuelle Studie.

  21. #21 Bullet
    4. Juni 2022

    “Homöopathie wirkt in den sehr hohen Potenzen auf sehr feinstofflicher Ebene.”
    Wenn doch nur ein einziger Vertreter (oder, um die Balance zu wahren, auch gerne eine Vertreterin) auch nur ein einziges Mal
    a) erklären könnte, was genau “feinstofflich” ist
    b) ein Meßverfahren präsentieren könnte, das verläßlich und reproduzierbar irgendwas “feinstoffliches” anzeigt
    c) schlüssig erläutern könnte, was ausgerechnet Homöopathie damit zu tun haben soll,

    … ich wäre höchst erfreut. Doch leider hat – Obacht nun, Claudine – hier auf den deutschen Scienceblogs in den letzten 13 Jahren, in denen ich in vielen Artikeln des Herrn Freistetter oder auch Herrn Berger u.a. mitgelesen und -diskutiert habe, nicht ein einziger Befürworter (oder, um die Balance zu wahren, auch gerne eine einzige Befürworterin) auch nur einen – man verzeihe mir das Wortspiel – homöopathischen Ansatz einer nachvollziehbaren und/oder zumindest glaubwürdigen Grundlage für diesen den Naturgesetzen leider komplett widersprechenden Dung geben können. Die Homöopathie verneint systematisch die Existenz von Atomen. Nicht verwunderlich, da Herr Hahnemann sein Märchengespinst ersann, bevor Mr. Dalton aus England 1808 das Buch A New System of Chemical Philosophy veröffentlichte.

    Jeder einzelne Verfechter der Homöopathie, der je hier seine Stimme erhob, tat dies mit krächzendem Gestammel ohne Sinn und Verstand – und schon gar nicht mit einer eindeutigen Methode, mittels derer zu zeigen war, daß
    a) die behaupteten “Erkenntnisse” der Homöopathie auf methodisch untadligem Weg erlangt worden waren,
    b) das behauptete Konstrukt der Homöopathie sich sauber in die Naturwissenschaften einfügt und nicht in krassem Widerspruch zu wirklich allen anderen Erkenntnisen der Physik und Chemie steht (wobei natürlich hier süffisant einzuwerfen ist, daß die Physik ansonsten recht präzise als Wegweiser zur Erfindung der tollsten noch kurz zuvor undenkbaren Werkzeuge eignet – wie beispielsweise der Entwicklung des technischen Geräts, an dessen Bildteil diese kleine Abhandlung gelesen werden kann)
    und natürlich c) das behauptete System der Homöopathie Vorhersagen zuläßt, die mittels genauer noch nie durchgeführter Untersuchung bestätigt werden können. So ist es beispielsweise noch nie einem “Experten” der Homöopathie gelungen, Zuckerkugeln der Variante “C200 Phosphorus” von solchen derer “C200 Argentum nitr.” zu unterscheiden, wenn ein flegelhaftes Subjekt vor der Probe die Etiketten der Zuckerkugel-Flaschen stibitzte. Und das sei nur eine Fingerübung, wenn es in der Tat einen Unterschied gäbe.

    Gibt es den? Wer behauptet dies, ohne dann den Nachweis führen zu können?