Der Herbst hat – zumindest meteorologisch – schon begonnen und draußen ist es wieder regnerisch, kalt und es wird früh dunkel. Die ideale Zeit, um wieder ein bisschen mehr zu lesen also! Ich habe also eine kleine Auswahl an Büchern zusammengestellt, die mir in den letzten Wochen besonders gut gefallen haben – und weil ich ja sonst meistens nur Sachbücher empfehle, hab ich diesmal ein paar Romane rausgesucht.

Das größere Wunder

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Der österreichische Autor Thomas Glavinic hat vor kurzem sein neuestes Buch veröffentlicht. Es heißt “Das größere Wunder” und ich weiß nicht so recht, wie ich es beschreiben soll. Der Literaturkritiker, der es gestern im Deutschlandfunk verrissen hat, fand es doof, unglaubwürdig und naiv. Ich fand es großartig. Klar, die Handlung mag ein wenig absurd erscheinen, aber das ist man ja von Glavinic’ Büchern schon gewohnt und gegen Absurdität ist eigentlich nichts einzuwenden. Das Buch ist aber vor allem eines, das man nicht mehr aus der Hand legen kann, wenn man einmal angefangen hat. Glavinic erzählt die Geschichte von Jonas (der aber nichts mit den Jonassen seiner anderen Bücher zu tun hat), der aus einer zerrütteten Familie kommt und schließlich vom Großvater eines Freundes aufgezogen wird. Der ist nicht nur stinkreich sondern auch so eine Art Mafiapate und die Kindheit und Jugend ist entsprechend seltsam und aufregend. Als Erwachsener erbt Jonas das große Vermögen, reist um die Welt und macht sinnlose Dinge (wie zum Beispiel einen Eisenbahnwaggon von einem Abstellgleis in Neuseeland zu einem Abstellgleis in Österreich zu transportieren oder sich ein gigantisches Baumhaus in der norwegischen Wildnis zu bauen). Und natürlich verliebt er sich… Parallel zu diesem Entwicklungsroman erzählt Glavinic eine zweite Geschichte, bei der Jonas den Mount Everest besteigt. So absurd und seltsam die erste Geschichte erscheinen mag, so real und exakt recherchiert ist die Geschichte dieser Himalaya-Expedition. Erst am Ende werden die beiden Handlungsstränge zusammengeführt.

Wie gesagt – ich bin kein Literaturkritiker und kann/will nicht beurteilen, ob das jetzt hohe Literatur ist oder nicht oder ob das Buch zu Recht oder Unrecht auf der Longlist des Deutschen Buchpreis 2013 steht. Ich hab das Buch gelesen, ich fand es enorm fesselnd und ich kann euch nur empfehlen, es ebenfalls zu lesen.

Stephen Fry

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Ich empfehle euch hingegen nicht, die Bücher von Stephen Fry zu lesen. Ich befehle es euch! Lest alles, was Stephen Fry geschrieben hat! Schaut euch alle Filme, Dokumentation und Fernseherien (besonders “Kingdom”) an, in denen Stephen Fry mitgespielt hat. Lest sein Blog und folgt ihm auf Twitter. Stephen Fry ist höchst genial! Und äußerst vielfältig.

In “Geschichte machen” (im original “Making History”) schreibt er eine klassische Zeitreise-Geschichte: Was würde passieren, wenn man in die Vergangenheit reist und dafür sorgt, dass Adolf Hitler nicht geboren wird? In “Der Sterne Tennisbälle” (im original “The Stars’ Tennis Balls”) erzählt Fry eine höchst originelle moderne Version von “Der Graf von Monte Christo” und zeigt fast noch besser als Dumas, wozu Rache fähig sein kann. In “Das Nilpferd” (im Original “The Hippopotamus”) geht es um geheimnisvolle und mystische Vorgänge in einem englischen Schloss die eine höchst absurde Auflösung finden und “Der Lügner” (im Original “The Liar”) ist eine autobiografische gefärbte Studenten/Agenten-Geschichte die komplexer ist als alles, was James Bond jemals getan hat. Und wenn ihr mit den Roman von Fry durch seid, dann wird euch nichts anderes übrig bleiben, als auch seine Autobiografie zu lesen, die zu den besten Biografien gehört, die mir bis jetzt untergekommen sind. Und das, obwohl sie nur die erste Hälfte seines Lebens umfassen und auch dafür noch zwei Bände nötig waren: “Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend” (im Original “Moab Is My Washpot”) und “Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre” (im Original “The Fry Chronicles”). Wer Stephen Fry nicht kennt, der hat definitiv etwas verpasst!

Fool on the Hill

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Das gilt auch für Matt Ruff. Sein Buch “Fool on the Hill” (heißt
im Original genau so) habe ich das erste Mal im Jahr 1998 gelesen und seit dem immer wieder. Es ist der beste Campus-Roman, den ich kenne – aber nicht nur das. Es ist eine Fantasy-Geschichte, eine Liebesgeschichte und ganz allgemein ein höchst absurdes Sammelsurium aus Realität und Fantasie (Hmm – irgendwie sind alle Bücher die ich heute hier vorstelle, eine absurde Mischung aus Realität und Fantasie. Aber das war nicht geplant…). Die Geschichte spielt an der Cornell-Universität und die ist real. Nicht real sind dagegen Studentenverbindungen wie die Bohemia oder die Tolkienia (obwohl es sicherlich cool wäre, wenn man ein unterirdisches Riesenplanetarium in eine Kopie des Walds von Lothlorien transformiert und dort während des Studiums wohnen könnte). Und vermutlich gibt es in Cornell auch keine Vorlesungen für Hunde oder Kobolde, die im Glockenturm der Uni wohnen. Am Ende läuft das ganze Genre-Mischmasch auf den klassischen Kampf von Gut gegen Böse hinaus und “klassisch” ist hier wörtlich zu nehmen, denn die finale Schlacht findet zwischen dem Schriftsteller S.T. George und einem großen feuerspeienden Drachen statt… Lest “Fool on the Hill”! Es ist definitiv das beste Buch von Matt Ruff (und lasst euch nicht abschrecken, wenn ihre andere Bücher von Ruff kennt und sie euch nicht gefallen – Ruff wechselt von Buch zu Buch Genre und Stil und man kann sie kaum miteinander vergleichen).

Eine kurze Geschichte

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Nachdem ich festgestellt habe, dass ich hier bis jetzt hauptsächlich absurde, halbreale Geschichten empfohlen habe, muss ich am Schluss doch noch was handfestes vorschlagen: “Meine kurze Geschichte” (im Original “My Brief History”) von Stephen Hawking. Das kürzlich erschienene Buch ist die Autobiografie des großen Physikers in der er seine ganz persönliche Geschichte erzählt. Es behandelt Hawkings Kindheit, seine Ausbildung und sein Studium und erklärt, wie Hawking sich für sein Forschungsgebiet – die Physik schwarzer Löcher – entschieden hat. Hawking erzählt von seinem Privatleben und seiner Krankheit und dem Einfluss des einen auf das andere. Er spricht von seinen beiden Ehen, seinen Kindern und seinem Erfolg in den Medien und der Öffentlichkeitsarbeit. Das sind viele verschiedene Themen und ist daher sehr schade, dass die Geschichte von Hawking tatsächlich sehr kurz ist. Das Buch hat gerade mal 160 Seiten und man wünscht sich oft, Hawking hätte die Zeit gefunden, sein Leben oder seine Arbeit (gerade wenn es wissenschaftlich wird, ist die Knappheit dem Verständnis oft abträglich) etwas ausführlicher zu schildern. Andererseits ist es ja schon erstaunlich genug, dass Hawking mit seiner Krankheit überhaupt noch in der Lage ist zu kommunizieren und Texte zu verfassen und man kann kaum erwarten, dass er einen 1000seitigen Wälzer abliefert. Es ist auf jeden Fall faszinierend, das Leben eines der bekanntesten Wissenschaftler der heutigen Zeit in dessen eigenen Worten nachlesen zu können.

Ich hab natürlich in den letzten Wochen noch ein paar mehr Bücher gelesen – aber wenn ich hier jedes Buch vorstelle, dass ich gelesen habe, würde ich sonst zu nichts mehr kommen… Aber vielleicht habt ihr ja ein paar Empfehlungen für mich? Immer her damit!

Kommentare (18)

  1. #1 Michael S.
    12. September 2013

    Meine absolute Leseempfehlung ist Vea Kaiser “Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam”. Herrlich skurril und hat wenigstens noch einen wissenschaftlichen Ansatz.

  2. #2 Florian Freistetter
    12. September 2013

    @Michael: “Meine absolute Leseempfehlung ist Vea Kaiser “Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam”. Herrlich skurril und hat wenigstens noch einen wissenschaftlichen Ansatz.”

    Ja, das hab ich schon länger im Kopf. Habs aber bis jetzt noch nicht geschafft, es zu besorgen und zu lesen.

  3. #3 tina
    12. September 2013

    Dave Eggers: Ein Hologramm für den König.

    Hab ich vor kurzem gelesen und fand es einfach klasse.
    Kernthema des Romans ist die Globalisierung mit ihren
    absurden Folgen. Ein verzweifelter, ziemlich abgehalfterter, so gut wie bankrotter Manager landet in einem Zelt in Saudi-Arabien. Dort soll er für den König den neuesten IT-Schnickschnack – ein Hologramm – präsentieren. Der König lässt allerdings auf sich warten und auch ansonsten klappt eigentlich nichts so wie geplant. Dafür passieren eine Menge andere reichlich unerwartete Dinge – absurde, traurige und lustige.

  4. #4 Florian Freistetter
    12. September 2013

    Apropos König! Jetzt fällt mir ein, welches Buch ich noch empfehlen wollte. Passend zur Bundestagswahl: “Ein König für Deutschland” von Andreas Eschbach. Sehr instruktiv was das deutsche Wahlsystem angeht…

  5. #5 rolak
    12. September 2013

    Sehr instruktiv was das deutsche Wahlsystem angeht

    Da war ein auf dem Gebiet wesentlich mehr als ich Wissender allerdings anderer Meinung, Florian. Mir waren der VT-Anteil zu hoch und die IT-Aspekte deutlich zu hohl, in etwa analog zu den Glasbaustein-Computer-Reparaturen bei der Raumpatrouille¹, deswegen hatte ich mal wegen dieses Aspektes des Werkes angefragt.
    Insgesamt versprach das Buch am Anfang viel und baute sehr schnell sehr stark ab.
    Selbstverständlich alles meine subjektive Wertung.
    _____
    ¹ Und das war noch ferne SciFi, nicht ’15 minutes into the future’ wie bei Eschbach.

     

  6. #6 PDP10
    12. September 2013

    Ha! Also kennt doch noch jemand ausser mir “Fool on the Hill”!
    (Und ich habs schon 1992 oder so gelesen 🙂 )

    Grossartiges Buch!

    Lesebefehl auch von mir!

    “Benjamin Frankliiiiiin!”

  7. #7 peer
    13. September 2013

    Mein Buch des Jahres ist bislang “Weit gegangen” von Dave Eggers. Und ich bleibe dabei: Wer “Die verlorene Stadt Z” noch nicht gelesen hat, der hat umsonst gelebt….
    Oder zumindest sollte er es jetzt schleunigst nachholen!

  8. #8 rolak
    13. September 2013

    schleunigst nachholen!

    Melde gehorsamst, es diesen Sommer erledigt gehabt zu haben, peer. Am Anfang ein wenig drüsch, steigert sich aber zum nicht mehr Weglegen-Wollen. Trotzdem: Das Leben ginge auch prima ohne dieses Buch…

  9. #9 Thomas Teucher
    13. September 2013

    Ist mehr als 25 Jahre her (1988 erschienen?), dass ich Fool on the Hill gelesen habe, hat mich damals aber nicht sonderlich beeindruckt, obwohl ich es in-einem-Rutsch las; vieleicht sollte ich es doch noch einmal mir zur Brust nehmen. Empfehlen könnte ich Danielewskis (hoffentlich richtig geschrieben): House of Leaves

  10. #10 peer
    13. September 2013

    @Rolak: War auch nicht 100%ig ernst gemneint – aber ist halt wirklich ein gutes Buch. 🙂

    House of Leaves -Ja, ebenfalls klasse!
    David Mitchells Number 9 Dream kann ich ebenfalls empfehlen, wenns ein bisschen abgefahrener sein darf. Oder IQ84 von Murakami.

    Bestes Non-Fiction dieses Jahr war wohl Switeks “My beloved Brontosaurus”.

  11. #11 rolak
    13. September 2013

    nicht 100% — ein gutes

    Meins auch nicht — Sag ich doch, peer.

    Mein Aktuelles, Ray Kurzweils “How to create a mind’, kann ich eingeschränkt (erst bei p80) uneingeschränkt empfehlen, es wird trotz des sicherlich nicht einfachen Themas dem Namen seines Autors gerecht. Bloß – es ist in keiner Weise seltsam. Ok, mer könnt sich jetz erusrede daß es sehr seltsam wäre, welch seltsame Vorstellungen viele Menschen über das Denken hegen trotz des aktuellen Wissensstandes, doch das wäre billig.

    Das letzte von mir gelesene Buch mit dem Prädikat ‘seltsam’ war Leonie Swann: Glenkill und ein Kracher. Mehrfach unfähig des Weiterlesens wg Lachanfällen oder mindscape-fugues. Shaun goes apparent real.

    Und die vergoldete Luxuskirsche auf diesem Sahnehäubchen: Gefunden wurde es in einem zum Sperrgut anstehenden Karton. Unfaßbar. Eigentlich sogar unverschämt, eingedenk der mittlerweile doch reichlich vorhandenen Büchertausch-Depots.
    Hmmm, vielleicht sollte so eine Art Büchernot-Hilfe / Bücher-Nothilfe in die Welt gesetzt werden, Sie melden an, wir holen (möglichst) ab. Je nach Bedarf zu Fuß, Fahrrad, +Hänger, Auto, +Hänger, An-225. Verteilt organisiert, freiwillig, Tauschdepot- bzw Altpapier-bestückend.

  12. #12 inuken
    13. September 2013

    Mal eine frage….hast du jemals die Bücher von David Mitchell probiert? Die beschreibung der oben von dir erwähnten erinnert mich nämlich einwenig an ihn. Ich rede besonders von “Chaos” und “Der Wolkenatlas”

  13. #13 Florian Freistetter
    13. September 2013

    @inuken: Ne, die kenne ich noch nicht; hab aber schon davon gehört. Werd ich wohl auch auf die Liste setzen müssen.

  14. #14 Peer
    13. September 2013

    Chaos ist imho sein schwaechstes, die einzelnen teile, sind eher kurzgeschichten. Wolkenatlas ist sehr cool, schon wegen der unterschiedlichen Stile.

  15. #15 Liebenswuerdiges Scheusal
    15. September 2013

    Ich mach auch mit beim Bücherempfehlen:
    Roy Lewis: Edward (Wie ich zum Menschen wurde) kam 1960 raus und wurde jetzt neu beim Unionsverlag aufgelegt. Der Weg vom Affen zum Menschen (inkl. Endeckung der Beherrschbarkeit des Feuers). Ein Roman!

    Geert Mak: Amerika. Auf den Spuren John Steinbecks auf Rundreise durch Amerika, 50 Jahre nach dem Steinbeck die Reise unternahm.

    Und Blasmusikpop kann ich auch nur wärmstens empfehlen.

  16. #16 nastes
    18. September 2013

    @Florian
    Danke für die Bücherrezensionen, da habe ich mir schon öfters einige Anregungen geholt.

    Und wer es gerne bizarr mag:
    Warren Ellis: Crooked Little Vein
    Ist mein persönliches highlight dieses Jahr, aber sicher nicht jedermans Sache.

    Schönen Tag noch,
    nastes

  17. #17 C.E.
    29. September 2013

    Ich möchte an dieser Stelle Gert Prokop einbringen. “Wer stiehlt schon Unterschenkel” und “Der Samenbankraub”. Ende der 70er Jahre entstanden, futuristisch. Damals. Heute ist man, bin ich, bestürzt, was davon mittlerweile schon Realität geworden ist.

    Viele Grüße,
    Christian

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