Weihnachten kommt immer näher und damit auch meine alljährlichen Weihnachtsbuchempfehlungen. Bevor es dann demnächst so weit ist, möchte ich noch über die Bücher schreiben, die ich in letzter Zeit gelesen habe und die zwar recht interessant, aber nicht so enorm beeindruckend waren um sie in den “offiziellen” Empfehlungsartikel aufzunehmen. Den Anfang in dieser Reihe macht das Buch “Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam” von Harald Lesch.

Oder besser gesagt: Nicht von Harald Lesch. Denn der ist nur der Herausgeber und hat Vorwort und Nachwort des Buchs geschrieben. Der eigentliche Inhalt stammt von sieben anderen Autoren (Martin Dittgen, Timothy Hall, Matthias Helsen, Florian Schlagintweit, Judith Selig, Floian Zeller, Roman Zitlau), die aber am Buchumschlag nicht genannt werden.

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Im Juli 2012 wurde die Entdeckung des Higgs-Teilchens bekannt gegeben und im Oktober 2013 gab es den Nobelpreis für Peter Higgs und Francois Englert. Es ist also durchaus an der Zeit, das Thema mal ausführlich und in aller nötigen Länge in einem allgemeinverständlichen Buch zu beschreiben. Es ist allerdings ein wenig überraschend, dass dieses Buch nun von Harald Lesch kommt. Immerhin meinte er damals kurz nach der Entdeckung, dass wir uns besser mit anderen Dingen beschäftigen sollten:

“Es gibt so viele andere Dinge, die viele Menschen auch nicht verstehen, die aber wirklich wichtig sind. Den Klimawandel zum Beispiel. Dafür sollten wir uns interessieren – und darüber sprechen, warum sich die Mehrheit dafür nicht zu interessieren scheint. Das Higgs bleibt am äußersten Rand der Wirklichkeit. Beschäftigen wir uns lieber mit realen Dingen.”

Aber es ist schön zu sehen, dass er seine Meinung geändert hat und nun zumindest als Herausgeber eines Buches zum Thema fungiert. Es ist allerdings nicht das Buch, das ich mir zu diesem Thema gewünscht hätte. Auf nur knapp 160 Seiten findet man neben Vor- und Nachwort von Lesch sechs Beiträge die sich mit verschiedenen Aspekten der Higgs-Geschichte beschäftigen. Zuerst schreibt Matthias Helsen über “Higgs und der Journalismus”. Dieser kurze Artikel enthält nicht viele neue Informationen und beschränkt sich im wesentlichen darauf festzustellen, dass die Medien es bei der Berichterstattung gerne übertreiben und reißerische Begriffe wie “Gottesteilchen” oder “Urknallmaschine” verwenden, was man eigentlich vermeiden sollte. Passenderweise trägt das nächste Kapitel von Timothy Hall dann gleich den Titel “Von ‘Urknall-Maschinen’, ‘Gottesteilchen’ und schwarzen Löchern”. Dort wird kurz erläutert, was es mit diesen Begriffen auf sich hat und wie ernst Geschichten über angeblich gefährliche schwarze Löcher zu nehmen sind (gar nicht). Das längste Kapitel des Buches stammt von Roman Zitlau, heißt “Rätsel und Kuriositäten in der Welt der allerkleinsten Dinge” und bietet eine kurze Einführung in die Grundlagen der Teilchenphysik. In “Treffen sich zwei Protonen” erklärt Judith Selig den Teilchenbeschleuniger LHC und im folgenden Kapitel “ATLAS und CMS – zwei Weltmaschinen auf der Suche nach Higgs” stellen Florian Schlagintweit und Florian Zeller die beiden großen Detektoren des LHC vor. Und schließlich erklärt das letzte Kapitel von Martin P. Dittgen “Das Higgs-Teilchen aus dem Blickwinkel der Theoretischen Physik” und den eigentlichen Higgs-Mechanismus. Dann folgt das abschließende Kapitel “Higgs und fertig?” von Harald Lesch und noch drei Seiten zum kürzlich verliehenen Nobelpreis.

Was die Themen der einzelnen Kapitel angeht gibt es eigentlich nicht viel zu kritisieren. Was die Umsetzung betrifft dagegen einiges. Am Ende des Buchs beschreiben die Autoren, wie das Buch entstand. Sie besuchten alle eine Astronomievorlesung von Harald Lesch der meinte, er hätte ein Buchangebot von einem Verlag und das könnte ein “schönes Projekt für Studenten” sein. Und genau so liest sich das Buch leider auch: Wie das Projekt von Studenten. Das ist weder abwertend noch böse gemeint! Wären die einzelnen Beiträge zum Beispiel als Artikel in einem Blog erschienen gäbe es kaum etwas, worüber man sich beschweren könnte. Aber als Hardcover-Buch im Bertelsmann-Verlag unter dem Namen von Harald Lesch erwartet man sich dann doch etwas anderes als eine recht inhomogene Sammlung von studentischen Aufsätzen.

Der Stil ist teilweise ein wenig hölzern – und die Artikel sind auch nicht wirklich aufeinander abgestimmt. Timothy Hall beschwert sich zum Beispiel in seinem Kapitel darüber, dass das Experiment am LHC “Urknallsimulation” genannt wird:

“Leider ließen sich einige Wissenschaftler dazu hinreißen, das Großexperiment ‘Urknallsimulation’ zu nennen. Ein wundervoller Begriff, perfekt geeignet fürs Marketing. Dazu ist eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass im LHC natürlich keine ‘Urknallsimulation’ stattfindet.”

Und ein bisschen weiter hinten im Buch schreibt dann Judith Selig über das ALICE-Experiment:

“Es soll den Urknall im Labor untersuchen.”

Das Buch ist auch eine seltsame Mischung aus zu wenig Information und zu viel Details. Die beiden Teilchendetektoren ATLAS und CMS werden in höchstem Detail beschrieben, was zwar interessant ist, weil in den meisten anderen Artikel zu diesem Thema auf die technischen Aspekte selten so genau eingegangen wird. Aber die vielen Zahlen und technischen Daten wirken ein wenig fehl am Platz wenn dagegen ebenso interessante Aspekte der Teilchenphysik in wenigen kurzen Sätzen abgehandelt werden. Wenn da zum Beispiel das Standardmodell der Teilchenphysik erklärt wird und man über zukünftige Erweiterungen dieses Modells nur erfährt:

“Theorie wie die Stringtheorie sagen vorher, dass es zusätzlich zu den drei bekannten noch mehr Raumdimensionen geben müsse. Diese sind allerdings so klein, dass man sie nicht wahrnehmen kann. Am LHC werden Energien erreicht, die es ermöglichen sollten, in diese versteckten Extradimensionen vorzudringen und deren Existenz nachzuweisen.”

Abgesehen davon dass man am LHC vielleicht und mit viel Glück Extradimensionen nachweisen könnte aber auf keinen Fall zwingend nachweisen muss, lässt so ein Satz den Leser auch ein wenig unbefriedigend zurück. Wer noch nie von diesem Thema gehört hat, ist vielleicht ein wenig verwirrt wie das mit den kleinen und unsichtbaren Dimensionen ist, in die der LHC “vordringt” (klingt ein wenig nach Raumschiff Enterprise oder Stargate…). Da wäre es besser, das ganz weg zu lassen. Etwas frustrierend sind auch Sätze wie “Alles, was wir wissen, ist, dass so etwas wie der Urknall stattgefunden haben muss. Mehr nicht.”. Dem werden sehr viele Kosmologen und Astronomen wohl vehement widersprechen…

Die ersten 130 der 160 Seiten bestehen nur aus einer allgemeinen Einführung in die Teilchenphysik und die Technik des LHC. Erst im letzten Kapitel geht es dann tatsächlich um das Higgs-Teilchen und den Higgs-Mechanismus. Und da wo die Beiträge zuvor alle sehr grundlegend waren und sich ganz offensichtlich an völlige Laien gewandt haben, ist dieses Kapitel dann meiner Meinung nach unnötig verwirrend. Martin Dittgen hat sich entschieden, die Erklärung des Higgs-Mechanismus mit der Lagrange-Funktion zu beginnen. Die ist in der Physik tatsächlich enorm wichtig – aber nicht unbedingt etwas das man dem Leser ohne Vorbildung so plötzlich ohne Vorwarnung an den Kopf wirft. Absätze wie

“In der Quantenmechanik wird prinzipiell über alle Wege, die ein Teilchen nehmen kann, summiert. Die Lagrange-Funktion bestimmt ‘wie viel’ von einem Weg dabei in die Summe einfließt.”

sind ohne weitere Eklärung für Menschen die von den Details der Quantenmechanik bis jetzt nichts gehört haben vermutlich ein wenig unverständlich. Wenn man nicht wirklich vor hat, den ganzen Lagrange-Formalismus ausführlich zu erklären, dann kann man ihn auch einfach weglassen anstatt dem Leser einen weiteren unverständlichen Fachbegriff vorzusetzen. Und es wird leider auch an anderen Stellen mit den Erklärungen gespart. Einen Higgs-Mechanismus benötigt man ja nur deswegen, weil die Teilchen im Standardmodell keine intrinsische Masse haben. Warum das so ist, wird im Buch leider nicht erklärt bzw. nur mit diesem Absatz:

“Die Eichsymmetrie führt nun dazu, dass innerhalb unserer Theorien (in der Lagrange-Funktion) den W- und Z-Bosonen keine Masse zugewiesen werden kann.”

Warum die Eichsymmetrie dazu führt wird aber nicht erklärt (die Sache ist auch nicht ganz so einfach: Martin Bäker hat das in seinem Blog ausführlich beschrieben). Ähnlich unverständlich wird das Buch wenn es um die “Symmetriebrechung” im Higgs-Mechanismus geht. Ich weiß nicht, wie viele Leser mit solchen Sätzen etwas anfangen können:

“Wenn wir eine Symmetrie brechen wollen, gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten hierzu: 1. Man bricht die Symmetrie direkt. Das bedeutet, dass man künstlich einen asymmetrischen Störterm zu unserem symmetrischen Lagrangian addiert.”

Das Problem an diesem Buch ist schlicht und einfach seine Länge. 160 Seiten sind definitiv zu kurz, wenn man den Higgs-Mechanismus anhand von Konzepten wie der Lagrange-Funktion und Symmetriebrechung erklären will! Dazu braucht es sehr viel mehr und längere Erklärungen, ansonsten bleibt das alles schwer verständlich. Die Lektüre der 130 Seiten davor ist durchaus interessant und für Menschen ohne Vorbildung eine knappe und verständliche Einführung in die Teilchenphysik. Aber sie bereitet den Leser nicht annähernd ausreichend darauf vor, plötzlich auf Lagrange-Funktionen, Quantenfeldtheorie und Symmetriebrechung zu treffen.

Es ist verständlich, dass der Verlag so ein Buch möglichst schnell nach Verleihung des Nobelpreises auf den Markt bringen wollte und es ist verständlich das er das gerne unter dem prominenten Namen von Harald Lesch tun wollte. Aber ich habe dabei eher das Gefühl, dass hier die Arbeit der Studenten “verheizt” worden ist. Die einzelnen Beiträge sind jeder für sich genommen interessant und lesenswert. Aber sie zu einem Buch zusammenzufügen hat meiner Meinung nach nicht funktioniert.

Vielleicht bin ich aber auch zu kritisch (Es ist mir auch immer ein wenig unangenehm, wenn ich so eine schlechte Rezension schreibe… Eigentlich bin ich ja froh darüber, dass es zu diesen Themen die die Menschen interessieren auch populärwissenschaftliche Bücher gibt. Und es ist toll, wenn ein Professor seine Studenten animiert selbst Öffentlichkeitsarbeit zu machen und ihnen die Möglichkeit verschafft, ein Buch zu schreiben. Aber vielleicht wäre ein weniger “prominentes” Thema für den Anfang besser gewesen – oder man hätte sich mehr Zeit lassen und das Buch intensiver lektorieren sollen). Ich gehöre sicherlich nicht zur Zielgruppe für dieses Buch und vielleicht finden Menschen, die bisher noch kaum mit Literatur über Teilchenphysik in Kontakt gekommen sind aber trotzdem etwas über das Higgs-Teilchen erfahren wollen, diese Sammlung einzelner und thematisch klar abgegrenzter Beiträge praktisch und einfacher zu lesen und zu verstehen als ein komplettes und langes Buch? Am besten, ihr bildet euch eure eigene Meinung! Und falls ihr das Buch selbst schon gelesen habt, dann wäre ich sehr an eurem Eindruck interessiert!

Kommentare (27)

  1. #1 roboterprotzkopf
    27. November 2013

    Mach doch selbst! Du kannst .eh alles besser!

  2. #2 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @roboterprotzkopf: Ich hab dir das ja schon beim letzten Mal gesagt: Wenn du mich tatsächlich für meine Arbeit loben willst, dann sind normale Worte vollkommen ausreichend. Wenn du mir aber erzählst ich sei besser als Einstein, Jesus und Gott und der neue Messias, dann kann ich nicht anders, als das als Verarsche aufzufassen und den Kram zu löschen.

  3. #3 roboterprotzkopf
    27. November 2013

    es tut mir leid. Ich denke immer, dat man nicht genug loben kann. Mich lobt man auch immer so sehr, wenn ich gute Noten schreibe.

  4. #4 Matze
    27. November 2013

    @roboterprotzkopf:
    Du bist leider überhaupt nicht lustig. Geh woanders trollen.

    Zum Thema.
    Leider hast du recht.

  5. #5 roboterprotzkopf
    27. November 2013

    @Matze
    klar, jeder der bissl übertreibt ist ein troll.

  6. #6 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @roboterprotzkopf: Gut jetzt. Hier geht es um ein Buch zum Thema Teilchenphysik.

  7. #7 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @Matze: Hast du das Buch auch gelesen?

  8. #8 MisterKnister
    27. November 2013

    Ach dieser Lesch, der hat doch selber keine Ahnung vom Higgs, diese oberflächliche Beschreibung von phänomenen der Teilchenphysik kotzt mich eh an. Man soll lieber richtige Bücher zu solchen Themen lesen wie z.b. dieses Buch von Roger Penrose, “A guide to reality” heisst es glaub ich, oder die neuen Bücher von Leonard Susskind “The theoretical minimum”. Man kann nicht erwarten das man ohne nötige Mathematik so etwas wie theoretische Physik versteht. Überraschender weise braucht man gar kein so großen mathematischen Hintergrund um viele Konzepte in der theo. Physik zu verstehen ! Aber bissl was machen muss man schon. Ich frag mich ob Lesch an den Einnahmen beteiligt ist :/ das wär ja der Hammer.

    Gruß

  9. #9 Silenus
    27. November 2013

    Ich hab diese Buch von “Harald Lesch” nicht gelesen, und werde mir das nach dieser Rezension auch nicht antun. Hab allerdings zwei andere Bücher von ihm gelesen (Big Bang zweiter Akt, Kosmologie für Fußgänger), welche ich als gute Einführung in Erinnerung habe.
    Was diesen Themenkomplex angeht ist mir ein Buch besonders in Erinnerung geblieben, nämlich jenes von Andreas Mücklich:

    https://www.das-verstaendliche-universum.de/

    Das Buch bietet einen umfassenden Beschreibung über den Aufbau der Welt, und die verschiedenen Theorien die sie zu beschreiben versuchen. Die eigenen Gedanken des Autors zum Thema dunkle Materie und dunkle Energie fand ich besonders interessant, da er hier einen alternativen Erklärungsversuch wagt um die rätselhaften Beobachtungen im Universum zu deuten. Wieviel seine Theorie, deren Grundpfeiler die Information darstellt, taugt kann ich als Laie nur schwer beurteilen; die Idee an sich fand ich aber sehr spannend.

  10. #10 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @SIlenus: Über Big Bang zweiter Akt hab ich hier geschrieben: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/01/27/big-bang-und-big-bang-zweiter-akt-simon-singh-vs-harald-lesch-teil-1/

    Und das Buch von Mücklich hat ja (zumindest sieht es auf den ersten Blick so aus) jetzt nix mit dem Higgs zu tun. Das scheint eher eine allgemeine Einführung in Physik & Astronomie zu sein. Und was irgendwelche “Privattheorien” angeht die im Selbstverlag veröffentlicht werden, werde ich immer ein wenig skeptisch. Wer eine wirklich grundlegende Einführung in Astromomie & Physik haben will, findet anderswo sicher auch seriöseres Material.

    Zum Higgs-Teilchen kann ich dieses Buch wärmstens empfehlen: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/01/09/massive-gottesteilchen-lhc-und-peter-higgs/

  11. #11 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @MisterKnister: “Man kann nicht erwarten das man ohne nötige Mathematik so etwas wie theoretische Physik versteht.”

    Natürlich geht das. Es kommt immer drauf an, auf welchem Level man was verstehen will. Mein Kritikpunkt an dem Buch war NICHT, dass es hier zu wenig Mathematik oder zu wenig “harte” Wissenschaft gibt. Wer das haben will, findet ja genug Lehrbücher oder spezielle Werke. Man kann die Grundlagen der Teilchenphysik durchaus auch ohne Mathe für Laien verständlich machen. Meine Kritik bezog sich auf das Format – das war hier halt einfach schlecht umgesetzt weil die falschen Dinge zu sehr erklärt worden sind und viele wichtige Dinge ausgelassen wurden.

  12. #12 Silenus
    27. November 2013

    @Florian Freistetter: Auch über das Standardmodell der Teilchenphysik und insbesondere das Higgs-Teilchen weiß Andreas Mücklich in seinem Buch einiges zu berichten; immerhin hat er sich seinen Doktor, im Bereich Elementarteilchenphysik erarbeitet und außerdem auch am Cern geforscht.
    Das dich die Art der Publikation etwas abschreckt kann ich verstehen, fände es aber trotzdem toll wenn du dir das Buch mal anschaust, weil mich deine Meinung zu Mücklich’s informationsbasierter Theorie, sehr interessieren würde.

  13. #13 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @Silenus: “fände es aber trotzdem toll wenn du dir das Buch mal anschaust, weil mich deine Meinung zu Mücklich’s informationsbasierter Theorie, sehr interessieren würde.”

    Was ist das genau? Ist das eine These, die auch mal irgendwo in der Fachliteratur publiziert worden ist? Was genau will Mücklich damit erklären? Sorry, aber ich brauch zuerst mal ein paar Infos – ich hab so vie zu tun und zu lesen; das muss ich ein bisschen selektieren.

  14. #14 Silenus
    27. November 2013

    Die Basis von Mücklich’s Theorie bildet denke ich Anton Zeilinger’s Definition von Information in Quantensystemen, da er öfters in seinem Werk auf ihn verweist. Darauf aufbauend entwickelt er seine Ideen um das Verhalten der Elementarteilchen als Informationsträger zu erklären. Beispielsweise deutet er das Verhalten von Teilchen im Doppelspaltexperiment als das Ergebnis von Informationsmangel im System. Später versucht er mithilfe dieses Informationsbegriffes eine Alternative zu den Theorien der dunklen Materie bzw. der dunklen Energie aufzubauen. Wie gesagt, wie gut ihm das gelingt vermag ich als lediglich interessierter Laie nur schwer zu beurteilen.

  15. #15 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @Silenus: Ohne jetzt die Zeit zu haben, das alles zu lesen: Wenn jemand eine wissenschaftliche Theorie nicht auf die in der Wissenschaft übliche Art und Weise veröffentlicht, sondern sie im Selbstverlag herausbringt, dann hat das i.A. einen Grund. WENN so eine Theorie halbwegs brauchbar ist, dann sollte es – gerade für einen Wissenschaftler – kein allzu großes Problem sein, die auch auf die richtige Art und Weise zu pulizieren. In den einschlägigen Literaturdatenbanken finden sich aber keine Arbeiten von Mücklich. Insofern kann man davon ausgehen, dass da nicht viel dran ist. Privattheorien zu Kosmologie oder Quantenmechanik findet man im Internet bzw. selbstverlegten Büchern haufenweise…

  16. #16 Silenus
    27. November 2013

    @Florian Freistetter: Es handelt sich nicht um eine sauber ausformulierte Theorie; das ist aber, wie der Autor im Buch auch betont, nicht sein Anspruch, zumal er inzwischen als Softwareentwickler tätig ist. Er bietet lediglich einen Denkansatz, den ein ambitionierter, im Wissenschaftsbetrieb tätiger Forscher aufgreifen kann um ihn weiter zu entwickeln. Und was seinen Überblick über die Physik und Kosmologie angeht, steht er Harald Lesch sicher in nichts nach, wofür auch die guten Bewertungen auf Amazon sprechen.

  17. #17 Florian Freistetter
    27. November 2013

    @Silenus: ” Er bietet lediglich einen Denkansatz, den ein ambitionierter, im Wissenschaftsbetrieb tätiger Forscher aufgreifen kann um ihn weiter zu entwickeln. “

    Ja, das hört man oft. So funktioniert Wissenschaft aber nicht. Da kann man nicht einfach kommen und sagen: “Hey, vielleicht besteht alles aus Information. Erforscht das mal, liebe Wissenschaftler!” Wer eine Hypothese aufstellt muss auch Argumente angeben, warum sie plausibel ist und dafür sorgen, dass sie überprüft sind. Weisst du, wie viele Emails eine typische Uni bekommt in denen Dinge stehen wie “Ich habe die Relativitätstheorie wiederlegt und bitte um Prüfung meiner Theorie” “Ich glaube, am Mond wohnen Aliens – überprüft das Mal” “Ich habe das Problem der Quantenunschärfe gelöst und die Gravitation neu erklärt!! Alles ist Pi/Tau!!!”. Und so weiter. Es hat meistens seinen Grund, warum die Leute diese “Theorien” nicht ausarbeiten – weil ihnen dazu die nötigen Fähigkeiten fehlen – Wissenschaftler müssen ja nicht umsonst jahrelangen lernen um in ihrem Fachgebiet arbeiten zu können. Das ist nötig, um einen Überblick über alles zu bekommen was man schon weiß; alles das, was also jede neue Theorie auch erklären können muss; alles das, wozu eine neue Theorie nicht in Widerspruch stehen muss, und so weiter. Das wissen die meisten “Privatforscher” nicht, weswegen es ihnen leicht fällt, sich etwas auszudenken und den Wisssenschaftlern mit einem “Überprüft das mal!” hinzuwerfen. So einfach ist das aber nicht – es ist schlicht und einfach nicht möglich, auf Zuruf alles zu erforschen, was irgendwem einfällt. Das muss zumindest halbwegs brauchbar ausformuliert, aufgeschrieben und dokumentiert sein. Deswegen gibt es hier ja auch die “Hürde” der Fachpublikation. Wenn Herr Mücklich seine These in entsprechender Form in einem wissenschaftlichen Journal publiziert, dann werden die Wissenschaftler das ernst nehmen und sich damit beschäftigen. Wenn er das nur irgendwo ins Internet schreibt oder in sein Buch, dann sehe ich da wenig Chancen (und das ist jetzt nicht böse oder abwertend gemeint).

  18. #18 Silenus
    27. November 2013

    @Florian Freistetter: Deinen Standpunkt, wie Wissenschaft zu funktionieren hat, teile ich uneingeschränkt. Wie ich oben schon geschrieben habe, fand ich den Ansatz von Mücklich deshalb spannend, weil mir in populärwissenschaftlichen Büchern sonst immer wieder die Begriffe dunkle Materie und dunkle Energie unterkommen, die scheinbar willkürlich in beliebigen Mengen generiert werden, um die Strukturen im Universum erklären zu können. Für die Existenz von dunkler Materie und dunkler Energie gibt es, soweit mir bekannt ist, keinen Beweis. Der Gegenentwurf von Herrn Mücklich erschien mir da plausibler.

  19. #19 Florian Freistetter
    28. November 2013

    @Silenus: “Für die Existenz von dunkler Materie und dunkler Energie gibt es, soweit mir bekannt ist, keinen Beweis.”

    Das stimmt so nicht. Die Vorstellung, das wäre nur eine “Erfindung” der Astronomen ist ein beliebtes Vorurteil. Aber falsch.
    Siehe zB hier:
    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/?p=10955
    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/12/01/dunkle-energie-ist-keine-erfindung/

  20. #20 Ison
    Galaxia
    28. November 2013

    Ich persönlich halte sehr viel von Harald Lesch und auch von Florian Freistetter. Ohne Überlob !

    Mir als Laien helfen Bücher von Harald Lesch und die Beiträge von Florian ungemein, um diese schwierigen Themen einigermaßen zu verstehn. Dafür bin ich BEIDEN sehr dankbar.

    Ich finde die Rezension völlig in Ordnung, und in keinster Weise diffamierend.

    Aber das hier:
    @ Mister Knister: “Ach dieser Lesch, der hat doch selber keine Ahnung vom Higgs, diese oberflächliche Beschreibung von phänomenen der Teilchenphysik kotzt mich eh an.” fand ich doch sehr daneben!

  21. #21 Kryptonoob
    28. November 2013

    @Florian:
    Danke, Du hast mich vor einem Weihnachtsgeschenkewunschfehler bewahrt 🙂
    Über diese Formulierung würde ich nochmal nachdenen:
    “Ich bin sicherlich nicht die Zielgruppe für dieses Buch…”
    Ich glaube, Du meinst, nicht zur Zielgruppe zu gehören oder in dieser zu sein.

  22. […] kurzen Serie über Interessante-aber-leider-nicht-ganz-so-gute-Bücher habe ich gestern schon das Buch über das Higgs-Teilchen von Harald Lesch und seinen Studenten besprochen. Heute ist zur Abwechslung wieder mal ein Roman an der Reihe. Aber auch der hat ein […]

  23. #23 Florian Freistetter
    28. November 2013

    @Kryptonoob: “Ich glaube, Du meinst, nicht zur Zielgruppe zu gehören oder in dieser zu sein.”

    Das auch. Aber ich bin definitiv nicht die Zielgruppe für das Buch! (Es sei denn, in der Vorlesung von Lesch sind seltsame Dinge vorgefallen: “Hey, wollen wir mal alle gemeinsam ein Buch für Florian Freistetter schreiben?”)

  24. #24 Bjoern Feuerbacher
    28. November 2013

    Ich weiß nicht, ob du evtl. schon darüber geschrieben hast (oder es vorhast), aber dieses Buch zum Higgs (und LHC allgemein) wird überall hochgelobt:

    https://www.amazon.de/Particle-End-Universe-Higgs-Discovery/dp/1780742452/ref=sr_1_1?s=books-intl-de&ie=UTF8&qid=1385648171&sr=1-1&keywords=the+particle+at+the+end+of+the+universe

    Kennst du das schon? Ich überlege seit Wochen, ob ich es mir kaufe, eine Empfehlung von dir wäre da brauchbar. 😉

  25. #25 pederm
    22. Dezember 2013

    Im aktuellen SZ-Magazin ist ein netter Schnappschuß aus dem CERN:
    https://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/bildergalerie/41343/8/Weltfremd#bild

  26. #26 stone1
    22. Dezember 2013

    @pederm:
    Hihihi, köstlich. Danke!

  27. #27 Michael Fischer
    7. Februar 2021

    Ich habe das Buch erst jetzt gelesen, habe ein Restexemplar für zwei Euronen ergattert!
    Also diesen Preis war es wert.
    Ansonsten aber meine ungeteilte Zustimmung bzgl. der Rezension. Genauso isses.

    P.S.: Ich gucke immer (auch nach einer Lektüre) nach Rezensionen, weil mich interessiert, wie andere ein Buch beurteilen. Deshalb bin ich jetzt natürlich ein bisschen spät dran …