Drei Zyklen müssen reichen!
Scaliger hielt – aus Gründen die ich nicht genau eruieren konnte – besonders drei kalendarische Perioden für wichtig. Da ist zuerst einmal der Sonnenzyklus. Das hat nichts mit dem 11jährigen Zyklus der Sonnenaktivität zu tun; davon wusste man im 16. Jahrhundert noch nichts. Es geht um den Zeitraum, nach dem ein bestimmtes Datum wieder auf den gleichen Wochentag fällt. Im alten julianischen Kalender, der zu der Zeit noch im Einsatz war, sind das 28 Jahre. Alle 28 Jahre also hat sich das Zusammenfallen von Wochentag und Kalenderdatum vollständig wiederholt (im modernen gregorianischen Kalender sind es übrigens 400 Jahre). Der zweite Kalenderzyklus den Scaliger betrachtete war die Goldene Zahl (nicht zu verwechseln mit der Zahl des Goldenen Schnitts). Bei der Goldenen Zahl geht es um die sogenannte “Meton-Periode”. Dieser Zyklus war schon den alten Babyloniern bekannt, die festgestellt haben, dass 19 Jahre ziemlich exakt 235 kompletten Mondzyklen entsprachen. Die Goldene Zahl gibt an, wo genau sich ein Kalenderjahr im aktuellen Meton-Zyklus befindet. Das Jahr 1 vor Christus hat die Goldene Zahl 1 bekommen, das Jahr 1 nach Christus (ein Jahr Null existiert ja nicht) hat die Goldene Zahl 2, und so weiter bis man im Jahr 18 bei der Goldenen Zahl 19 angekommen ist und im Jahr 19 ein neuer Meton-Zyklus beginnt. Dieser Meton-Zyklus spielt bei der Berechnung des Osterdatums eine wichtige Rolle, weil es da ja darum geht, den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling zu bestimmen und man hier Sonnen- und Mondzyklen berücksichtigen muss.
Der dritte Kalenderzyklus von Scaliger kommt vielleicht ein wenig überraschend. Dabei handelt es sich um die Indiktion und das ist ein 15jähriger Zyklus, den der römische Kaiser Justinian für Steuerberechnungen festgelegt hat. Schöne Buchhaltung scheint nicht ganz zu den religiösen und astronomischen Grundlagen der anderen beiden Zyklen zu passen, aber die Indiktion hat sich im Laufe der Zeit auch zu einem Referenzwert für diverse antike Kalendersysteme entwickelt und als Historiker musste man sich damit auskennen und sie berücksichtigen.
Scaliger hatte nun also drei Perioden: Eine von 28 Jahren Längen, eine mit 19 Jahren und eine mit 15 Jahren. Berechnet man das kleinste gemeinsame Vielfache dieser drei Zahlen, kommt man auf 7980 Jahre (28*19*15=7980). Für sein neues Kalendersystem wählte Scaliger also eine Periode von 7980 Jahren. Und als Nullpunkt wählte er den Tag, an dem die drei Zyklen das letzte Mal gleichzeitig auf “1” standen: den 1. Januar 4713 vor Christus. Damals kannte man auch noch keine Ereignisse, die vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben und es schien vernünftig, ihn als Nullpunkt für die gesamte Geschichtsschreibung anzusetzen. Scaliger nannte diesen Kalender mit einer Hauptperiode von 7980 Jahren das “Julianische Datum” und ob er sich dabei auf den julianischen Kalender bezog oder seinen Vater Julius Caesar Scaliger ehren wollte, ist nicht bekannt.
Ab jetzt wird nur noch gezählt!
In die Astronomie hielt dieses System allerdings 1849 Einzug. Da schlug der große Astronom John Herschel in seinem Buch “Outlines of Astronomy” vor, in Zukunft alle Zeitangaben vom 1. Januar 4713 v.Chr. aus zu berechnen. Und zwar ohne komplizierte Monate, Jahre und Schaltregeln. Der 1. Januar 4713 v.Chr. war der Tag 1 und jeden Tag wird einfach um 1 weiter gezählt. Heute, am 10. April 2014, schreiben wir zum Beispiel den Tag 2.456.758 des Julianischen Datums. Der Vorschlag von Herschel war so sinnvoll, dass sich das Julianische Datum schnell durchgesetzt hat und heute in der Astronomie weit verbreitet ist. So gut wie immer, wenn es darum geht, irgendwelche Zeiträume oder Daten anzugeben, wird die simple Tageszählung verwendet. Und wenn man wissen will, wie viele Tage zwischen zwei Kalenderdaten vergangen sind, muss man nur noch eine einfache Subtraktion durchführen und sich nicht mit Schaltregeln und anderem Kram herumärgern.
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