Es geht weiter mit dem Astrodicticum-Simplex-Buchclub. Wir lesen gemeinsam ein Buch und zwar “Die Vermessung des Universums” von Lisa Randall (Hinweis: Das hier ist keine komplette Rezension des Buches. Ich erwähne hier nur ein paar interessante Themen und gebe keinen vollständigen Überblick. Ich gehe davon aus, dass jeder der am Buchklub-Projekt mitmacht, das Buch auch selbst gelesen hat und über den Inhalt Bescheid weiß). Im ersten Teil haben wir über Sinn und Unsinn von langen Einleitungen diskutiert und über Randalls Erklärung der wissenschaftlichen Methodik. Im zweiten Teil haben wir gelesen, wie Randall Wissenschaft gegenüber Kunst und Religion abgrenzt. Im dritten Teil gab es eine Einführung in die Grundlagen der Teilchenphysik und die Funktionsweise eines Teilchenbeschleunigers und in Teil 4 hat Randall erzählt, was man mit so einem Beschleuniger alles entdecken kann und wie die Technik dahinter aussieht. Teil 5 handelte von der spannenden Konstruktionsgeschichte des LHC und den angeblichen Gefahren, die von ihm ausgehen. In Teil 6 wurde die Risikoabschätzung vertieft und erklärt, wie man in der Physik eigentlich exakte Messungen anstellen kann. In Teil 7 wurde es konkreter und wir haben erfahren, WIE der LHC Messungen anstellt und wie man sie korrekt interpretiert. Welche Kriterien bei der Erstellung von teilchenphysikalischen Modellen eine Rolle spielen, erörtert Randall in Teil 8 und stellt dann den Higgs-Mechanismus vor. Die Entdeckung des Higgs-Teilchens wurde in Teil 9 besprochen und jetzt geht es mit der Zukunft weiter

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Letzte Woche haben wir das Sonderkapitel zur Entdeckung des Higgs-Teilchens besprochen. Die Suche nach diesem letzten unentdeckten Teilchen des Standardmodells der Teilchenphysik war eine der wichtigsten Aufgaben des LHC-Beschleunigers. Aber nicht die einzige – die Higgs-Jagd war gewissermaßen das Pflichtprogramm. Wenn es das Higgs gibt, dann musste der LHC es finden; genau dafür war er gebaut. Und wenn er es nicht gefunden hätte, wäre sicher gewesen, dass es nicht existiert. Die Frage nach dem Higgs wäre also so oder so definitiv beantwortet worden. Aber nach der Pflicht kommt die Kür und hier wird es wirklich spannend. Die Existenz des Higgs wurde schon vor knapp 50 Jahren postuliert und war insofern nichts Neues. Bei der Grundlagenforschung an Teilchenbeschleunigern geht es aber auch darum, Dinge zu entdecken, mit denen man nicht rechnet. Man völlig neue Phänomene finden; man wünscht sich wissenschaftliche Revolutionen und einen völlig neuen Blick auf das Universum.

Was man da vielleicht finden könnte, erklärt Lisa Randall in Kapitel 17, das den Titel “The World’s Next Top Model” trägt. Und darin geht es nicht um Teenager die sich von Heidi Klum einreden lassen, es wäre eine gute Idee, sich im Fernsehen vorführen zu lassen. Es geht um physikalische Modelle, die ein paar der noch bestehenden Probleme mit der Teilchenphysik lösen können. Zum Beispiel das schon früher angesprochene Hierarchieproblem, dass im wesentlichen aus der Frage besteht, warum die Teilchen genau die Masse haben, die sie haben. Denn wenn man die Masse der Teilchen aus den quantenmechanischen Grundlagen berechnet, kommt man auf einen völlig unterschiedlichen Wert als den, der tatsächlich gemessen wird und die Theorien funktionieren nur mit entsprechenden Modifikationen, die man aber gerne vernünftig begründet hätte. Eine alternative Formulierung des Hierarchieproblems besteht in der Frage, warum die Gravitation so viel schwächer ist als die anderen Kräfte im Universum. Uns kommt die Gravitation vielleicht gar nicht schwach vor, weil wir ständig von der Erde festgehalten werden. Aber wenn man genau darüber nachdenkt, ist es eigentlich enorm erstaunlich, dass wir uns trotz allem bewegen können; in die Luft springen können oder Dinge hoch heben können. Auf der einen Seite stehen wir mit unserem schwachen Körper und auf der anderen Seite die ganze gewaltige Masse der Erde. Und trotzdem sind wir stark genug bzw. die Gravitation eben schwach genug, um zum Beispiel eine Kiste Bier hochzuheben, obwohl die ganze Erde will, dass sie am Boden bleibt. Genau so ist ein Magnet in der Lage, die komplette Anziehungskraft der Erde zu kompensieren und kann zum Beispiel unseren Notizzettel am Kühlschrank festhalten. Die Stärke der Kräfte hängt ebenfalls mit der Masse der Teilchen zusammen und keiner weiß, warum die Gravitation so schwach ist.

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Kommentare (4)

  1. #1 Till
    25. April 2014

    Ich versuche mal zusammenzufassen, was ich von Randalls Branenmodell verstanden habe: Unsere Brane (wo die Gravitation schwach ist) und die Gravitationsbrane (wo die Gravitation stark ist) sind quasi der Start- und der Endpunkt einer weitere Dimension, in der die Stärke der Gravitation exponentiell abnimmt. Da die Gravitation exponentiell abnimmt, müssen die beiden Branen in dieser Richtung nur einige dutzend Planck-Längen (also ca. 10-33 m) voneinander entfernt sein um die Schwäche der Gravitation in unserer Brane zu erklären. Dieser Abstand ist so gering, dass wir ihn nicht messen können.
    Was ich nicht verstanden habe ist, warum die Gravitation in dieser Dimension exponentiell abnehmen soll und ich bin mir nicht sicher, ob Randall dafür überhaupt eine Erklärung hat oder ob sie das einfach nur deshalb so postuliert, weil das mathematisch dann alles so schön hinhaut.

    Was mir noch fehlt ist eine Erklärung, wie die Teilchen, die ja in unserer Brane festhängen dann die Gravitation in der Gravitationsbrane erzeugen.

    Es würde mich auch interessieren, ob die Krümmung der Raumzeit die aus der Relativitätstheorie rausspringt dann eine Krümmung in diese neue Dimension hinein bedeutet. Randall schreibt zwar, dass Ihre Theorie gut mit der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Raumzeitkrümmung übereinstimmt, aber so richtig klar ist mir das nicht geworden.

  2. #2 ChristianS
    25. April 2014

    Man braucht keinen exponentiellen Abfall, um zwischen zwei sehr dicht benachbarten Punkten sehr unterschiedliche Werte zu haben, das bewirkt z. B. eine lineare Funktion genauso gut. In dieser Hinsicht fand ich die Darstellung im Buch fragwürdig.
    @Till: Randall schreibt (in der deutschen Ausgabe auf S. 362) gleich nach so einer zweifelhaften Formulierung: “Die Exponentialfunktion ist nicht aus der Luft gegriffen. Sie geht aus der singulären Lösung von Einsteins Gleichungen … hervor …”

  3. #3 stone1
    26. April 2014

    Wegen der leichten supersymmetrischen Teilchen und ob diese mit der dunklen Materie zusammenhängen, dazu gibt es ja später noch ein Kapitel, das ist wieder der fehlende rote Faden. Ich hätte mir auch gewünscht, dass das Randall-Sundrum-Modell etwas genauer beschrieben wird, der Abschnitt soll wohl dazu einladen, das andere Buch “Verborgene Universen” zu lesen, aber wenn dieses ähnlich chaotisch wie das aktuelle geschrieben ist, werde ich mir das wohl eher nicht antun, und falls das Kaluza-Klein-Graviton tatsächlich gefunden wird, wird hoffentlich jemand etwas darüber schreiben und diese Dinge verständlicher auf den Punkt bringen.

    Das was Florian über die Strings geschrieben hat (dass die Gravitation mittels geschlossener Strings über Branen hinweg wirken könnte) hab ich zum Beispiel so nicht aus den Buchzeilen herausgelesen, aber das klingt nach einer guten Erklärung.
    Ich nehme an das würde bedeuten, dass die Gravitation als einzige bekannte Kraft zwischen Branen wirken könnte? Und in der Gravitationsbrane wirken umgekehrt die anderen Kräfte gar nicht?
    Das Kapitel wirft irgendwie mehr Fragen auf, als es beantwortet. Bin schon sehr gespannt, was mit dem LHC ab nächstem Jahr gefunden werden wird, vor allem da es für die Supersymmetrie anscheinend auch schon etwas eng wird.
    Könnte es nicht auch sein, dass in den bisher gewonnen Daten schon Hinweise auf supersymmetrische Teilchen versteckt sind, man sie aber noch nicht richtig interpretieren konnte?

  4. #4 Florian Freistetter
    26. April 2014

    @stone1: “Das was Florian über die Strings geschrieben hat (dass die Gravitation mittels geschlossener Strings über Branen hinweg wirken könnte) hab ich zum Beispiel so nicht aus den Buchzeilen herausgelesen, aber das klingt nach einer guten Erklärung.”

    Das stand auch so nicht drin, soweit ich mich erinnere – ich habs nur des Verständnisses wegen geschrieben.