Evolution findet statt. So viel ist klar, auch wenn immer noch manche religiöse Fundamentalisten anderer Meinung sein mögen. Aber seit der grundlegenden Arbeit von Darwin und Wallace haben wir uns ausführlich mit diesem Thema beschäftigt und die Evolution als den Mechanismus erkannt, der so gut wie allen Phänomenen in der Biologie zu Grunde liegt. Damit Evolution stattfinden kann, braucht es allerdings auch einen Mechanismus, der regelmäßig zufällige Veränderungen im genetischen Erbgut einer Population erzeugt. Es braucht also Mutationen und deren Ursache ist noch nicht vollständig verstanden. Radioaktive Strahlung kann die DNA zum Beispiel beeinflussen (wie wir ja aus den diversen Superheldencomics wissen…), aber das ist bei weitem nicht der einzige mögliche Mechanismus. Eine anderer Quelle der Mutationen liegt im Weltall und könnte einen relevanten Einfluss auf die Evolution haben.
Im Weltraum existiert die sogenannte kosmische Strahlung (nicht zu verwechseln mit der kosmischen Hintergrundstrahlung, das ist etwas ganz anderes). So bezeichnet man diverse Teilchen (Protonen, Elektronen, geladene Atome, usw) die überall im Universum durch die Gegend schwirren. Sterne wie die Sonne geben ständig nicht nur Licht ins All ab, sondern schleudern auch Teile ihrer Atmosphäre hinaus. Supernova-Explosionen erzeugen große Teilchenschauer. Die Zentren aktiver Galaxien, in denen supermassereiche schwarze Löcher die Materie ordentlich durchwirbleln, schleudern ebenfalls jede Menge Teilchen ins All. Zusammen bilden sie die “kosmische Strahlung” von der wir hier am Erdboden direkt gar nichts mit bekommen. Da schützt uns die Erdatmosphäre, die den Strom der Partikel aus dem Weltraum stoppt. Allerdings nur vorerst: Wenn die hochenergetischen und schnellen Teilchen der kosmischen Strahlung auf die Moleküle der Lufthülle unseres Planeten treffen, entsteht ein Schauer aus Sekundärteilchen. Im wesentlichen passiert da oben das gleiche wie in einem Teilchenbeschleuniger. Die kosmische Strahlung saust mit einem irren Tempo auf die Atmosphäre der Erde zu und wenn dann zwei Teilchen miteinander zusammenstoßen, entstehen neue Teilchen, die dann wieder zu anderen Teilchen zerfallen. Jedes einzelne Teilchen der kosmischen Strahlung kann viele Milliarden Sekundärteilchen erzeugen, die dann auch bis zum Erdboden gelangen können (bzw. kann man sie auch nachweisen, wenn man Detektoren an Ballons hoch in die Atmosphäre schickt, wie es der Österreicher Victor Franz Hess im Jahr 1912 getan und dabei dieses Phänomen erst entdeckt hat).
Ein Teil dieser Teilchen, die am Ende den Boden erreichen, sind Neutronen. Die sind nicht weiter exotisch sondern neben Protonen ein ganz normaler Bestandteil eines jeden Atomkerns. Aber wenn sie alleine und mit großer Geschwindigkeit durch die Gegend sausen, können sie durchaus Schaden anrichten. Wenn zum Beispiel eine Datei auf einer Computerfestplatte auf einmal nicht mehr gelesen werden kann, dann kann dafür gut ein Neutron verantwortlich sein, dass den Speicher bei einer Kollision mit dem Chip durcheinander gebracht hat. Wissenschaftler bei IBM haben sogar festgestellt, dass die Rate der Speicherausfälle bei elektronischen Geräten ziemlich gut mit der beobachteten Menge an einfallenden Neutronen zusammen passt.
Und wenn unsere Computer schon so massiv beeinflusst werden: Wie ist das dann mit den “Speicherchips” in unsere Zellen? Wie stark wird die DNA durch die kosmische Strahlung beeinflusst? Das hat sich der kubanische Wissenschaftler Augusto Gonzalez in seiner Arbeit “Mutagenesis and Background Neutron Radiation” gefragt. Natürlich war vorher schon klar, dass die kosmische Strahlung Mutationen hervorrufen kann. Aber Gonzalez wollte das ganze auch einmal konkret durchrechnen und hat sich dafür der Ergebnisse des berühmten Lenski-Experiments bedient.
Seit 1988 schon züchtet der amerikanische Biologe Richard Lenski E.coli-Bakterien. Beziehungsweise er verfolgt deren Wachstum und genetische Veränderung: Mit zwölf Startkulturen am 24. Februar 1988 fing alles an. Die Bakterien teilen sich, die Population wächst und nach einiger Zeit werden ein paar davon entnommen und damit eine neue Population gestartet. Die teilen sich wieder, die neue Population wächst, bis wieder ein paar Bakterien entnommen werden – und so weiter. Lenski und seine Mitarbeiter machen das nun schon über 25 Jahre und haben so mittlerweile über 60.000 Bakterien-Generationen verfolgt und genau aufgezeichnet, wie Mutationen zu einer evolutionären Veränderung der Bakterien geführt haben (ein Bakterienstamm hat zum Beispiel die Fähigkeit entwickelt, Citrat als Nahrungsquelle zu verwenden).
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