Gonzalez war an Lenskis Experiment vor allem deswegen interessiert, weil hier die Mutationsraten genau aufgezeichnet worden sind. Um die Daten mit den Daten über kosmische Strahlung zu vergleichen, hat er nun ausgerechnet, was passiert wenn Neutronen aus der Sekundärstrahlung auf Wasser treffen (der Hauptbestandteil des Nährmediums in dem die Bakterien leben). Alle 125 Sekunden würde ein Neutron auf das Wasser treffen und dabei seine Energie auf die Wassermoleküle übertragen. Das erzeugt einen Schwarm von kurzlebigen Ionen und diese elektrisch geladenen Teilchen können die DNA der Bakterien verändern. Sofern die Teilchen lange genug überleben, sich weit genug bewegen und ausreichend Energie haben, zumindest. Und genau das hat Gonzalez mit seinen Berechnungen überprüft. Während eines Jahres können die Neutronen aus dem Weltall seinen Berechnungen zu Folge ungefähr 60 Bakterien verändern und das passt gut zu den Daten des Lenski-Experiments.
Gonzalez sagt aber auch explizit dazu, dass er vorerst nur festgestellt hat, dass die Neutronen-Hintergrundstrahlung mit der Mutationsrate der Bakterien korreliert. Daraus folgt noch nicht dass die Neutronen auch tatsächlich die Ursache dieser Mutationen sind. Dazu müsste man noch einmal ein eigenes Experiment machen, dass aber in diesem Fall leicht durchzuführen wäre: Man müsste das Lenski-Experiment nur wiederholen und dabei eine Kontrollgruppe inkludieren, die von der kosmischen Strahlung abgeschirmt ist. Das würde zwar ein wenig dauern, aber nach ein bis zwei Jahren (bzw. 2500 bis 5000 Bakteriengenerationen) sollte man einen deutlichen Unterschied in der Mutationsrate zwischen der normalen und der abgeschirmten Bakterienpopulation sehen.
Mit Sicherheit sind die Teilchen aus dem All nicht die einzige Ursache für Mutationen in Lebewesen auf der Erde. Aber es wäre schön zu wissen, wie groß dieser Einfluss tatsächlich ist und welche Rolle die kosmische Strahlung in der Evolution tatsächlich spielt. Dazu müssen wir einerseits mehr über die kosmische Strahlung lernen – wie es zum Beispiel mit dem Matroschka-Experiment an Bord der Raumstation gemacht wird. Und wir müssen uns, so wie von Gonzalez vorgeschlagen, die Zusammenhänge zwischen Mutation und Neutronenstrahlung noch einmal in speziellen Experimenten ansehen. Die Ergebnisse könnten faszinierend sein – und wieder einmal demonstrieren, dass wir hier auf der Erde nicht unabhängig vom Rest des Universums existieren. Die Astronomie ist überall!
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