Kürzlich habe ich anlässlich des Fußball-WM-Viertelfinalspiels zwischen Deutschland und Frankreich darüber geschrieben, dass die beiden Ländern zwar im Sport Gegner waren, im Weltraum allerdings bei einer sehr interessanten Mission zusammenarbeiten. Und da ich es sehr informativ fand, einmal nachzusehen was abseits der “großen” Missionen von NASA und ESA so in Sachen Raumfahrt abläuft, habe ich mich auch mal mit der Raumfahrt der verbliebenen Halbfinal-Teilnehmer beschäftigt. Brasilien und Argentinien zum Beispiel – die spielen zwar heute nicht am Fußballplatz gegeneinander, aber vielleicht ja am Sonntag im Finale. Und wer auch immer dann verliert wird vielleicht auf den Sieger nicht gut zu sprechen sein. Aber hoffentlich nur kurzfristig und nur auf sportlicher Ebene. Denn die beiden südamerikanischen Ländern haben eine wichtige Weltraummission miteinander geplant.

Das Projekt trägt den schönen Namen SABIA-Mar und das steht für “Satélite Argentino-Brasileiro de Informações Ambientais Marinhas” (auf portugiesisch) bzw. “Satélite Argentino Brasileño para Información del Mar” (auf spanisch) und heißt in beiden Sprachen soviel wie “Argentinisch-Brasilianischer Satellit zur Meeresbeobachtung”. Und es geht nicht einfach nur darum, hübsche Bilder vom Ozean machen – das können jede Menge andere Erdbeobachtungssatelliten auch. SABIA-Mar will die Farbe des Meers möglichst genau messen.

Das ist kein völlig neues Konzept: Ein entsprechender Farbsensor flog schon 1978 mit dem Nimbus-7-Satellit der NASA ins All und hieß Coastal Zone Scanner und seitdem gab es noch einige andere entsprechende Experimente. Denn aus der Farbe des Meeres kann man jede Menge lernen. Sie hängt davon ab, wie viele und welche Schwebstoffe, Partikel und Mikroorganismen sich im Wasser herum treiben. Und die wiederum sagen uns etwas darüber, wie Kohlendioxid in Sauerstoff umgewandelt wird. Die Mikroorganismen sind aber nicht nur für die chemischen Prozesse in Meer und Atmosphäre relevant, sondern bilden auch die Grundlage der Nahrungskette in den Ozeanen.

Dabei sind besonders die flacheren Küstenregionen interessant, wo die Farben stark variieren können. Da schwimmen Sedimente herum, aufgelöste organische Stoffe, Algen und diverses anderes Zeug und man möchte gerne so genau wie möglich wissen, wie viel von jedem in den unterschiedlichen Regionen der Ozeane und Küstengebiete zu finden sind. Aus den Daten von SABIA-Mar erhofft man sich ein besseres Verständnis des Kohlenstoffzyklus auf der Erde und des Klimawandels. Man will aber auch Fischern helfen, Umweltverschmutzung analysieren, die Wasserqualität global messen, das Algenwachstum beobachten und jede Menge andere interessante Sachen untersuchen. Zum Beispiel, ob sich aus der Beobachtung der Erdozeane irgendwelche Rückschlüsse auf die Beobachtung von extrasolaren Planeten ziehen lassen. Auch hier werden wir ja bald in der Lage sein, Licht von fremden Planeten direkt in unseren Teleskopen zu sehen (mit dem gerade in Bau befindlichen Extrem Großen Teleskop, das auch in Südamerika stehen wird) und können in diesem Licht vielleicht auch nach Hinweisen auf eventuell vorhandene Ozeane suchen. Aber dazu müssen wir zuerst einmal vernünftig verstehen, wie die Analyse unserer eigenen Meere funktioniert und wie man zum Beispiel den Effekt von Algen auf das reflektierte Licht erkennt.

Algenblüte vor Irland (Bild: ESA)

Algenblüte vor Irland (Bild: ESA)

SABIA-Mar ist noch in der Planungsphase; ein Start ist für 2018 geplant. Mission und Raketenstart werden von der Comisión Nacional de Actividades Espaciales (CONAE), der argentinischen Weltraumagentur und der Agência Espacial Brasileira (AEB), dem brasilianischen Gegenstück organisiert. Es mag vielleicht seltsam erscheinen, dass zwei südamerikanische Länder in denen große Teile der Bevölkerung unter Armut leiden, sich eine eigene Weltraummission leisten und nicht einfach nur bei NASA oder ESA-Projekten mitmachen. Aber bei genauerer Betrachtung ist das eigentlich eine sehr positive Entwicklung und vergleichbar mit dem, was ich vor einiger Zeit über den Bau einer Sternwarte in Äthiopien gesagt habe: Wissenschaft ist keine Geldverschwendung! Projekte wie SABIA-Mar fördern die technische Entwicklung und schaffen hochwertige und gut bezahlte Jobs. Man schafft die Basis für Kooperationen mit anderen Ländern und hebt das Niveau der wissenschaftlichen Forschung in Brasilien und Argentinien. Investitionen in Bildung und Forschung können ein Land nachhaltig verändern. Viel nachhaltiger auf jeden Fall als eine auch nicht gerade billige Fußball-Weltmeisterschaft. Es bleibt zu hoffen, dass Brasilien auch nach Ende der teuren Fußballspiele noch genug Geld übrig hat, um gemeinsam mit Argentinien in ein paar Jahren SABIA-Mar ins All zu schicken…

Kommentare (6)

  1. #1 Gerrit
    8. Juli 2014

    Toll, dass du dich in den letzten Tagen vermehrt mit der Erdbeobachtung beschäftigst. Sehr spannendes Forschungsgebiet.

  2. #2 Florian Freistetter
    8. Juli 2014

    @Gerrit: Ich hab Anfang des Jahres im “Profil” (Ausgabe Nr. 11/2014) einen längeren Artikel zum Thema geschrieben. Ist aber leider nicht online – aber wenn du Zugang zu ner Bibliothek mit österreichischen Zeitschriften hast, dann findest du das dort sicherlich.

  3. #3 frantischek
    8. Juli 2014

    Booaaah! Das Bild mit der Algenblüte: Sind das Echtfarben? Wenn ja, noch einmal Booaaah!

  4. #4 Florian Freistetter
    8. Juli 2014

    Ich würde spontan mal sagen: Ja, das sind zumindest halbwegs echte Farben. Aber bei der ESA stehen dazu keine Details: https://www.esa.int/spaceinimages/Images/2012/10/Algal_bloom_off_Ireland

  5. #5 Gerrit
    8. Juli 2014

    @Florian: Da werde ich mal schauen so bald ich in die Nähe einer passenden Bibliothek komme.

  6. #6 Chris
    9. Juli 2014

    Gibt einige wirklich erstaunliche Bilder.

    Flussmündungen, an denen die Ablagerungen des Flusses in das Meer fließen. Auch Zeitraffer-Beobachtungen, wie zum Beispiel vom Nil-Delta, und die Überschwemmungsphasen.