(10) Statistik Wiener Klinik 1846 - 1848

Damit gilt Semmelweis nicht nur und völlig zu recht als „Retter der Mütter“ sondern auch als der erste, der die Statistik in die Medizin einführte; und tatsächlich ist das vielleicht sogar noch der größere Verdienst.

Gedankt wurde es ihm nicht von allen – besonders nicht von Kollegen von ihm – der Gedanke, dass ein Arzt unsauber sein könnte, musste sich erst noch durchsetzen. Dabei sollte man aber auch daran denken, wie schwer es wohl einem selber als Arzt gefallen wäre, sich einzugestehen, dass man – wenn auch aus Unwissenheit und
unbeabsichtigt – den Tod vieler Frauen im Kindsbett verursacht hat.

Diese Überlegungen fallen aber dann unter das Phänomen Kognitive Dissonanz und das ist dann ein Thema für einen anderen Beitrag.

Was kann ich Ihnen noch zum Abschied mitgeben?

Lassen Sie sich nicht vom Einzelfall täuschen – gerade eigene Erfahrung wirken immer sehr überzeugend, aber zu groß sind hier Fehlerquellen wie Bestätigungsfehler.
Statistiken wirken kalt und unpersönlich – aber hier sind viele Fehlerquellen ausgeschalten.

Rauchen ist nun mal ungesund – egal wie viele Raucher sich auch auf Helmut Schmidt berufen!

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Kommentare (17)

  1. #1 Sebastian Kahl
    30. September 2014

    Ein sehr schöner Beitrag mit Bildern, der viele der Fehlschlüsse, die unserem Gehirn unterlaufen, anschaulich darstellt.

  2. #2 Silava
    30. September 2014

    Ein sehr nett geschrieber Text zu dem Thema.
    Wer jetzt noch gerne mehr darüber wissen möchte,
    dem empfehle ich das Buch “Fallstricke –
    Die häufigsten Denkfehler in Alltag und Wissenschaft”
    von Ulrich Frey. Das ist eine wissenschaftlich
    fundierte Aufarbeitung des Themas und sehr informativ

  3. #3 David Müller
    30. September 2014

    Dazu kann ich nur das wunderbare Buch “Thinking: Slow and Fast” von Daniel Kahnemann empfehlen. Wie unzuverlässig in vielen Situationen “Intuition” ist und wie wir uns eigentlich ständig durch den Tag irren, ist dort anhand wundervoller (psychologischer) Experimente dargestellt. Aus einer Rezension in der Süddeutschen dazu:

    “Ein Experiment Kahnemans und Tverskys ergab etwa, dass bei der Schätzung des Prozentsatzes afrikanischer Staaten in der UN die Höhe Antwort massiv davon beeinflusst werden, welche Zahl ein Probant [sic] kurz vorher an einem Glücksrad gedreht hat. Je höher die Zahl am Glücksrad, desto höher danach der geschätzte Prozentsatz afrikanischer Staaten in der UN. Weniger harmlos klingt es, wenn Kahneman berichtet, dass in einem Experiment erfahrene deutsche Richter eine Ladendiebin zu einer höheren Haftstrafe verurteilten, wenn sie zuvor eine hohe Zahl gewürfelt hatten.”
    SZ, vom 25.12.2014

  4. #4 Steffmann
    30. September 2014

    Den Bestätigungsfehler kenne ich eigentlich als selektive Wahrnehmung. Gemeint ist wohl dasselbe, aber nichts desto trotz toller Beitrag. Eigentlich gehört das Thema auf die Lehrpläne, und möglicherweise ist es dort auch zu finden. Aber solange Eso-Tanten den Löwenanteil am Lehrkörper ausmachen, wird das wohl nicht passieren.

    Der zweite Teil meines Kommentars war polemisch und das ist auch gut so. Musste mal sein. 😉

  5. #5 MX
    30. September 2014

    so gibt es keine Kurse für Astrologie oder Rutengehen an den Hochschulen

    Das ist leider falsch: https://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2011/12/08/wunschelruten-an-der-hochschule/

    Damit gilt Semmelweis … auch als der erste, der die Statistik in die Medizin einführte

    Das stimmt auch nicht. Nicht nur die Medizinalstatistik ist älter, es gab auch vorher schon gut durchdachte Studiendesigns, z.B. die berühmten Nürnberger Kochsalzversuche.

    Insofern ist die Frage “Kann ich meinem Hirn trauen?” wohl zurecht gestellt 😉

  6. #6 PDP10
    30. September 2014

    Schöner Artikel!

    Wer musste beim ersten Bild auch eine Minute lang hingucken um zu checken was da läuft?

    Ganz schön hirnwindungsverdehend … 🙂

  7. #7 rolak
    1. Oktober 2014

    eine Minute lang

    Falls Du ein wenig trainieren möchtest, PDP10:Adoptiere Mighty Optical Illusions für blogroll oder feed, da kommt mit gewisser Regelmäßigkeit etwas schönes Verwirrendes.

  8. #8 Peter Hank
    München
    1. Oktober 2014

    @MX

    Danke für die Korrektur – ist natürlich richtig, die Nürnberger Kochsalzversuche waren 1835 ( https://www.nordbayern.de/nuernberger-zeitung/1835-schrieb-nurnberg-medizingeschichte-teil-4-1.216552 ).

    Ich hatte diese Versuche immer nur als die ersten Doppelblindversuche im Kopf.

  9. #9 Thorsten
    2. Oktober 2014

    Entschuldigung, dem Experiment von P.C., bzw. der DARAUS abgeleiteten Erkenntnis kann ich nicht zustimmen! Die Zahlenreihe “1, 3, 5” erfüllt nunmal objektiv die Voraussetzung “+2”, da spielt es doch keine Rolle, ob der Verfasser eigentlich “nur” das Kriterium “aufsteigende Zahlenfolge” gemeint oder nicht. Löst jemand die Aufgabe mit “+2”, kann man demjenigen kaum attestieren, etwas zu sehen, was nicht da ist!?
    Ich zweifle natürlich nicht daran, dass Menschen Zusammenhänge auch dort sehen wollen, wo keine sind, bloß ist dieses “Experiment” zum Beweis dieser Tatsache absolut ungeeignet.

  10. #10 Kallewirsch
    2. Oktober 2014

    @Thorsten #9

    Die Aussage “die richtige Reihe” ist sowieso etwas irreführend. Denn man kann zeigen, dass man mit einer Anzahl n von vorgegebenen Zahlen eine unendliche Anzahl an Formeln angeben kann, die genau diese Reihe erzeugen. D.h. es gibt nicht ‘die eine richtige Lösung’.

    Der Wert des Experiments besteht meiner Meinung nach darin, dass wir als Menschen zwar immer nach Mustern suchen, das wir dabei allerdings eine gewisse, wie soll man das nennen, ‘untere Schwelle der Komplexität’ überschritten sehen wollen. D.h. es gibt Muster, die zwar für jeden offensichtlich sind, die aber so trivial sind, dass wir sie als einfachste Lösung erst mal nicht in Betracht ziehen.

  11. #11 Peter Hank
    München
    2. Oktober 2014

    @Thorsten
    @Kallewirsch

    Ich habe hier die Beschreibung des Experiments verkürzt wiedergegeben – anscheinend ist da doch einiges verlorengegangen.
    Die Aufgabe der Versuchspersonen bestand schon darin, die Regel herauszufinden, nach der die Zahlentripel gebildet wurden. Dazu konnten aber die Versuchspersonen selber Zahlentripel vorschlagen; der Versuchsleiter antwortete dann, ob das Zahlentripel der Regel entsprach.

    Insofern entspricht es schon typischen Problemen in den Naturwissenschaften, bei denen man Experimente mit selbstbestimmten Parametern macht, um auf ein zugrundeliegendes Gesetz zu kommen.

    Vielleicht hilft ein konkreteres Beispiel. Nehmen wir an, wir hätten die Hypothese “Geburten gibt es nur bei Vollmond” (also eine zu enge Regel, ähnlich der Regel +2). Dann reicht es nicht, nur an Tagen mit Vollmond ins Krankenhaus zu gehen, um zu sehen, ob es da Geburten gibt – man muss auch an den anderen Tagen prüfen, ob es dann keine Geburten gibt.
    Und das war in meinen Augen das wesentliche Ergebnis von P. C. Wason: Nur wenige Versuchspersonen haben Zahlentripel gewählt, die ihrer vermuteten Regel widersprochen haben. Dabei hätte der Versuch, die vermutete Regel zu widerlegen, dazu geführt, dass man eine zu enge Regel aufgeben müsste.

  12. #12 Realistischer
    3. Oktober 2014

    Gegenfrage: kann ich einer Statistik trauen?
    Es würden sich ganz leicht ganz viele Beispiele finden lassen, die zeigen dass Statistiken mindestens genauso trügerisch sind als die eigenen Sinne.
    Ich würde sogar sagen, die Statistiken sind um einiges unzuverlässiger.

  13. #13 Gustav
    3. Oktober 2014

    Schöner, gut zu lesender Text, aber ich muss unnötig i-Tipfel-Reiten, noch dazu bei der simplen Einleitung, die ja nur dazu dienen soll, in den Text hineinzukommen und es daher eigentlich völlig unangebracht ist, darüber zu sudern … 😉

    Aber diese Annahme ist schon mal nicht richtig: “Oft schmerzlich, wenn die eigene Lieblingstheorie den Bach runter geht, aber mit dem Experiment als unbestechlichen Richter hat die Naturwissenschaft die einzigartige Möglichkeit, Theorien objektiv zu prüfen und falsche Theorien zu erkennen und zu entsorgen. ”

    Weder wird eine Theorie durch Experiment “objektiv” geprüft. Denn “objektiv” bedeutet einen Wahrheitsanspruch. Falsifikation dient höchstens der “objektivierung”, aber nicht um etwas objektiv zu prüfen. Das sind zwei untershciedliche Dinge. Das unterscheidet moderne Wissenschaft vom Positivismus. Noch wird eine Theorie als falsch bewertet, wenn durch ein Experiment ein Widerspruch entsteht.

    Diese von Popper abgelehnte Sofortfalsifikation (aber von Kuhn & Co verbreitete Ansicht, das würde Falsifikation bedeuten) stimmt ja ganz offensichtlich nicht, wenn man sich die Wissenschaftsgeschichte ansieht. Denn ansonsten würden wir nun annehmen, es gäbe überlichtschnelle Neutrinos.

    Eine Theorie hat – wenn sie wissenschaftlich sein will – falsifizierbare Aussagen zu tätigen. Diese werden dann mit – Kurzvariante: Beobachtungen verglichen. Langvariante: Die Beobachtungen beruhen selbst auf Theorien, wie ich was, wie, wann und warum beobachte. Offensichtlich wird das bei kilometerlangen Ausdrucken von Daten von Radioteleskopen, die erst “richtig” (also nach einer dahinterstehenden Theorie) interpretiert werden müssen. Diese Theorie, wie ich was beobachte, muss ebenso falsifizierbare Aussagen liefern.

    Es werden also im Prozess der Falsifikation falsifizierbare Aussage einer Theorie und einer Theorie der Beobachtung miteinander verglichen. Wenn es zu einem Widerspruch kommt, ist weder die eine noch andere Aussage erstmal falsifiziert und schon gar nicht die dazugehörige Theorien – Theorien sind nicht falsifizierbar, immer nur deren Aussagen.

    Entsteht ein Widerspruch, so muss dieser aufgelöst werden. Wenn eine Aussage einer neuen Theorie altbekannte, gut geprüfte Vorstellungen widerspricht, so wirds diese neue Theorie schwer haben. Erlaubt sind dann noch ad-hoc-Hypothesen, die die Theorie durch modifizierte Aussagen nochmals rettet – die Aussagen aus der Theorie plus ad-hoc-Hypothese müssen aber noch falsifizierbarer sein, als die alte Ausage allein.

    Das ist die von Popper angestrebte Systemfalsifikation. Ein Widerspruch, eine Falsifikation des Systems, verwirft weder die eine Theorie, noch die andere, sondern zwingt zum nochmaligen Nachdenken, wie das Popper so schön gesagt hat.

    Der Kuhn hat das übrigens etwa 10 Jahre später eingesehen und sein großes Werk, das imemr wieder gerne verwendet wird, um Popper zu widerlegen, widerrufen. Bissl peinlich ists für Kuhn geworden, nach dem gezeigt wurde, dass einige Thesen, die er gegen den kritischen Rationalismus vorgebracht hat, er offensichtlich in einer Vorlesung 1950 bei Popper mitbekommen hat. 😉

  14. #14 Basilius
    Shingetsutan Tsukihime
    5. Oktober 2014

    @Realistischer

    Gegenfrage: kann ich einer Statistik trauen?

    Das hängt ganz davon ab, wie ausführlich die fragliche Statistik dokumentiert ist. Dem lakonischen Bildchen in der Tageszeitung braucht man gemeinhin nicht zu trauen, weil da steht ja nix zu den Hintergründen der Statistik drin. Aber einer echten Statistik darf man schon trauen. Denn in der kann man (Statistikkenntnisse vorausgesetzt!) sich sehr gut selber ein Bild machen, worauf sich die in der Statistik abgeleiteten Aussagen abstützen. Da kann man dann auch die Punkte finden, warum man der konkret vorliegenden Statistik vielleicht tatsächlich in einem der Punkte besser nicht so stark trauen sollte.

    Es würden sich ganz leicht ganz viele Beispiele finden lassen, die zeigen dass Statistiken mindestens genauso trügerisch sind als die eigenen Sinne.
    Ich würde sogar sagen, die Statistiken sind um einiges unzuverlässiger.

    Das trifft auf diese Bildchen in den Tageszeitungen sicherlich zu. Das gemeine ist, daß die immer behaupten eine Statistik zu sein wobei sie genau genommen gar keine Statistiken sind, sondern bestenfalls das bewertete Schlussergebnis einer vollständigen Statistik. Da fehlt jegliche Hintergrundinformation und lässt somit eine objektive Bewertung nicht mehr zu. Das ist, wie wenn man ein wissenschaftliches Paper mit 50 Seiten Text nur anhand seines Abstracts mit 5 Sätzen bewerten soll.
    Das ist einfach zuwenig Info, das geht nicht. Leider wollen Tageszeitungen den eigentlich notwendigen Platz nicht spendieren. Das kann ich aber verstehen, weil die meisten lieben Mitmenschen die vollständige Statistik genausowenig lesen wollen wie das wissenschaftliche Paper mit seinen 50 Seiten.
    -_-

  15. #15 Peter Hank
    München
    5. Oktober 2014

    @Realistischer
    “Gegenfrage: kann ich einer Statistik trauen?”

    Mit ist jetzt so auf der Schnelle kein Beispiel eingefallen, wo die Statistik trügerischer wäre als die eigenen Sinne. Vorteil von Statistiken ist in meinen Augen, dass einige Fehler unseres Gehirns (Auswahlfehler, selektive Wahrnehmung, Wunschdenken) ausgeschalten werden.

    Aber wie Basilius richtig anführt, darf man Statistiken auch nicht überinterpretieren und mehr in sie hineinlesen, als was drinnen steht. Vielleicht einer der häufigsten Fehler ist dann, von einer Korrelation auf eine Kausalität zu schließen. Meine Lieblingswebseite zu diesem Thema ist Spurious Correlations: https://www.tylervigen.com/

    Mehr auch unter: https://www.wissenbloggt.de/?p=24140

  16. #16 Realistischer
    6. Oktober 2014

    @Balisius, Peter Hank
    Es ist also so, dass man Statistiken qualifiziert hinterfragen muss, um nicht jedem Täuschungsversuch aufzusitzen. Wenn ich die eigenen Gedanken und Wahrnehmungen ebenso qualifiziert hinterfrage, dann sitze ich ebenso keiner Täuschung auf. D.h., es liegt nicht an Statistik vs. Hirn sondern am (un)qualifizierten Umgang damit.

  17. #17 Basilius
    Nourin
    6. Oktober 2014

    @Realistischer
    Richtig!
    Und gut zusammengefasst.
    Mit einer Statistik kann ich genauso wie mit jedem anderen Dokument (z.B. wissenschaftliches Paper, Zeitungsartikel, Blogartikel, etc…) einen Sachverhalt beschreiben. Und genauso kann ich hier absichtlich schummeln, meine subjektive Meinung/Erwartung/etc… einfließen lassen oder nach besten Wissen und Gewissen etwas schreiben, was vielleicht dennoch falsch ist weil ich es selber einfach nicht erkannt habe.
    Und dann gibt es noch die Fälle, in denen das Geschriebene einfach stimmt.
    ^_^