Ich bin heute zu Besuch in Darmstadt. In der viertgrößten Stadt von Hessen war ich schon oft. Früher, um dort auf meiner wöchentlichen Pendelstrecke zwischen Jena und Heidelberg am Bahnhof umzusteigen. Und immer wieder auch, um das Raumflugzentrum ESOC der Europäischen Weltraumagentur zu besuchen. Das ist auch der Grund meiner aktuellen Reise, denn schließlich steht ja die Kometenlandung der Rosetta-Mission bevor. Das ESOC ist praktischerweise gleich neben dem Bahnhof; genau so wie das Hotel in dem ich immer wohne, wenn ich dort bin. Und wenn die kurzen Wege zwischen Bahnhof, Hotel und ESOC zwar viel Zeit sparen, haben sie doch dazu geführt, dass ich bis jetzt von der Stadt selbst noch nicht wirklich viel gesehen habe. Und das ist schade – denn in Darmstadt ist jede Menge los. Besonders was den Weltraum angeht!
ESOC, das Europäisches Raumflugkontrollzentrum, ist natürlich Darmstadts offensichtlichste Verbindung zum Weltraum. Dort arbeiten immerhin knapp 800 Menschen daran, dass die verschiedenen europäischen Weltraummissionen vernünftig funktionieren. Aber mit EUMETSAT beherbergt Darmstadt noch eine zweite große europäische Weltraumorganisation. Die “Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten” besteht aus immerhin 30 Ländern und ohne die von ihr betriebenen Satelliten wäre der tägliche Wetterbericht wäre die Arbeit der Meteorologen wesentlich schwieriger. Schon 1977 hat man mit Meteosat-1 den ersten europäischen Wettersatelliten ins All geschickt und ist mittlerweile schon bei Meteosat-10 angekommen der gemeinsam mit Nummer 7, 8 und 9 zu den vier aktiven Wettersatelliten von EUMETSAT gehört. Dazu kommen noch zwei aktive MetOp-Satelliten, die die Erde von einer polaren Umlaufbahn aus betrachten und ein Jason-Satellit zur Meeresbeobachtung.
Darmstadt hat aber noch mehr Verbindungen zum Weltraum. Unter anderem auch zu den Asteroiden und Kometen, die ja im Mittelpunkt des Rosetta-Events stehen. Diese Kleinkörper im Sonnensystem waren ja lange Zeit unbekannt. Den ersten Asteroiden entdeckte man erst im Jahr 1801 und wenn man auch die Kometen schon immer am Himmel sehen konnte, war den Menschen lange völlig unklar, um was es sich dabei handelt. Man dachte zum Beispiel, es handle sich um leuchtende Wolken in der Atmosphäre der Erde oder ähnlich “nahe” Phänomene. Daran, dass im Weltraum neben den Planeten auch jede Menge kleine Steine herumfliegen, dachte niemand. Das erschien den Menschen absurd und auch die immer wieder auf die Erde fallenden Meteoriten änderten vorerst nichts daran. Diese Stamme stammen von der Erde und wurden irgendwie in die Luft geschleudert, dachte man. Oder sie hätten sich aus Staub in der Atmosphäre gebildet.
Eine wichtige Rolle bei der Entdeckung der wahren Herkunft der mysteriösen Steine spielte der in Darmstadt geborene Wissenschaftler Georg Christoph Lichtenberg. Der arbeitete zwar in Göttingen, war aber im 18. Jahrhundert ein einflussreicher Naturforscher mit vielen Kontakten und 1792 besuchte er einen Vortrag des Physikers Ernst Chladni. Der beschäftigte sich damals zwar noch hauptsächlich mit Akustik, aber als Lichtenberg ihn auf das Phänomen der Steine, die vom Himmel fallen hinwies, war er fasziniert. Chladni widmete sich der Erforschung der Meteoriten und kam 1794 in seinem Buch zum Thema zu dem Schluss, dass es sich dabei auf jeden Fall um Objekte aus dem Weltraum handeln muss. Es hat noch ein bisschen gedauert, bis sich diese korrekte Sicht der Dinge allgemein durchgesetzt hat. Als 10 Jahre später, im Jahr 1804, ein Meteorit direkt bei Darmstadt auf die Erde fiel, war die Sache schon klarer – vor allem weil ein Jahr zuvor im französischen L’Aigle ein großer Meteoritenregen niederging, dessen wissenschaftliche Erforschung Chladnis Ansicht zum Durchbruch verhalf.
Heute ist der Meteorit von Darmstadt einer der 50 offiziell bestätigten Meteoritenfunde in Deutschland und der 100 Gramm schwere Gesteinsbrocken aus dem All trägt auch offiziell den Namen “Darmstadt”.
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