Morgen kann man in Mitteleuropa eine partielle Sonnenfinsternis beobachten (und im Nordatlantik sogar eine totale). Zwischen halb 10 und 12 Uhr am Vormittag wird sich der Mond vor die Sonne schieben und sie – je nach Beobachtungsort – mehr oder weniger stark verdecken (bis zu 80 Prozent in Norddeutschland; etwa 60 Prozent im südlichen Österreich). Ob es dadurch zu Stromausfällen kommen wird oder nicht, habe ich am Montag schon erklärt (eher nicht). Heute möchte ich mich ein wenig mit der zweiten Besonderheit dieser Finsternis beschäftigen: Sie findet genau zum astronomischen (und nicht dem meteorologischen) Frühlingsbeginn statt, also dem Zeitpunkt an dem die Erde auf ihre Bahn genau den Himmelsäquator (von Süden nach Norden) kreuzt. Das scheint ein seltenes Zusammentreffen zu sein. Aber wie selten ist es tatsächlich?

Partielle Sonnenfinsternis in bei Hittenkirchen am Chiemsee 4. Januar 2011 Montage aus Einzelbildern (Bild: Sgbeer, CC-BY-SA 3.0)

Partielle Sonnenfinsternis in bei Hittenkirchen am Chiemsee 4. Januar 2011 Montage aus Einzelbildern (Bild: Sgbeer, CC-BY-SA 3.0)

Um das herauszufinden, muss man zuerst verstehen, warum es überhaupt eine Sonnenfinsternis gibt. Damit das passieren kann, müssen Sonne, Erde und Mond in einer Linie stehen. Der Mond muss sich von der Erde aus gesehen genau vor der Sonne befinden, damit er sie abdecken kann (und DAS er das kann und beide am Himmel genau gleich groß erscheinen, ist übrigens Zufall). Damit ist auch klar, dass eine Sonnenfinsternis immer nur bei Neumond stattfinden kann: Wenn der Mond genau vor der Sonne steht, dann blicken wir von der Erde aus auf seine unbeleuchtete Seite. Neumond gibt es aber (etwa) alle vier Wochen; Sonnenfinsternisse sind seltener. Das liegt daran, dass der Mond sich nicht in der gleichen Ebene bewegt wie die Erde. Die Mondbahn ist gegenüber der Erdbahn um etwa 5 Grad geneigt und meistens steht er bei Neumond zu hoch über oder zu tief unter der Ebene der Erdbahn, um die Sonne verdecken zu können. Zu einer Finsternis kommt es nur, wenn Neumond herrscht und der Mond dabei gleichzeitig in einem Knotenpunkt steht. So nennt man die beiden Schnittpunkte zwischen Erd- und Mondbahn und der Mond darf sich nicht zu weit aus dem Knotenpunkt entfernen, um die Sonne verdecken zu können.

Wenn der Mond im Knotenpunkt steht, dann braucht er genau 27 Tage, 5 Stunden und 5 Minuten, um wieder dorthin zurück zu kehren. Dieser Zeitraum wird drakonitischer Monat genannt. Das ist kürzer, als der Mond braucht, um einen synodischen Monat zu vollenden. So nennt man die Zeit bis der Mond wieder die selbe Phase erreicht hat, also zum Beispiel von einem Neumond zum nächsten und sie beträgt 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten. Wenn man ein wenig rechnet, dann wird man feststellen, dass 235 dieser synodischen Monate ziemlich genau 6940 Tage dauern. Und 255 drakonitische Monate sind ebenfalls fast genau 6940 Tage. 6940 Tage sind aber auch ziemlich genau 19 Jahre, also 19 Umläufe der Erde um die Sonne. Das bedeutet, dass eine bestimmte Mondphase alle 19 Jahre wieder am gleichen Kalenderdatum und im gleichen Abstand zum Knotenpunkt stattfindet. Ist am 20. März 2015 ein Neumond, dann ist das auch am 20. März 2034 der Fall (schaut im Kalender nach, es stimmt tatsächlich). Und 19 Jahre später, am 20. März 2053 ist wieder ein Neumond.

Diese Periode von 19 Jahren war übrigens schon in der Antike bekannt und wird Meton-Zyklus genannt. Die Übereinstimmung zwischen der Bewegung der Erde und des Mondes ist aber nicht exakt. Der Unterschied zwischen den 19 Jahren und 235 synodischen Monaten beträgt knapp 2 Stunden. Das ist nicht viel, aber es summiert sich im Laufe der Zeit. Dazu kommt der Unterschied zwischen den 19 Jahren und den 255 drakonitischen Monaten, der 11,6 Stunden beträgt. Wenn Erde, Sonne und Mond also in einem bestimmten Jahr genau in der richtigen Position stehen, um eine Sonnenfinsternis am Frühlingsanfang zu erzeugen, dann stehen sie 19 Jahre später wieder in der gleichen Position und es gibt erneut eine Sonnenfinsternis zum Frühlingsanfang. Aber weil sie eben nur fast in der gleichen Position stehen, verschiebt sich die Konfiguration alle 19 Jahre ein wenig. So lange, bis es irgendwann nicht mehr zusammenpasst, was nach dem vierten oder fünften Durchlauf der Fall ist.

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Kommentare (15)

  1. #1 Robert
    Muenchen
    19. März 2015

    Wie stabil ist eigentlich die Bahnebene der Mondbahn, was ist die typische Zeitskala, mit der sich die ändert (durch Einfluss von Sonne und anderen Planeten)?

    Und dann noch eine Tüte Besserwisserei: Es gibt doch wohl zwei Knotenpunkte, also sollte der Mond schon nach etwa 13,5 Tagen wieder in der Ebene der Erdbahn stehen.

  2. #2 Alderamin
    19. März 2015

    @Robert

    Es gibt doch wohl zwei Knotenpunkte, also sollte der Mond schon nach etwa 13,5 Tagen wieder in der Ebene der Erdbahn stehen.

    Tut er auch, deswegen gibts vor oder nach einer Sonnenfinsternis meistens noch eine Mondfinsternis. Diesmal auch.

    Die Knotenlinie ist halbwegs richtungsfest (sie zeigt nicht etwa immer auf die Sonne, sondern auf einen Punkt am Fixsternhimmel, also gibt es ein halbes Jahr später meistens wieder Finsternisse), aber nicht exakt, sondern sie präzediert durch den Einfluss der Sonne pro Jahr um 19,3°, oder einmal um 360° in 18,61 Jahren.

  3. #3 Bullet
    19. März 2015

    @Alderamin:
    Moment … die Fläche, die von der Linie Erde-Mond bestrichen wird, taumelt mit ~20°/Jahr?

  4. #4 AmbiValent
    19. März 2015

    Normalerweise schauen Menschen ja nicht in die Sonne, außer bei Sonnenauf- oder -untergängen. Ist da die zusätzliche Filterwirkung der Atmosphäre wirklich stark genug, damit das ungefährlich ist, oder macht man dadurch seine Augen auf Dauer auch kaputt? (Eine ähnliche Frage wäre, wie es ist, wenn die Sonne durch dünne Wolken scheint)

  5. #5 Florian Freistetter
    19. März 2015

    @Ambivalent: “Ist da die zusätzliche Filterwirkung der Atmosphäre wirklich stark genug, damit das ungefährlich ist, oder macht man dadurch seine Augen auf Dauer auch kaputt?”

    Auf Dauer schon. Vor allem aber ist die Chance groß, bei Wolken plötzlich voll in die Sonne zu blicken, wenn sie sich verziehen. Wenn du dann noch ein optisches Instrument benutzt, ist das Auge schnell kaputt.

  6. #6 Alderamin
    19. März 2015

    @Bullet

    Yep. Ist halt ein Dreikörperproblem (ein Wunder, dass da überhaupt noch so etwas wie ein Kepler-Ellipse herauskommt).

    Das ist auch eine Hauptursache für den Saroszyklus, nach dem sich ähnliche Finsternisse nach 18,03 Jahren wiederholen. Hier spielt auch noch die Apsidendrehung (Linie zwischen Pergäum und Apogäum, dem erdnächsten und erdfernsten Punkt der Bahn) und die jeweilige Position des Mondes auf seiner Bahn (Phase) eine Rolle.

    Es gibt mehrere Monatsdefinitionen: Vollmond-Vollmond = synodischer Monat, aufsteigender Knoten-aufsteigender Knoten = drakonitischer Monat, Perigäum-Pergiäum = anomalistischer Monat. Wenn die drei Definitionen ein (nahezu) gemeinsames Vielfaches haben, dann wiederholt sich die gleiche Finsternis, und das ist eine Sarosperiode.

    Übrigens stieß ich eben auf einen sehr ausführlichen Wikipedia-Artikel, der die Mondbahn und die Stabilität/Variabilität ihrer Parameter erläutert, womit Frage #1 in größtmöglichem Detail beantwortet sein müsste.

  7. #7 Alderamin
    19. März 2015

    @Ambivalent

    Die auf- und untergehende Sonne ist rot, weil rotes Licht von der Atmosphäre weniger gestreut wird, als kürzere Wellenlängen. Natürlich streut die Atmosphäre auch Rot, und je mehr Atmosphäre durchlaufen wird (nach oben oben ist es nicht wirklich viel, wenn ich mich nicht verrechnet habe entspricht das Gewicht der Luftsäule einer waagerecht durchlaufenen Strecke von knapp 8000 m bei 1013 hPa), desto weniger bleibt in der Transmission übrig; es geht bei untergehender Sonne um ein paar hundert Kilometer durchlaufene Luft.

    Aber Infrarot wird noch weniger gestreut als Rot und schadet dem Auge am meisten (bis 2500 nm dringt noch durch die Hornhaut und erreicht die Netzhaut; die Transmission der Atmosphäre ist bis 1000 nm noch sehr hoch).

    Daher mag es dem Auge nicht unangenehm sein, durch ein Teleskop die untergehende Sonne zu betrachten, aber gesund ist das garantiert nicht. Visuell wird es wohl noch ok sein, man hat selten davon gehört, dass jemand beim Betrachten des Sonnenuntergangs erblindet wäre.

    Bei dünnen Wolken und Nebel liegt keine frequenzselektive Rayleigh-Streuung vor, hier werden alle Farben gleich gestreut, Infrarot wie sichtbares Licht. Aber die Variabilität ist größer und schwer vorhersehbar, deswegen sollte man da auch nicht mit optischen Hilfsmitteln durchschauen. Mit dem bloßen Auge schauen, so lange das Bild angenehm erscheint, und Zwinkern, wenn’s blendet, wäre ok, aber man kann sich auf so ein seltenes Wetter zur Finsternis ja nicht verlassen. Ich hatte aber schon Situationen, wo ich bei einer Finsternis wegen der Wolken mit Filter einfach nichts sah und zum Ausrichten des Teleskops mal ganz kurz ohne Filter durch die Optik geschaut habe, aber das war auf eigenes Risiko und nicht zur Nachahmung empfohlen.

  8. #8 bruno
    19. März 2015

    …dass man nicht schutzlos in die Sonne schauen soll ist klar. Klar ist auch, dass man zu Sylvester vorsichtig mit Feuerwerkskörpern umgehen soll… die Statistik zeigt dann doch jede Menge “Unfälle”…
    Gibt es Statistiken, wieviel Personen sich doch die Augen verblitzen, wenn eine partielle SF ganz Deutschland überläuft??

  9. #9 Alderamin
    19. März 2015

    @bruno

    Gibt es Statistiken, wieviel Personen sich doch die Augen verblitzen, wenn eine partielle SF ganz Deutschland überläuft??

    Dazu habe ich eben bei Skyweek einen interessanten Artikel von Jay M. Pasachoff, Vorsitzender der IAU (International Astronomical Union) Arbeitsgruppe Sonnenfinsternisse gefunden. Auch der empfiehlt natürlich, zertifizierte Filter zu verwenden. Andererseits ist ein kurzer, ungeschützter Blick (mit bloßem Auge! Ohne Optische Hilfsmittel) auf die teilverfinsterte Sonne auch nicht so dramatisch, dass man deswegen die Schüler wegsperren müsste, weil man nicht genug Finsternisbrillen hat. Da fallen anscheinend viele jetzt in einen Panikmodus.

    Ich habe als Kind mal versucht, wie lange ich in die Sonne starren kann, einige Sekunden lang, bis das Auge tränte und ich jede Menge blaue Nachbilder sah. Ich hatte deswegen große Sorgen, als ich beim Augenarzt war und meine Glaskörpertrübungen (Mouche volantes) beklagte, aber er konnte keine Schäden erkennen und meinte, es sei normal, als Kind solche Experimente zu machen und auch nicht besonders schädlich.

    Das soll jetzt kein Freibrief für die Nutzung irgendwelcher ungeeigneter Sonnenfilter sein (bei denen dann wohlmöglich die Pupille sich weitet und man minutenlang schmerzfrei in die Sonne schauen kann, während die Netzhaut unbemerkt mit UV oder IR gebrutzelt wird), sondern einfach mal ein Appell, das Ganze auch nicht überzudramatisieren. Eine Sonnenfinsternis macht die Sonne auch nicht gefährlicher, als sie es an anderen Tagen ist. Man hat dann nur keinen Grund, sie anzuschauen, das ist nämlich anstrengend.

    Auf dem Schulhof könnten die Kinder mit ihren Armbanduhren oder Handies als Spiegel das Sonnenbild an eine Wand im Schatten werfen. Gleiches Prinzip wie im Nachbarartikel mit dem kleinen Taschenspiegel beschrieben. Es kann so einfach sein.

  10. #10 SonnenMam
    19. März 2015

    Ach so ein Quatsch. Jedes mal wenn in meiner Stadt Sonnenfinsternis war kam im Fernsehen das die nächste in der Region erst wieder in 80 Jahren oder so wäre. Und was ist jetzt? Von wegen 80 Jahre. Typisch Wissenschaft, jeden Tag ändern sich die “Fakten”.

  11. #11 Alderamin
    19. März 2015

    @SonnenMann

    Die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland ist 2081. Wenn das Fernsehen da was anderes erzählt hat (was mich wundern würde, aber den Medien, vor allem den privaten, traue ich einiges zu), dann ist das sicher kein Fehler der Wissenschaft. Die Termine und Karten liegen im Web herum. Jeder Hobby-Astronom kennt die Ressourcen.

  12. #12 SonnenMann
    20. März 2015

    Hallo Alderamin, aso ok, agreed. Danke das du noch meinen nick korrigiert hast 🙂

  13. #13 Folke Kelm
    20. März 2015

    SonnenMann,

    Das ist generell ein Probelm, wenn Medien über Wissenschaft berichten. Journalisten sind recht selten ausgebildet in wissenschaftlichen Fächern, allzu oft haben sie schlicht gar keine Ahnung davon, was sie da schreiben. Dann kommt dazu, dass die allzu oft höchste Priorität der Journalisten das VERKAUFEN von Nachrtichten ist, nicht die Information.
    Hinterher bekommt die Wissenschaft die ganze Schuld in die Schuhe geschoben, und das macht mich manchmal richtig wütend.

  14. #14 Alderamin
    20. März 2015

    @Folke Kelm

    Das ist generell ein Problem, wenn Medien über Wissenschaft berichten.

    wie z.B. dieser Quatsch auf Pro 7. Furchtbar.

  15. #15 bruno
    20. März 2015

    @#9 Alderamin
    tx für die Lnks … habe mal ein bisschen quergelesen:
    lustig fand ich den Link zu Professor Jay M. Pasachoff: https://web.williams.edu/Astronomy/IAU_eclipses/observing_the_eclipse.html – der sprach mir aus dem Herzen (deine juvenilen Sonnentests übrigens auch 🙂 !!)
    Denn genau so habe ich heute die (etwas weniger) partielle SF hier auf den Kanaren beobachtet: mit einem alten, überbelichteten sw-Dia (was im Negativ komplett schwarz ist) – und da ich nur eine Lage habe, man durchaus zwei gebrauchen hätte können – das ganze vor ein Loch im Pappkarton gehalten habe. Perfekt! Habe sogar ein schönes Foto schiessen können. (iso100, blende40, 1/8000sec – mehr/weniger hat die Kamera nicht drauf…).
    …ich hätte es sowieso so gemacht – aber deine Kindertests und die Links haben mich bestärkt, nicht so zimperlich zu sein 😉
    Es gibt sicher bessere – aber wers aus Sicht der Kanaren sehen will: hier verlinkt:
    https://www.facebook.com/surfin.is.life/photos/a.640676515954947.1073741825.441294455893155/889030947786168/?type=1&theater

    LG!!