Die Suche nach der wahren Natur der dunklen Materie ist eine der spannendsten und wichtigsten Aufgaben der modernen Naturwissenschaft. Dass es irgendeine unbekannte Art der Materie geben muss, ist schon lange klar. Ich habe die Geschichte der dunklen Materie hier in einer ausführlichen Serie beschrieben. Aber um was es sich bei dieser Materie handelt, ist immer noch unklar. Die Suche nach der wahren Natur der dunklen Materie erfolgt an vielen Fronten; zum Beispiel am Teilchenbeschleuniger LHC, der demnächst wieder seine Arbeit aufnimmt. Aber auch astronomische Beobachtungen können dabei helfen, Informationen zur Beschaffenheit der dunklen Materie zu sammeln. Kürzlich wurde eine Forschungsarbeit veröffentlicht, die sehr beeindruckende Ergebnisse geliefert hat Evidence for Gamma-ray Emission from the Newly Discovered Dwarf Galaxy Reticulum 2″ und vielleicht sogar einen (fast) direkten Nachweis dunkler Materie darstellt.

Man geht derzeit davon aus, dass dunkle Materie aus einer noch unentdeckten Art von Elementarteilchen besteht. Um die nachzuweisen, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten. Man kann probieren, diese Teilchen bei Kollisionen in Beschleunigern künstlich zu erzeugen. Genau das versucht der LHC. Man kann aber auch probieren, Teilchen der dunklen Materie dort zu beobachten, wo sie natürlich entstehen. “Beobachten” an sich geht natürlich nicht, da dunkle Materie ja eben “dunkel” ist. Das heißt, sie strahlt weder Licht aus, noch interagiert sie sonst irgendwie mit Licht oder anderer elektromagnetischer Strahlung. Sie ist unsichtbar und wir bemerken sie nur aufgrund ihrer gravitativen Wirkung.

Trotzdem können Teilchen der dunklen Materie manchmal miteinander kollidieren und dabei könnten, so sagen es zumindest diverse theoretische Modelle voraus, Teilchen normaler Materie entstehen. Die treten dann in Paaren von Materie- und Antimaterie-Teilchen auf, vernichten sich gegenseitig und erzeugen dabei hochenergetische Gammastrahlung. Und die kann man nachweisen.

Natürlich gibt es auch jede Menge andere Quellen von Gammastrahlung im Universum, die nichts mit dunkler Materie zu tun haben. Gammastrahlung wird in Sternen erzeugt, in den Zentren von Galaxien, in Supernovaüberresten oder bei Pulsaren. Es reicht also nicht, einfach nur Gammastrahlung zu finden, um daraus auf die Existenz dunkler Materie zu schließen. Aber es ist ein Anfang!

Die große Magellansche Wolke; eine Zwerggalaxie in der Nachbarschaft der Milchstraße (Bild: NASA)

Die große Magellansche Wolke; eine Zwerggalaxie in der Nachbarschaft der Milchstraße (Bild: NASA)

Am besten sucht man dort nach der Gammastrahlung, die bei der Kollision dunkler Materie entsteht, wo es ansonsten wenig bekannte andere Gammastrahlungsquellen gibt. Und Zwerggalaxien sind dafür der ideale Ort. Dunkle Materie sollte sich den aktuellen Modellen nach vor allem in den Zentren von Galaxien finden lassen. Aber genau dort sind auch sehr viele andere Gammastrahlenquellen und es ist schwierig, zum Beispiel im Zentrum unserer eigenen Galaxie nach den Signalen dunkler Materie zu suchen. Aber jede große Galaxie ist normalerweise von diversen kleinen Zwerggalaxien umgeben. Allein in der Umgebung der Milchstraße kennt man schon an die 50 dieser kleinen Sternensysteme und die wahre Zahl ist mit Sicherheit viel größer. Die Zwerggalaxien finden sich auch überall am Himmel und damit auch in Regionen, die weitab der Gegenden liegen, aus denen die normale Gammastrahlung des Milchstraßenzentrums kommt. Und schließlich findet man in Zwerggalaxien weniger Supernovae, Pulsare und andere normale Quellen von Gammastrahlung.

Wenn man die Signale dunkler Materie suchen will, dann sind Zwerggalaxien ein guter Platz dafür und deswegen haben sich Alex Geringer-Sameth von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburg und seine Kollegen auch genau so eine Galaxie für ihre Arbeit ausgesucht. Sie heißt “Reticulum 2” und wurde vom Weltraumteleskop Fermi beobachtet, das in der Lage ist, Gammastrahlung zu detektieren. So sehen die Ergebnisse aus:

Die x-Achse in diesem Diagramm zeigt die Energie der einzelnen Gamma-Lichtteilchen, die gemessen wurden und die y-Achse gibt die Menge an. Die roten Punkte sind die eigentlichen Messungen (die Zahlen über den Punkten geben an, wie viele Ereignisse den Messungen zugrunde liegen). Die durchgezogene schwarze Linie ist der zu erwartende Hintergrund an normaler Gammastrahlung; die grauen Dreiecke zeigen ebenfalls den Hintergrund an, der in diesem Fall mit einer anderen Methode bestimmt worden ist. Beide Hintergrundlevels stimmen gut überein und auch die roten Messpunkte passen dazu. Nur im Bereich zwischen Energien von 2-10 GeV liegen die Messwerte deutlich über dem Hintergrund!

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Kommentare (11)

  1. #1 volki
    26. März 2015

    Es gibt ja eine ganze Menge an Kandidaten für die dunkle Matrie z.B. sterile Neutrinos, LSP, Axionen usw. Wird in dem Artikel auch gesagt welchen (hypothetischen) Kandidaten man hinter dieser Messung vermutet?

    Es hat ja in letzter Zeit einige Meldungen gegeben, in denen ein mögliches Signal der dunklen Materie entdeckt wurde (z.B. diese Meldungung sterile Neutrinos). Zeichnet sich inzwischen langsam ab, was der wahrscheinlichste Kandidat für die dunkle Materie ist?

  2. #2 Stefan K.
    26. März 2015

    Wenn ich das richtig verstanden habe, wäre dies ein (weiterer?, gilt die Existenz aufgrund der gravitativen Wirkung nicht ohnehin als gesicheert?) Hinweis auf die Existenz dunkler Materie, würde bei der Frage, woraus sie besteht aber nicht weiterhelfen, oder?

  3. #3 Sven
    26. März 2015

    Würde man nicht erwarten, dass der Gammaüberschuss in einen größenordnungsmäßig ähnlichen Energiebereich wie die Masse der ihn verursachenden Dunkle Materie-Teilchen auftritt? Und 2-10 GeV scheint mir ein bisschen wenig für WIMPs. Gut, die Messergebnisse schließen einen noch größeren Überschuss bei höheren Energien anscheinend nicht wirklich aus.

  4. #4 Alderamin
    26. März 2015

    @Stefan K.

    Doch, das wäre ein Hinweis darauf, dass es sich um Teilchen handelt, die ihre eigenen Antiteilchen sind und die eine Masse um einige GeV/c² haben. Auf diese Größenordnung gab es auch schon andere Hinweise.

  5. #5 wereatheist
    26. März 2015

    @Alderamin
    Dann gäbe es ein Teilchen DM pro Nukleon (wie S. Carroll sagt). Das wäre sehr interessant.
    OTOH ist dieser Energie/Massenbereich schon lange von Beschleunigern abgedeckt, man bräuchte also in Zukunft erstmal gar nicht unbedingt eine Maschine mit höheren Teilchenenergien, sondern welche mit extremen Strahlintensitäten für bessere Nachweisstatistik…

  6. #6 Jens
    26. März 2015

    Über Zwerggalaxien könntest du doch mal eine eigene Sternengeschichte machen.

  7. #7 Andreas P.
    27. März 2015

    Ist es denkbar dass es sich am Ende doch um “normale” Materie handelt, die aber auf irgendwelche Art und Weise vor uns verborgen ist, zum Beispiel in einer uns nicht zugänglichen Dimension? Oder ist das völliger Blödsinn?

  8. #8 Nestiiii
    Linz
    27. März 2015
  9. #9 Alderamin
    27. März 2015

    @Andreas P.

    Nach Ockhams Rasiermesser ist unter mehreren Möglichkeiten diejenige Erklärung zu bevorzugen, die mit den wenigsten Nebenannahmen auskommt. Es erfordert deutlich weniger Nebenannahmen, wenn man davon ausgeht, dass es noch unentdeckte Teilchen gibt, als höhere Dimensionen zu postulieren, für die es keinerlei Hinweis gibt (auch wenn die Stringtheorie so etwas theoretisch sogar erlauben würde, Materie in einer Nachbar-Brane, die über Schwerkraft mit unserer wechselwirken kann, so was habe ich tatsächlich mal als DM-Vorschlag gelesen).

    Außerdem passt die Annahme von kalter, Dunkler Materie aus elektromagnetisch nicht wechselwirkenden Teilchen hervorragend zur dynamischen Entwicklung des Universums, etwa wie sich Galaxien aus dem ursprünglichen Gas formten (etwa in Simulationen, die nur dann die Struktur des Universums nachbilden, wenn man 4/5 DM hinzugibt). Wenn Materie in einer anderen Dimension die DM bilden würde, dann muss sie sich jedenfalls kompatibel zu einem unsichtbaren Gas sein, das sich nicht zu kompakten Objekten (wie normale Materie zu Sternen und Planeten) formt, sich aber dennoch verdichten kann und einen Großteil der Gravitationswirkung aufbringt. Das spricht nicht gerade für diese Hypothese. Und die Aussendung von Gammastrahlung schon gar nicht, die könnte nämlich anders als die Schwerkraft ihre Brane nicht verlassen. Nur Gravitation könnte das (vermittelt durch das Graviton, ein Spin-2-Teilchen, das wären dann ringförmige Strings, die nicht an der Brane haften bleiben). Jedenfalls, wenn’s nach der Stringtheorie ginge.

  10. #10 Andreas P.
    28. März 2015

    @Alderamin
    Danke für die Erklärung

  11. #11 EwigeFinsternis
    Überversum
    6. April 2015

    Gerade die Tatsache, daß DM bisher lediglich gravitativ erahnbar ist, läßt die Spekulationen der Eso-Szene heißlaufen. Ist es gar die Hölle, ein Ort, wo sich (so sagte ein Anthroposoph zu mir) die Seelen der Toten “kumulieren”?