bartusiakSchwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Lange Zeit galten sie nur als mathematische Kuriosität; heute wissen wir, dass sie überall im Kosmos zu finden sind und großen Einfluss auf seine Entwicklung haben. Über schwarze Löcher gibt es viel zu erzählen und über sie existieren viele falsche Vorstellungen. Ich wollte schon seit längerer Zeit eine ausführliche Serie über schwarze Löcher schreiben. Und da Marcia Bartusiak kürzlich ein tolles Buch* zu diesem Thema veröffentlicht hat, nehme ich das als Anlass, um diese Serie endlich zu schreiben. Alle Teile der Serie findet ihr hier.
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Gestern habe ich über die Frühgeschichte der schwarzen Löcher geschrieben und über den unterschätzten John Michell, der im 18. Jahrhundert als erster die Idee hatte, dass es so etwas seltsames wie einen “unsichtbaren Stern” tatsächlich geben kann. Seine Argumentation basierte zwar auf physikalischen Vorstellungen, die sich später als falsch heraus gestellt haben. Aber trotzdem hat er viele kommende Erkenntnisse vorweg genommen. Michell nutzte die Gravitationstheorie von Isaac Newton und ging davon aus, das auch Licht aus Teilchen mit einer Masse besteht, die durch die Schwerkraft der Sterne angezogen und verlangsamt werden. Nun war (und ist!) Newtons Theorie zwar sehr gut darin, gewisse Dinge im Universum zu beschreiben. Aber keine schwarzen Löcher. Dazu brauchte es ein weiteres Genie und eine weitere geniale Theorie: Albert Einstein und seine Allgemeine Relativitätstheorie.

Ich habe über die Relativitätstheorie schon oft und ausführlich geschrieben (siehe hier für eine Übersicht) und möchte das jetzt nicht wiederholen. Aber ich will die Gelegenheit nutzen, um auf einen besonderen Aspekt bei der Betrachtung schwarzer Löcher hinzuweisen, der oft ein wenig übersehen wird. Es geht um die Vereinheitlichung der Physik!

Newton zwischen Himmel und Erde (Bild: Wellcome Trust, CC-BY 4.0)

Newton zwischen Himmel und Erde (Bild: Wellcome Trust, CC-BY 4.0)

Isaac Newtons Gravitationstheorie war nicht nur deswegen so außergewöhnlich, weil er als erster in der Lage war, einen exakten mathematischen Formalismus anzugeben, mit dem sich die gravitative Wechselwirkung von Objekten berechnen lässt. Das war zwar unbestritten eine enorm wichtige Leistung, aber bei weitem nicht die einzige. Das, was Newtons Arbeit (zumindestens meiner Meinung nach) so nachhaltig beeindruckend macht, war ihre Universalität. Newton hat gezeigt, dass eine Formel genügt, um alle Phänomene zu beschreiben, die mit der Gravitation zu tun haben. Eine Formel reicht, um die Bewegung von Planeten um die Sonne genauso zu beschreiben wie den Flug von Kanonenkugeln auf der Erde oder die vom Mond verursachten Gezeiten in den Meeren. Es gab keine “besonderen” Gesetze, die im Weltall gelten. Es gab nur eine universell gültige Formel. Der Himmel funktioniert genau so wie die Erde!

Diese Erkenntnis war nicht selbstverständlich. Aristoteles zum Beispiel war der Ansicht, die Dinge würden nur deswegen nach unten fallen, weil sie ihrem “natürlichen” Ort im Universum zustrebten und der war das Zentrum des Kosmos – in dem sich selbstverständlich die Erde befindet. Alles was aus “gewöhnlicher” Materie besteht, folgt diesem Weg wohingehen die Planeten aus “himmlischer” Materie bestehen, die anderen Gesetzen folgt und denen eine andere “natürliche” Bewegung innewohnt. Und auch zu Newtons Zeit war bei weitem noch nicht klar, dass es allgemein gültige Naturgesetze geben muss. Kepler zum Beispiel war zwar ebenfalls in der Lage, quantitative Gesetze für die Bewegung von Planeten anzugeben, hatte aber keine Ahnung, warum sie sich so bewegen, wie seine Gesetze es tun. In seiner “Astronomia Nova” aus dem Jahr 1609 spekuliert er lange und ausführliche über alle möglichen Arten von “himmlischer Bewegung”, über Magnetstrahlen die von der Sonne ausgehen, und ähnliches. Mit der Schwerkraft auf der Erde bringt er die Bewegung der Planeten aber nicht in Verbindung. Das gelang erst Newton und seine Arbeit war der erste große Schritt auf einem langen Weg, den die Physiker heute immer noch nicht zu Ende gegangen sind: Die Vereinheitlichung der Physik.

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Kommentare (10)

  1. #1 Higgs-Teilchen
    Im Standardmodell oben rechts
    7. Mai 2015

    @Florian

    “Ich würde zu gerne wissen, wie dieser Name lautet”

    In irgendeinem der vielen Paralleluniversen lautet er bestimmt Florian Freistetter.
    😉

  2. #2 Chemiker
    7. Mai 2015

    Der Name einer Person deren/dessen Leistungen den beiden Vorgänger ebenbürtig sind und die den nächsten Schritt auf dem Weg der Vereinheitlichung der Physik gegangen ist.

    Das wird dann wohl Ferguson sein. ☺

    Ehrlich glaube ich, daß es diesen Namen niemals geben wird. Wissen­schaft wird immer kooperativer, und be­reits beim Standard­modell ist es so gut wie unmög­lich, einen einzelnen Namen heraus­zupicken. Glashow, Weinberg, Higgs? Oder Gell-Man? Oder müssen wir früher beginnen, bei Pauli und Dirac?

    Sollte eine Theory of Everything jemals kommen, dann erwarte ich eine ähnliche Architektur: Viele, viele Bau­meister und dann ein paar Schluß­steine, die mehr oder minder zeit­gleich auf das Gebäude gepflanzt werden.

  3. #3 McPomm
    7. Mai 2015

    Wie viele (die meisten?) gehe ich auch mittlerweile davon aus, dass eine GUT (grand unified theory) nicht hinter einem einzigen Namen oder zweien stehen wird. Sondern eine Gruppe von Leuten.

  4. #4 mr_mad_man
    7. Mai 2015

    Erst mal Danke für die Buchbesprechung zu diesem Thema. Hab schon das eine andere Buch einer Besprechung hier gekauft, gelesen und bin nie enttäuscht worden, ganz im Gegenteil.

    Hierzu hätte ich mal eine Frage:

    “Um schwarze Löcher wirklich zu verstehen, muss man Gravitation und Quantenmechanik unter einen Hut bringen. Schwarze Löcher sind enorm schwer und enorm klein und es sind beide Theorien nötig, um sie zu beschreiben. Aber so wie sich damals Newtons Mechanik und Maxwells Elektrodynamik widersprochen haben, tun das heute die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik.”

    Das (oder ähnlich) hört und liest man des öfteren. Aber in was genau widersprechen sich die beiden Theorien in Bezug auf schwarze Löcher. Was sagt die eine Theorie und was die andere?

  5. #5 Florian Freistetter
    7. Mai 2015

    @mr_mad_man: ” Was sagt die eine Theorie und was die andere?”

    Das ist natürlich eine sehr komplexe Frage. Aber ganz einfach gesagt: Die Quantenmechanik ist quantisiert. Die allgemeine Relativitätstheorie ist aber nur in der Lage, eine “glatte” Raumzeit zu beschreiben. Wenn du nur große Objekte beschreibst, ist das egal, da spielt das, was auf kleineren Skalen abgeht, keine Rolle. Aber wenn du was KLEINES mit der ART beschreiben willst, kriegst du Probleme. Denn wenn du die Raumzeit auf Quantenskala betrachtest, ist die gar nicht mehr glatt. Wegen der Heisenbergschen Unschärferelation folgt, dass um so mehr Energie spontan in einem Raumvolumen konzentriert und “plötzlich” auftauchen kann, je kleiner der Bereich ist. D.h. je kleinere Skalen du betrachtest, desto stärker variiert die Struktur der Raumzeit. Die ART sagt aber, dass das nicht geht und die Raumzeit immer ausreichend glatt sein muss, egal auf welcher Skala man sie betrachtet.

    Es gibt natürlich noch mehr Widersprüche und Probleme. Aber das ist das gravierendste…

  6. #6 PDP10
    7. Mai 2015

    @mr_mad_man:

    “Aber in was genau widersprechen sich die beiden Theorien in Bezug auf schwarze Löcher. Was sagt die eine Theorie und was die andere?”

    Das Problem ist nicht die Anwendung der Theorie auf Schwarze Löcher, sondern ein viel grundlegenderes.

    Es ist einfach noch nicht gelungen eine Quantenfeldtheorie für die Gravitation zu entwickeln (anders als für die drei anderen bekannten Wechselwirkungen).

    Für einen Einstieg in die Problematik ist vielleicht der Wikipedia Artikel zum Stichwort “Graviton” ganz hilfreich (und die weiterführenden Links darin):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Graviton

  7. #7 Paul
    8. Mai 2015

    @mr_mad_man: schau mal bei Martin Bäker vorbei:

    Quantengravitation

    Dort sind auch jede Menge Querverweise enthalten.

  8. #8 mr_mad_man
    12. Mai 2015

    @Florian Freistetter, PDP10 und Paul
    Danke für die Antworten, habe ein bischen gebraucht, um das alles zu lesen. Da ich Laie bin, ist das schon sehr komplex und schwierig für mich zu verstehen, glaube aber zumindest ein Gefühl dafür bekommen zu haben warum sich die beiden Theorien beißen.

    Meine ursprüngliche Frage war allerdings viel “einfacher” gedacht. Ungefähr so: Wenn man ein Schwarzes Loch mit der Relativitätstheorie beschreibt, so sagt diese, dass es blau* ist. Beschreibt man es mit der Quantenmechanik, sagt diese dass es gelb* ist.

    * blau ungleich gelb = Problem
    wobei die beiden Farben hier “Variablen” dessen darstellen sollen, was ich erfragen wollte.

  9. #9 PDP10
    12. Mai 2015

    @mr_mad_man:

    “Meine ursprüngliche Frage war allerdings viel “einfacher” gedacht. Ungefähr so: Wenn man ein Schwarzes Loch mit der Relativitätstheorie beschreibt, so sagt diese, dass es blau* ist. Beschreibt man es mit der Quantenmechanik, sagt diese dass es gelb* ist.”

    Die Analogie trifft in gewissem Sinne zu, andererseits aber auch wieder nicht …

    Mit der ART kann man ganz gut Schwarze Löcher als Objekte beschreiben und man kann auch gute Aussagen darüber machen, was passiert, wenn sich Materie einem SL nähert – so ungefähr bis kurz vor dem Ereignishorizont.

    Die Quantentheorie kann auf sehr kleinen Skalen beschreiben, was mit Materie passiert, wenn sie so ungeheuren Energien ausgesetzt ist, wie die, die durch die Kräfte entsteht, die da wirken und noch mehr – siehe zB Hawking-Strahlung.

    Man hat also zwei Sichtweisen darauf, was mit Materie in der Nähe (dh. nahe am Ereignishorizonts) eines SL passiert – und auch darauf, wie so ein SL überhaupt entsteht. Um das zu verstehen, braucht man auch die Perspektive beider Theorien.

    Beide sind sehr gut darin das zu beschreiben und liefern auch Messvorschriften wie man die entsprechenden Voraussagen durch beobachtungen überprüfen könnte.

    Mit beiden Theorien zusammen kann man sich also ein ganz gutes Bild davon machen, was so in der Nähe eines SL passiert.

    Das ist aber leider auch schon alles.

    Was passiert wenn man näher ran geht – speziell, wenn man den Ereignishorizont überschreitet, passiert auf so kleinen Skalen und bei so starker Gravitation auf diesen kleinen Skalen, dass man eine Quantentheorie der Gravitation (also eine glückliche Ehe der beiden Theorien – oder auch etwas ganz anderes …) bräuchte um sinnvolle (und experimentell überprüfbare) Hypothesen aufstellen zu können was da ab geht.

    Du liegst also insofern richtig wenn du sagst, dass ein SL mal Blau aus der Perspektive der ART und mal Gelb aus der Perspektive der QM ist.

    Allerdings ergibt beides zusammen ein recht schlüssiges Bild von dem was wir bisher darüber wissen können – ist also kein Widerspruch.

    Alles weitere können wir schlicht und ergreifend noch nicht wissen …

  10. #10 mr_mad_man
    14. Mai 2015

    @PDP10: Danke für die ausführliche Antwort. Vieles wird für mich nun klarer. Wie das aber so oft ist, je mehr man versteht (oder glaubt zu verstehen), desto mehr bzw. neue Fragen ergeben sich. Also nutze ich die Chance 🙂 :
    1. Ereignishorizont = Schwarzschildradius ?
    2. Etwas umfangreicher: Du schreibst, man kann mit ART und QM beschreiben, was mit Materie in der Nähe des Ereignishorizontes passiert, Auch kann man mit beiden Theorien beschreiben, wie SL entstehen. Nun die Frage: kann man mit den Theorien beschreiben was ein SL ist?

    Der Ereignishorizont ist ja keine “feste” Kugeloberfläche, nach der irgendein Material noch dichter als bei Neutronensternen anfängt, sondern danach kommt ja im Prinzip leerer Raum (außer dem Zeug, dass den EH überschritten hat, und Richtung Zentrum unterwegs ist). Und dieses Zentrum, dieser Punkt, oder Singularität wie man oft liest, das ist ja das eigentliche SL. Beschreiben die beiden Theorien in irgendeiner Weise diesen Punkt? Und wenn ja wie? Schon mal vielen Dank im voraus.