Newtons Mechanik war die erste große allgemeine Theorie zur Beschreibung des Universums. Die im 19. Jahrhundert zur Beschreibung elektrischer und magnetischer Felder entwickelte Elektrodynamik von James Clerk Maxwell (ich habe hier mehr dazu geschrieben war die zweite. Aber wenn man probierte, die Elektrodynamik unter dem Gesichtspunkt von Newtons Mechanik zu betrachten (oder umgekehrt), dann gab es Probleme und die Theorien führten zu widersprüchlichen Aussagen. Das war eine unbefriedigende Situation und besonders unzufrieden damit war Albert Einstein. Seine berühmte Arbeit aus dem Jahr 1905 (die später als “spezielle Relativitätstheorie” bekannt werden sollte) beginnt mit dem Satz:

“Daß die Elektrodynamik Maxwells – wie dieselbe gegenwärtig aufgefaßt zu werden pflegt – in ihrer Anwendung auf bewegte Körper zu Asymmetrien führt, welche den Phänomenen nicht anzuhaften scheinen, ist bekannt.”

einstein

Und es gelang Einstein tatsächlich, diese “Asymmetrien” aufzulösen und einen weiteren Schritt in Richtung Vereinheitlichung zu gehen. Seine Arbeit gipfelte in der Veröffentlichung der “Allgemeinen Relativitätstheorie” im November 1915. Einstein zeigte darin, dass man Raum und Zeit nicht getrennt voneinander betrachten darf. Er zeigte auch, dass es keine speziellen Bezugssysteme gibt, sondern – vereinfacht gesagt – jeder Blick auf das Universum gleichberechtigt ist. Genau so wie Newton gezeigt hat, dass es keine Rolle spielt, ob man sich auf der Oberfläche der Erde befindet oder im Weltall und die Gravitation überall auf die gleiche Art und Weise funktioniert, konnte Einstein zeigen, dass es auch keine Rolle spielt, ob man still zu stehen meint oder sich mit hoher Geschwindigkeit durch die Gegend bewegt. Und es ebenfalls keine Rolle spielt, ob man die Schwerkraft der Erde spürt oder die Beschleunigungskraft bei schneller Bewegung. Seine allgemeinen Formeln fassten all die verschiedenen Bewegungen zu einem einheitlichen Bild zusammen und in diesem Bild existierten nun eben auch Raum und Zeit nicht mehr unabhängig vom Rest des Universums. Raum und Zeit konnten “verformt” werden und das, was wir als Gravitationskraft wahrnehmen, ist nur das Resultat der Bewegung durch diesen verformten Raum.

Und hier tauchen auch wieder die schwarzen Löcher auf. Michell hatte damals im 18. Jahrhundert zwar nicht recht, als er dachte, dass die Gravitation eines Sterns das von ihm ausgehende Licht so verlangsamt, dass es nicht aus seiner Nähe entkommen kann. Einstein zeigte klar und deutlich, dass die Lichtgeschwindigkeit immer konstant ist und Licht (im Vakuum) nicht gebremst werden kann. Aber er zeigte auch, dass Licht den Verformungen der Raumzeit folgen muss. Und, wie die Einstein nachfolgende Forschergeneration heraus fand, manche Objekte können die Raumzeit so sehr verformen, dass das Licht keinen Weg mehr heraus findet! Solche “Löcher” in der Raumzeit sind Fallen für alles, was ihnen zu nahe kommt. Denn einmal eingefangen, kann ihnen nichts mehr entkommen, auch kein Licht. Noch später wurde den Wissenschaftlern auch bewusst, dass solche “Löcher” nicht nur mathematische Kuriositäten sind, sondern bei realen astronomischen Prozessen erzeugt werden können. Heute hat sich unser Wissen über die schwarzen Löcher enorm vergrößert; wir haben viele dieser Objekte im Universum entdeckt und ihre Eigenschaften und ihren Einfluss untersucht. Aber vollständig verstanden haben wir sie nicht. Dazu fehlt ein weiterer Schritt auf dem Weg der großen Vereinheitlichung. Um schwarze Löcher wirklich zu verstehen, muss man Gravitation und Quantenmechanik unter einen Hut bringen. Schwarze Löcher sind enorm schwer und enorm klein und es sind beide Theorien nötig, um sie zu beschreiben. Aber so wie sich damals Newtons Mechanik und Maxwells Elektrodynamik widersprochen haben, tun das heute die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik. Und noch ist leider niemand aufgetaucht, der dieses Problem lösen konnte.

Zuerst kam Newton. Dann kam Einstein. Und wenn in (ferner) Zukunft Kinder in der Schule über die großen wissenschaftlichen Genies der Vergangenheit lernen, wird in dieser Liste mit Sicherheit ein dritter Name folgen. Der Name einer Person deren/dessen Leistungen den beiden Vorgänger ebenbürtig sind und die den nächsten Schritt auf dem Weg der Vereinheitlichung der Physik gegangen ist. Ich würde zu gerne wissen, wie dieser Name lautet. Und hoffe, dass ich ihn noch irgendwann erfahren werde…

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Kommentare (10)

  1. #1 Higgs-Teilchen
    Im Standardmodell oben rechts
    7. Mai 2015

    @Florian

    “Ich würde zu gerne wissen, wie dieser Name lautet”

    In irgendeinem der vielen Paralleluniversen lautet er bestimmt Florian Freistetter.
    😉

  2. #2 Chemiker
    7. Mai 2015

    Der Name einer Person deren/dessen Leistungen den beiden Vorgänger ebenbürtig sind und die den nächsten Schritt auf dem Weg der Vereinheitlichung der Physik gegangen ist.

    Das wird dann wohl Ferguson sein. ☺

    Ehrlich glaube ich, daß es diesen Namen niemals geben wird. Wissen­schaft wird immer kooperativer, und be­reits beim Standard­modell ist es so gut wie unmög­lich, einen einzelnen Namen heraus­zupicken. Glashow, Weinberg, Higgs? Oder Gell-Man? Oder müssen wir früher beginnen, bei Pauli und Dirac?

    Sollte eine Theory of Everything jemals kommen, dann erwarte ich eine ähnliche Architektur: Viele, viele Bau­meister und dann ein paar Schluß­steine, die mehr oder minder zeit­gleich auf das Gebäude gepflanzt werden.

  3. #3 McPomm
    7. Mai 2015

    Wie viele (die meisten?) gehe ich auch mittlerweile davon aus, dass eine GUT (grand unified theory) nicht hinter einem einzigen Namen oder zweien stehen wird. Sondern eine Gruppe von Leuten.

  4. #4 mr_mad_man
    7. Mai 2015

    Erst mal Danke für die Buchbesprechung zu diesem Thema. Hab schon das eine andere Buch einer Besprechung hier gekauft, gelesen und bin nie enttäuscht worden, ganz im Gegenteil.

    Hierzu hätte ich mal eine Frage:

    “Um schwarze Löcher wirklich zu verstehen, muss man Gravitation und Quantenmechanik unter einen Hut bringen. Schwarze Löcher sind enorm schwer und enorm klein und es sind beide Theorien nötig, um sie zu beschreiben. Aber so wie sich damals Newtons Mechanik und Maxwells Elektrodynamik widersprochen haben, tun das heute die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik.”

    Das (oder ähnlich) hört und liest man des öfteren. Aber in was genau widersprechen sich die beiden Theorien in Bezug auf schwarze Löcher. Was sagt die eine Theorie und was die andere?

  5. #5 Florian Freistetter
    7. Mai 2015

    @mr_mad_man: ” Was sagt die eine Theorie und was die andere?”

    Das ist natürlich eine sehr komplexe Frage. Aber ganz einfach gesagt: Die Quantenmechanik ist quantisiert. Die allgemeine Relativitätstheorie ist aber nur in der Lage, eine “glatte” Raumzeit zu beschreiben. Wenn du nur große Objekte beschreibst, ist das egal, da spielt das, was auf kleineren Skalen abgeht, keine Rolle. Aber wenn du was KLEINES mit der ART beschreiben willst, kriegst du Probleme. Denn wenn du die Raumzeit auf Quantenskala betrachtest, ist die gar nicht mehr glatt. Wegen der Heisenbergschen Unschärferelation folgt, dass um so mehr Energie spontan in einem Raumvolumen konzentriert und “plötzlich” auftauchen kann, je kleiner der Bereich ist. D.h. je kleinere Skalen du betrachtest, desto stärker variiert die Struktur der Raumzeit. Die ART sagt aber, dass das nicht geht und die Raumzeit immer ausreichend glatt sein muss, egal auf welcher Skala man sie betrachtet.

    Es gibt natürlich noch mehr Widersprüche und Probleme. Aber das ist das gravierendste…

  6. #6 PDP10
    7. Mai 2015

    @mr_mad_man:

    “Aber in was genau widersprechen sich die beiden Theorien in Bezug auf schwarze Löcher. Was sagt die eine Theorie und was die andere?”

    Das Problem ist nicht die Anwendung der Theorie auf Schwarze Löcher, sondern ein viel grundlegenderes.

    Es ist einfach noch nicht gelungen eine Quantenfeldtheorie für die Gravitation zu entwickeln (anders als für die drei anderen bekannten Wechselwirkungen).

    Für einen Einstieg in die Problematik ist vielleicht der Wikipedia Artikel zum Stichwort “Graviton” ganz hilfreich (und die weiterführenden Links darin):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Graviton

  7. #7 Paul
    8. Mai 2015

    @mr_mad_man: schau mal bei Martin Bäker vorbei:

    Quantengravitation

    Dort sind auch jede Menge Querverweise enthalten.

  8. #8 mr_mad_man
    12. Mai 2015

    @Florian Freistetter, PDP10 und Paul
    Danke für die Antworten, habe ein bischen gebraucht, um das alles zu lesen. Da ich Laie bin, ist das schon sehr komplex und schwierig für mich zu verstehen, glaube aber zumindest ein Gefühl dafür bekommen zu haben warum sich die beiden Theorien beißen.

    Meine ursprüngliche Frage war allerdings viel “einfacher” gedacht. Ungefähr so: Wenn man ein Schwarzes Loch mit der Relativitätstheorie beschreibt, so sagt diese, dass es blau* ist. Beschreibt man es mit der Quantenmechanik, sagt diese dass es gelb* ist.

    * blau ungleich gelb = Problem
    wobei die beiden Farben hier “Variablen” dessen darstellen sollen, was ich erfragen wollte.

  9. #9 PDP10
    12. Mai 2015

    @mr_mad_man:

    “Meine ursprüngliche Frage war allerdings viel “einfacher” gedacht. Ungefähr so: Wenn man ein Schwarzes Loch mit der Relativitätstheorie beschreibt, so sagt diese, dass es blau* ist. Beschreibt man es mit der Quantenmechanik, sagt diese dass es gelb* ist.”

    Die Analogie trifft in gewissem Sinne zu, andererseits aber auch wieder nicht …

    Mit der ART kann man ganz gut Schwarze Löcher als Objekte beschreiben und man kann auch gute Aussagen darüber machen, was passiert, wenn sich Materie einem SL nähert – so ungefähr bis kurz vor dem Ereignishorizont.

    Die Quantentheorie kann auf sehr kleinen Skalen beschreiben, was mit Materie passiert, wenn sie so ungeheuren Energien ausgesetzt ist, wie die, die durch die Kräfte entsteht, die da wirken und noch mehr – siehe zB Hawking-Strahlung.

    Man hat also zwei Sichtweisen darauf, was mit Materie in der Nähe (dh. nahe am Ereignishorizonts) eines SL passiert – und auch darauf, wie so ein SL überhaupt entsteht. Um das zu verstehen, braucht man auch die Perspektive beider Theorien.

    Beide sind sehr gut darin das zu beschreiben und liefern auch Messvorschriften wie man die entsprechenden Voraussagen durch beobachtungen überprüfen könnte.

    Mit beiden Theorien zusammen kann man sich also ein ganz gutes Bild davon machen, was so in der Nähe eines SL passiert.

    Das ist aber leider auch schon alles.

    Was passiert wenn man näher ran geht – speziell, wenn man den Ereignishorizont überschreitet, passiert auf so kleinen Skalen und bei so starker Gravitation auf diesen kleinen Skalen, dass man eine Quantentheorie der Gravitation (also eine glückliche Ehe der beiden Theorien – oder auch etwas ganz anderes …) bräuchte um sinnvolle (und experimentell überprüfbare) Hypothesen aufstellen zu können was da ab geht.

    Du liegst also insofern richtig wenn du sagst, dass ein SL mal Blau aus der Perspektive der ART und mal Gelb aus der Perspektive der QM ist.

    Allerdings ergibt beides zusammen ein recht schlüssiges Bild von dem was wir bisher darüber wissen können – ist also kein Widerspruch.

    Alles weitere können wir schlicht und ergreifend noch nicht wissen …

  10. #10 mr_mad_man
    14. Mai 2015

    @PDP10: Danke für die ausführliche Antwort. Vieles wird für mich nun klarer. Wie das aber so oft ist, je mehr man versteht (oder glaubt zu verstehen), desto mehr bzw. neue Fragen ergeben sich. Also nutze ich die Chance 🙂 :
    1. Ereignishorizont = Schwarzschildradius ?
    2. Etwas umfangreicher: Du schreibst, man kann mit ART und QM beschreiben, was mit Materie in der Nähe des Ereignishorizontes passiert, Auch kann man mit beiden Theorien beschreiben, wie SL entstehen. Nun die Frage: kann man mit den Theorien beschreiben was ein SL ist?

    Der Ereignishorizont ist ja keine “feste” Kugeloberfläche, nach der irgendein Material noch dichter als bei Neutronensternen anfängt, sondern danach kommt ja im Prinzip leerer Raum (außer dem Zeug, dass den EH überschritten hat, und Richtung Zentrum unterwegs ist). Und dieses Zentrum, dieser Punkt, oder Singularität wie man oft liest, das ist ja das eigentliche SL. Beschreiben die beiden Theorien in irgendeiner Weise diesen Punkt? Und wenn ja wie? Schon mal vielen Dank im voraus.