bartusiakSchwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Lange Zeit galten sie nur als mathematische Kuriosität; heute wissen wir, dass sie überall im Kosmos zu finden sind und großen Einfluss auf seine Entwicklung haben. Über schwarze Löcher gibt es viel zu erzählen und über sie existieren viele falsche Vorstellungen. Ich wollte schon seit längerer Zeit eine ausführliche Serie über schwarze Löcher schreiben. Und da Marcia Bartusiak kürzlich ein tolles Buch* zu diesem Thema veröffentlicht hat, nehme ich das als Anlass, um diese Serie endlich zu schreiben. Alle Teile der Serie findet ihr hier.
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Im 18. Jahrhundert kam John Michell und dachte sich schwarze Löcher aus. Die Physik dahinter war aber zweifelhaft und deswegen musste im 20. Jahrhundert Karl Schwarzschild nochmal neu erklären, dass es sowas wie “schwarze Löcher” geben kann. Allerdings nur theoretisch – dass es auch im wirklichen Universum Himmelskörper geben kann, die all ihr Licht “festhalten” konnte sich damals niemand vorstellen. Und es wollte auch niemand. Schwarze Löcher mögen vielleicht ein mathematisches Resultat aus Einsteins Relativitätstheorie sein, aber in der Natur könne so ein absurdes Objekt doch niemals entstehen!

Aber dann kam ein junger indischer Student und brachte die Astronomie gehörig durcheinander… Obwohl, eigentlich beginnt die Geschichte ja schon ein bisschen früher mit dem deutschen Astronom Friedrich Wilhelm Bessel. Der beobachtete, wie die Sterne im Laufe der Zeit ihre Position veränderten. Besonders der hellste Stern am Nachthimmel – Sirius – war Ziel seiner Beobachtungen und als er die im Jahr 1844 zusammenfasste, stellte er fest: Dieser Stern bewegt sich nicht einfach nur über den Himmel, er schlingert! Er bewegte sich genau so, als würde er durch die Gravitationskraft eines zweiten Sterns beeinflusst, der sich mit ihm gemeinsam durchs All bewegt. Nur war von diesem zweiten Stern nichts zu sehen.

Zumindest bis zum 31. Januar 1862. Denn da entdeckten die beiden Teleskopbauer Alvan Clark und sein Sohn Alvan Graham Clark einen kleinen, schwach leuchtenden Stern genau da, wo ein Begleiter von Sirius sein sollte. Spätere Beobachtungen zeigten, dass es sich um einen sehr seltsamen Himmelskörper handeln musste. Dieser Begleiter war heiß und leuchtete weiß. Und das sollten nach damaligen Stand des Wissens über Sterne eigentlich nur große Himmelskörper tun. Je kleiner ein Stern, desto kühler und rötlicher sollte sein Licht sein. Sirius B, wie der Begleiter genannt wurde, war aber zweifelsfrei
weiß und heiß. Aber dann musste er auch enorm klein sein, denn nur so konnte er am Himmel so schwach leuchtend erscheinen. Es war ein “weißer Zwerg”, kaum größer als die Erde!

Die Sterns Sirius A und Sirius B. Sirius B ist ein weißer Zwerg - er ist als kleiner heller Punkt links unten zu sehen (Bild: NASA, ESA, H. Bond (STScI), and M. Barstow (University of Leicester )

Die Sterns Sirius A und Sirius B. Sirius B ist ein weißer Zwerg – er ist als kleiner heller Punkt links unten zu sehen (Bild: NASA, ESA, H. Bond (STScI), and M. Barstow (University of Leicester )

Seine Gravitationskraft reichte aber auch aus, um den Sirius merkbar zu stören. Er musste also nicht nur sehr klein sein, sondern auch sehr massereich sein; mindestens so schwer wie die Sonne selbst! Viel Masse auf wenig Raum – zu wenig Raum für die meisten Astronomen der damaligen Zeit. Der berühmte britische Astrom Arthur Eddington meinte damals (frei übersetzt): “Der Begleiter von Sirius schickte uns eine Botschaft: ‘Mein Material ist 3000 mal dichter als alles, was ihr bis jetzt gesehen habt: Eine Tonne von mir würde in eine Streichholzschachtel passen.’ Was antwortet man darauf? Die meisten von uns entschieden sich für: ‘Halt den Mund! Red keinen Unsinn!'”

Aber in den 1920er Jahren begann man dann immerhin ein wenig besser zu verstehen, wie Atome funktionieren und die Physiker entwickelten ihre Quantenmechanik. Die lieferte auch eine erste Lösung, wie so ein weißer Zwerg funktionieren könnte. Die Materie wird dort so enorm komprimiert, dass die Atomkerne aneinander gepresst werden und all der freie Raum, der normalerweise zwischen Kern und der Elektronenhülle eines Atoms existiert, verschwindet. Die Elektronen können sich nun quasi frei durch die gesamte Materie des weißen Zwergs bewegen und dabei einen Druck aufbauen, der den weißen Zwerg stabil hält.

Aber dann kam das Jahr 1930 und mit ihm der 19jährige Inder Subrahmanyan Chandrasekhar. Auf einer Schiffsreise von Indien nach England (wo er an der Uni Cambridge studieren wollte) dachte über die weißen Zwerge und die Elektronen nach. Und darüber, was wohl passieren würde, wenn man die Masse eines weißen Zwergs erhöht. Die Elektronen müssten sich dann immer schneller bewegen – bis sie irgendwann fast so schnell wie das Licht sind. Albert Einsteins Erkenntnisse zur Bewegung mit solch hohen Geschwindigkeiten waren damals natürlich schon bekannt. Aber Chandrasekhar war der erste, dem klar wurde, dass man bei der Betrachtung der weißen Zwerge nicht nur die Quantenmechanik berücksichtigen musste, sondern auch die Auswirkungen der Relativitätstheorie! Genau das tat er auf seiner Schiffsreise und kam zu dem Ergebnis: Ab einer gewissen Masse können die Elektronen keinen ausreichend hohen Druck mehr aufbauen um den weißen Zwerg stabil zu halten. Die Materie kollabiert immer weiter. Und erreicht irgendwann die Dichte, bei der ein schwarzes Loch entsteht.

Chandrasekhar hatte also einen physikalischen Mechanismus gefunden, durch den aus einem normalen Stern ein schwarzes Loch entstehen konnte. Er hatte die dunklen Sterne aus dem Reich der mathematischen Kuriositäten in die Realität geholt. So richtig glücklich waren damit aber weder er, noch seine Kollegen. Zuerst wollte niemand glauben, dass er bei seinen Berechnungen keinen Fehler gemacht hatte (ein Gutachter seiner Arbeit lehnte sie ab, weil er nicht glauben konnte, dass so eine absurde Gleichung tatsächlich real sein konnte). Als junger, ausländischer Student in Großbritannien hatte es Chandrasekhar sowieso schon nicht leicht und seine astronomischen Ergebnisse wurden entsprechend kritisch betrachtet. Besonders der damals berühmte Eddington war ein Gegner dieser Theorie der weißen Zwerge. Die Verbindung von Relativitätstheorie und Quantenmechanik sei eine “unheilige Allianz” aus der nichts brauchbares erwachsen konnte. Und nach einem Vortrag Chandrasekhars demütigte Eddington ihn mit der Bemerkung: “Es sollte eine Gesetz geben, dass einem Stern verbietet sich so zu verhalten!”.

Späte Anerkennung - Chandrasekhar Ausstellung in Kolkata, 2011 (Bild: Biswarup Ganguly, CC-BY 3.0)

Späte Anerkennung – Chandrasekhar Ausstellung in Kolkata, 2011 (Bild: Biswarup Ganguly, CC-BY 3.0)

Chandrasekhar ließ sich nicht provozieren und blieb höflich. Ihm war wohl klar, dass es an seiner Mathematik nichts zu kritisieren gab. Und die Geschichte gab ihm dann auch völlig recht. Das Chandrasekhar-Limit für die Stabilität Weißer Zwerge gehört heute zum Grundlagendwissen der Astrophysik (und Chandrasekhar bekam 1983 den Nobelpreis für Physik): Ein weißer Zwerg kann nicht mehr als 1,4 Sonnenmassen haben. Da aber die Menge an Materie, die nach dem Ende der Kernfusion im Inneren eines Sterns von ihm übrig bleibt um so größer ist, je größer der Stern selbst ist, folgt daraus auch: Nur kleine Sterne können ihr Leben als stabiler weißer Zwerg beenden. Größere Sterne müssen ein anderes Schicksal vor sich haben. Sie müssen sich in etwas verwandeln, dessen Existenz man lange Zeit für komplett unmöglich gehalten hat…

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Kommentare (4)

  1. #1 haarigertroll
    12. Mai 2015

    Ist auch mal wieder ein schönes Beispiel, dass sich richtige Theorien einfach doch durchsetzen, egal von wem sie kommen und wer anfangs gegen sie opponiert – solange sie nur richtig und gut begründet sind!

  2. #2 Ridikuli
    12. Mai 2015

    Mal eine Frage, die hier nicht ganz hin gehört: Weiße Zwerge (also die echten unterhalb des Chandrasekhar-Limits) bestehen ja durch den Mangel an Konvektion in ihrem Inneren relativ gut sortiert aus Sauerstoff (ganz innen), dann Kohlenstoff, dann Helium, dann Wasserstoff (ganz außen).

    Meine Frage ist nun: Was hält die Elemente davon ab, an ihren Grenzen miteinander chemisch zu interagieren? Also gerade der Sauerstoff ist doch chemisch ziemlich aggressiv und verbindet sich mit allem und jedem, oder?

    Wenn die Frage hier zu off-topic ist, ignoriert sie einfach. 🙂

  3. #3 mr_mad_man
    12. Mai 2015

    @Ridikuli: Chemische Verbindungen kommen dadurch zu Stande, dass die Atome das Bestreben haben ihre äußere Elektronenhülle aufzufüllen, Sauerstoffatomen fehlen dazu zwei Elektronen. Im Text steht aber:

    “Die Elektronen können sich nun quasi frei durch die gesamte Materie des weißen Zwergs bewegen”

    Dadurch, dass die Elektronen gar nicht mehr an ihre Kerne gebunden sind, dürfte Chemie dann gar nicht mehr funktionieren.

  4. #4 Ridikuli
    12. Mai 2015

    @mr_mad_man: Stimmt, wie bei einem Plasma. Danke für die Erklärung, das ergibt Sinn.