Die Harvard Computer (Bild: Harvard College Observatory, ca. 1890)

Die Harvard Computer (Bild: Harvard College Observatory, ca. 1890)

Aber auch wenn sie unterbezahlt waren, leisteten die “Harvard Computers” wichtige Arbeit. Die Frauen klassifizierten Sterne und werteten Daten aus – und auch wenn das ziemlich langweilige, automatisch ablaufende Arbeit ist, machten sie sich doch Gedanken über das was sie taten. Annie Jump Cannon entwickelte zum Beispiel das System zur Klassifizierung von Sternen in verschiedene Spektraltypen, das auch heute noch in Verwendung ist. Und Henrietta Leavitt fielen ein paar interessante Eigenschaften bei sogenannten veränderlichen Sternen auf. Nicht alle Sterne leuchten immer gleich hell; es gibt viele, die ihre Helligkeit verändern (siehe hier und hier für Details). Man wusste damals zwar noch nicht, warum sie das tun, aber man konnte sie zumindest katalogisieren und genau das tat Leavitt.

Schon 1908 veröffentlichte sie einen Katalog mit 1777 veränderlichen Sternen aus der Magellanschen Wolke. Dabei stellte sie fest, dass die helleren Sterne ihre Helligkeit langsamer zu verändern schienen als die dunkleren Sterne. Normalerweise ist es schwierig, Beziehungen festzulegen, die mit der Helligkeit der Sterne zu tun haben. Denn man weiß ja erst mal nicht, wie weit sie entfernt sind. Ein Stern kann am Himmel hell erscheinen, weil er sehr nahe ist. Oder weil er weit weg ist, aber sehr groß. Auf Anhieb kann man das nicht unterscheiden und es war damals noch viel komplizierter als heute, die Entfernung von Sternen genau zu bestimmen. Aber Leavitt erkannte richtig, dass das in ihrem Fall keine Rolle spielte. Denn ihr Katalog enthielt nur Sterne aus der Magellanschen Wolke. Die war weit enfernt; so weit, dass man in erster Näherung davon ausgehen konnte, dass all die Sterne in etwa gleich weit von der Erde entfernt waren. Die Unterschiede in der Helligkeit mussten daher nur auf die Leuchtkraft zurückzuführen sein. Helle Sterne in der Magellanschen Wolke waren tatsächlich heller und leuchtkräftiger als die dunkleren Sterne. Und damit war auch die Beziehung zur Periode der veränderlichen Sterne real.

In dem schon oben erwähnten Artikel aus dem Jahr 1912 hat sie diese Beziehung dann detailliert ausgearbeitet. Die Daten wurden exakt analysiert und Leavitt fand die sogenannte Perioden-Leuchtkraft-Beziehung. Je leuchtkräftiger ein veränderlicher Stern, desto länger ist die Periode, mit der er seine Helligkeit ändert (Leavitt legte diese Beziehung damals nur für eine bestimmte Gruppe von veränderlichen Sternen fest, die Cepheiden). Das bedeutet: Kennt man die Helligkeit eines veränderlichen Sterns, dann kann man daraus die Periode berechnen. Und noch wichtiger: Kennt man die Periode eines veränderlichen Sterns, kann man daraus seine Helligkeit berechnen! Und zwar seine wahre Helligkeit, das was die Astronomen “absolute Helligkeit” nennen. Die Helligkeit, mit der der Stern wirklich leuchtet und nicht nur die, die wir am Himmel sehen, die “scheinbare Helligkeit”. Die scheinbare Helligkeit hängt auch von der Entfernung ab – ein Stern kann scheinbar schwach leuchten, weil er auch eine geringe absolute Helligkeit hat. Oder weil er zwar absolut hell leuchtet, aber weit weg ist. Aus der scheinbaren Helligkeit alleine kann man die Entfernung nicht berechnen. Kennt man aber absolute und scheinbare Helligkeit, dann folgt daraus sofort die Entfernung des Sterns! Weiß man, wie hell ein Stern wirklich leuchtet und wie hell er am Himmel erscheint, kann man leicht berechnen, wie weit er weg ist.

Der Zusammenhang zwischen Leuchtkraft und Periode. Das Bild stammt aus der Originalarbeit von Leavitt und Pickering (1912)

Der Zusammenhang zwischen Leuchtkraft und Periode. Das Bild stammt aus der Originalarbeit von Leavitt und Pickering (1912)

Die scheinbare Helligkeit ist leicht zu messen. Sie ist das, was wir am Himmel sehen. Die absolute Helligkeit zu bestimmen, ist viel schwerer. Wir können sie ja nicht direkt beobachten sondern brauchen indirekte Methoden. Und Leavitt hatte genau so eine Methode gefunden! Wir brauchen nur die Periode eines veränderlichen Sterns zu messen – was ziemlich einfach ist – und können daraus durch die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung seine absolute Helligkeit berechnen.

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Kommentare (18)

  1. #1 fsdfds@fsd.de
    26. Mai 2015

    Man lernt die Geschichte der Astronomie nicht wenn man populärwissenschaftliche Bücher darüber liest. Man lernt die Geschichte wenn man alles großen paper die veröffentlicht wurden liest und versteht.

  2. #2 fsdfds@fsd.de
    26. Mai 2015

    Und zwar von Anfang der Astronomie bis heutzutage.

  3. #3 Bullet
    26. Mai 2015

    Genau wie man erst dann lesen kann, wenn man jedes mögliche Wort schon einmal vor der Nase hatte, wa?

  4. #4 PDP10
    27. Mai 2015

    @Bullet:

    Er könnte uns ja gnädigerweise mal eine Zusammenfassung von dem geben, was er da alles gelesen hat … in den ganzen Veröffentlichungen …

  5. #5 Florian Freistetter
    27. Mai 2015

    Bitte ignorieren. Das ist nur wieder der Pöbel-Troll.

  6. #6 fsdfds@fsd.de
    27. Mai 2015

    Wo hab ich gesagt das ich das alles gelesen hab? So lernt man halt nicht die Geschichte, und so viele papers sind es auch nicht. 2000 Seiten Buch lesen ist ähnlich.

  7. #7 PDP10
    27. Mai 2015

    @Florian:

    Ich weiss.
    Aber sich über ihn lustig zu machen ist trotzdem halt … lustig 🙂

  8. #8 fsdfds@fsd.de
    27. Mai 2015

    PDP10 Du machst dich hier lächerlich. Wo hab ich gesagt das ich alle Veröffentlichungen gelesen hab?

  9. #9 Florian Freistetter
    27. Mai 2015

    @PDP10: “Aber sich über ihn lustig zu machen ist trotzdem halt … lustig”

    Das Thema des Artikels finde ich aber viel zu interessant, als das man es durch Trollfütterung in den Hintergrund rücken sollte.

  10. #10 Franz
    27. Mai 2015

    Trotzdem irgendwie erschreckend, dass fast alle Entfernungsmessungen auf einer zwar wohlbegründeten, aber einzigen Schlussfolgerung aufbauen.
    Andererseits fasziniert es immer wieder wenn Menschen in scheinbar unzusammenhängenden Sachen eine Verbindung entdecken.

  11. #11 Florian Freistetter
    27. Mai 2015

    @Franz: “Trotzdem irgendwie erschreckend, dass fast alle Entfernungsmessungen auf einer zwar wohlbegründeten, aber einzigen Schlussfolgerung aufbauen.”

    So ist das auch nicht – Es gibt mehrere Methoden, die alle gegeneinander kalibriert werden. Das hängt also nicht nur an einer Idee.

  12. #12 Eisentor
    27. Mai 2015

    Vielen Dank (nochmal) für diese Artikel Serie..

  13. #13 Franz
    27. Mai 2015

    @FF
    Paralaxmessung und ?

  14. #14 Frantischek
    27. Mai 2015

    Franz:
    Parallaxenmessungen, Periodendauer von veränderlichen Sternen, wie im Artikel beschrieben, scheinbare Helligkeit von 1A Supernovas, Messungen der kosmischen Rotverschiebung…

  15. #15 Florian Freistetter
    27. Mai 2015

    @Franz: Es geht los mit Radarmessungen, dann kommt die Parallaxe, die spektroskopische Parallaxe, die dynamische Parallaxe, die Tully-Fisher-Beziehung, die Faber-Jackson-Beziehung, die Rotverschiebung, etc. Dann gibts noch Sternstromparallaxen, FH-Diagramme bei Kugelsternhaufen, usw. (siehe auch die Folgen 19 bis 21 der Sternengeschichten)

  16. #17 Von Miller
    22. November 2016

    Funfact: Auf dem zweiten Foto mit den weiblichen “Computern” sieht man im Hintergrund ein Bild im Zimmer hängen. Darauf ist der Helligkeitsverlauf des Sterns Beta Aurigae abgezeichnet, ein Bedeckungsveränderlicher Stern. Passt also ganz gut zur Entdeckung Leavitts.
    (Hier ist das Foto höher aufgelöst: https://en.wikipedia.org/wiki/Harvard_Computers

  17. […] Henrietta Swan Leavitt entdeckte 1912, dass die Helligkeit der δ-Cephei-Veränderlichen (deren Prototyp der unglücklicherweise fast 900 Lichtjahre entfernte Stern δ im Kepheus ist) mit ihrer Pulsationsdauer verknüpft ist. Sie wies das an Cepheiden in der Großen Magellanschen Wolke nach, einer Satellitengalaxie der Milchstraße deren Entfernung unbekannt war, aber immerhin waren die Cepheiden dort alle fast gleich weit entfernt und konnten direkt verglichen werden. 1913 konnte Ejnar Hertzsprung dann die Entfernung einiger näherer Cepheiden bestimmen und so die Beziehung zwischen Periode und scheinbarer Helligkeit zu einer zwischen Periode und Leuchtkraft machen. Damit kannte man sofort die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke und der sogar die Entfernung der Andromeda-Galaxie konnte mit 900.000 Lichtjahren erstmals bestimmt werden. Man konnte sogar die Entfernungen von Galaxien bis zu 10 Millionen Lichtjahren mit den hellen Cepheiden messen und so gelang der Nachweis, dass sich das Weltall ausdehnt. Die Werte für die Hubble-Konstante waren jedoch lange um einen Faktor 2 unsicher – irgendwo zwischen 50 und 100 km/s/Mpc musste der Wert liegen (noch bis Anfang der 1990er wusste man es nicht besser). Leider waren im Radius der vom Erdboden aus messbaren Fixsternparallaxen nur wenige Cepheiden, und so bemerkte man erst in den 1950ern dass es zwei Grundtypen von Cepheiden gibt, die sich bei gleicher Periodendauer um 1,6 Größenklassen unterscheiden, woraufhin sich die mit Cepheiden bestimmten Entfernungen schlagartig auf mehr als das Doppelte vergrößerten. […]