Vor 10 Tagen ist die Raumsonde New Horizons an Pluto vorbei geflogen. Die ersten Bilder die wir gesehen haben waren phänomenal, aber nur ein winziger Ausschnitt aus all den Daten, die von der Sonde gesammelt wurden. Mittlerweile sind schon ein paar mehr Beobachtungen zurück zur Erde geschickt worden und der kleine Himmelskörper im Kuiper-Asteroidengürtel wird immer faszinierender.

Man hat den weiten Weg in das äußere Sonnensystem nicht nur zurück gelegt, um hübsche Bilder zu machen, sondern auch um jede Menge andere Messungen anzustellen. Zum Beispiel über die Atmosphäre des Pluto. Mit einer “echten” Atmosphäre wie auf der Erde ist die Gashülle um den Pluto natürlich nicht zu vergleichen; der Druck und die Dichte sind viel, viel geringer! Aber es gibt eine Atmosphäre und sie liefert enorm hübsche Bilder. Zum Beispiel dieses hier:

Nach ihrem Vorbeiflug hat New Horizons noch einmal zurück zu Pluto geschaut und man sieht hier, wie die Atmosphäre im Licht der fernen Sonne beleuchtet wird.

Die Analyse der Daten ist aber mindestens ebenso faszinierend wie das Bild selbst. Vor allem die Art und Weise, wie die Wissenschaftler die Atmosphäre untersucht haben, ist beeindruckend. Um mehr über die Gase herauszufinden, die Pluto umgeben, hat man REX benutzt, das Radio Experiment an Bord der Raumsonde. Das alleine reicht aber nicht: Von der Erde aus haben zwei große Radioteleskope Signale in Richtung Pluto geschickt und zwar so exakt abgestimmt, das sie genau dann dort ankommen, wenn auch New Horizons vor Ort ist (was bei den großen Distanzen für die selbst lichtschnelle Radiowellen mehr als 4 Stunden brauchen keine geringe Leistung ist!). REX konnte dann die Radiowellen registrieren, nachdem sie die Atmosphäre durchdrungen haben und so herausfinden, woraus sie genau besteht: Je nach Dichte der Atmosphäre und ihrer Zusammensetzung werden die Radiowellen mehr oder weniger stark gebrochen.

Die erste Überraschung: Der Druck in der Atmosphäre war viel geringer als man ausgehend von den bisherigen Beobachtungen die von der Erde aus gemacht worden sind gedacht hatte. Der Druck betrug nur ein hunderttausendstel des atmosphärischen Drucks der Erde und war halb so groß wie die früheren Daten gezeigt haben. Man geht davon aus, dass der Grund dafür in den enorm niedrigen Temperaturen auf Pluto zu finden ist: Es ist dort zeitweise so kalt, dass die Atmosphäre selbst gefriert und sich als “Schnee” auf der Oberfläche ablagert.

Die Bilder zeigen auch, dass die dünne Atmosphäre bis zu 130 Kilometer über die Oberfläche von Pluto hinaus reicht. Und es scheint sich um zwei deutlich unterschiedliche Schichten zu handeln; eine etwa 50 Kilometer dick, die andere 80 Kilometer dick darüber. Die ersten Analysen deuten darauf hin, dass sie durch die Wechselwirkung von Methan und Sonnenlicht entstehen. Methan wird von der UV-Strahlung des Sonnenlichts in seine molekularen Bestandteile aufgebrochen, die sich dann zu komplexeren Kohlenwasserstoffen wie Ethylen und Acethylen verbinden können. Die werden vom UV-Licht chemisch weiter verändert, so das komplexe, dunkle Kohlenwasserstoffe wie die Tholine entstehen können, die sich auf der Oberfläche ablagern und auch für die rote Färbung des Himmelskörpers verantwortlich sind.

Bild: NASA/JHUAPL/SwRI

Bild: NASA/JHUAPL/SwRI

Aber auch die kürzlich eingetroffenen detailreichen Aufnahmen der Pluto-Oberfläche zeigen, wie komplex der kleine Himmelskörper ist. Hier zum Beispiel sieht man einen Ausschnitt der Oberfläche, auf dem eine vereiste Ebene zu erkennen ist, auf der sich große Teile des Eises bewegt haben bzw. immer noch bewegen (und irgendwann wird man hoffentlich auch in den USA merken, dass man im Rest der Welt – und der Wissenschaft – Distanzen in Kilometern misst und nicht in Meilen):

Das bestätigt die Vermutungen aus den Aufnahmen des ersten Tages: Pluto ist ein aktiver Himmelskörper und zeigt Vorgänge, die wir so bis jetzt nur auf den Gletschern der Erde oder dem Eis des Mars gesehen haben. Und seine Oberfläche zeigt eine sehr variantenreiche Geografie, wie dieses Bild demonstriert (die Bezeichnungen sind übrigens alle nicht offiziell):

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Kommentare (30)

  1. #1 MartinB
    25. Juli 2015

    Einfach nur cool, besonders der Trick mit den radiowellen.

  2. #2 mathias
    25. Juli 2015

    Meilen.

    Ich denke, dass die NASA intern schon das metrische System benutzt. Spätestens seit dem “Unfall” mit dieser Marssonde. Wenn die hier Meilenangaben machen ist das doch nur Öffentlichkeitsarbeit für den US-amerikanischen Ottonormalsteuerzahler, welcher die NASA finanziert. Dann kann der sich im wahrsten Sinn des Wortes ein Bild machen, was mit seinem Geld geschieht. Schon lustig, dass die englischsprachige Welt das metrische System eigentlich bis heute noch nicht ganz verinnerlicht hat.

    Spezialfall Seemeilen, nautische Meilen. Eigentlich nur “logisch” wenn der Kreisumfang, metrisch inkonsistent, auch bei uns immer noch 360 Grad ist. Anstatt 400

  3. #3 Florian Freistetter
    25. Juli 2015

    @mathias: ” ist das doch nur Öffentlichkeitsarbeit für den US-amerikanischen Ottonormalsteuerzahler”

    Ja, das ist schon klar. Aber der NASA sollte ja auch bewusst sein, dass ihr Publikum eben nicht nur aus Amerikanern besteht, sondern auch aus dem Rest der Welt, der eben das SI-System benutzt.

  4. #4 MartinB
    25. Juli 2015

    @Florian
    Bewusst ist denen das bestimmt – aber bei der nächsten Budgetverhandlung würde irgend ein US-Senator, der Interesse hat, das NASA-Budget zu kürzen, dann garantiert die patriotische Keule schwingen.

  5. #5 Volker
    50321 Brühl
    25. Juli 2015

    Vielen Dank für das Update! Wie immer eine sehr interessante Zusammenfassung mit neuen faszinierenden Fotos.

  6. #6 turtle of doom
    25. Juli 2015

    “Cthulhu Regio”. Humor haben die ja… 😀

    Faszinierend, der Trick mit den Radiowellen und auch, dass es dort sowas wie Gletscher aus… Stickstoff gibt.

  7. #7 Lercherl
    25. Juli 2015

    @mathias

    Schon lustig, dass die englischsprachige Welt das metrische System eigentlich bis heute noch nicht ganz verinnerlicht hat.

    „Nicht ganz verinnerlicht“ ist das Understatement des Jahres. In den USA ist im Alltag das metrische System praktisch nicht existent. Die große Mehrzahl der US-Bürger hat davon schlicht keine Ahnung. Die Gebildeteren kennen es zwar und im wissenschaftlichen Kontext wird es auch verwendet, aber nie konsequent und fast immer vermischt mit inches, miles BTUs und was es sonst noch gibt.

    In Paris hörte ich voriges Jahr einen Vortrag des Direktors eines US-Supercomputer-Zentrums über Energieeffizienz. Der hielt es nicht für nötig, seine Fahrenheit-Temperaturen umzurechnen.

    In England ist es anders, die können den Rest der Welt und vor allem die EU nicht so leicht ignorieren wie die Amerikaner. Manche Relikte halten sich aber auch dort hartnäckig, zum Beispiel Körpergewicht in stone. Vor ein paar Jahren stand in den englischen Zeitungen, dass eine junge Frau mit 63 stone von der Feuerwehr aus ihrem Haus geholt werden musste. Das klingt sehr danach, als hätten die Ärzte ihr Gewicht auf 400 kg geschätzt, was die Zeitungen in stone umgerechnet haben.

  8. #8 Dampier
    25. Juli 2015

    Sie könnten ja einfach beide Maßstäbe abbilden, Meilen und Kilometer. Damit wäre der Wissenschaftsgemeinde und dem Amerikanischen Steuerzahler genüge getan.

    @MartinB, du meinst bestimmt US-Senatorin 😉

  9. #9 phunc
    25. Juli 2015

    Hier noch eine Übersicht bisheriger Aufnahmen:

    https://en.wikipedia.org/wiki/New_Horizons#Gallery

    Wirklich wundervoll!

  10. #10 mathias
    25. Juli 2015
  11. #11 Higgs-Teilchen
    Im Standardmodell oben rechts
    25. Juli 2015

    “REX konnte dann die Radiowellen registrieren, nachdem sie die Atmosphäre durchdrungen haben”

    Wie cool ist das denn?!?!?! Mega nice!!!

    @Florian

    War das das erste Mal, dass so was gemacht wurde?

  12. #12 Alderamin
    25. Juli 2015

    @Higgs-Teilchen

    Nein.

    Diese Technik wurde auch von anderen Raumsonden eingesetzt und ist mehr oder weniger Standard.

  13. #13 Patrick
    25. Juli 2015

    “Neue Pluto-Bilder zeigen Nebel”

    N24 hat natürlich auch schon drüber berichtet…
    Und wer hätte es gedacht, für die sind die 50 und 80km dicke Schichten dichte Nebelbänke die über den Pluto ziehen…

  14. #14 Florian Freistetter
    25. Juli 2015

    @Patrick: Naja, bei der NASA spricht man von “haze”. Ist also gar nicht so weit weg. “Atmosphäre” ist bei dem Zeug wahrscheinlich auch das falsche Wort. Aber ein besseres gibt es auch nicht wirklich…

  15. #15 dgbrt
    25. Juli 2015

    Ich habe mir natürlich Gestern um 2:00 PM (EDT) die so von der NASA angekündigte Pressekonferenz im WEB angesehen. MSEZ ist sechs Stunden weiter, meistens. Also war das für mich in Deutschland 20:00 Uhr. Das kann ich noch aus dem Kopf. Aber wenn dann aus Kalifornien PST/PDT kommt schaue ich dann doch lieber erst mal nach. Warum können die die Zeitangaben nicht auch in GMT machen? Den Offset sollte jeder kennen.

    Noch besser wird der ganze Quatsch dann bei 12:30 AM. Das ist 00:30 Uhr nach unserer Rechnung. Die spinnen, die Amis 😉

  16. #16 dgbrt
    25. Juli 2015

    “New Hirizons” ist wohl eine der am Besten geplanten Missionen überhaupt. Da passt alles zusammen und es hat wohl auch alles so funktioniert, wie man es geplant hatte. Faszinierend!

    Die Ergebnisse sind für alle eine große Überraschung; Pluto ist aktiv. Es gibt Gletscher wie auf der Erde, nur eben nicht aus Eis sondern aus gefrorenem Stickstoff und mehr. Aber die Dynamik ist vergleichbar, das ist sehr beeindruckend.

  17. #17 turtle of doom
    25. Juli 2015

    @ dgbrt:

    Oh ja! Diese Zeitangaben. Für mich ist 12:30 AM dasselbe wie 0:30 PM. Ist aber nicht dasselbe.

    Was aber alle Leute gleichermassen verwirrt: Ein Abflug um 0:00. Da denken einige, das wäre Mitternacht am *Tagesende*. Dabei ist es Mitternacht am *Tagesbeginn*. Und so haben Airlines, die solche Nachtflüge anbieten, das einfach abgeschafft… Abflug ist halt um 23:55, das Flugi fliegt einfach, durch eine absichtliche Verspätung bedingt einfach um 0:00 ab. Dafür verirrt sich niemand mehr im Datum. 🙂

  18. #18 Braunschweiger
    25. Juli 2015

    @tutrtle: oder wie beim Militär — “unsere Übung beginnt um 0001 und endet um 2359, und die restlichen zwei Minuten sind Sie mir auch noch ausgeliefert”.

  19. #19 Ole
    26. Juli 2015

    “Methan in seine molekularen Bestandteile aufgebrochen” – da wird der Chemiker schnell etwas unruhig. Ein Molekül lässt sich ja schwer in molekulare Bestandteile aufbrechen. Das sind wohl eher die atomaren Bestandteile in die das Methan aufgebrochen wird.

  20. #20 Florian Freistetter
    26. Juli 2015

    @Ole: “da wird der Chemiker schnell etwas unruhig. Ein Molekül lässt sich ja schwer in molekulare Bestandteile aufbrechen.”

    Na ja, ich meinte: Die Bestandteile, aus denen das Moleküle besteht. Das sind die Atome, das stimmt…

  21. #21 Alderamin
    26. Juli 2015

    @Ole

    Wie man an der Grafik rechts erkennen kann, werden bei der Tholinbildung die Moleküle gar nicht komplett bis auf ihre atomaren Bestandteile zerlegt, sondern ionisiert und dissoziiert, um sich dann zu neuen, größeren Molekülen wieder zusammen zu finden. Florian hat das also schon ziemlich korrekt beschrieben (ob jetzt “dissoziieren” für den Durchschnittsleser verständlicher ist als “in molekulare Bestandteile zerlegen”, sei mal dahingestellt).

  22. #22 manu
    26. Juli 2015

    Kann man abschätzen, wie gut sich die Beobachtungen auf den Rest des Kuiper.Gürtels übertragen lassen?
    Wenn man vom Mond alleine auf die Erde schliessen müste, käme man ja auch nciht so weit… Oder?

  23. #23 dgbrt
    26. Juli 2015

    @manu
    Der Plutoid Eris hat z.B. auch einen Mond. Und der hat eine Größe, wo eine vergleichbare Dynamik sehr wahrscheinlich ist. Das darf man aber nicht falsch verstehen, es dauert alles viel länger als auf der Erde. Die Gravitation ist deutlich geringer und die Temperatur auch.

    Unser Mond ist zu klein und zu nahe an der Sonne, der hat diese ganzen Elemente an den Weltraum abgegeben. Aber da draußen ist das alles Eis. Das so genau beobachten zu können war schon eine Überraschung, ist aber eigentlich logisch.

    Bei einem Gletscher ist der Druck am Boden sehr hoch und das Material kann schmelzen. Dann kann der Gletscher sich bewegen, wie auf der Erde.

  24. #24 Alderamin
    26. Juli 2015

    @manu

    Emily Lakdawalla sagt zum Thema:

    https://twitter.com/elakdawalla/status/625151944332423168

  25. #25 Peter Jakobs
    27. Juli 2015

    Bei welcher Temperatur siedet denn Stickstoff bei dem dortigen Druck? Der Schmelzpunkt ist davon vermutlich unabhängig, richtig? Kann es auf der Tagseite zumindest vorübergehend Seen aus Stickstoff geben, oder würde der sofort verdampfen bzw direkt sublimieren?

  26. #26 Ranthoron
    27. Juli 2015
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