Wenn wir an Material aus dem Weltall denken, das auf der Erde einschlägt, dann kommen uns meistens große Asteroiden und noch größere Katastrophen in den Sinn. Und diese Einschläge finden natürlich auch statt. Aber es muss nicht immer gleich Weltuntergang sein, nur weil etwas aus dem Weltraum auf die Erde fällt. Das hat sich ja gerade erst wieder in den letzten Wochen gezeigt, in denen wir die Sternschnuppen der Perseiden bewundern konnten. Auch das ist Zeug aus dem All – aber es handelt sich dabei um Staub, der einfach nur schön am Himmel leuchtet und keine Gefahr darstellt.

Staub gibts im Sonnensystem jede Menge und im Fall der Sternschnuppen stammt er im Allgemeinen von Kometen, die bei ihrem Flug um die Sonne aufgeheizt werden und Material verlieren. Es gibt aber auch noch viel Staub, der einfach von der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben ist. Vor 4,5 Milliarden Jahren gab es ja noch keine Sonne und keine Planeten sondern nur eine große Wolke aus Gas und Staub aus der die Himmelskörper erst entstanden sind. Und was nicht aufgebraucht wurde, blieb übrig. Daher sind die Astronomen auch so sehr am Staub interessiert: Hier können sie direkt das Material analysieren aus dem sich alles gebildet hat! Aber das ist natürlich nicht einfach; Staub lässt sich schwer einfangen bzw. schwer finden, wenn er es aus dem All bis auf den Erdboden geschafft hat ohne dabei zu verglühen.

Deswegen muss man sich meistens darauf beschränken, Meteoriten zu untersuchen die auf die Erde gefallen sind. Auch hier findet man noch ziemlich originales Material aus der Entstehungszeit des Sonnensystems, denn auch sie haben sich ja aus dem ursprünglichen Staub gebildet und wurden dann aber nicht mehr weiter geologisch-chemisch verändert, so wie der Rest der Felsbrocken, die sich zu Planeten zusammengeballt haben. Wenn man Glück hat, kann man in den Meteoriten aber noch etwas anderes finden. Material, das älter ist als unser gesamtes Sonnensystem: sogenannte präsolare Körner!

Ein präsolares Korn (im Naturhistorischen Museum von Wien)

Ein präsolares Korn (im Naturhistorischen Museum von Wien)

Das sind winzige Kristalle, die im Gestein der Meteoriten eingebettet sind und nicht Teil der großen kosmischen Wolke waren, aus denen unser Sonnensystem entstanden ist. Zumindest nicht von Anfang an: Sie sind dort von anderen Sternen hin gebracht worden. Entweder wurden sie bei Supernova-Explosionen durchs All geschleudert und gelangten so in die Wolke die zu unserem Sonnensystem wurde. Oder sie wurden in der Umgebung roter Riesensterne produziert.

Identifizieren kann man sie übrigens durch eine Analyse der Istopen-Verhältnisse. Die Wolken, aus denen Sterne entstehen enthalten nicht alle die gleichen chemischen Elemente in den gleichen Mengen. Und verschiedene Sterne produzieren durch die Kernfusion in ihrem Inneren ebenfalls unterschiedliche Mengen an Elementen. Hinzu kommen die Prozesse in der Umgebung von Sternen und im interstellaren Raum (z.B. der Einfluss der kosmischen Strahlung), die ebenfalls dazu führen, dass sich das Material und vor allem die Isotope verändern. Am Ende führt das dazu, dass sich die Zusammensetzung des Materials zwar innerhalb eines Planetensystems sehr ähnlich ist, sich aber von Planetensystem zu Planetensystem unterscheidet. Die Asteroiden in unserem Sonnensystem haben zum Beispiel alle mehr oder weniger die gleichen Mengen bestimmter chemischer Isotope; ein Asteroid der sich aus einer anderen kosmischen Wolke in einer anderen Region der Milchstraße gebildet hat aber eine andere.

Man hat schon einige präsolare Körner identifiziert; zum Beispiel welche aus Kohlenstoff – also quasi Diamanten. Diamanten von einem anderen Stern (und das sie nur ein paar Nanometer groß sind, macht sie nicht weniger cool!). Aber auch Graphit oder komplexere Verbindungen wie Titancarbid oder Siliciumnitrid hat man schon entdeckt. Und was man eigentlich auf finden sollte, sind jede Menge präsolare Körner die aus sauerstoffreichen Verbindungen bestehen. Denn wenn tatsächlich ein großer Teil des interstellaren Staubs von roten Riesensternen stammt, dann würde dort eigentlich genau diese Art von Staubkörnern vorrangig produziert. Aber man findet sie nicht. Und warum das so ist, haben sich kürzlich Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich überlegt.

Svitlana Zhukovska vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und ihre Kollegen haben sich die roten Riesensterne noch einmal ganz genau angesehen (“Can star cluster environment affect dust input from massive AGB stars?”. Genauer gesagt: Die sogenannten AGB-Sterne. Das steht für asymptotic giant branch, also “asymptotischer Riesenast” und damit sind Sterne gemeint, die typischerweise eine größere Masse als die Sonne haben und vor allem schon weit entwickelt sind. Am Ende seines Lebens bläht sich so ein Stern ja weit auf. Und auch die Kernfusion in seinem Inneren läuft nicht mehr so ab wie früher. In ihm herrschen höhere Temperaturen, so dass nun auch außerhalb des Kerns schalenförmige Bereiche existieren, in denen verschiedene Elemente fusioniert werden können. Und diese Sterne zeigen auch meistens einen sehr starken Sternenwind. Sie erzeugen also nicht nur gleichzeitig in verschiedenen Bereichen ihres Inneren unterschiedliche neue chemische Elemente sondern pusten auch jede Menge Material aus ihrer Atmosphäre hinaus ins All. Und dann gibt es noch etwas, das sich Hot Bottom Burning nennt. Dabei geht es um die Bereich des Sterns, in denen keine Kernfusion stattfindet und in denen Konvektion für Durchmischung sorgt. Warmes Material von unten steigt auf, kühlt ab und sinkt wieder nach unten. Normalerweise sind die Konvektionszone und die Fusionszone voneinander getrennt. In einem AGB-Stern kann die Konvektionszone aber beim Hot Bottom Burning bis zur Fusionszone reichen und so direkt das ganze neue fusionierte Material hinauf an die Oberfläche und mit dem Sternwind hinaus ins All bringen.

Der Katzenaugennebel mit einem AGB-Stern in der Mitte (Bild: NASA, ESA, HEIC, and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA))

Der Katzenaugennebel mit einem AGB-Stern in der Mitte
(Bild: NASA, ESA, HEIC, and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA))

So kommen chemische Elemente in die Umgebung eines Sterns, die man dort normalerweise nicht sieht, weil sie immer im Inneren versteckt bleiben. Und sie können sich dort verbinden und verschiedenste Mineralien bilden, die dann Teil des interstellaren Staubs werden und vielleicht irgendwann mal als präsolare Körner in einem Meteorit auf der Erde landen. Aber dann sollte man eben die oben erwähnten sauerstoffreichen Verbindungen finden. Das tut man aber nicht und Zhukovska und ihre Kollegen haben untersucht, ob das vielleicht an der Umgebung der Sterne liegen könnte.

Sterne entstehen ja normalerweise nicht alleine, sondern in Gruppen. Diese Gruppen können sich dann später auflösen, aber davor gibt es jede Menge Möglichkeiten, sich gegenseitig zu beeinflussen. Wenn sich zum Beispiel ein AGB-Stern in der Nachbarschaft einiger heißer Sterne befindet, die jede Menge UV-Strahlung abgeben, dann kann diese Strahlung die Bildung sauerstoffreicher Staubkörner verhindern. Das klingt nach einer einfachen Lösung für das Problem des fehlenden Sternenstaubs. Aber die Realität ist natürlich ein wenig komplizierter. Welche Art von Staub und wie viel davon ein AGB-Stern produziert hängt zum Beispiel davon ab, welche Masse er hat. Die Masse bestimmt aber auch sein Verhalten im Geburstssternhaufen (zum Beispiel den Zeitraum, den er dort verbringt). Die Masse wiederum wird von der Masse der kosmischen Wolke beeinflusst, aus der alle Sterne des Haufens entstehen und die wirkt sich auf die Anzahl und die Art der Nachbarschaftssterne aus, die den Staub der AGB-Sterne beeinflussen können. Die UV-Strahlung der anderen Sterne kann sich mehr oder weniger stark auswirken, je nachdem ob ein AGB-Stern mehr oder weniger Staub produziert, denn wenn er sich in dicke Staubschichten hüllt, können die inneren Bereiche nicht von der Strahlung erreicht werden. Und so weiter – es ist ein kniffliges Problem mit vielen Parametern.

Zhukovska und ihre Kollegen haben nun verschiedene Modelle kombiniert, haben numerische Simulationen zur Bewegung von AGB-Sternen in Sternhaufen durchgeführt und berechnet, wie lange sie in Gesellschaft oder alleine bleiben. Sie haben untersucht welchen Mengen an UV-Strahlung die Sterne in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung ausgesetzt sind, wie viel Staub sie produzieren und wie sich das alles zusammen auf die Produktion der Teilchen auswirkt, die als präsolare Körner enden können. Die Details sind ein wenig zu komplex, um sie hier detailliert darstellen zu können – aber am Ende kommen sie zu folgendem Ergebnis: Berücksichtigt man den Einfluss der Nachbarschaft auf die Staubproduktion von AGB-Sternen, dann produzieren sie circa 20 Prozent weniger silicatreichen Staub als bisher angenommen. Und der Beitrag der massereichen AGB-Sternen zur gesamten Menge an Staub in der Nachbarschaft des Sonnensystems beträgt nicht 60 Prozent, wie man bisher gedacht hatte, sondern nur 40 Prozent.

Sauerstoff- und Stickstoffwolken in der Umgebung des Katzenaugennebels (Bild: Nordic Optical Telescope and Romano Corradi (Isaac Newton Group of Telescopes, Spain))

Sauerstoff- und Stickstoffwolken in der Umgebung des Katzenaugennebels (Bild: Nordic Optical Telescope and Romano Corradi (Isaac Newton Group of Telescopes, Spain))

Und das ist zwar ein durchaus interessantes Ergebnis, reicht aber leider immer noch nicht aus, um zu erklären, warum nicht die Mengen an präsolaren Körnern entdeckt, die man erwarten würde. Vielleicht liegt es daran, dass Hot Bottom Burning bei mehr AGB-Sternen vorkommt als man bisher dachte, also auch bei den leichteren Exemplaren und nicht nur den sehr massereichen? Vielleicht ist die Interaktion zwischen UV-Licht und den verschiedenen Mineralien in der Umgebung der Riesensterne komplexer als sie in den Modellen abgebildet werden konnte? Vielleicht verhält sich der Sternenwind anders als angenommen? Vielleicht hat das Problem aber auch eine ganz andere Ursache.

Wir werden also noch ein wenig warten müssen, bevor die Frage des fehlenden Sternenstaubs gelöst wird. Aber was wäre die Wissenschaft ohne Rätsel!

Kommentare (2)

  1. #1 Karl Schmid
    29. August 2015

    Diese “Urmaterie” findet man üblicherweise nach Auflösen von Meteoriten im unlöslichen Schlamm. Natürlich bleiben da Diamanten und einige Nitride übrig, die sich auch in keiner starken Säure lösen. Sauerstoffverbindungen, also die üblichen Oxide dagegen sind leichter löslich und deshalb schon nicht mehr zu finden. Es scheint demnach vor allem ein Präparationsproblem zu sein.

  2. #2 Der Gärtner
    6. September 2015

    “Aber was wäre die Wissenschaft ohne Rätsel”

    Fertig! oder Vollständig!