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sb-wettbewerb
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Während meiner Zeit im Labor arbeitete ich einige Jahre neben einem relativ unscheinbaren, allerdings nicht ganz kleinen Stein. Jetzt sind Steine in einem Labor nicht unbedingt selten, so lange es sich um ein Geologielabor oder dergleichen handelt.
Ich arbeitete allerdings auf einem Mikrobiologieinstitut und da sind kleinere Felsen nicht unbedingt häufig. Irgendwann sah ich mich genötigt einen Kollegen zu fragen, was es denn mit dem Stein auf sich hat.

Es stellte sich heraus, daß es sich bei dem grünbräunlichen Brocken um einen Steinsalzblock aus einem Salzbergwerk in Bad Ischl in Österreich handelt. 
Steinsalz wird seit tausenden von Jahren dort gewonnen bzw. abgebaut. Sowohl seine Eigenschaft als Würzmittel als auch die konservierende Wirkung machten Salz als Rohstoff interessant. In Österreich ist es vor allem das Salzkammergut und hier die Orte Hallstatt und Bad Ischl, die für den Abbau von Salz bekannt sind.
Die Salzstöcke sind alte Hinterlassenschaften von relativ  flachen äquatornahen Schelfmeeren, in einem entsprechen warmen Klima.

Aufgrund der hohen Temperaturen war auch die Verdunstungsrate hoch und es kam wiederholt zur Verdampfung zu mindestens großer Teile der Meeresbecken. Diese Eindampfzyklen sind in den geologischen Schichten gut erkennbar, da aufgrund der unterschiedlichen Löslichkeit der Salze diese auch in einer bestimmten Reihenfolge abgelagert wurden. Zuerst fielen Karbonate aus, dann Gips später Halit (Natriumchlorid). Wie auch immer, die Lebensbedingungen scheinen in diesem flachen Meere, vor allem durch den hohen Salzgehalt, sehr lebensfeindlich gewesen zu sein. Fossilien sind immer nur in den Schichten zu finden die einen geringen Salzgehalt hatten. War ein gewisser Salzgehalt durch Verdunstung erreicht, wurde der Lebensraum für Mehrzeller unbewohnbar. 
Die Bildung dieser sogenannten Salinare erfolgte in Österreich im Perm und Untertrias vor etwa 250 Millionen Jahren. Während nördlichen Salzlagerstätten in Polen, England und Deutschland durch das verdunstende Zechsteinmeer (https://de.wikipedia.org/wiki/Zechsteinmeer) entstanden, erfolgte die Bildung alpiner Salzlagerstätten etwas später im Randbereich der Tethys. 

Die Salzablagerungen nahmen durch das wiederholte Trockenfallen und Wiedereinbrechen des Meeres in die Region immer mehr zu und wurde durch die spätere alpine Gebirgbildung überdeckt. Da sich aber Salzlager ab einem bestimmten Druck plastisch verhalten, kam es an manchen Stellen vor, daß  der Salzstock wieder gegen die Erdoberfläche gedrückt wurde und so auch wieder mehr oder weniger zum Vorschein kam.
Aufgrund dessen kommen manche Salzlagerstätten wieder mit Grundwasser in Berührung und es treten an manchen Stellen stark salzhaltige Wasserquellen an die Oberfläche, sogenannte Solequellen (mit einen Natriumchloridgehalt von mehr als 10g/l). Diese natürlichen Salzquellen waren wahrscheinlich seit jeher ein Anziehungspunkt für Tiere und daher auch für den Menschen. 

Im Fall der alpinen Salzvorkommen hielt sich der Mensch in der Gegend vor ca. 7000 Jahren auf, wie anhand von Werkzeugfunden vermutet wird.

Bild: Pedroserafin, CC-BY-SA 3.0)

Bild: Pedroserafin, CC-BY-SA 3.0)

Bereits in der Bronzezeit um 1500 v Chr. sind in Österreich Salzbergwerke nachweisbar, wobei es sich dabei bereits um sehr aufwendige Schachtanlagen, die bis zu 100m tief sein konnten, handelt. Salz wird bis heute in dieser Region abgebaut, und immer wieder stießen Knappen dabei auf die Hinterlassenschaften ihrer antiken Vorgänger.

Ein Höhepunkt der letzten Jahre war zweifellos der Fund einer vollständigen Holztreppe, die Untertage bei Hallstatt gefunden werden konnte. Aufgrund der dendrochronologischen Untersuchungen konnte diese Stiege auf ca. 1344 oder 1343v Chr. datiert werden und ist damit die älteste Holzstiege der Welt.

Interessanterweise konnte bei archäologischen Untersuchungen der näheren Umgebung mehrere Häuser gefunden werden, deren ausschließlicher Zweck es war, Schweinefleische zu pökeln. Aufgrund von Versuchen angewandter Archäologen kann man hier davon ausgehen, daß das Schweinefleisch nach dem Pökeln in den Salzstollen zum Trocknen und Räuchern aufgehängt wurden. https://www.anisa.at/Pucher%20Viehwirtschaft%20ANISA%20Internet%202010.pdf

Es wäre daher sogar vorstellbar, daß man eines Tages bronzezeitlichen Prosciutto im Berg findet.

Wie man sieht, dreht es sich immer darum, daß Salz eine konservierende, und daher auch antibakterielle Wirkung hat.
Salzseen bzw.Salzwüsten  sind für das meiste  Leben nicht bewohnbar. Ausnahmen bilden sogenannte Halophile oder Halotolerante (salzliebende oder salztolerierende) Lebewesen, wobei es dabei meistens um einzellige Organismen handelt. Die Problematik von Lebensräumen mit hohem Salzgehalt ist der osmotische Stress, dem die Zellen ausgesetzt sind. Unter solchen hyperosmotischen Bedingungen zu diffundieren t das Wasser aus der Zelle in die Zellumgebung. Die Zellen sterben schließlich aufgrund des osmotischen Schocks. Übrigens ist das auch das Grundprinzip des bereits vorher erwähnten Fleischpökelns. Dem Fleisch wird Wasser entzogen und es wird dabei gleichzeitig unattraktiv für Bakterien. Allerdings nicht allen Bakterien, denn es gibt wie bereits gesagt, sehr wohl einige die salztolerant sind. Abgesehen davon kann man Fleisch nicht ohne Ende salzen, da es sonst ungenießbar wird.
Womit wir nun endlich bei unserem Salzblock im Labor wären. Gewonnen wurde dieser Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts in einem Bergwerk im besagten Salzkammergut, genauer in Bad Ischl. Von Salzseen, gepökelten ( ja schon wieder ) Fleisch und ähnlichen sehr salzhaltigen Lebensräumen weiß man, das halophile Einzeller, meistens Archea, recht gut gedeihen, ja sogar abhängig von hohen Salzkonzentrationen  (ca. 2,5 bis 4,5 M NaCl) sind.
Es kam wie es kommen musste, Wissenschaftler sind neugierig und die Frage kam auf: „Warum sehen wir nicht mal im Salzblock selber nach?“
Gesagt getan, es wurde ein wenig Material dem Salzblock, der so unscheinbar im Labor herumlag, entnommen und in sterilen Nährmedium kultiviert. Und natürlich wuchs etwas in der Lösung. Das Bakterium bekam später den Namen Halococcus salifodinae.

Es handelt sich dabei um ein aerobes in Tetraden wachsendes Archea, das eine intensive rote Pigmentierung zeigt. Für sich genommen nun kein besonders spannender Organismus, bis auf die Tatsache, daß der Lebensraum sehr salzhaltig ist.
Aber, und das war nun das wirklich Überraschende, es war möglich lebende Organismen aus einem Salzblock zu kultivieren. Dies ist nun einmalig, da der Organismus, so er nicht aus einer Kontamination durch den Forscher stammt,   entweder ebenso alt wie der Salzblock, oder aber ein direkter Abkömmling der damals im Salz eingeschossenen Archea sein müsste. Kein Klacks wenn man bedenkt, daß seitdem eine viertel Milliarde Jahre vergangen ist. Das Problem an dieser Feststellung ist aber nun, daß man das Alter der Prokaryonten eben nicht feststellen kann, da einfach zu wenig  biologisches Material  vorhanden ist. Späteren Untersuchungen, daß aus ähnlich alten Salzablagerungen in Deutschland und England nahe Verwandte von Halococcus salifodinae isoliert werden konnten. Es spricht daher einiges dafür, daß man es wirklich, mit in kleinen Flüssigkeitscavernen, eingeschlossenen sehr, sehr alten Organismen zu tun hat. Wie es diese Archea geschafft haben, eine so lange Zeit zu überleben, ist noch weitgehend ungeklärt. Haben Sie in als Dauerformen ähnlich zu Sporen überlebt oder konnten sie den Stoffwechsel soweit reduzieren um geologische Zeiträume zu überstehen. Die Implikation ist aber auch, daß wenn Organsimen unter diesen Bedingungen auf der Erde überleben können, dies auch in Salzablagerungen auf den Mars oder den Jupitermonden möglich ist. Es könnte also sein, daß man eines Tages Organismen am Mars findet, die Ähnlichkeiten zu den schlafenden Archea im unscheinbaren Salzblock in einer  Laborecke haben.

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Hinweis zum Autor: Dieser Artikel wurde von “Bazille” veröffentlicht.

Kommentare (16)

  1. #1 meregalli
    2. Oktober 2015

    “Späteren Untersuchungen, daß aus ähnlich alten Salzablagerungen in Deutschland und England nahe Verwandte von Halococcus salifodinae isoliert werden konnten.”
    Ein Lektor wäre hier kollabiert.
    Ansonsten sehr interessant und spannend erzählt.

  2. #2 UMa
    2. Oktober 2015

    Interessanter Artikel. Kann man eine Verunreinigung ausschließen? Und welchen Alters ist dieses Salz genau? Ist es noch aus dem Perm oder schon aus der Trias?

  3. #3 rolak
    2. Oktober 2015

    Einen schönen Bogen hat Bazille erzählt — un irgendwie ja über sich selber 😉

  4. #4 Dampier
    2. Oktober 2015

    Tolle Geschichte, hochinteressant und spannend. Vielen Dank :]

  5. #5 BreitSide
    Beim Deich
    2. Oktober 2015

    Sehr interessant, Bazille! 250 Mio Jahre alte Lebewesen?

    Der Schwenk zu den anderen Planeten macht natürlich neugierig. Zumal ja recht salziges Wasser auf dem Mars vorkommen soll.

    Die Textkorrektur ist manchmal anscheinend recht hakelig…

  6. #6 RainerO
    2. Oktober 2015

    Schöner Artikel. Schade, dass man das mit den uralten Archea Mitte der 80er noch nicht wusste, als ich während meiner Studienzeit als Fremdenführer im Salzbergwerk von Hallstatt unterwegs war. Wäre noch eine spannende Geschichte mehr gewesen.

  7. #7 Alderamin
    2. Oktober 2015

    @Bazille

    Muss ich noch sagen, dass der Artikel toll war? Ja, muss ich, haste verdient.

    Aber an 250 Millionen Jahre alte, keimfähige Sporen mag ich nicht recht glauben. Der bisherige Rekord lag angeblich bei 70 Millionen Jahren oder so aus der Tiefsee, und auch der war nicht astrein belegt. Es treten mit der Zeit ja durch Strahlung verursachte Schäden an der DNA auf, irgendwann ist der Gencode hinreichend zerstört, weswegen Jurassic Park nicht funktionieren kann. Auch wenn Bakterien einfacher sind, werden sie nicht ewig überdauern können. Eine Viertelmilliarde Jahre ist schon ein Statement, das guter Belege bedarf…

  8. #8 Spritkopf
    3. Oktober 2015

    Müsste man nicht über eine DNA-Analyse herausfinden können, ob diese Bakterien wirklich so alt sind? Wenn sich in der DNA Abschnitte finden, deren Entstehung bislang auf viel jüngere Epochen datiert wurden, dann wäre das doch ein Hinweis darauf, dass Alderamin mit seinem Verdacht richtig läge, oder?

    Leider weiß ich verflucht viel zuwenig über dieses Thema. Adent?

  9. #9 Donkieshot
    Karlsruhe
    3. Oktober 2015

    @Bazille: “wenn Organismen unter diesen Bedingungen auf der Erde überleben können, dies auch in Salzablagerungen auf den Mars oder den Jupitermonden möglich ist.”

    Man sollte vorsichtig sein mit solchen Schlüssen.

    Beispiel:
    Alle Topmanager tragen dunkle Anzüge.
    Wenn ich mir also einen dunklen Anzug kaufe, werde ich Topmanager.

    So funktioniert’s nicht.

    Extremophile Lebensformen haben sich an ihren veränderten Lebensraum angepasst. Sie sind entstanden aus Lebensformen an Orten die der Entstehung des Lebens förderlich waren. Das bedeutet nicht automatisch, daß das Leben in lebensfeindlichen Umgebungen entstehen könnte.

    P.P: Aber verkaufen kann man diese Hypothese auf dem Krabbeltisch der Populärwissenschaften ganz gut :-> .

  10. #10 Donkieshot
    Karlsruhe
    3. Oktober 2015

    AAh! Völlig vergessen zu sagen! Ich fand den Artikel super! Mein voriger Kommentar war nur eine Anmerkung zu deiner Anmerkung.

  11. #11 Bazille
    3. Oktober 2015

    Vorerst einmal Danke und bitte entschuldigt das ich noch nicht reagiert habe.
    @ Donkieshot Generell gebe ich Ihnen recht. Die Idee dahinter war eher, daß Leben auch sehr lange unter widrigen Bedingungen überleben kann. Es geht darum, daß wenn es Salzlagerstätten auf den Mars gibt, damals, sagen wir Marsbakterien, eingelagert wurden, und diese noch lebensfähig sein könnten.

  12. #12 Bazille
    3. Oktober 2015

    @ Alderamin
    natürlich ist es nur schwer vorstellbar. Und leider fällt der Beweis nicht leicht. Man versucht natürlich möglichst steril Proben zu entnehmen. Leider ist es nicht direkt möglich, Aussagen über das Alter zu treffen, da man die Archea natürlich kultivieren muss. Damit kann man aber alle direkten Altersbestimmungen vergessen. Ums kurz zu machen, das Ganze ist eine Hypothese. Näheres dazu kann man aber hier nachlesen
    https://www.mdpi.com/2075-1729/5/3/1487

  13. #13 Bazille
    3. Oktober 2015

    @ Spritkopf
    nein aber die Idee ist gut. Natürlich hat man über einen 16srRNA Vergleich versucht Verwandte von Halococcus salifodinae herauszufinden. Und das hat man auch, unter anderem aus alten Salzlagerstätten in England und Deutschland. Das Alter findet man so aber nicht heraus. Eine Idee, die daraus abgeleitet wurde war aber, daß man mit so alten Organsimen das Konzept der molekularen Uhr überprüfen könnte.
    Darauf wird unter anderem hier eingegangen
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4187196/

  14. #14 Bazille
    3. Oktober 2015

    @UMa leider geht hier niemand genau auf das Alter des Salzblocks ein. Ich hab mich selber versucht schlau zu machen, aber leider wird in den Arbeiten ein wenig um diese Frage herum mäandert

  15. #15 Bazille
    4. Oktober 2015

    Generell: bitte entschuldigt Fehler im Text. Ich hab seit ca 10 Jahren nichts mehr Längeres geschrieben. Jeder Lektor wäre wahrscheinlich schreiend davon gelaufen, stimmt. Aber davon lasse ich mich auch nicht aufhalten 😉

  16. #16 Donkieshot
    4. Oktober 2015

    @ Bazille: Aber davon lasse ich mich auch nicht aufhalten 😉

    Gut so!