Das war zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich und diese Universalität bei der Beschreibung der Natur sollte erst im 17. Jahrhunder mit Isaac Newton ihren eigentlich Durchbruch erleben. Newton zeigte, dass die gleichen Kräfte, die einen Apfel vom Baum zu Boden fallen lassen, auch die Bewegung der Himmelskörper im Universum bestimmen und hat so eine umfassende universale Beschreibung der Natur geschaffen. So wie Grosseteste es in seiner Arbeit über das Licht und die Entstehung der kristallenen Sphären getan hat.

Die Kristallsphären von Grosseteste  in der Simulation (Bild: Bower et al, 2014)

Die Kristallsphären von Grosseteste in der Simulation (Bild: Bower et al, 2014)

Und dass es sich dabei nicht nur verworrene Gedanken sondern eine in sich konsistente Theorie gehandelt hat, lässt sich sogar zeigen. Ein Team aus Historiker, Geisteswissenschaftlern, Mathematikern und Astronomen hat die Arbeit von Grosseteste ganz genau analysiert und soweit es möglich war, in eine moderne wissenschaftliche Sprache übersetzt. Was der Bischof aus Lincoln in mittelalterlichen Latein über die Ausbreitung von Licht und die Wechselwirkung mit der Materie aufgeschrieben hatte, konnte so in mathematischen Formeln ausgedrückt werden. Und die Entstehung des Kosmos mit seinen Kristallsphären konnte man so am Computer simulieren und beobachten.

Dabei zeigte sich, dass es extrem auf die Anfangsbedingungen ankommt. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie man lux und lumen ein Universum bilden lassen kann und die meisten davon führen nicht zum gewünschten Resultat. Da gibt es dann viel zu wenig oder viel zu viele Kristallsphären oder Sphären, die sich gegenseitig durchdringen. Nur in wenigen, speziellen Fällen entsteht tatsächlich das Universum das sich Grosseteste vorgestellt hatte und das dem damaligen Weltbild entsprach. Dass die Computersimulationen einer Theorie aus einem mittelalterlichen Text dieses Ergebnis liefern, ist schon beeindruckend genug und zeigt, wie ausgearbeitet die Vorstellungen von Grosseteste waren. Noch faszinierender aber ist, dass sich mit seinem Modell von lux und lumen nicht nur ein einziges Universum beschreiben lässt, sondern viele verschiedene. Auch damit ähnelt es der modernen Kosmologie: Auch hier kommt es darauf an, welche Anfangsbedingungen man wählt. Die grundlegenden Konstanten in unserem Universum müssen ganz bestimmte Werte haben, ansonsten entsteht ein Kosmos, der nichts mit dem unseren zu tun hat. Und genau wie bei Grosseteste lassen sich auch mit den modernen kosmologischen Theorien viele Universen beschreiben und nicht nur ein einziges.

Wie gesagt: Man darf nicht den Fehler machen und glauben, der Theologe aus dem Mittelalter hätte damals schon die Gedanken der Gegenwart vorweg genommen. Robert Grosseteste hat weder den Urknall, noch die Expansion des Alls und auch nicht eine Multiversums-Theorie vorhergesagt. Seine Thesen waren voll und ganz in der damaligen Zeit verhaftet. Aber er hat gezeigt, dass es möglich ist, eine Theorie zu schaffen, mit der sich die Enstehung des Universums beschreiben lässt. Eine Theorie, die in sich konsistent ist und keine mythologische inspirierte Fantasie. Eine Theorie, die viele grundlegenden Prinzipien der späteren wissenschaftlichen Methodik andeutet und vorweg nimmt. Grosseteste hat sich bemüht, die Welt um ihn herum physikalisch zu erklären und nicht theologisch – und gezeigt, dass das Mittelalter nicht ganz so dunkel war, wie man vielleicht glauben möchte…

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Kommentare (17)

  1. #1 robert th.
    Wedel
    30. Oktober 2015

    Wenn es erlaubt ist hier ein Info zu geben! Am Mi. 4 nov. (nächste woche), zw. ca. 18-19 Uhr machen wir hier in Wedel (westlich von Hamburg) ein Wissenschaftsabend in Rahmen der 100 jährigen ART von Einstein, am Stadteilzentrum-Mittendrin (Friedrich-Eggers-Str. 77-79); das ist ca. 100 meter weit von Bus-Haltestelle: Pulverstr., Bus 189. Die alte ungebrauchte ART wird mit Ehre ins Grab geführt. Falls es jemand gibt, der die ART noch am Leben halten will, soll es eilen und zu dieser Wissenschaftsabend (herzlich will)kommen. Ich werde es presentieren -trotz dass es so dumm es klingt- eine ganz einfache Erklärung über unsere Natur, wie sie es funktioniert, aufgrund ihre Spuren, die sie gelassen hat und die wir mit ein einfachen empyrischen Beobachtung leicht deuten können. Mein deutsch ist nicht perfekt, aber -hoffentlich- genügend um zu verstehen.

  2. #2 Lercherl
    30. Oktober 2015

    „und außen befindet sich eine Hülle aus Atomen“

    Sollte wohl Elektronen heißen!

  3. #3 emreee
    30. Oktober 2015

    Florian, wann bist du wieder bei Wrint zu hören ? Ich habe schon alles von dir durch, warte auf neuen Stoff 😀

  4. #4 Hero
    30. Oktober 2015

    — Zitat —
    Robert Grosseteste hat weder den Urknall, noch die Expansion des Alls und auch nicht eine Multiversums-Theorie vorhergesagt.
    — Zitat Ende —

    Was kann man sich eigentlich unter einem Multiversum vorstellen ?

    Heisst dies:
    – das vor dem Urknall eine Vielzahl von Universen existiert hat und daraus sich dann das eine – sprich unser – Universum durch den Urknall herausentwickelt hat ?
    – oder dass jede gegenwärtige (d.h. augenblickliche) Manifestation eines messbaren Ereignisses in der Quantenwelt aus einer Vielzahl von Universen heraus entsteht ?

  5. #5 Florian Freistetter
    30. Oktober 2015

    Bald. Aber durch die Tour mit den Science Busters komme ich momentan zu kaum was…

  6. #6 Artur57
    30. Oktober 2015

    @Hero

    Nun, es heißt eher, dass jeden Augenblick Mayriaden von Universen entstehen, die sich gegenseitig nicht beobachten können. Wichtigster Vertreter war Hugh Everett mit seiner “Viele-Welten-Interpretation”.

    Erstaunlicherweise habe ich ja ein Abitur, aber demnach kann es auch Paralleluniversen geben, in denen ich keins habe. Der Materialaufwand wäre aber beträchtlich, wenn nun ein neues Universum entstünde, nur weil ich mein Abitur geschafft habe. Ích lese aber derzeit Lisa Randall, die eine einfachere Lösung parat hat. Das Paralleluniversum beginnt auf meinem Küchentisch und es ist nicht sichtbar, weil es sich entlang aufgerollter Dimensionen entfaltet. Dort also könnte eine abiturfreie und eingerollte Zweitausgabe von mir existieren.

    Die Resonanz auf Everett und Randall ist aber doch eher bescheiden, würde ich sagen. Das ist bislang nur Hypothese.

  7. #7 meregalli
    31. Oktober 2015

    Auf italienisch heißt er Roberto Grossatesta.
    Sollte dem Namen des Bischofs eine anatomische Besonderheit zu Grunde liegen: es ist der Kopf gemeint,- und nichts anderes!

  8. #8 Alderamin
    31. Oktober 2015

    @Florian

    Interessante Person, hatte ich noch nie von gehört.

    Aber spricht sich “De Luce” nicht eher wie “De Luze” aus? Unser Deutsch- und Reli-Lehrer hatte damals mal jemanden verbessert, der einen lateinischen Text mit “c’s” wie im Italienischen las. Und der Lateinlehrer meinte, es gäbe eine Diskussion, ob es “Zizero und Zäsar” oder “Kikero und Käsar” ausgesprochen wurde (wobei sich “Zar” und “Kaiser” beide von “Cäsar” ableiten). Na ja, heute wird Latein in der Aussprache ja gerne an die eigene Sprache angelehnt, was nirgendwo deutlicher wird als im Englischen. Wie die alten Lateiner wirklich sprachen, weiß eh nur der Geier.

  9. #9 IO
    31. Oktober 2015

    @Alderamin

    “Wie die alten Lateiner wirklich sprachen, weiß eh nur der Geier.”

    Was der Geier jedoch wissen kann, findet man in der deutschen und englischen Wikipedia in den Einträgen “Lateinische Aussprache” respective “Latin spelling and pronunciation”.

    Daraus die zwei folgenden Zitate:
    “c entsprach in klassischer Zeit stets einem unaspirierten deutschen k, also lateinisch cinis „Asche“ = [ˈkɪnɪs].”
    und
    “⟨C⟩ and ⟨K⟩ both represent the velar stop /k/; […] In Classical Latin, ⟨K⟩ only appeared in a few words, such as ⟨KALENDAE⟩.”

    Das, was unsere Lateinlehrer vermittelt haben, ist “Schulaussprache des Lateinischen”. Dazu gibt es auch den entsprechenden Wikipedia-Eintrag.
    Das ist in Hinsicht auf die Aussprache des Lateins in klassischer Zeit halt nicht maßgebend, auch wenn es allerdings deckungsgleich ist in diesem Fall der Aussprache des Buchstabens C (gesprochen /k/).

    Ist ja auch beim Englischen nicht viel anders, denn Schülern lehrt man wohl kaum die sehr andere Aussprache des Shakespeare-Englisch, obwohl das bei so manchem Reimpaar und anderem offensichtlich wird.
    Hier ein Beispiel, wo es um das Wort “hour” geht, das zu Shakespeares Zeit ein Homophon hatte, das zu etwas äh drastischen Deutung führte, die sich heutigen Zuhörern nicht ohne Kenntnis der historischen Aussprache erschließt: https://virtuallinguist.typepad.com/the_virtual_linguist/2009/06/english-in-shakespeares-time.html

    “Luce” müsste also doch –> /luke/ gesprochen worden sein.

    Und zwar nach obigem nicht aspiriert, was etwa so klingt wie das /k/ eines Kölners.
    Exkurs: In allen germanischen Sprachen finden sich meines Wissens unaspirierte Verschlusslaute im Anlaut und zwischen Vokalen nur im Niederländischen und dazu benachbart in den Ripuarischen Dialekten, d. h. entlang des Rheins, mindestens bis runter in den weiteren Raum um Bonn.

  10. #10 IO
    31. Oktober 2015

    Ach, zum Shakespeare-English hier noch die schöne Präsentation der beiden Crystals. Besonders ab ca. 2.55 der direkte Vergleich zw. modernem Shakespeare-English und Shakespeare-Shakespeare-Englisch (soweit rekonstruierbar und allen caveats der Interpretation der historischen Information).

    Viel Spass damit!

    Shakespeare: Original pronunciation

  11. #11 Alderamin
    31. Oktober 2015

    @IO

    Danke für den Exkurs in die lateinische Aussprache. Mir ist übrigens noch gar nicht aufgefallen, dass die Ripuarier, zu denen ich ja auch noch gehöre, ein anderes “k” als im Hochdeutschen haben. Aber wo Du’s sagst: beim ripuarischen “k” wird offenbar nicht so viel Luft zwischen Zunge und Gaumen gedrückt wie beim hochdeutschen, wenn es das ist, was “(nicht) aspiriert” meint. Einfach Luft anhalten und “Kölle” sagen, beim L die Zunge so schwer und breit wie nach übermäßigem Alkoholgenuss werden lassen, dann klingt das schon recht überzeugend 😉

  12. #12 IO
    31. Oktober 2015

    @Alderamin

    Jo, doch Deine Ripuarität, d. h. die unaspirierte (wenn auch inspirierte) Sprache, ist mir noch sehr gut erinnerlich, auch wenn das schon drei Jahre her ist seit dem wieder mal nicht stattgefunden habenden Weltuntergang! 🙂

    Da hängt dann gleich noch in der Moderation ein Beitrag zur historischen Phonetik des Englischen, der sich lohnt… Dort wird die obige Passage auch gelesen.

    Herzliche Grüße ins Ripuarische!

  13. #13 Alderamin
    31. Oktober 2015

    @IO

    Da bin ich ja mal gespannt auf die Phonetik des Englischen.

    Tja, und immer wieder verblüffend, wie perfekt man als Kleinkind die Aussprache der Eltern kopiert. Und diese Fähigkeit bis zum Erwerb der ersten Fremdsprache leider wieder verliert.

    Schönen Gruß ins wundervolle Stockholm (hach, lange nicht mehr da gewesen, wird mal wieder Zeit).

  14. #14 IO
    31. Oktober 2015

    @ Alderamin

    “nicht aspiriert” wird auch als “nicht behaucht” bezeichnet.

    Halte ich mir zum Beispiel nach
    den stimmlosen Verschlusslauten /p/, /k/, /t/ bzw.
    den stimmhaften Entsprechungen /b/, /d/, /g/
    die Hand unmittelbar vor den Mund , spüre ich den Luftstrom recht kräftig. Man kann das auch schön mit einer Kerzen- oder Feuerzeugflamme demonstrieren – mit entsprechender Vorsicht!

    Die Aspirierung klingt auch, wenn man darauf achtet, recht deutlich nach einem mitklingenden “H”, weil der Luftstrom aus der Lunge dahintersteht.

    Bei nicht aspirierten Lauten wird dagegen nur der geringere Druck der im Mund- und Rachenraum kurz gestauten Luft gelöst. Dadurch ergibt sich ein kaum hörbarer Luftstrom von geringer Stärke.

  15. #15 IO
    31. Oktober 2015

    @ Alderamin

    Aspiration und Nicht-Aspiration gut erklärt.
    Besonders schön bei ca. 3:54

  16. #16 Alderamin
    1. November 2015

    @IO

    Danke für die Videos. Dass sich (wie im OP-Englisch) manche Wörter reimen, die sich heute nicht mehr reimen, kennt man ja auch im Ripuarischen, z.B. bei Wolfgang Niedecken in “Verdammp lang her”:

    “Et is lang her, dat ich vür su jet ratlos stund (hdt. stand)
    un vür Enttäuschung fast nit mie kunt (hdt. konnte)”

    Da Du Dich offenbar gut mit der Sprachgeschichte auskennst: kennst Du ein gescheites Buch über die Entstehung des Deutschen und seiner Dialekte? Ich wüsste zu gern, wie z.B. das Kölsche entstanden ist. Karl der Große war ja auch Rheinfranke, der sprach, nachdem was ich in der Wikipedia fand, wohl auch eine Art Ripuarisch (eben Rheinfränkisch), das aber vermutlich mit dem heutigen Kölschen weit weniger zu tun hat, als das OP-Englisch Shakespears mit dem modernen Englisch.

    Bleibt noch die Frage, warum man ein “K” denn überhaupt aspirieren sollte 😉

  17. #17 IO
    1. November 2015

    @Alderamin

    Ist nur so ein Hobby von mir…

    Zu Deiner Frage werde ich einen Freund befragen, der Spezialist in diesen Sachen ist. Coming back to you soon… (morgen abend wohl).

    Herzliche Grüße