Der gleiche Prozess hat auch bei anderen Sternen stattgefunden, bei denen sich Planeten gebildet haben. Überall wo es heute Planeten gibt, die einen Stern umkreisen wurden während der Entstehungsphase also auch Planeten aus dem System geworfen. Und all diese ausgestoßenen Objekte ziehen nun als vagabundierende Planeten durch die Galaxie.

Wir können sogar abschätzen, wie viele es sind. Dazu macht man sich den sogenannten “Gravitationslinseneffekt” zu nutze. Normalerweise benutzen Astronomen ja Teleskope, um den Himmel zu beobachten. Ein Teleskop nutzt Linsen oder Spiegel um Lichtstrahlen zu krümmen oder abzulenken; wie ich ja schon in Folge 107 der Sternengeschichten erzählt habe. Licht krümmen kann man aber auch ohne Spiegel!

Albert Einstein hat in seiner allgemeinen Relativitätstheorie ja gezeigt, dass Masse den Raum krümmt. Und Lichtstrahlen der Krümmung des Raums folgen. Wenn nun zum Beispiel ein Lichtstrahl der von einem fernen Stern in Richtung Erde unterwegs ist an einem vagabundierenden Planeten vorbei kommt, dann wird er von dessen Masse ein wenig abgelenkt. Der Planet wirkt wie eine Linse in einem Teleskop und verändert kurzfristig das Licht des Sterns. Er erscheint ein klein wenig heller als er es normalerweise wäre, denn ein Teil seines Lichts der uns ansonsten nicht erreichen würde wird vom Planet trotzdem noch in unsere Richtung abgelenkt.

Astronomen haben nun jede Menge Sterne der Milchstraße genau beobachtet und nach den Ereignissen Ausschau gehalten, die auf diesen Gravitationslinseneffekt hindeuten. Aus den so gewonnenen Daten kann man entsprechende Hochrechnungen erstellen die zeigen, wie viele Planeten sich da zwischen den Sternen herum treiben. Und das sind einige!

Bis zu 400 Milliarden vagabundierende Planeten kann es allein in unserer Milchstraße geben. Also fast doppelt so viele, wie es dort Sterne gibt! Das klingt so, als wäre das irgendwie gefährlich. Wenn da so viele Planeten einfach so durch die Galaxie fliegen: Stoßen die dann nicht dauernd mit anderen Planeten zusammen? Könnte nicht auch die Erde von einem herumstreunenden Himmelskörper getroffen werden?

Nein, dafür stehen die Chancen extrem schlecht. Denn auch wenn es VIELE vagabundierende Planeten gibt: Der Raum zwischen den Sternen ist so groß und so leer, dass das kaum weiter auffällt! Betrachten wir die Größe des Bereichs zwischen der Sonne und dem sonnennächsten Stern Proxima Centauri, dann sind das etwa 100 Kubiklichtjahre. Im Vergleich dazu macht die innere Region des Sonnensystems in dem sich die Erde und die anderen Planeten befinden gerade mal ein zweimillionstel Kubiklichtjahr aus. Das ist ein enorm winziges Ziel für einen vagabundierenden Planeten – und im Durchschnitt findet man von denen in den 100 Kubiklichtjahren zwischen Sonne und Alpha Centauri gerade mal zwei Stück!

Es gibt also nicht nur so gut wie keine vagabundierende Planeten in unserer Nähe; es ist auch so enorm viel Platz im Universum, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass er tatsächlich auf die Erde trifft. Und selbst wenn: Der Planet könnte nicht einfach aus dem Nichts auftauchen sondern würde schon Jahrhunderte vorher von den Astronomen gesehen werden.

Es gibt also keinen Grund, vor den vagabundierenden Planeten Angst zu haben. Keiner von ihnen wird jemals in unsere Nähe kommen. Was eigentlich schade ist, denn es wäre sehr interessant, sie zu erforschen. Man könnte ja denken, das es sich bei ihnen nur um kalte, dunkle und komplett gefrorene leblose Himmelskörper handelt. Immerhin gibt es ja keinen Stern, der ihnen Licht und Wärme spendet. Aber Sterne sind nicht die einzige Energiequelle für einen Planeten!

Wie ich in Folge 143 der Sternengeschichten erzählt habe, ist der Kern der Erde so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Diese Energie stammt vor allem aus dem Zerfall der vielen radioaktiven Elemente, die sich im Kern eines jeden Planeten findet. Je größer ein Planet ist, desto heißer ist auch sein Zentrum. Und wenn es auch auf der Oberfläche eines Himmelskörpers ohne Stern tatsächlich kalt und dunkel sein wird, muss das für seine unterirdischen Regionen noch lange nicht gelten. Auf vagabundierenden Planeten könnte es Seen und Ozeane aus flüssigem Wasser geben, die unter der gefrorenen Oberfläche liegen und von der Hitze aus dem Kern aufgewärmt werden. So wie zum Beispiel der Wostok-See in der Antarktis, der ebenfalls kilometertief unter der dortigen Eiskruste liegt. Obwohl er für fast eine halbe Million Jahre von der Umwelt komplett abgeschnitten war, hat man dort bei Bohrungen Bakterien und andere Mikroorganismen gefunden, die all die Zeit dort problemlos überlebt haben.

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Kommentare (5)

  1. #1 Artur57
    8. November 2015

    Einer der vagabundierenden Planeten könnte “von uns” sein, also aus unserem Sonnensystem. Siehe diesen Spektrum-Artikel.

    Habe selbst am Computer Mehrkörpersysteme simuliert. Es endet eigentlich immer damit, dass einer der Probanden mit hoher Geschwindigkeit aus dem System geschleudert wird. Insofern sollten diese Planeten nicht allzu sehr überraschen.

  2. #2 Caracalla
    9. November 2015

    Danke für die neue Sternengeschichte.

    Für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass sich doch ein vagabundierender Planet unserem Sonnensystem nähern sollte, wie groß ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass er von der Sonne eingefangen wird und als neuer Planet um diese kreist?

    Ich hatte mal vor einiger Zeit einen SF-Roman mit diesem Thema gelesen.

  3. #3 Florian Freistetter
    9. November 2015

    @Caracalla: “ie groß ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass er von der Sonne eingefangen wird”

    Würd ich jetzt spontan als höchst enorm gering einschätzen. So ein Teil muss ja zwangsläufig auf einer sehr exzentrischen Bahn ins SoSy kommen. Und so eine extreme Bahn in eine gebundene kreisförmige Bahn umzuwandeln ist nicht einfach.

  4. #4 Caracalla
    10. November 2015

    Schade, ich fand die Idee ziemlich faszinierend. Aber war wohl doch nur Fantasie des Autors 😉

  5. #5 Norbert Nickles
    Kaiserslautern
    24. Februar 2017

    Also 400 Milliarden jupitergroße Planeten, die genau wie Jupiter und Saturn von Monden umkeist werden, die durch die Gezeitenkräfte ihres Mutterplaneten erwärmt werden. Wenn der Jupitermond Io die gleiche Maße hätte wie die Erde, dann wäre es dort kuschelig warm und es könnte Ozeane und intelligentes Leben geben – ganz ohne Sonne !