Der 3. Dezember ist kein besonderer Tag – zumindest aus historischer Sicht (es ist allerdings der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung). Wer zufällig “Gerlinde” heißt, hat heute Namenstag aber ansonsten ist nichts großartig vorgefallen. Aber im Jahr 1904 hat der amerikanische Astronom Charles Dillon Perrine im kalifornischen Lick-Observatorium genau an diesem Tag durch ein Teleskop geblickt und einen Mond des Planeten Jupiter entdeckt, den noch niemand zuvor gesehen hatte. Heute kennen wir 67 Monde, die den größten Planeten des Sonnensystems umkreisen und es kommen immer wieder neu entdeckte Monde dazu. Jupitermonde sind keine große Neuigkeit mehr – aber damals war Perrines Beobachtung durchaus bemerkenswert. Neben den vier von Galileo Galilei im Jahr 1610 gefundenen Monden kannte man mit Amalthea (1892 entdeckt) nur einen weiteren Mond. Perrines Mond war Nummer 6 in der Liste und wir wissen heute eigentlich immer noch nicht sonderlich viel über Himalia.

Das beste Bild das wir von Himalia haben, sieht so aus:

Es wurde am 19. Dezember 2000 von der Raumsonde Cassini gemacht, als sie auf ihrem Weg zum Saturn den Jupitermond in einem Abstand von 4,4 Millionen Kilometer passiert hat. Der Pfeil rechts zeigt auf den Mond; links ist das Bild vergrößert dargestellt und darüber ein Modell, dass die ungefähre Größe und die damalige Beleuchtungssituation anzeigt. Seit dieser Beobachtung wissen wir, dass es sich um einen unregelmäßig geformten Himmelskörper mit Ausmaßen von 150 mal 120 Kilometer handelt. Neuere Beobachtungen mit dem WISE-Satellit haben diesen Wert ein klein wenig verbessert: Himalia hat einen effektiven Durchmesser von 139,7 Kilometern.

Wir wissen außerdem, dass der Mond seinen Planeten in 11,4 Millionen Kilometer Abstand umkreist und für eine Runde 250,56 Tage braucht. Die Bahn ist nicht ganz kreisförmig und außerdem um 27,5 Grad gegenüber der Äquatorebene des Jupiters geneigt. Das ist typisch für einen sogenannten “irregulären Mond”.

Wenn es um die Monde der großen Planeten im äußeren Sonnensystem geht, dann unterscheidet man zwei unterschiedliche Gruppen. Es gibt “reguläre Monde”. Die sind meistens groß, befinden sich nahe am Planeten und umlaufen ihn auf annähernd kreisförmigen und nicht geneigten Bahnen in der gleichen Richtung, in der auch der Planet sich um seine Achse dreht. Bei Jupiter sind das die vier galileischen Monde Io, Europa, Ganymed und Kallisto. Sie entstanden gleichzeitig mit dem Planeten selbst aus dem Material, dass von seiner Entstehung übrig geblieben ist. So wie die Sonne früher von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben war, aus der sich die Planeten gebildet haben, waren auch die großen Planeten anfangs von entsprechenden (kleineren) Scheiben umgeben, aus denen die regulären Monde entstanden sind.

Bei den irregulären Monden lief das anders ab. Anders und wesentlich unverstandener, was auch der Grund ist, warum es sich lohnt, mehr über Himmelskörper wie Himalia herauszufinden. Aber zum Glück hat sich da in letzter Zeit ein wenig getan!

Die irregulären Monde sind im Allgemeinen viel kleiner als die regulären. Sie sind deswegen auch meistens nicht rund, sondern unregelmäßig geformt. Sie umkreisen den Planeten in größerem Abstand und ihre Bahnen sind oft stark geneigt und weichen deutlich von der Kreisbahn ab. Außerdem umlaufen viele von ihnen den Planeten retrograd, das heißt entgegen seiner Rotationsrichtung. All das macht klar, dass sie nicht gemeinsam mit dem Planeten aus dessen Scheibe entstanden sein können. So weit draußen gab es in der Scheibe nicht mehr genug Material für die Mondentstehung. Auch die Bahnen müssten bei einer gleichzeitigen Entstehung rund, kaum geneigt und nicht retrograd sein.

Umlaufbahnen der irregulären Monde des Saturns - in rot ist in der Mitte die Bahn des regulären Mondes Titan eingezeichnet (The singing Badger, CC-BY-SA 3.0)

Umlaufbahnen der irregulären Monde des Saturns – in rot ist in der Mitte die Bahn des regulären Mondes Titan eingezeichnet (The singing Badger, CC-BY-SA 3.0)

Irreguläre Monde wie Himalia – übrigens der größte irreguläre Mond des Jupiters – müssen daher anderswo entstanden und erst später vom Planeten eingefangen worden sein. Aber: Wo und wie? Beide Fragen sind bis jetzt nur teilweise bzw. gar nicht beantwortet. Ein paar Hinweise kann man durch die Beobachtung des Lichts gewinnen, das von den Monden reflektiert wird. Himmelskörper können dunkel oder hell sein; je nachdem aus welchem Material sie bestehen. Wir wissen, dass es da Unterschiede gibt: Asteroiden aus dem äußeren Bereich des Sonnensystems sind eher heller (weil sie mehr Eis enthalten); im Asteroidengürtel des inneren Sonnensystems kann man auch dunklere Objekte finden.

Beobachtungen am Keck-Observatorium (“The 3 μm Spectrum of Jupiter’s Irregular Satellite Himalia” haben im letzten Jahr gezeigt, das Himalia in seiner Zusammensetzung dem Asteroid Europa sehr ähnlich ist und beide ein ziemlich dunkles Spektrum haben. Neuere Daten des WISE-Teleskops (“NEOWISE: Observations of the Irregular Satellites of Jupiter and Saturn”) bestätigen, dass Himalia extrem wenig Licht reflektiert und das dies auch für die meisten anderen irregulären Satelliten des Jupiters gilt. Das deutet auf einen gemeinsamen Ursprung hin, der möglicherweise im Asteroidengürtel in der Region liegt, in der sich auch Europa befindet. Aber genau weiß man es nicht, weil man immer noch zu wenig detaillierte Beobachtung von irregulären Monden (und Asteroiden) hat.

Gleiches gilt für die Frage, wie die Monde eingefangen worden sind. Es reicht nicht, dass der Mond in spe einfach nur auf die richtige Art und Weise in Richtung Jupiter fliegt. Jede Bahn, auf der ein Mond eingefangen werden kann, ist gezwungenermaßen auch eine Bahn, auf der er der Anziehung des Planeten wieder entkommt. Die Naturgesetze machen in der Hinsicht keinen Unterschied was die Richtung der Zeit angeht; was “vorwärts” geht muss “rückwärts” genau so gehen. So ein Himmelskörper würde als einfach nahe an Jupiter vorbei fliegen, aber ihn nicht dauerhaft umkreisen können. Dazu muss er auf irgendeine Art und Weise Energie verlieren.

Früher dachte man, dass das durch Reibung zwischen dem Mond und dem den Planeten umgebenden Gas geschehen kann, die früher ja noch vorhanden war. Das funktioniert zwar für einige der irregulären Monde aber nicht für alle. Denn die Scheibe war zu klein, um auch noch im Bereich der weiter entfernten irregulären Monde eine Rolle zu spielen. Seit Ende der 1990er Jahre versteht man die Dynamik des frühen Sonnensystems im Rahmen des sogenannten Nizza-Modells. Es beschreibt, wie sich die Planeten nach ihrer Entstehung durch das Sonnensystem bewegt haben. Sie befanden sich damals noch näher an der Sonne und sind erst später weiter nach außen gewandert, wie ich hier erklärt habe.

Dabei haben die Planeten die Umlaufbahnen der ganzen Asteroiden durcheinander gebracht – aber auch dafür gesorgt, dass einige davon als Monde eingefangen werden können. Durch die wechselseitigen Gravitationskräfte kann ein Asteroid an einem Planeten vorbei fliegen und dabei Energie an den anderen verlieren um so in eine stabile Umlaufbahn zu gelangen. Aber wie es wirklich war und welche der theoretischen Modelle zur Entstehung der irregulären Monde funktionieren, werden wir erst wissen, wenn wir sie genauer beobachten! Was wir sowieso machen sollten: Denn abgesehen davon, dass wir so mehr über die Vergangenheit unseres Sonnensystems lernen können, ist es einfach verdammt cool, all diese fremden Welten aus der Nähe zu beobachten!

Kommentare (3)

  1. #1 jochen
    3. Dezember 2015

    Kleine Frage am Rande:
    Was heißt effektiver Durchmesser?

  2. #2 Alderamin
    3. Dezember 2015

    @jochen

    Der Durchmesser einer Kugel mit der gleichen Querschnittsfläche (und damit auch Helligkeit, bei gleicher Albedo = Rückstrahlkraft).

  3. #3 bikerdet
    6. Dezember 2015

    Hallo Florian

    Vielen Dank, mich faszinieren die Monde ja immer besonders. Insbesonders die Voraussetzungen beim einfangen waren mir noch nicht bekannt. Ich war bisher davon ausgegangen, das es so wie beim abbremsen per ‘swingby’ funktionieren würde. Für mich war es jetzt durchaus wahrscheinlich, das bei 60 – 70 Objekten ( von ein paar Hunderttausend bis Millionen) Winkel und Geschwindigkeit ‘zufälig’ gepasst haben um durch einen swingby genügend abgebremst zu werden. Oder ist die Bremswirkung dabei zu gering ?