Wie schnell ist der Schall? Klingt nach einer einfachen Frage – ist aber gar nicht so einfach zu beantworten! Selbst Isaac Newton hat es nicht ganz richtig hin bekommen. Aber das wir heute verstehen, wie der Schall sich ausbreitet ist nicht nur unter anderem ihm zu verdanken. Es ist auch enorm wichtig, wenn wir die Sterne verstehen wollen!

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Transkription

Sternengeschichten Folge 165: Die Geschwindigkeit des Schalls

In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich von der Asteroseismologie erzählt und wie man dank dieser Diszplin die Ausbreitung von Schallwellen im Inneren von Sternen verstehen und dadurch enorm viel über diese Himmelskörper lernen kann. Aber damit das funktioniert, muss man zuerst den Schall selbst verstehen. Und die Geschwindigkeit gehört da natürlich zu den wichtigsten Eigenschaften. In Folge 163 der Sternengeschichten habe ich von den erfolglosen und erfolgreichen Versuchen der Messung der Lichtgeschwindigkeit erzählt.

Isaac Newton mischt überall mit!  (Bild: Wellcome Trust, CC-BY 4.0)

Isaac Newton mischt überall mit! (Bild: Wellcome Trust, CC-BY 4.0)

Beim Schall verlief die Sache ähnlich. Auch hier war es lange Zeit nicht möglich, exakt zu messen, mit welcher Geschwindigkeit sich Geräusche fortbewegen. Die Probleme lagen allerdings anders beim Licht. Da hat man ja ursprünglich nicht einmal gewusst, ob es überhaupt eine Geschwindigkeit gibt, die man messen kann oder ob es nicht vielleicht doch unendlich schnell ist. Erst die Möglichkeit, die Ausbreitung des Lichts über lange, astronomische Distanzen im Weltall zu verfolgen und später ausgeklügelte technische Apparate haben es möglich gemacht, das enorme Tempo des Lichts zu messen.

Dass der Schall nicht unendlich schnell sein kann, muss allen die sich darüber ernsthaft Gedanken gemacht haben, schon früh klar gewesen sein. Immerhin kann man ja beim Phänomen des Echos direkt hören, dass es ein bisschen dauert bis das wiederholte Geräusch ankommt. Auch die Erzeugung von Geräuschen zeigte, dass hier etwas sein musste, das sich mit einer konkreten Geschwindigkeit ausbreitet. Wenn man zum Beispiel die Saite eines Instruments in Schwingung versetzt, ist ein Ton zu hören: Die schwingende Saite muss also die Luft zum Schwingen bringen und diese Schwingungen brauchen Zeit, um sich fort zu bewegen.

Und genau da lag das Problem: Zeit! Will man eine Geschwindigkeit messen, muss man natürlich auch Zeiträume so exakt wie möglich messen können. Aber das haben die Menschen erst sehr spät gelernt. Lange Zeit waren Sonnenuhren beziehungsweise einfach die Sonne selbst völlig ausreichend für den Alltag. Wer es genauer wissen wollte, konnte Kirchturmuhren nutzen – aber Zeiträume auf die Sekunde genau zu bestimmen, war nicht nötig und auch nicht möglich. Erst als die Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert ernsthaft betrieben wurde, war auch der Bedarf nach genaueren Uhren vorhanden.

Die Wissenschaftler der damaligen Zeit haben sich mit allerlei Provisorien beholfen. Es gab Sand- oder Wasseruhren oder man nutzte den eigenen Pulsschlag als Taktgeber. Im 17. Jahrhundert wurden die ersten Pendeluhren konstruiert, die einen Fortschritt in Sachen Genauigkeit brachte. Der erste, der einen halbwegs brauchbaren Wert für die Schallgeschwindigkeit bestimmte, hatte so etwas aber nicht zur Verfügung. Als Isaac Newton im Jahr 1686 im Kolonnadengang des Trinity-College von Cambridge stand, war sein Versuchsaufbau relativ simpel. Er stand an einem Ende des langen Gangs und klatschte in die Hände. Der Schall musste eine Länge von 64 Metern zurück legen, bevor er auf die Wand am anderen Ende traf. Die dort reflektierten Schallwellen hatten dann noch einmal die gleiche Strecke vor sich, bis das Echo wieder bei Newton ankam. Die gesamte Strecke von 128 Metern konnte Newton leicht messen. Er musste jetzt eigentlich nur noch bestimmen, wie lange es dauert, bis er nach dem Klatschen das Echo hören konnte.

Heute wäre das kein großes Problem. Man braucht nur eine gute Stopuhr oder am besten ein Aufzeichnungsgerät – beides findet man mittlerweile auf jedem Smartphone – und kann den Zeitraum und damit auch die Geschwindigkeit des Schalls bestimmen. Newton benutzte ein Pendel. Ein Pendel, keine Pendeluhr – aber das reicht im Prinzip auch. Es war damals schon bekannt, dass die Schwingungsdauer eines Pendels von seiner Länge abhängt. Je länger das Pendel, desto länger braucht es, um einmal hin und her zu schwingen. Kennt man die Länge des Pendels, kann man daraus die Zeit berechnen, die es für eine Schwingung braucht. Zur Zeit Newtons war diese Methode genauer als die vorhandenen Uhren – aber auch knifflig in der Anwendung.

Newton veränderte die Länge des Pendels so lange, bis eine Schwingung genau so lange dauerte, wie die Rückkehr des Echos. Dazu waren viele Versuche notwendig, aber am Ende kam er auf eine Länge von 3,5 Zentimeter. So ein Pendel schwingt schnell; es dauert weniger als eine halbe Sekunde! Aber wenn Newton eines war, dann gründlich und beharrlich und so konnte er am Ende mit dieser Zeitmessung eine Geschwindigkeit des Schalls von 298 Metern pro Sekunde berechnen.

Das war schon ein ziemlich guter Wert. Vor allem war es ein konkreter Wert, der einer konkreten Messung und Berechnung entstammte. Aber Newton lag trotzdem ein gutes Stück daneben. Eigentlich hätte er einen Wert von etwa 343 Meter pro Sekunde messen müssen. Trotzdem ist seine Messung außergewöhnlich. Natürlich kamen auch früher schon Leute auf die Idee, ähnliche Experimente anzustellen. Man hat zum Beispiel von hohen Türmen aus beobachtet, wie Gewehre oder Kanonen in der Ferne abgefeuert wurden und dann – meistens mit Pendeln – gemessen, wie lange der Schall braucht. Aber abgesehen davon, dass Newtons Versuchsaufbau wesentlich sorgfältiger war, hatte er nicht einfach nur gemessen, sondern auch probiert zu verstehen was da passiert.

In seinem monumentalen und revolutionären Werk Principia Mathematica erklärte er ja viel mehr als “nur” die Gravitationskraft (obwohl das schon völlig ausgereicht hätte, um zu Recht so berühmt zu werden wie er es wurde). Neben vielen anderen Erkenntnissen enthielt das Buch auch eine Formel, mit der Newton die Ausbreitung des Schalls in verschiedenen Medien – fest, flüssig oder gasförmig – berechnen konnte. Die Geschwindigkeit entsprach der Wurzel aus dem Verhältnis von Druck zur Dichte des Mediums, in dem sich der Schall bewegt.

Wie gesagt: Eine bemerkenswerte Arbeit. Aber auch nicht ganz richtig. Newton hatte einen Fehler gemacht, der erst ein wenig später vom französischen Mathematiker Pierre Simone de Laplace korrigiert wurde. Newton hatte übersehen, dass nicht nur der Druck und die Dichte bestimmen, wie schnell sich der Schall fortbewegt, sondern auch die Temperatur eines Mediums. Darum war der von ihm errechnete Wert auch ein wenig zu klein. Laplace korrigierte die Formel entsprechend und die neue Gleichung zur Berechnung der Schallgeschwindigkeit heißt heute deswegen auch Newton-Laplace-Gleichung.

Und sie zeigt, warum die Schallgeschwindigkeit so eine wichtige Größe in der Naturwissenschaft ist. Da die Geschwindigkeit von der Dichte, dem Druck und der Temperatur abhängt (und genau genommen auch noch von einigen anderen Parametern), kann man auch all diese Werte durch eine Messung der Schallgeschwindigkeit bestimmen! Und genau das macht den Schall auch so wertvoll für die Astronomie – wenn sich Schallwellen im heißen Plasma der Sterne ausbreiten und wir ihre Geschwindigkeit dank der Astroseismologie bestimmen können, können wir dammit auch all die Eigenschaften des Materials im Inneren der Sterne berechnen, die wir nicht direkt beobachten können, aber wissen wollen und müssen, wenn wir sie verstehen wollen.

Vor mehr als 300 Jahren hat Isaac Newton in Cambridge in die Hände geklatscht. Und heute können wir hören, wie Sterne funktionieren!

Kommentare (11)

  1. #1 knorke
    22. Januar 2016

    Tolle Sternengeschichte. Über die Rolle des Schalls in der Astronomie habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Und immer wieder beeindruckt mich, wie viele für uns selbstverständliche Dinge man erstmal rausfinden musste bevor sie selbstverständlich wurden. Diese Erkenntnis trifft mich jedesmal wieder wie ein Faustschlag.

  2. #2 Aginor
    22. Januar 2016

    Einfach toll wie manche Leute – ganz ohne das viele Vorwissen das wir heute haben – auf ihre Erkenntnisse/Theorien gekommen sind. Einfach durch Einfallsreichtum, Phantasie, und Mut zum ausprobieren.

    Danke für den Artikel!

  3. #3 Gast
    22. Januar 2016

    Wenn ich Newtons Messwerte nachrechne mit der Pendellänge von 3.5 cm und der Entfernung von 128m, komme ich an Hand seines Versuches auf eine Schallgeschwindindigkeit von ~341m/s.
    Eine äußerst bemerkenswertenswerte Übereinstimmung mit dem realen Wert. Der im Text genannte Wert von 298m/s entspricht der Formel Wurzel(p/rho). Sind sich hier Experiment und Theorie in die Quere gekommen?
    Druck und Dichte bestimmen bei Gasen über die Zustandsgleichung ziemlich eindeutig die Temperatur. Es gibt also keine zusätzliche Abhängigkeit. Eher lässt sich für ideale Gase die Schallgeschwindigkeit einzig über die Temperatur bestimmen.
    Nach “Newtons Annahme” erfolgte die Schallausbreitung isotherm und nicht, wie wir heute wissen eher adiabatisch. Ihm fehlte in seiner Formel also der Adiabatenkoeffizient. Die Abhängigkeit c=Wurzel[p/rho] ergibt sich schon aus einer Dimensionsanalyse. Um so erstaunlicher, dass Newton nicht noch einen dimensionslosen Faktor mit einbezog.

  4. #4 Florian Freistetter
    22. Januar 2016

    @Gast: “Sind sich hier Experiment und Theorie in die Quere gekommen?”

    Naja, Newton hat seine Experimente genutzt, um seine Theorie zu entwickeln… Und dabei eben ein paar Sachen übersehen.

  5. #5 Gast
    22. Januar 2016

    Hat er sich so verrechnet?

  6. #6 Ignoramus
    22. Januar 2016

    Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die 3,5 cm nachträglich umgerechnet wurden: Newton benutzte keine SI Einheiten.

  7. #7 Roland B.
    23. Januar 2016

    Bei Schall und Astronomie dachte ich ja spontan zuerst an diverse sogenannte Sciencefiction-Filme, ohne Science, wo man nicht nur den Knall von im Weltraum explodierenden Raumschiffen hört, sondern im schlimmsten Fall auch das Ping, wenn ein Raumschiff hinter Asteroiden oder sonstigen Körpern Schutz sucht, während der mächtige Gegner seine volle U-Boot-Erfahrung mit Sonar ins Spiel bringt.
    Darum doppelt interessant, daß Schall ganz entgegen meiner Erwartungen tatsächlich eine Rolle spielt bei Astronomen, weit darüber hinaus über das wichtige nächtliche Schallereignis “Bring mir einen Kaffee mit”.

  8. #8 Chefin
    23. Januar 2016

    @Gast
    Was du heute weist ist das was man aus Newtons Versuchen herausentwickelt hat. Er wusste nicht, das Druck und Dichte quasi die Temperatur ergeben. Er hat etwas gemacht, Messwerte erhalten und dann versucht drüber zu hirnen was der Grund dafür ist. Und vor über 300 Jahren konnte man auch viele Dinge noch nicht so genau erfassen oder messen. Versuch mal mit dem Auge den Unterschied zwischen 0,5 und 0,6 sec zu ermitteln. Uhren welche Millisekundengenau arbeiten und anzeigen hatte man damals noch nicht.

    Man kann das sicher als “verrechnet” betiteln. Aber der Begriff hätte etwas abwertendes und entspäche nicht der Leistung die Newton damals vollbracht hat. So als wenn ich dich auf eine Insel setze irgendwo und dir eine Taschenuhr zum Aufziehen von meinem Opa (also Vorkriegsmodell) gebe sowie eine Werkzeugkiste mit Holzbeartungswerkzeugen, wie Hammer, Säge, Stechbeitel, Handbohrer.

    Und nun finde raus wohin das Flugzeug fliegen muss, um dich zu retten. Und du hast keine Fachbücher und kannst dich auch nicht vorher drauf vorbereiten und das alles nachlesen. So ungefähr war die Situation für Newton.

  9. #9 Karl Mistelberger
    23. Januar 2016

    > Newton hatte übersehen, dass nicht nur der Druck und die Dichte bestimmen, wie schnell sich der Schall fortbewegt, sondern auch die Temperatur eines Mediums. Darum war der von ihm errechnete Wert auch ein wenig zu klein. Laplace korrigierte die Formel entsprechend und die neue Gleichung zur Berechnung der Schallgeschwindigkeit heißt heute deswegen auch Newton-Laplace-Gleichung.

    Pierre-Simon Laplace saw the flaw in Newton’s thinking and ultimately corrected Newton’s formula. He expanded Newton’s equation to include the idea that the process is not isothermic as Newton had thought, but it is adiabatic.

    Das Experiment gab Pierre-Simon Laplace recht.

  10. #10 IO
    23. Januar 2016

    @Chefin

    “… dir eine Taschenuhr zum Aufziehen von meinem Opa (also Vorkriegsmodell) gebe”

    Meine Opas waren auch Vorkriegsmodelle (sogar noch prae-WK1). Sie brauchten aber nicht aufgezogen zu werden wie eine Taschenuhr.

  11. #11 Karl-Heinz
    24. Januar 2016

    @Gast

    Hat er sich so verrechnet?

    Hat die Chefin dir also die Ohren langezogen 😉

    Naja, Newton hatte ein extremes Geltungsbedürfnis, musste immer recht behalten und lag ständig im Streit mit anderen Wissenschaftlern.

    Die Erklärung von Karl Mistelberger ist natürlich korrekt. (DANKE für deinen Kommentar)

    Wenn du aber genau wissen willst, was sich menschlich abgespielt hat, musst du hier Newtons Umgang mit dem Mogelfaktor lesen 🙂

    Lg Karl-Heinz