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sb-wettbewerb

Das sagt der Autor des Artikels, Pascal über sich:
Ich studiere Anglistik und Rechtswissenschaften und blogge für gewöhnlich als @FalseShepard über Videospiele(kultur) auf www.indieflock.net
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Kommt ein Linguist vor Gericht…

…und wird als Experte in den Zeugenstand gerufen. Aber was soll ein Sprachforscher denn sinnvolles zu einem Kriminalfall beitragen? Fragt sich der geneigte Barbara Salesch-Sofajurist. Die Antwort darauf: Es gibt sogar eine Unterart der Sprachwissenschaft, die sich ganz und gar mit der Lösen von Fällen beschäftigt.

Forensische Linguistik bedeutet Linguistik, die zur Beweisfindung eingesetzt wird. Dass das ein ziemlich eingeschränkter Handlungsbereich ist, könnte man glauben; die Anwendungsmöglichkeiten sind aber gar nicht so gering. Jeder Abschiedsbrief eines Suizidfalls geht durch die Hände eines forensischen Linguisten, um seine Echtheit festzustellen und Manipulation auszuschließen. Dieser überprüft nicht unbedingt Handschrift und allgemeines Schriftbild, das fällt eher einem Graphologen zu. Der Linguist nimmt sich den Inhalt des Textes vor und gleicht ihn mit anderen Texten des Verstorbenen ab: Stimmen Register (also der Grad der Formalität in der Wortwahl), Satzbau und Fehlerquellen mit verifizierbar vom Opfer geschriebenen Texten überein? Wenn nicht, könnte das ein Hinweis auf Fälschung sein. Die Betonung liegt auf könnte; forensische Linguistik alleine kann niemals zu einem zweifelsfreien Schluss führen, da sie nie eindeutige Ergebnisse liefern kann. Es könnte eben auch sein, dass das Opfer sein Register gezielt wechselt, um dem Abschiedsbrief mehr Seriösität zu verleihen. Oder in seiner Nervosität mehr Fehler einbaut. Die forensische Linguistik liefert immer Indizien, keine Beweise.

Auch in einer weniger gravierenden, aber deutlich prominenteren Angelegenheit hat die forensische Linguistik die Finger im Spiel: In der Plagiatsprüfung. Wie viele Politiker in den letzten Jahren am eigenen Leib erfahren mussten, werden Plagiate nicht mehr auf die leichte Schulter genommen. Hochschulen und Universitäten sind so sehr wie nie zuvor darauf bedacht, Plagiatsvorbeugung zu betreiben und Plagiarismus aufzudecken. Die Möglichkeiten der unerlaubten Kopie steigen durch unendlichen Zugriff auf e-Books und Artikel im Internet, und um dem entgegen zu wirken müssen auch Lehranstalten ihre Prüfprogramme verbessern, Aufklärung betreiben und eben auch Linguisten beschäftigen. Durch die strenge Zitier- und Bibliographierpflicht in akademischen Arbeiten haben Plagiatsprüfer mittlerweile einen riesigen Vorteil: Klaut man ganze Sätze ohne zu zitieren, nutzt auffällig oft die gleichen ungewöhnlichen Vokabeln wie der Quellentext oder gar nur genau einmal einen ungewöhnlichen Begriff, den auch die Quelle nur genau einmal nutzt, so kann das ein Computerprogramm recht schnell erkennen und in anschaulichen Tabellen präsentieren. Solche sprachlichen Kopien nennt man linguistischen Plagiarismus. Er tritt am häufigsten auf, vor allem in Hausarbeiten von Studenten und Schülern, die sich wenig Gedanken über die Konsequenzen von Plagiaten machen. Glücklicherweise ist er auch mit dem bloßen, geübten Auge meist recht gut zu erkennen, da beim Kopieren und Umstellen von Quellsätzen oft Ungereimtheiten in der Konsistenz des Textes und der Kohärenz des Gedankenflusses entstehen.
Weit schwerer zu entdecken ist der sogenannte Plagiarismus der Ideen. Dabei wird nicht die Wortwahl oder der Satzbau unerlaubt kopiert, sondern die unterliegende Idee, etwa die Forschungsergebnisse, auf deren Grundlage ein Artikel geschrieben wurde, oder die fantastische Vision, aus der ein Autor seine Geschichte spinnt. Oft gehen beide Arten des Plagiats Hand in Hand, und der simpler entdeckbare linguistische Plagiarismus kann helfen, den Diebstahl von Ideen aufzudecken. Wie, das ist am besten an einem Beispiel erklärbar.

2004 erschien mit The Da Vinci Code Dan Browns großer Bestseller. Das Buch wurde zum Kult, verfilmt und mit Merchandise-Lawinen in die Läden gespült. Kurz darauf jedoch hatte sich Brown mit einer deutlich unschöneren Angelegenheit auseinander zu setzen: Lewis Perdue, Autor der von 1984—2000 erschienenen Buchtrilogie The Da Vinci Legacy, verklagte den Bestsellerautor vor einem U.S.-Gericht. Der Grund lässt sich anhand der beiden Buchtitel leicht vermuten: Perdue warf Brown vor, massive Anteile seiner Bücher gestohlen und verwendet zu haben. Die Klärung dieser Frage fiel einem Richter zu, der mehrere Sprachwissenschaftler als Gutachter mit dem Vergleich der Bücher beauftragte. Einige ihrer Methoden möchte ich hier beispielhaft aufführen.

Die Plotline
Es ist nicht einfach, zwei Geschichten miteinander auf Ähnlichkeiten abzugleichen, und zwar so, dass einer Beweisführung genüge getan wäre. Die zweckmäßigste Lösung ist es, einzelne Handlungsstränge heraus zu trennen und einzeln miteinander abzugleichen. Code und Legacy teilen sich die exakt gleichen sieben wichtigen Handlungsgrundlagen; man könnte fast sagen, ihre Geschichten sind identisch. Beide drehen sich um brisante Geheimnisse der Kirche, die durch die Entdeckung von wichtigen Dokumenten einer historischen Persönlichkeit aufgedeckt werden könnten. In beiden wird ein Experte auf dem Gebiet dieser Dokumente, der mit dem Helden der Geschichte verwandt ist, ermordet von Mitgliedern einer religiösen Sekte, und schreibt kurz vor seinem Tod eine Nachricht mit seinem eigenen Blut. Und in beiden wird – natürlich – der Held des Mordes an besagtem Experten beschuldigt.

Seitenzahl des ersten Auftauchens der Plotlines. Quelle: Olsson 2009.

Seitenzahl des ersten Auftauchens der Plotlines. Quelle: Olsson 2009.

Für wen das ein wenig zu schwammig ist – welcher religiöse Thriller dreht sich denn nicht um explosive Geheimnisse der Kurie und mordende Sekten – der mag einen Blick auf das oben abgebildete Diagramm werfen. Es zeigt die sieben Konzepte und die Seitenzahl ihrer ersten Erwähnung in beiden Werken. Bis auf einen Punkt sind diese nahezu identisch: Sehr verdächtig und kaum als zufällig abzutun.

Die Fehler
Einer der ergiebigsten Ansatzpunkte für Plagiatsprüfer sind Fehler in Texten. Telefonbuchverlage drucken absichtliche Fehler und erfundene Namen in ihre Listen, um Kopien zu entlarven – ähnliches funktioniert auch in der forensischen Linguistik. Ein gleicher Fehler an ähnlicher Stelle deutet oft auf eine schlecht versteckte Kopie hin. In Dan Browns Fall lässt sich ein besonders schönes Exemplar finden, denn es handelt sich nicht um einen bloßen Rechtschreibfehler, sondern um einen Schnitzer in der historischen Recherche. Beide Bücher beziehen sich auf den Codex Leicester, ein von Leonardo Da Vinci tatsächlich geschriebenes Buch. Und beide Bücher behaupten, der Codex wäre auf Pergament geschrieben – also auf bearbeitete Tierhaut. In der Realität ist er allerdings auf Leinenpapier verfasst worden, und dieser Fehler lässt sich sonst nirgendwo reproduzieren; er kann nicht von beiden Autoren zum Beispiel bei der Recherche im gleichen fehlerhaften Fachbuch gemacht worden sein. Entweder haben beide Autoren also unwahrscheinlicherweise den gleichen Fehler begangen, oder wir müssen von einem verdächtigen Punkt auf der Plagiatsliste ausgehen.

Der Rahmen

Bis hier hin hat simples Vergleichen der nebeneinander liegenden Bücher ein gutes Ergebnis geliefert. Linguistische Kenntnisse waren kaum bis gar nicht nötig; die Ähnlichkeiten lassen sich gut auch so greifen. Einer der überzeugendsten Faktoren der Plagiatsprüfung ist aber die Analyse des sogenannten Rahmens, und hierfür ist es wichtig, das sprachwissenschafte Konzept desselben zu erfassen.
In unserem Kopf herrscht zu jedem Konzept, an dass wir denken, eine Art ideales Bild vor, an dass wir sofort denken würden, wenn jemand das Konzept erwähnt. Werfe ich etwa das Wort “Vogel” in den Raum, denken viele Leute zuerst an ein Rotkehlchen, für manche ist die Taube der Idealvogel, aber nur für sehr wenige Leute wird es vermutlich der Pinguin sein. Je mehr ein Vogel die Voraussetzungen für den ‘typischen’ Vogel erfüllt – singt, kann fliegen, hat Federn, et cetera – desto eher eignet er sich für dieses Idealbild. Der Linguist nennt das die Prototypen-Lehre; das Rotkehlchen ist der ideale Prototyp für das Konzept Vogel.
Ähnliches lässt sich nun nicht nur auf einzelne Instanzen, sondern auf ganze Szenen anwenden; zu jeder angedeuteten Situation wird unser Gehirn ein typisches Bild aufbauen können. Diese variieren oft weit weniger als die Prototypen einzelner Lebewesen oder Gegenstände, da sie deutlich stärker sozial geprägt sind. Im Beispiel Da Vinci Code wird das Konzept eines luxuriösen Raumes benutzt; für die meisten Vertreter einer westlichen Kultur wird dieses Konzept ein sehr ähnliches Bild heraufbeschwören. Brokatsessel, Samtvorhänge, Ebenholz- oder Mahagonymöbel, teure Kristallgläser, Perserteppiche, vielleicht eine Auswahl luxuriöser Weine und Brandys. Im Zusammenhang mit dem Konzept “Luxus” bezeichnet der Linguist diese Bilder als generisch. Das bedeutet, jeder Mensch aus der angesprochenen Gesellschaftsgruppe denkt tendenziell sofort an solche oder ähnliche Bilder, daher ist es kein schöpferischer Aufwand, einen derart eingerichteten Raum mit genau diesen Worten zu beschreiben. Also: Die Erwähnung eines solchen Raumes ist nicht schützenswert und kann auch nicht verdächtig machen, wenn sie sich im Werk eines anderen Autors wiederholt.

Aber wie würde jemand die Idee eines solchen Raumes klauen, wenn er das nicht weiß? Wenn er denkt, er müsse seine Version des Raumes so unterschiedlich klingen lassen wie nur möglich, damit es nicht zu Überschneidungen und damit zum Verdacht kommt? Derjenige würde vermutlich Synonyme für all die Luxusgüter nutzen, um das gleiche Bild mit anderen Worten herauf zu beschwören. Und genau da kann der Linguist ansetzen. Sprache funktioniert, ob in Wort oder Schrift, erst einmal ganz intuitiv. Die richtigen Worte kommen uns einfach, wenn wir über ein bestimmtes Thema schreiben. Ein Autor, der einfach darauf los schreibt, nutzt intuitiv die gebräuchlisten Worte, um seine Situation zu beschreiben; man nennt das first line-language. Diese Worte kann der Fälscher dann nicht mehr nutzen. Er muss über seine Wortwahl nachdenken; weniger passende Synonyme nutzen, die sogenannte second line-language.

Luxusraum-Szene aus Perdue: The Da Vinci Legacy. Quelle: Olsson 2009

Luxusraum-Szene aus Perdue: The Da Vinci Legacy. Quelle: Olsson 2009

Luxusraum-Szene aus Brown: The Da Vinci Code. Quelle: Olsson 2009

Luxusraum-Szene aus Brown: The Da Vinci Code. Quelle: Olsson 2009

In Perdues Ausschnitt lässt sich sehen, dass hier sehr gängige Worte benutzt werden, um den Luxus des Raumes auszudrücken. Luxury, sofas and chairs, tumbler stechen nicht heraus, es sind die ersten Dinge, die einem beim Gedanken an solche Konzepte wie “teure Einrichtung, Polstermöbel, Trinkgefäß” in den Sinn kommen; die Prototypen ihrer Kategorie. Brown dagegen nutzt auffallend sperrige Worte, um exakt die gleiche Situation zu beschreiben. Lavish, cushioned chairs, crystal glasses sind alle eine gedankliche Ecke weiter entfernt als die von Perdue genutzten Wörter. Und obwohl man argumentieren könnte, dass Brown absichtlich sperrige Worte für eine vielen Menschen fremde, teure Welt eingesetzt hat, ist die komplette Abwesenheit von Überschneidungen doch auffällig.

Das waren nun nur drei Ansatzpunkte eines forensischen Linguisten in der Plagiatsprüfung; es gibt selbstverständlich noch eine ganze Menge mehr. Für einen generellen Überblick und das Erlernen des einen oder anderen fachlichen Konzepts jedoch sollte es genügt haben. Ob das nun hilft, Diebstähle an den selbst gemachten Werken zu erkennen oder die eigenen Kopien nur besser zu verstecken, sei dahin gestellt. Lewis Perdues Klage wurde übrigens, trotz eindeutiger Verdachtsbestätigung durch Linguisten, vom Richter abgewiesen; eine Gegenklage in Milliardenhöhe von Browns Verleger folgte auf dem Fuße. Immerhin wurde Perdue in diesem Verfahren von jeglichen Geldforderungen freigesprochen, bekommen hat er selbst aber auch nichts. Vielleicht hat die zusätzliche Werbung durch das Verfahren aber wenigstens die Verkäufe seiner Bücher etwas angekurbelt.

Für diesen Artikel genutzte Quellen:
Olsson, John. 2009. Wordcrime: Solving Crime through Forensic Linguistics. Continuum: London, New York.
Turell, Teresa M. 2008. “Dimensions of Forensic Linguistics”. In Plagiarism. Ed. Gibbons, John & Turell, Teresa M. John Benjamins Publishing: Amsterdam, Philadelphia.

Kommentare (27)

  1. #1 Captain E.
    29. September 2016

    Also ist Dan Brown gar kein schlechter Rechercheur (z.B. Antimaterie vom CERN), sondern nur ein schlechter Plagiator und exzellenter Selbstvermarkter (und daher mit hohen Verkaufszahlen und teuren Anwälten ausgestattet). Da freut es mich um so mehr, dass ich mir noch nie ein Buch von ihm gekauft habe.

  2. #2 tomtoo
    29. September 2016

    Wow!
    Superspannender Einblick in einen Beruf den ich nicht mal kannte.
    Danke !

  3. #3 Carcosa
    29. September 2016

    Großartiger Artikel. Ich hatte auch noch nie von dem Gebiet gehört. Gerne mehr davon!

  4. #4 Tina_HH
    29. September 2016

    Sehr schöner Beitrag zu einem interessanten Fachgebiet! Mich würden die weiteren Methoden ebenfalls interessieren.

    Erstaunlich, dass die Klage gegen Brown abgewiesen wurde. Nach meinem (laienhaften) Empfinden sind die Verdachtsmomente doch ziemlich gut dargestellt worden.

  5. #5 Emmygunde Spatz
    29. September 2016

    Toll, da hätte ich jetzt gern noch viiiiiel mehr drüber gelesen. Vielen Dank auch von mir.

  6. #6 Dampier
    29. September 2016

    Wieder einmal habe ich das Gefühl, dass der Artikel mittendrin abbricht, gerade als es spannend wird und ich mehr wissen möchte (in einem der vorigen Wettbewerbe hatte ich diesen auffälligen Effekt mal als ‘finis praecox’ bezeichnet).

    Egal. Klasse Artikel, eine wirklich spannende Materie!

    Wenn ich für einen Artikel recherchiere, lese ich immer erstmal eine Menge darüber – alle möglichen Quellen, die ich in die Finger kriegen kann – bis ich die Geschichte soweit verinnerlicht habe, dass ich sie frei erzählen kann. Dann erst schreibe ich die Story auf, und zwar im ersten Angang ganz bewusst ohne nochmal irgendwo nachzuschlagen oder so. So möchte ich sicherstellen, dass ich die Geschichte wirklich mit meinen Worten erzähle.

    Nur schleichen sich dabei häufiger doch first line-language-Formulierungen ein, die unbewusst aus anderen Quellen hängengeblieben sind, und die zumindest ähnlich klingen. First line-language-Beschreibungen sind ja naturgemäß begrenzt, sodass es da sicher häufiger zu Überschneidungen kommt, wenn Autoren unabhängig voneinander die selbe Geschichte erzählen. Ich stelle es mir schwer vor, in dieser Grauzone zufällige Ähnlichkeiten von bewussten Plagiaten zu unterscheiden. (Beispiel siehe hier)

    Zur Grafik: sind die Balken da nicht etwas irreführend? Wenn die senkrechte Achse die Seitenzahlen darstellt, wären dann nicht Punkte beim ersten Auftreten der entsprechenden Textstelle angemessener gewesen? Oder interpretiere ich die Grafik falsch?

  7. #7 Higgs-Teilchen
    Im Standardmodell oben rechts
    29. September 2016

    Krass! Wirklich ein super interessanter Artikel!
    Schreib bitte beim nächsten Wettbewerb mehr darüber. Das Thema ist echt der Hammer!

    Lg H.

    Gibt es zu dem Thema auch ein Buch, dass du empfehlen kannst?

  8. #8 Thomas
    29. September 2016

    Sehr spannend, interessant ist aber auch die mehr kriminalistische Seite der Linguistik, wenn es z.B. darum geht, anhand der Sprache festzustellen, ob Droh- oder Erpresserbriefe von einer Person stammen.

  9. #9 Thomas
    29. September 2016

    @Higgs-Teilchen
    Du könntest mal was von Raimund Drommel zu dem Thema lesen. Von ihm gibt es sowohl Fachbücher als auch Populäres.

  10. #10 FalseShepard
    29. September 2016

    Erstmal vielen Dank für all die Kommentare, ich freue mich riesig, dass das Thema anspricht 🙂

    @Tina-HH

    Perdue selbst wirft die Frage nach Korruption zwischen Browns Publisher Random House und dem Gericht auf (https://lewisperdue.com/?p=4264). Wie viel da dran ist, lässt sich natürlich nicht sagen und ich will auch keine Behauptungen aufstellen. Fakt ist einfach, dass der Ausgang des Prozesses für den Laien zumindest zweifelhaft aussieht…

    @Dampier

    Schönes Beispiel. Mein Artikel selbst wäre wahrscheinlich ein anschauliches Beispiel, wenn ich ihn auf englisch geschrieben hätte, weil ich viele Konzepte und Begriffe von Olsson nutze. Da ich keinen Hehl um meine Quelle mache, würde man vermutlich eine große Überschneidung in der first-line-language finden und eher wenig second-line. Das ist im Zweifel besser, wenn ordentlich zitiert und bibliographiert wird, als der Versuch überakademisiert schlau zu klingen.

    Was an dem Diagramm schlecht ist, musste ich mir jetzt erst einmal von einem befreundeten VWLer erklären lassen. Vermutlich hast du recht, aus naturwissenschaftlicher Sicht wären Punkte sinnvoller. Da scheint Olsson wie ich eine eher verwaschene, geisteswissenschaftliche Sicht der graphischen Darstellung zu haben 🙂

    @Higgs-Teilchen:

    Olsson und Gibbons (aus den Quellen) sind so die Autoren, die zu Lehr-Zwecken am meisten genutzt werden, und grade Olsson lässt sich auch aus populärer Sicht super lesen. Ich kann dir also Wordcrime sehr empfehlen. Wenn du wirklich von vorne anfangen willst, taugt das Einführungsbuch von Malcolm Coulthard sehr gut: https://www.amazon.de/Introduction-Forensic-Linguistics-Language-Evidence-ebook/dp/B01IW0HIGS/ref=sr_1_5?ie=UTF8&qid=1475153494&sr=8-5&keywords=forensic+linguistics

  11. #11 FalseShepard
    29. September 2016

    Oh, und ein Nachtrag für die Frage von @Tina-HH, die ich vergessen hatte zu beantworten:

    Weitere Konzepte kannst du vor allem aus dem Buch Dimensions of Forensic Linguistics (aus den Quellen) lesen, Teresa Turell führt die da in ihrem Abschnitt sehr ausführlich auf. Ein weiteres Beispiel, das nicht mehr in den Artikel gepasst hat, wäre die Unterscheidung zwischen Imitatio und Intertextualität. Beides ist nicht zwingend gut oder schlecht; sowohl richtiges Zitieren als auch Plagiarismus zählen zur Intertextualität (Also dem sich Beziehen auf andere konkrete Texte, ob offen oder verdeckt). Imitatio ist eher etwas generelles, nämlich das Nutzen von Konzepten, die es bereits gibt; z.B. den Einsatz eines “klischeehaften” Charakters, wie der Damsel in Distress, oder das Schreiben in Sonett-Form.

    Beides ist dann wichtig, wenn man sich in einem sozialen Gefüge bewegt, in dem Plagiarismus anders bewertet wird als im eigenen. In Spanien z.B. war der gesamte Bereich der Intertextualität lange Zeit gut angesehen; auch Plagiarismus. Man vertrat einfach die Auffassung, dass kein Text geschrieben werden kann, ohne sich irgendwie auf andere, bereits vorhandene Texte zu beziehen. Die Einstellung hat sich in den letzten Jahren recht stark geändert, aber die Unterscheidung unterschiedlicher “Kopie-Formen” ist heute vor allem dann noch wichtig, wenn man zwischen Copyright-Systemen und solchen wie dem deutschen, die sich eher auf Autoren/Urheberrechte beziehen unterscheidet.

  12. #12 Florence
    29. September 2016

    Super spannendes Thema! Ich bin auch der Meinung, dass der Artikel ruhig etwas länger hätte sein können.

  13. #13 Tina_HH
    29. September 2016

    @FalseShepard

    Danke für die Zusatzinfos. Interessant auch, dass die Beurteilung in Spanien anders war / ist. Wusste ich bisher nicht.

  14. #14 rolak
    29. September 2016

    für sehr wenige Leute wird es vermutlich der Pinguin sein

    Stur lächeln und winken, Leute!

    Was an dem Diagramm schlecht ist..

    Ein Balken gibt typischerweise eine Anzahl wieder (und seien es % Anteil), ein Punkt einen Zustand bzw einen — Punkt eben, egal ob in Raum oder Zeit. Letzteres paßt halt deutlich besser zum Dargestellten, einer absoluten Seitenzahl. Wäre die Fragestellung á la ‘Wir warten aufs Christkind’ als “Wie oft muß umgeblättert werden, um..” formuliert, wären evtl Balken akzeptabel gewesen, obgleich der ‘faule Trick’ sofort durchblitzt.
    Ist aber völlig egal, das gibt keine Minuspunkte, die den guten Artikel abwerten könnten ;‑)

  15. #15 s.s.t.
    29. September 2016

    Nur als Hinweis: Die Echtheit einer Handschrift untersucht ein Schriftsachverständiger. Ein Graphologe versucht aus einer Handschrift Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Schreibenden zu ziehen. Ein Graphologe hat wohl mehr Ähnlichkeit mit einem Astrologen.

  16. #16 Dampier
    29. September 2016

    @rolak

    Ist aber völlig egal, das gibt keine Minuspunkte, die den guten Artikel abwerten könnten ;‑)

    Definitiv nicht. Ich wollte nur sichergehen, ob ich das Diagramm richtig verstanden habe.

  17. #17 FalseShepard
    29. September 2016

    @s.s.t

    Oh, da hab ich mir wohl einen Bären aufbinden lassen. Pfui!
    Ich meine natürlich einen solchen Schriftsachverständigen. Danke für die Aufklärung 🙂

  18. #18 IO
    29. September 2016

    @ s.s.t.
    Stimmt. Das “-logie” nach Grapho- und Astro- zeigt nur, dass nicht alles, was mit Lehre zu tun hat, auch auf Wissenschaft beruht.

    Erinnert mich daran, dass ich vor mehr als zwei Jahrzehnten mal “paläologisch” schrieb, als ich “paläographisch” meinte.
    Glücklicherweise habe ich das dann noch selbst heraus redigiert.

    *
    Im Übrigen ein sehr guter, informativer Artikel. Die angegebene Literatur werde ich mir gelegentlich beschaffen.

    *

    @ FalseShepard
    Von den drei angeführten Methoden würde ich in dem Fall DVC kopierte Fehler (vor allem, wenn es noch mehr sind) und Plotline für gravierender halten als die Ähnlichkeiten im Rahmen.
    Gibt es überhaupt Fälle, in denen so gut wie nur Übereinstimmungen im Rahmen zu einer Überführung reichen würden? (bei gleichzeitiger Abwesenheit von kopierten Fehlern und Fehlen von Übereinstimmungen in der Plotline oder Ähnliches) . Aber vielleicht ist mein Beispiel zu konstruiert?

  19. #19 Alderamin
    30. September 2016

    Toller Artikel, sehr interessantes Thema und schön erklärt. Wie es der Zufall so will, stand gestern was zum Thema auf Spiegel Online. Auch spannend.

  20. #20 Captain E.
    30. September 2016

    Wie heißt denn der “Schriftsachvrständige” mit wissenschaftlichem Namen? “Graphonom” vielleicht? 😉

    Mal ernsthaft: In Krimi taucht schon mal der Begriff des “graphologischen Gutachtens” auf. Wenn der Begriff “Graphologe” demaßen verbrannt ist, hätte so eine Untersuchung dieselbe Beweiskraft wie ein “astrologisches Gutachten”.

  21. #21 FalseShepard
    30. September 2016

    @IO

    Von der Auswirkung des “Verbrechens” her hast du sicher Recht, der originale Autor trägt mehr Schaden von einer kopierten Story davon als von einzelnen geklauten Elementen (Vor allem natürlich, wenn die Story beim Dieb erfolgreich wird und beim Original nicht). Vom Beweisstandpunkt würde ich Rahmen und Fehler allerdings schwerwiegender bewerten. Ganz einfach deswegen, dass sich beim Plot sehr oft mit Generik argumentieren lässt (“Alle Kirchenthriller beinhalten mordende Sekten, das ist doch kein Diebstahl”). Kopierte Fehler sind sehr aussagekräftig und deswegen grade auch für Laien gute Indizien, und der Rahmen erfordert zwar einiges Einarbeiten, liefert aber aus linguistischer Sicht die sinnvollstenErgebnisse (weil diese eben mit akademischen Methoden und Theorien belegbar sind, etwa der Prototypen-Lehre).

    @Captain E.

    Kurze Google-Suche ergab, dass es den Begriff Graphonom zwar zu geben scheint, der aber eher im englischen Raum gebräuchlich zu sein scheint (graphonomics). Anheuerbare Schriftsachverständige bezeichnen sich eher als solche oder als Schriftgutachter.

  22. #22 Robert
    7. Oktober 2016

    Es gibt schon Computerprogramme, die einen Text analysieren auf durchschnittliche Länge der Sätze, Verwendung von Nebensätzen, also die Satzstruktur untersuchen..So kann man feststellen von wem der Text sein könnte und welche Dichter man ausschließen kann.

  23. #23 franzi
    11. Oktober 2016

    Wow, finde ich total spannend!
    Kannst du gute populärwissenschaftliche Bücher über forensische Linguistik empfehlen?

  24. #24 FalseShepard
    12. Oktober 2016

    @franzi

    Leider nein, ich kenne nur recht schwer verdaulichen Lehrstoff neben den Einführungsbüchern – was man in der Uni eben so liest. Ich denke, zur for. Linguistik wird es noch nicht viel populärwissenschaftliches geben, wenn überhaupt. Falls jemand Tipps hat, wäre ich ebenfalls sehr dankbar!

  25. #25 franzi
    12. Oktober 2016

    @ FalseShepard
    Ich habe nur “Der Code des Bösen” von Drommel gefunden. Der Titel klingt aber schon sehr reißerisch 😀
    Vll werde ich trotzdem mal reinlesen. Falls ja, halte ich euch auf dem Laufenden 🙂

  26. #26 noraconn
    27. Oktober 2016

    Super spannend, vielen Dank für diesen Artikel!

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