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Sternengeschichten Folge 272: Wie bestimmt man das Alter eines Sterns?

Unsere Sonne ist 4,57 Milliarden Jahre alt. Wir kennen Sterne, die mehr als 13 Milliarden Jahre alt sind. Wir haben auch Sterne beobachtet, die erst wenige Millionen Jahre alt sind. Und alle möglichen Sterne deren Alter irgendwo dazwischen liegt. Aber eigentlich ist es höchst überraschend, das man überhaupt bei einem einzigen Stern herausfinden konnte, wie alt er ist. Denn sein Alter sieht man einem Stern sehr selten an. Einem Stern sieht man eigentlich überhaupt nichts an und genau das ist das Problem.

Wenn wir mit Teleskopen zum Himmel blicken, dann sehen wir die Sterne zwar. Wir wissen, dass sie existieren. Aber recht viel mehr Informationen rücken die Sterne auf den ersten Blick nicht heraus. Wir können ihre Position am Himmel vermessen. Wenn wir das oft und lange genug machen, können wir so bestimmen, wie sie sich bewegen. Wir können die scheinbare Helligkeit messen. Aber das war es auch schon fast wieder mit den direkten Messungen. Jahrtausendelang war das alles, was die Astronomen über die Sterne herausfinden konnten.

Schöne Sterne. Aber wie alt sind die Dinger? Bild: ESA, NASA)

Schöne Sterne. Aber wie alt sind die Dinger? Bild: ESA, NASA)

Erst mit der Entwicklung der Spektroskopie machte man Fortschritte. Mit dieser Technik ist es möglich, das Licht eines Sterns in die verschiedenen Farben aufzuspalten, aus denen es zusammen gemischt ist. Man sieht außerdem, welche Farben fehlen und sie fehlen deshalb, weil die chemischen Elemente aus denen der Stern besteht, jeweils ganz konkrete Farben blockieren. Aus der Analyse solcher Spektrallinien kann man also bestimmen, woraus ein Stern besteht.

Aber damit sind wir noch lange nicht beim Alter! Ich habe vorhin gesagt, dass man einem Stern sein Alter nicht ansieht. Das stimmt nicht ganz. Ein Stern verändert sich im Laufe seines Lebens. In seinem Inneren fusioniert er Wasserstoff zu Helium und wenn irgendwann kein Wasserstoff mehr da ist, passieren Dinge. Der Stern kann beginnen andere Elemente, zum Beispiel Helium, zu fusionieren, dadurch heißer werden und sich aufblähen. Er kann kollabieren und zu einem Zwergstern schrumpfen. Er kann in einer Supernova explodieren. Aber all das sind Dinge, die erst passieren wenn sich ein Stern dem Ende seines Lebens nähert. All das passiert in einer vergleichsweise kurzen Phase am Ende des Sternenlebens. In der viel längeren Zeit davor tut sich wenig.

Könnten wir in den Stern hinein schauen um zu checken, wie viel Wasserstoff er schon verbrannt hat, dann wäre es einfacher. Aber ein Stern ist kein Auto in das man einfach einen Ölmessstab schieben kann. Beziehungsweise einen Wasserstoffmesstab. Astronomen aber sind kreativ und haben trotzdem Wege gefunden, dem Alter eines Sterns auf die Spur zu kommen.

Was wir nämlich auf jeden Fall wissen: Je mehr Masse ein Stern hat, desto kürzer ist seine Lebensdauer. Das ist logisch, denn je mehr Masse ein Stern besitzt, desto stärker ist auch der Druck, den diese Masse auf das Innere des Sterns ausübt. Je größer der Druck, desto höher ist dort die Temperatur und je höher die Temperatur, desto schneller läuft die Kernfusion ab. Desto schneller ist auch der Wasserstoffvorrat aufgebraucht und desto früher endet die Kernfusion und damit das Leben des Sterns.

Was aber hilft uns das, wenn wir das Alter bestimmen wollen? Es hilft uns genau dann, wenn wir nicht einen einzelnen Stern betrachten, sondern viele auf einmal. Wenn wir Sternhaufen betrachten, also die großen Ansammlungen von Sternen über die ich in Folge 60 der Sternengeschichten mehr berichtet habe. Die Sterne in einem Sternhaufen entstehen alle zum gleichen Zeitpunkt. Also natürlich nicht exakt alle in der gleichen Sekunde. Aber wenn in der riesigen Gaswolke aus der sich so ein Haufen bildet, ein Stern entsteht, dann löst dieses Ereignis auch weitere Sternentstehung in der Nachbarschaft aus und der Prozess setzt sich fort, bis aus der riesigen Wolke ein großer Haufen voller mehr oder weniger gleichalter Sterne geworden ist (auf die paar Millionen Jahre Unterschied die es da vielleicht gibt soll es uns jetzt nicht ankommen).

Die Sterne sind also entstanden und leben ihr Leben. Die Sterne haben aber alle unterschiedliche Massen. Die Massenverteilung ist bei der Entstehung zufällig; man wird in einem Sternhaufen also sehr leichte Sterne ebenso finden wie sehr schwere und alle Massen dazwischen. Obwohl alle Sterne zum gleichen Zeitpunkt entstanden sind, werden sie ihr Leben zu unterschiedlichen Zeitpunkten beenden – je nach Masse.

Wenn wir nun alle Sterne eines Sternenhaufens betrachten, können wir nachsehen, welche Massen sie haben. Finden wir nur Sterne mit geringer Masse, können wir daraus schließen, dass die Sterne mit hoher und mittlerer Masse ihr Leben schon beendet haben und nur die langlebigen leichten Sterne noch übrig sind. Der Sternhaufen muss also alt sein. Sind dagegen auch noch massereiche Sterne vorhanden, kann der Sternhaufen noch nicht so alt sein, denn sonst wären die ja schon längst weg. Das Alter des Sternhaufens ist aber identisch mit dem Alter der noch vorhandenen Sterne, denn sie sind ja alle zur gleichen Zeit entstanden. Mit so einer Analyse kann man also das Alter von Sternen in Sternhaufen ziemlich gut bestimmen.

Sternhaufen sind simpel! (Bild: NASA, ESA and AURA/Caltech)

Sternhaufen sind simpel! (Bild: NASA, ESA and AURA/Caltech)

Aber nicht alle Sterne sind Teil eines Sternhaufens. Und bei diesen anderen Sternen ist die Altersbestimmung so richtig knifflig. Hier muss man sich wirklich anstrengen. Eine Methode die man verwenden kann, trägt den schönen Namen “Gyrochronologie” und genau so kompliziert wie das klingt, ist sie auch. Sterne rotieren ja um ihre Achse. Sterne sind aber keine Festkörper sondern große Kugeln aus Gas. Unterschiedliche Bereiche rotieren daher unterschiedlich schnell. Das Gas in der Nähe des Äquators der Sonne dreht sich zum Beispiel mit einer Periode von 25 Tagen, an den Polen sind es dagegen 34 Tage. Wie schnell das Material eines Sterns rotiert hängt aber auch von der Tiefe ab. Und ganz stark von den Magnetfeldern. Das Gas eines Sterns ist ja eigentlich kein Gas, sondern ein Plasma. Das heißt, dass die Elektronen aus der Hülle der Atome nicht mehr an die Atomkerne gebunden sind. Es ist also elektrisch geladen und die Bewegung des Gases erzeugt Magnetfelder. Die Magnetfelder bestimmen aber auch, wie sich das elektrisch geladene Plasma bewegt.

Die Wechselwirkung von Magnetfeld und Plasma führt auch dazu, dass so ein Stern ständig Material ins All hinaus schleudert. Das ist der Sternwind und mit diesem Sternwind werden auch die Magnetfelder ins All hinaus verbreitet. Man kann sich das ein wenig so vorstellen, wie Fäden, die um den Stern gewickelt sind und die durch den Sternwind abgewickelt werden und sich immer weiter vom Stern entfernen, bis sie abreißen. Dadurch wird Drehimpuls vom Stern entfernt oder anders gesagt: Der Stern verringert seine Rotationsgeschwindigkeit.

Vereinfacht gesagt: Je älter ein Stern ist, desto langsamer rotiert er. Und wenn man die Rotationsgeschwindigkeit eines Sterns messen kann, kann man so Rückschlüsse auf sein Alter ziehen. Es ist allerdings nicht so einfach, zu messen, wie schnell ein Stern sich dreht. Man sieht ja auch im Teleskop nur einen Punkt. Aber man kann zum Beispiel die Spektrallinien betrachten, also die vorhin beschriebenen fehlenden Farben im Licht des Sterns. Und den Doppler-Effekt berücksichtigen. Das kennen wir ja von Einsatzfahrzeugen auf der Straße. Wenn die mit eingeschalteter Sirene an uns vorbei fahren, ändert sich die Tonhöhe, je nachdem ob sie auf uns zukommen oder sich von uns entfernen, weil die Schallwellen der sich bewegenden Quelle entweder gedehnt oder gestaucht werden. Bei Licht passiert das gleiche, nur das sich hier anstatt der Tonhöhe die Farbe ändert. Bei einem rotierenden Stern bewegt sich eine Hälfte immer auf uns zu und eine von uns weg. Das führt zu einer entsprechenden Verschiebung der Farben seines Lichts und damit zu einer Verschiebung der Spektrallinien.

In der Praxis ist es natürlich mehr als nur kompliziert, das auch konkret und genau zu messen. Aber es geht zumindest halbwegs genau und man kann daraus das Alter des Sterns abschätzen. Man kann auch noch indirekter und mit reinen Computersimulationen arbeiten. Wir haben eine recht gute Vorstellung davon, wie ein Stern theoretisch funktioniert und können das alles am Computer simulieren. Und dann die Computermodelle verschiedenster theoretischer Sterne mit Beobachtungen vergleichen bis wir eine Übereinstimmung finden. Dann kann man schauen wie alt der Stern im Modell ist und dieses Alter dem realen Stern zuweisen.

So wie die Gyrochronologie ist aber auch diese Methode nur bedingt genau und sehr aufwendig in der Umsetzung. Aber selbst eine ungenaue Altersbestimmung ist besser als gar keine. Denn wenn wir nicht wissen wie alt ein Stern ist, dann fehlt uns eine fundamentale Information. Wenn der Stern zum Beispiel von Planeten umkreist wird, wollen wir ja gerne wissen, wie die Bedingungen dort sind. Die Temperatur eines Sterns und damit auch die Temperatur eines Planeten hängt aber stark von seinem Alter ab. Ohne zu wissen wie alt ein Stern ist, können wir also auch nicht genau sagen, ob die Bedingungen auf einem Planeten lebensfreundlich sind oder nicht.

Kommentare (5)

  1. #1 Stephan
    9. Februar 2018

    Mir deucht, hier stimmt was nicht:
    !In seinem Inneren fusioniert er Wasserstoff zu Helium und wenn irgendwann kein Wasserstoff mehr da ist, passieren Dinge. Der Stern kann beginnen, andere Elemente, zum Beispiel Helium, zu fusionieren”

  2. #2 Mars
    9. Februar 2018

    primär wird H fusioniert
    sekundär dann He (wird fusioniert zu Be) nennt man Heliumbrennen
    hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Drei-Alpha-Prozess
    und später dann zu C und weiteren bis zum Fe

    soweit doch logisch

  3. #3 Alderamin
    9. Februar 2018

    @Stephan

    Solange der Stern Wasserstoff im Kern fusioniert, brennt er auf der sogenannten “Hauptreihe” im Hertzsprung-Russell-Diagramm (dieses setzt die Oberflächentemperatur = Farbe = Spektralklasse in Beziehung zur Leuchtkraft ~ physischen Größe). Auf der Hauptreihe verbringen die Sterne den größten Teil ihrer Lebenszeit und da passiert nicht viel, sie leuchten mit stabiler Temperatur und Helligkeit bei einer konstanten Größe. Wenn aber im Kern andere Fusionsprozesse starten, ändert sich der Stern dramatisch, wird variabel, bläht sich auf, bläst seine obere Atmosphäre weg oder explodiert. Das sind die Dinge, die dann passieren, und sie passieren im Verhältnis zur Lebenszeit auf der Hauptreihe ziemlich zügig.

    Ist also alles richtig im Text oben.

  4. #4 Captain E.
    9. Februar 2018

    @Stephan:

    Zudem meint “im Inneren” zumeist den Kern des Sterns, denn wenn dort Waserstoff zu Helium fusioniert wird, tut sich weiter außen nichts. Andererseits gehört es zu den “Dingen”, die passieren können, dass der Kern schrumpft und heißer wird, wenn der Wasserstoff verbraucht wurde, und dann reichen Temperatur und Druck aus, nun das zuvor erzeugte Helium zu fusionieren. Sie reichen sogar dafür aus, etwas weiter vom Kern entfernt den dort immer noch vorhandenen Wasserstoff zu fusionieren. In einem großen Stern, der bis zum Eisen weitermachen kann, gibt es kurz vor der Supernova Fusionszonen im Zwiebellook. Die Fusionsstufen wandern quasi aus dem Kern immer weiter nach außen.

  5. #5 pane
    9. Februar 2018

    Ist eigentlich so eine Entwicklung schon mal beobachtet worden? Ich meine etwa, dass sich die Spektrallinien eines Sterns, über Jahrzehnte hinweg verändert haben? Oder dass ein Stern, den die Babylonier als bläulich beschrieben hatten, nun eindeutig rot ist?