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Sternengeschichten Folge 308: Herbig-Haro-Objekte

Blickt man in der Nacht zum Himmel, dann erscheinen die Sterne recht simpel. Man sieht helle Lichtpunkte, die vielleicht auch ein wenig flackert. Schön anzuschauen, aber definitiv nicht sehr kompliziert. Das ändert sich, wenn man mit wissenschaftlichen Methoden und astronomischen Instrumenten ein wenig genauer hinsieht. Dann stellt sich so ein Stern als enorm komplexes Objekt heraus und es ist nicht mehr verwunderlich, dass es eine ganze Wissenschaft gibt, die sich nur mit der Erforschung dieser Objekte beschäftigt.

In den Sternengeschichten habe ich – wenig überraschend – schon sehr viel von Sternen erzählt. Aber bei diesem Thema kommt man nie ans Ende und es gibt immer genügend Geschichten zu erzählen. Heute möchte ich mich mit einem ganz speziellen Detail beschäftigen: den “Herbig-Haro-Objekten”. Dass es so etwas gibt, hat der amerikanische Astronom Sherburne Wesley Burnham entdeckt. Im Oktober 1890 beobachtete er den Stern T Tauri. Das ist ein veränderlicher Stern, also ein Stern der seine Helligkeit ändert und er befindet sich im Sternbild Stier. Mit freiem Auge ist er nicht sichbar, aber Burnham hatte das damals größte Linsenteleskop der Welt zur Verfügung, ein Teleskop mit einer Linse von 91 Zentimetern Durchmesser an der Lick-Sternwarte in Kalifornien. Damit konnte er nicht nur den interessanten und schon bekannten Stern T Tauri genau beobachten sondern fand auch ein kleines, nebliges Dingens ganz in seiner Nähe. Um was es sich dabei handelt, war unklar – es war eben eins der vielen nebligen Dinger die man im Universum sehen konnte.

T Tauri (Mitte) und das neblige Dingens (rechts) (Bild: Public Domain)

T Tauri (Mitte) und das neblige Dingens (rechts) (Bild: Public Domain)

Aber die Wissenschaft ist ja genau dazu da um immer mehr herauszufinden. Und im Laufe der Zeit fand man zuerst einmal heraus, dass T Tauri ein noch sehr junger Stern ist. Erst ein paar Millionen Jahre alt, quasi noch ein stellares Baby. Dass ist auch der Grund für seine Helligkeitsschwankungen. Ausgewachsene Sterne befinden sich in einem hydrostatischen Gleichgewicht. Das bedeutet, dass der nach innen auf ihr Zentrum gerichtete Druck der durch die Gravitationskraft seiner eigenen Masse durch den nach außen gerichteten Druck der im Zentrum bei der dort stattfindenden Kernfusion produzierten Strahlung gerade ausgeglichen wird. Der Stern will unter seinem eigenen Gewicht kollabieren, aber die Strahlung die von innen nach außen dringt, drückt gegen die Materie und verhindert den Kollaps. Dieses Gleichgewicht muss sich aber erst einstellen. Ein Stern ist ja anfangs kein Stern, sondern eine Gaswolke. Diese Gaswolke kollabiert und sie kollabiert ausschließlich. Da ist nirgendwo Kernfusion, weil es dafür viel zu kalt ist. Die Atome bewegen sich zu langsam, um bei Zusammenstößen miteinander verschmelzen zu können. Durch den Kollaps wird aber die Dichte im Zentrum der Gaswolke immer weiter erhöht. Es wird also auch immer wärmer. Der noch nicht entstandene Stern kann so auch ohne Kernfusion Energie abgeben und zwar die Energie, die aus der Gravitation stammt. Das ganze Gas bewegt sich ja beim Kollaps auf das Zentrum zu und in Bewegung steckt jede Menge Energie. Das kann man zum Beispiel an einem Auto sehen, das frontal und schnell auf eine Mauer zu fährt. Die ganze Bewegungsenergie wird im Moment des Aufpralls sehr schnell und sehr katastrophal freigesetzt.

So ein extrem junger Protostern mit einem Alter von nur ein paar tausend Jahren kann also Energie abgeben – die aber nicht durch Kernfusion entsteht sondern aus dem Kollaps selbst stammt. Das reicht aber nicht, um den Kollaps ernsthaft aufzuhalten. Der Stern kollabiert weiter, bis irgendwann doch die Kernfusion einsetzt. Genaugenommen sind da noch jede Menge Zwischenschritte auf dem Weg von der Wolke zum Stern, aber darüber habe ich ja in anderen Folgen schon ausführlich gesprochen. Wir haben nun also einen jungen Stern mit einem Alter von ein paar Hunderttausend bis Millionen Jahren, der schon Energie durch Kernfusion produziert, aber immer noch von ner großen Wolke aus Staub und Gas umgeben ist. Und dieses Zeug fällt immer noch auf den Stern; der Kollaps ist noch nicht beendet. In dieser Phase existiert immer noch kein hydrostatisches Gleichgewicht und der Stern neigt zu abrupten Helligkeitsausbrüchen. Genau in dieser Phase befindet sich auch T Tauri und genau darum gibt es auch den komischen Nebel, den Burnham damals entdeckt hat.

Herbig-Haro-Objekt 34 (Bild: ESA/Hubble & NASA)

Herbig-Haro-Objekt 34 (Bild: ESA/Hubble & NASA)

Das fanden aber erst der amerikanische Astronom Georg Herbig und der mexikanische Astronom Guillermo Haro heraus. Vorerst noch nicht gemeinsam – aber unabhängig voneinander stellten beide fest, dass es sehr viel mehr von diesen Wolken gab als nur das Ding bei T Tauri. Und dass diese Nebel wirklich klein waren. Nicht vergleichbar mit den gigantischen interstellaren Gas- und Staubwolken aus denen Sterne entstehen. Sondern kleine Wolken, ungefähr in der gleichen Größenordnung wie ein Stern selbst. Wolken, die nicht einfach zufällig in der Nähe von Sternen am Himmel beobachtbar waren, sondern Wolken die auch tatsächlich zu den Sternen gehörten und irgendwie mit ihnen und der Entstehung der Sterne zusammenhängen mussten. Herbig untersuchte die chemische Zusammensetzung der Nebel; Haro stellte fest, dass sie kaum Wärmestrahlung abgaben. Die beiden trafen sich erst auf einer Konferenz in Arizona im Jahr 1949. Herbig hatte eigentlich schon längst wieder das Interesse an den Dingern verloren, aber als er dort Haros Forschungergebnisse hörte, machte auch er sich wieder an die Arbeit. Er stellte weitere Beobachtungen an und konnte die Vermutung des sowjetische Astronoms Viktor Ambartsumian bestätigen, dass es sich dabei um ein Phänomen handelt, das mit den Frühphasen der Sternentstehung zu tun hat.

Ambartsumian war es auch, der die Nebel nach den beiden Astronomen benannte und den Begriff “Herbig-Haro-Objekt” prägte. Zuerst vermutete man, dass sich im Inneren der Wolken junge Sterne befinden könnten. Das aber stellte sich später als falsch heraus. Denn in dem Fall hätte man den durch die jungen Sterne aufgeheizten Staub im Infrarotlicht leuchten sehen müssen. Entsprechende Beobachtungen verliefen aber negativ. Man fand dort auch keine Sterne, die noch so jung sind, dass sie kaum Energie produzieren. Stattdessen stellt man fest, dass die Herbig-Haro-Objekte keine Sterne enthalten oder in Entstehung begriffene Sterne sind. Sondern Material, das von solchen jungen Sternen ausgestoßen wurde.

HH30

Ein junger Stern ist auch nach Einsetzen der Kernfusion noch von einer Wolke aus Gas und Staub umgehen. Im Laufe der Zeit verflacht sich diese Wolke zu einer Scheibe. Das Material im inneren Bereich der Scheibe kann dabei sehr schnell rotieren. Dort ist es auch der Strahlung des jungen Sterns am stärksten ausgesetzt. Diese Strahlung kann das Material ionisieren, also aus elektrisch neutralen Atomen elektrisch geladene Teilchen machen. Dieses geladene Gas, ein Plasma, wird dann durch das Magnetfeld des Sterns beeinflusst, weiter beschleunigt und entlang zweier sogenannter Jets davon geschleudert. Diese Jets bilden sich, ausgehend von Nord- und Süpol des Sterns senkrecht zur Scheibe und das Material kann mit großer Geschwindigkeit davon geschleudert werden. Es kann sich typischerweise 1 bis 2 Lichtjahre weit entfernen, bevor es – vereinfacht gesagt – den Schwung verliert und von der zwar dünnen aber doch vorhandenen interstellaren Materie die sich überall zwischen den Sterne befindet, abgebremst wird. Es sammelt sich zu kleinen Wolken – eben genau den Objekten, die Burnham und danach Herbig und Haro beobachtet haben.

Die Masse eines Herbig-Haro-Objekts ist sehr gering, verglichen mit der Masse des Sterns. Typischerweise entspricht sie nur ein paar Erdmassen, also deutlich weniger als die viel größeren interstellaren Wolken aus denen neue Sterne entstehen. Die Dichte des Gases in den Herbig-Haro-Objekten ist aber viel viel größer. Während man in den interstellaren Wolken pro Quadratzentimeter oft nur weniger als 1000 Atome findet, sind es in den Herbig-Haro-Objekten bis zu zehntausend Teilchen. Das meiste davon ist Wasserstoff, dazu kommen ein paar Helium-Atome und ganz, ganz wenige andere Atome. Also genau die typische Zusammensetzung der Sterne, aus denen sie ja hervorgegangen sind.

Mittlerweile kennt man über 400 Herbig-Haro-Objekte in der Milchstraße. Existieren sollten aber mindestens 150.000. Man kann sie überall dort beobachten, wo gerade Sterne entstehen. Aber nicht lange. Früher oder später verschwinden die Herbig-Haro-Objekte wieder; das ganze Material verteilt sich im interstellaren Raum. Die Herbig-Haro-Objekte gehören zur Geburt eines Sterns dazu – aber wenn er einmal ausgewachsen ist, sind auch sie nicht mehr da.

Kommentare (4)

  1. #1 Nebsler
    19. Oktober 2018

    <Korinthenkack>”Während man in den interstellaren Wolken pro Quadratzentimeter oft nur weniger als 1000 Atome findet, sind es in den Herbig-Haro-Objekten …” … Kubikzentimeter?</Korinthenkack>

  2. #2 Reto
    Schweiz
    23. Oktober 2018

    Mal eine dumme Frage:
    “hydrostatisches Gleichgewicht” Könnte so ein junger Stern denn auch explodieren, da er noch nicht im hydrostatischen Gleichgewicht ist und somit kollabieren kann?

  3. #3 Alderamin
    23. Oktober 2018

    @Reto

    Nein, wie soll er das tun? Das Gas kollabiert so lange, bis die mit dem Druck und der Temperatur schnell ansteigende Fusionsrate den Kollaps stoppt und das umliegende Gas weggeblasen wird. Dann stellt sich das hydrostatische Gleichgewicht ein. Je nachdem, wie dicht und wie schnell Gas einfällt, und je nachdem wie viel schwere Elemente es enthält, wird der Stern größer oder kleiner.

    Explodieren tut ein Stern nur, wenn sein Kern zum Neutronenstern oder Schwarzen Loch kollabiert, was erst passiert, wenn im Kern keine Fusionsprozesse mehr möglich sind, wenn aller Brennstoff verbraucht ist, und der Stern der Gravitation nichts mehr entgegenzusetzen hat. Das ist bei der Entstehung ja gerade nicht der Fall.

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