Wer braucht 22.426 Kugelsternhaufen? Nein, nicht das ich welche zu verkaufen oder verschenken hätte. Aber genau so viele haben Astronomen nun in einem neuen Katalog veröffentlicht (“A wide field map of intracluster globular clusters in Coma”). Jetzt sind Kugelsternhaufen sehr interessante Gebilde (siehe hier). Es sind kugelförmige Haufen von Sternen (was angesichts des Namens nicht sehr überraschend ist) und man findet sie in den Außenbereichen von Galaxien. Die Sterne aus denen die Haufen bestehen sind im Allgemeinen sehr alt und warum das so ist und wie die Dinger genau entstehen wissen wir heute immer noch nicht.

Der Coma-Galaxienhaufen (Bild: NASA/JPL-Caltech/L. Jenkins (GSFC))

Der Coma-Galaxienhaufen (Bild: NASA/JPL-Caltech/L. Jenkins (GSFC))

Aber jetzt haben wir 22.426 Stück von ihnen kartografiert. Wozu? Weil die Astronomie ein großes Problem hat: Wir können nur das sehen, was wir sehen können. Wollen gerne aber auch über Dinge Bescheid wissen, die wir nicht sehen können. Zum Beispiel: Was treiben eigentlich Galaxien so, wenn sie im Laufe von ein paar Milliarden Jahren miteinander über ihre Gravitationskraft wechselwirken? Das können wir prinzipiell sehen, aber in der Praxis halt nicht, weil wir dafür ein paar Milliarden Jahre warten müssten. Oder: Wo ist da in und zwischen den Galaxie die dunkle Materie und ist sie da überhaupt? Dunkle Materie können wir ja per Definition nicht sehen, würden aber trotzdem gerne Bescheid wissen.

Uns bleibt das, was wir sehen können und das sind in diesem Fall Kugelsternhaufen. Die von Madrid und seinen Kollegen beobachtetet Haufen sind Teil des Coma-Galaxienhaufens. Der ist ein paar hundert Millionen Lichtjahre weit weg und besteht aus circa 1000 Galaxien. Überall um und zwischen diesen Galaxien sind die Kugelsternhaufen. Und werden natürlich von all dem beeinflusst, was da sonst noch so passiert. Wenn zwei Galaxien einander zu nahe kommen, verändert sich die Anordnung der Kugelsternhaufen. Wenn dunkle Materie zwischen den Galaxien ist, verändert deren Gravitationskraft die Bewegung und Geschwindigkeit der Kugelsternhaufen. Und so weiter: Die 22.426 Kugelsternhaufen im Coma-Cluster sind quasi ein Schnappschuss des gegenwärtigen dynamischen Zustands der wiederum ein Resultat der vergangenen Entwicklung ist.

Wir können jetzt also im Computer ein Modell des ganzen Systems erstellen und schauen, an welchen Knöpfen wir drehen müssen, um genau das zu kriegen, was wir tatsächlich beobachten können. Wir können schauen, wie viel dunkle Materie wo sein muss; wie und welche Galaxien sich begegnet sein müssen, und so weiter. Dafür brauchen wir 22.426 Kugelsternhaufen!

Kugelsternhaufen im Coma-Cluster. Die Haufen sind durch die vielen türkisen Punkte markiert ("Bild: NASA, ESA, J. Mack (STScI), and J. Madrid (Australian Telescope National Facility))

Kugelsternhaufen im Coma-Cluster. Die Haufen sind durch die vielen türkisen Punkte markiert (“Bild: NASA, ESA, J. Mack (STScI), and J. Madrid (Australian Telescope National Facility))

Es ist übrigens auch ganz interessant zu sehen, wie Madrid und seine Kollegen ihren Katalog gebastelt haben. Kugelsternhaufen kann man prinzipiell sogar mit freiem Auge sehen. Zumindest die, die sich in unserer Nähe befinden. Aber natürlich nicht die im Coma-Haufen! Dazu braucht es das Hubble-Weltraumteleskop und das haben die Astronomen auch benutzt. Aber leider ist mitten in der Arbeit die Kamera des Teleskops kaputt gegangen und es hat drei Jahre gedauert, bis sie repariert war (das Teleskop ist zwar super aber der Anfahrtsweg ein bisschen umständlich). Also haben die Astronomen sich den Rest ihrer Daten aus bestehenden Aufnahmen zusammengesucht. Das heißt: In Archiven nach passenden Bildern suchen; dort nach Kugelsternhaufen suchen und alles so lange zusammenpuzzeln bis man ein komplettes Bild hat.

Dazu steht in der Pressemitteilung:

“He [Madrid] assembled a mosaic of the central region of the cluster, working with students from the National Science Foundation’s Research Experience for Undergraduates program. “This program gives an opportunity to students enrolled in universities with little or no astronomy to gain experience in the field,” Madrid said.”

Jede Menge Studentinnen und Studenten konnten also bei diesem Projekt mitmachen und “Erfahrungen sammeln”. Vermutlich die Erfahrung was passiert, wenn irgendwo Wissenschaftler in einer Besprechung folgendes Gespräch führen: “Die verdammte Kamera ist kaputt, was machen wir jetzt?” – “Hmm, wir könnten uns die Daten auch aus irgendwelchen Archiven zusammensuchen.” – “Aber wer hat den Lust auf so einen nervigen Kleinscheiß?” – “Ha! Ich hab da ne Idee…”

So oder so: Wir haben jetzt 22.426 Kugelsternhaufen und werden sie bestmöglich im Sinne der Astronomie einsetzen!

Kommentare (15)

  1. #1 Bullet
    5. Dezember 2018

    Das Bild mit den türkisen Punkten in etwas größer:
    2000×1151 px
    und in ziemlich groß:
    7188×4138, Achtung:23 MB!

    Das Monsterbild mit 28750×16550 px erspar ich uns mal … hubblesite sagt, das wiegt 630 MB.

  2. #2 noch'n Flo
    Schoggiland
    5. Dezember 2018

    Beim Anfang des Artikels hatte ich ja tatsächlich einen Film im Kopf am Laufen:

    “Hey, Du!”
    “Wer, ich???”
    “Pssscht!”
    “(Wer, ich?)”
    “Genau! Willst Du einen Kugelsternhaufen kaufen? Er kostet heute auch nur 5 Pfennig…”

  3. #3 Michael Schöfer
    Mannheim
    5. Dezember 2018

    Wer braucht 22.426 Kugelsternhaufen? Falsche Frage!
    Richtige Frage: Brauchen Kugelsternhaufen (stellvertretend für das Universum) den Homo sapiens?

  4. #4 Captain E.
    5. Dezember 2018

    @Michael Schöfer:

    Wer braucht 22.426 Kugelsternhaufen? Falsche Frage!
    Richtige Frage: Brauchen Kugelsternhaufen (stellvertretend für das Universum) den Homo sapiens?

    Diese Frage erscheint eher sinnlos, denn die Antwort lautet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: Nein!

  5. #5 Spritkopf
    5. Dezember 2018

    Wer braucht 22.426 Kugelsternhaufen? Falsche Frage!
    Richtige Frage: Brauchen Kugelsternhaufen (stellvertretend für das Universum) den Homo sapiens?

    Was soll eigentlich solch ein Kommentar bezwecken? Soll er die Sinnlosigkeit von astronomischer Forschung suggerieren? Oder soll er nur der misanthropischen Grundhaltung des Kommentators Ausdruck verleihen?

  6. #6 Jens
    6. Dezember 2018

    Kugelsternhaufen sind sehr alt und umkreisen Galaxien. Das spricht doch dafür, dass sie die Überbleibsel der Zwerggalaxien sind.

  7. #7 Uli Schoppe
    6. Dezember 2018

    Kann das irgendwas dazu beitragen die Erklärungsprobleme die die DM Befürworter nun mal haben zu beheben?

  8. #8 Bullet
    6. Dezember 2018

    Ja.

  9. #9 Captain E.
    6. Dezember 2018

    @Jens:

    Kugelsternhaufen sind sehr alt und umkreisen Galaxien. Das spricht doch dafür, dass sie die Überbleibsel der Zwerggalaxien sind.

    Oder die Kugelsternhaufen sind die Urform aller Galaxien und alle anderen von Zwerggalaxien bis zu den größten elliptischen Galaxien sind durch Verschmelzungen von Kugelsternhaufen (bzw. aller möglichen Zwischengrößen) entstanden. Beim Verschmelzen von Galaxien kommt es ja fast unweigerlich zu Materieverdichtungen des noch freien Gases und somit zur Entstehung neuer Sterne. Die Sterne in den größeren Galaxien müssen dadurch signifikant jünger sein.

  10. #10 Bullet
    6. Dezember 2018

    Natürlich kann es das.

  11. #11 Uli Schoppe
    6. Dezember 2018

    Ich bin gespannt Bullet 🙂

  12. #12 Bullet
    6. Dezember 2018

    Worauf?
    .
    Ich werd mal nett sein und es nicht zum Frage-und Antwortspielchen verkommen lassen.
    Du fragst: “kann das irgendwie … beitragen“, und die Antwort ist automatisch “ja”, wenn es klar wird, daß nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann, daß die Analyse der Bewegungen von Kugelsternhaufen nützliche Daten liefert, die bei der Beantwortung der Frage helfen, ob und inwieweit die gewonnenen Daten konsistent mit der Annahme sind, daß es im Universum eine Menge Masse gibt, die ihre Existenz nicht mit elektromagnetischen Mitteln verrät.
    Dieser kategorische Ausschluß ist nicht führbar, denn nur eines ist besser als mehr Daten: noch mehr Daten.
    Wäre das jetzt geklärt? (Abgesehen von der weiterführenden Frage, ob das denn soooo schwer war – aber lassen wir das…)

  13. #13 Bullet
    6. Dezember 2018

    Übrigens kann ich die Frage auch umdrehen:

    “Kann das irgendwas dazu beitragen die Erklärungsprobleme die die DM.Gegner nun mal haben zu beheben?”

  14. #14 Uli Schoppe
    6. Dezember 2018

    Bullet was bringt Dich den so auf die Palme? 🙂 Ich bin wirklich gespannt ob sich z.B. das Satellitenebenen Problem irgendwann mal mit DM vernünftig auflösen lässt. Oder die Korrelation zwischen Größe der Bulge und Anzahl der Satellitengalaxien die es nicht geben dürfte. Oder oder oder… Ich zucke immer nur ein bischen wenn so getan wird als wäre es sicher das DM tatsächlich der richtige Lösungsansatz ist. Da sind die DM Fans nämlich immer ganz stark vorne 🙂
    Und nein ich denke das mit dem Elektrischen Universum ist ziemlich sicher falsch 😉

  15. #15 PeterK
    Zürich
    7. Dezember 2018

    Hallo Florian

    Mich plagt schon seit längerem eine ganz triviale Frage: Nehmen wir den Big Bang als gegeben an; Wieso endete die grosse Expansion nicht sofort in einem schwarzen Loch? Es hat doch alles in einem Punkt angefangen und wurde dann grösser. Spätesten wenn sich Materie aus der Energie heraus kristalisierte, hätte doch alles zu eienm schwarzen Loch wieder zusammenfallen müssen? Wahrscheinlich denke ich einfach viel zu einfach. Aber ich hoffe, dass du meinen Knopf lösen kannst 🙂

    Viele Grüsse
    Peter