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Sternengeschichten Folge 315: Eugenia und Petit-Prince

Sternengeschichten Folge 315: Eugenia und Petit-Prince

Wer heute aus dem Fenster einer Wohnung in Paris zum nächtlichen Himmel schaut, wird dort vermutlich nicht viel sehen. Vielleicht den Mond und mit etwas Glück den einen oder anderen sehr hellen Stern. Der Rest des Universums verschwindet im hellen Licht der französischen Hauptstadt. Als aber Hermann Mayer Salomon Goldschmidt in der Mitte des 19. Jahrhundert aus dem Fenster seiner Pariser Wohnung blickte, machte er dagegen Entdeckungen, die die Astronomen heute noch beschäftigen.

Goldschmidt wurde in Frankfurt geboren, arbeitete zuerst als Kaufmann in der Firma seines Vaters und ging dann nach Paris um dort als Maler zu arbeiten. Dann aber wandte er sich der Astronomie zu und obwohl er keine formale wissenschaftliche Ausbildung hatte, wurde er zu einem der erfolgreichsten Entdecker von Asteroiden. Zwischen 1852 und 1861 fand er vierzehn Stück; das war damals mehr, als jeder andere Astronom vor ihm entdeckt hatte.

Eugènie und ihr kleiner Prinz (Bild: gemeinfrei

Eugènie und ihr kleiner Prinz (Bild: gemeinfrei

Sein Teleskop, das er vom 6. Stock seines Appartementhauses zum Himmel richtete hatte nur einen Durchmesser von 10 Zentimetern. Aber es reichte aus, um ein paar wirklich beeindruckende Himmelskörper zu entdecken. Den ersten am 15. November 1852, den zweiten am 26. Oktober 1854 und dann bis 1861 in fast jedem Jahr mindestens einen und meistens sogar mehrere. Der siebte von Goldschmidt entdeckte Asteroid tauchte am 27. Juni 1857 in seinem Teleskop auf. Goldschmidt gab ihm den Namen “Eugenia”, nach Eugénie de Montijo, die Ehefrau von Napoleon III, die damals Kaiserin von Frankreich war. Es war das erste Mal, das ein Asteroid nachweislich nach einer lebenden Person benannt wurde. Allerdings gab es auch noch nicht allzu viele Präzedenzfälle; Eugenia war der 45. Asteroid der einen Namen bekommen hat, weswegen er nun offiziell auch “(45) Eugenia” heißt. Zuvor hatte man sich im Wesentlichen bei Namen aus der griechisch-römischen-Mythologie bedient.

Eugenia jedenfalls war ein sehr beeindruckendes Exemplar. Mit einem Durchmesser von 200 Kilometern gehört er zu den größten Asteroiden im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter; nur 19 andere Asteroiden sind größer. Eugenia ist im Mittel 2,7 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt, also 2,7 mal weiter als die Erde. Seine Bahn ist fast kreisförmig: Am sonnennächsten Punkt befindet er sich 2,5 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt, am sonnenfernsten Punkt sind es 2,9 Astronomische Einheiten. Die Bahn von Eugenia ist auch nur schwach um 6 Grad gegenüber der Ebene des Sonnensystems geneigt. Er braucht 4 Jahre und 178 Tage für eine Runde um die Sonne und 5 Stunden und 42 Minuten für eine Drehung um seine eigene Achse.

Alles in allem ist es also ein recht typischer Asteroid der eigentlich nicht weiter bemerkenswert wäre. Das änderte sich am 1. November 1998. Mittlerweile blickten die Astronomen nicht mehr aus Pariser Wohnungen zum Himmel sondern von großen Sternwarten auf den Gipfeln hoher Berge. Zum Beispiel vom Mauna Kea auf Hawaii und auch nicht mehr mit einem 10-Zentimeter-Teleskop sondern einem Gerät mit einem Spiegel von 3,6 Metern Durchmesser. Damit blickten der Astronom William Merline und seine Kollegen zu Eugenia und fanden… einen Mond.

Man wusste damals schon, dass es so etwas wie Asteroidenmonde oder Doppelasteroiden – was eigentlich die bessere Bezeichnung ist – geben konnte. Im August 1993 flog die Raumsonde Galileo auf dem Weg zum Jupiter am Asteroid Ida vorbei und entdeckte per Zufall, dass er von einem kleinen, nur 1,4 Kilometer großen Felsbrocken umkreist wird. Was Merline und seine Kollegen aber 1998 bei Eugenia fanden, geschah das erste Mal von der Erde aus. Sie gaben ihre Entdeckung am 20. März 1999 bekannt und es dauerte dann noch einmal mehr als ein Jahr, bevor das Objekt am 3. Oktober 2000 einen offiziellen Namen erhielt.

Der Mond von Eugenia wurde Petit-Prince genannt, also “Kleiner Prinz”. Dieser Name bezog sich einerseits auf Napoléon Eugène Louis Bonaparte, den Sohn von Eugénie de Montijo und Napoleon III. Mutter und Sohn waren nun also auch am Himmel vereint – der Name war aber natürlich auch eine Anspielung auf das weltberühmte Buch des Franzosen Antoine de Saint-Exupéry mit dem Titel “Le Petit Prince” beziehungsweise “Der kleine Prinz”. In diesem Buch kommt der kleine Prinz nicht nur von einem Asteroid sondern reist auch von einem Asteroid zu anderem und erlebt dort diverse Abenteuer.

Hier muss ich jetzt kurz einmal abschweifen: So wie die Entdecker von Petit-Prince bin ich durchaus auch der Meinung, dass dieses Buch vermutlich das nicht-astronomische Buch ist, aus dem im Laufe der Zeit die meisten Leuten zumindest ein klein wenig und zum ersten Mal etwas über Asteroiden erfahren und finde die Benennung absolut passend. Aber ich kann natürlich nicht anders als anzumerken, dass der Heimatasteroid im Buch von Saint-Exupéry den Namen “B 612” trägt und so ein Name in der Welt der echten Asteroiden nicht existieren kann. Asteroiden haben eine offizielle Bezeichnung die immer aus einer Nummer und einem Namen besteht – wie eben “(45) Eugenia”. Oder, wenn sie noch keinen offiziellen Namen haben, eine provisorische Bezeichnung, die aber dann immer mit der Jahreszahl der Entdeckung beginnt und von einem Code aus Buchstaben und Zahlen gefolgt ist. Die Bezeichnung für einen Asteroiden kann also nie “B 612” lauten – außer natürlich in der Literatur, wo alles erlaubt ist. Trotzdem haben sich die Astronomen bemüht, die Geschichte von Exupéry halbwegs real werden zu lassen. 2002 wurde ein Asteroid offiziell “(46610) Bésixdouze” benannt. “Bésixdouze” ist französich für “B 612” und die Nummer 46610 wird im Hexadezimalsystem als “B612” geschrieben. Wer will, kann also diesen Asteroid als Heimat des kleinen Prinzen betrachten.

In echt könnt das Ding nicht B 612 heißen... (Arnaud Malon, CC-BY 2.0)

In echt könnt das Ding nicht B 612 heißen… (Arnaud Malon, CC-BY 2.0)

Hier geht es nun aber weiter mit Petit-Prince, 7 Kilometer groß und 1164 Kilometer von Eugenia entfernt. Er umkreist den Asteroid fast kreisförmig und braucht dafür 4 Tage und 18,5 Stunden. Sowohl Petit-Prince als auch Eugenia haben eine sehr geringe mittlere Dichte von 1,1 Gramm pro Kubikzentimeter. Es handelt sich höchstwahrscheinlich in beiden Fällen um sogenannte “rubble piles”, also lose Ansammlungen von Staub und Gestein, die sehr porös ist. Dass beide Himmelskörper hauptsächlich aus Wassereis bestehen ist zwar auch prinzipiell möglich, aber in diesem Fall unwahrscheinlich. Beobachtungen von Eugenia zeigen, dass es dort so gut wie kein Wasser gibt und damit sollte auch Petit-Prince kein Wasser besitzen.

Es ist davon auszugehen, dass Petit-Prince und Eugenia früher ein und der selbe Asteroid waren. Eine Kollision hat dann ein Stück heraus geschlagen und zum Mond gemacht. Es kann auch sein, dass der lose Haufen aus Gestein und Staub so lose war, dass sich aufgrund der Rotation ein Stück heraus gelöst hat.

Die Geschichte von Eugenia und Petit-Prince ist aber noch nicht zu Ende. Jetzt sind wir im Jahr 2004, diesmal in Chile und bei einem noch größeren Teleskop: Dem 8,2 Meter “Very Large Telescope” der Europäischen Südsternwarte. Damit haben der französische Astronom Franck Marchis und seine Kollegen den Himmel beobachtet und einen weiteren Mond von Eugenia entdeckt! Das war am 14. Februar 2004; bekannt gegeben wurde die Entdeckung aber erst am 7. März 2007. Dieser zweite Mond ist kleiner, nur 5 Kilometer groß. Er befindet sich viel näher an Eugenia als Petit-Prince; er zieht seine knapp 2 Tage dauernden Runden in einer Entfernung von 611 Kilometern. Seine Dichte entspricht mit 1,1 Gramm pro Kubikzentimeter genau den beiden anderen Objekten des Systems.

Künstlerische Darstellung des Dreifachsystems aus Silvia, Romulus und Remus. Können aber genau so gut Eugenia, Petit-Prince und Princesse sein... (Bild: ESO)

Künstlerische Darstellung des Dreifachsystems aus Silvia, Romulus und Remus. Können aber genau so gut Eugenia, Petit-Prince und Princesse sein… (Bild: ESO)

Damals waren die drei Objekte des Eugenia-Systems erst das zweite bekannte Asteroidenmehrfachsystem – zuvor hatte man 2001 und 2004 die beiden Romulus und Remus genannten Monde des Asteroids Sylvia entdeckt. Mittlerweile kennen wir mehr als ein Dutzend Asteroiden die zwei Monde haben und Pluto hat sogar 5 Begleiter.

Einen offiziellen Namen hat der zweite Mond von Eugenia übrigens noch nicht. Seine provisorische Bezeichnung ist S/2004 (45) 1. Die Entdecker haben den Namen “Princesse” vorgeschlagen, also “Prinzessin”, was aber von offizieller Seite noch nicht bestätigt worden ist. Obwohl ich ja glaube, dass man mit einem genauen Blick ins Buch von Saint-Exupéry durchaus noch einen passendern Namen finden könnte. Der Name “Rose” ist überraschenderweise noch nicht vergeben…

Kommentare (8)

  1. #1 pederm
    7. Dezember 2018

    “Rose” geht nicht, die umkreist doch wenn, dann den Doctor 😉

  2. #2 Mars
    7. Dezember 2018

    wenn man heute aus dem fenster schaut – egal wo …
    … sieht man unseren Mond nicht, er steht um den Neumondzeitpunkt zu nahe bei der Sonne und kann somit nicht beobachtet werden.

    aber schön zu wissen, dass man noch andere monde beobachten kann.
    ein interessantes thema.

  3. #3 Alderamin
    7. Dezember 2018

    @Mars

    Neumond:

    Ideale Gelegenheit, mit dem Feldstecher nach Komet Wirtanen Ausschau zu halten. Ich schreibe nichts über ihn, denn er ist nicht sehr spektakulär, zu wenig Licht auf zu viel Fläche, und andere wie Jan Hattenbach und Andreas Schnabel haben das ja schon getan. Es braucht einen sehr dunklen Himmel. Der Komet kommt noch ein bisschen näher und wird heller, aber wenn der Mond kommt, ist es mit dem dunklen Himmel vorbei.

    Außerdem steht Neptun heute nur 5 Bogenminuten von Mars entfernt. Wenn man gerade mit dem Feldstecher unterwegs ist…

  4. #4 Alderamin
    7. Dezember 2018

    Ups, Link zu Jans Artikel vergessen (Andreas‘ dann dort).

  5. #5 Mars
    7. Dezember 2018

    danke für die info … wenn auch gut bekannt
    mit astro-daten bin ich täglich gut versorgt (vorallem vom Mars!)
    wenn ich aber auch viel zu selten an den wirklich dunklen stellen die faszination sternhimmel geniessen kann.

  6. #6 Alderamin
    7. Dezember 2018

    @Mars

    Der eine oder die andere lesen vielleicht mit…

  7. #7 Dampier
    8. Dezember 2018

    Wie findet man Asteroiden mit einem Zehn-Zentimeter-Fernrohr ohne Fotografie und ohne Blinkkomparator? Haben die Zeichnungen gemacht, oder brauchte man ein fotografisches Gedächtnis dafür? Ich nehme an, dass die Bewegung eines Asteroiden mit einer Umlaufzeit von über vier Jahren nicht mit bloßem Auge zu sehen ist, oder?

  8. #8 Florian Freistetter
    8. Dezember 2018

    @Dampier: Wenn man immer wieder hinschaut, dann merkt man schon ne Bewegung über mehrere Tage/Wochen hinweg. Und die Leute waren damals anders drauf. Die haben sehr viel des Sternenhimmels im Kopf gehabt und gewusst, wenn da ein Lichtpunkt ist, der eigentlich nicht da sein sollte. Andererseits gab es ja auch damals Sternkarten (Sternkarten zu erstellen war damals und bis ~19 Jhdt ja quasi die Hauptaufgabe der Astronomie – die Sternpositionen waren Basiswissen für alle Leute die sich mit Astronomie beschäftigt haben) zum Vergleich. Und Glück war natürlich damals wie heute immer dabei.